Voigtländer, Robert

[996] Voigtländer, R. Fürchtegott Leberecht Robert Voigtländer wurde am 25.6.1821 zu Königsbrück im Königreich Sachsen geboren. Sein Vater war lutherischer Pfarrer. Erst 14 Jahre alt, trat der Knabe sofort nach seiner Konfirmation in die[996] Walthersche Hofbuchhandlung in Dresden als Lehrling ein. Nur sehr knapp konnten die väterlichen Zuschlüsse sein, und so verlebte Voigtländer eine an Entbehrungen reiche Lehrzeit. Nach Beendigung derselben als Gehilfe bei Geisler in Bremen eingetreten, gestaltete sich in einem bald gefundenen Kreise von Freunden sein Leben angenehmer. Namentlich sein reiches musikalisches Talent fand dort lebhafte Förderung. Nach vier Jahren zog er mit dem Postwagen nach Düsseldorf. Er trat in die dortige Böttichersche Buchhandlung als Gehilfe ein, und schon nach zwei Jahren erteilte sein Chef dem erst 22jährigen jungen Manne Prokura. An der heiteren Geselligkeit der Kunststadt nahm der lebensfrohe Sachse gern Anteil, und bei einer Festlichkeit in Oberkassel lernte er seine spätere treffliche Lebensgefährtin Marie Hartmann kennen.

Nun galt es eine eigene Heimstätte zu gründen, und der eben im Aufblühen begriffene Badeort Kreuznach schien ihm der passende Ort zu sein. Im September 1847 eröffnete Voigtländer sein Geschäft. Wie die buchhändlerischen Verhältnisse des damaligen Ackerbürgerstädtchens zu jener Zeit waren, ist in der Selbstbiographie von Ludwig Christian Kehr sehr anschaulich geschildert. Als Voigtländer dem Kollegen seinen Antrittsbesuch machte, wunderte er sich über den völligen Mangel an Reiselektüre in dem kleinen Laden Kehr's. Auf eine bezügliche Bemerkung gab dieser zur Antwort: »Ach, so ebbes kaaft m'r in Kreiznacht nit!« Und allerdings bedurfte es der rastlosesten Arbeit, um den Verhältnissen das Notwendige abzuringen. Erst nach und nach gelang es Voigtländer, aus der Stadt die bestehenden Frankfurter Beziehungen zu verdrängen und in der Umgegend festen Fuß zu fassen.

Allmählich entstand ein fast zu reicher Lokalverlag. Voigtländer besaß eine große Liebe zur Natur, die in den herrlichen Umgebungen Kreuznachs, mit so vielen historischen Erinnerungen, volle Nahrung fand. Da ging er selbst ans Schriftstellern, und so entstanden nach und nach ein »Führer durch Stadt und Umgegend«, mehrere kleine Broschüren, schließlich sogar ein kleines Prachtwerk: »Das malerische und romantische Nahethal«. Aus fremder Feder wurde allerlei auf die Geschichte der Gegend Bezügliches verlegt. Auch ein »Ratgeber für Auswanderer nach Amerika« stammt aus Voigtländers Feder. In den sechziger Jahren veranlaßte ihn seine Begeisterung für die Schönheiten des Rheines zur Herausgabe seines »Rheinbuchs«, dem später noch sein Lieblingswerk: »Der Pfalzführer« folgte. Mit rührender Liebe pflegte er diese seine Schöpfungen; aber Seide wurde bei allen diesen Unternehmungen nicht gesponnen.[997] Dagegen wurde einflußreich für die Firma die Verbindung mit dem damaligen Kreuznacher Rektor J. C. Andrä, der eines Tages mit dem »Grundriß der Weltgeschichte« zu ihm kam.

Ehe jedoch auch dieser Verlag nennenswerte Erträge lieferte, bereiteten die Kriegsjahre von 1864 und 1866 und der vorausgegangene lähmende Druck der politischen Verhältnisse Voigtländer die drückendsten Sorgen. Als 1867 der Krieg mit Frankreich drohte, wurden dieselbe noch gesteigert. Jedoch das Unwetter, verzog sich nochmals und als es 1870 wirklich zum Ausbruch kam, war er besser gerüstet.

Trotzdem war er froh, als ein heimgegangener Ehrenmann, sein Kommissionär Dr. Wilhelm Engelmann, in den kritischen Julitagen 1870, als der Franzosen Einbruch in das Nahetal täglich zu befürchten war und Außenstände in dieser Gegend für einen Leipziger gerade keine besondere Sicherheit boten, ihm schrieb: »Lieber Freund, machen Sie sich keine Sorgen; wenn erst wieder Friede sein wird, mögen Sie meiner gedenken.«

Der Krieg brachte den Eltern auch noch die Sorge um ihren ältesten Sohn, der, damals Gehilfe in der Creutz'schen Buchhandlung in Magdeburg, bei Beginn des Feldzuges Kriegsfreiwilliger wurde und vor Paris lebensgefährlich erkrankte. Ungeachtet der Sorgen der sechziger Jahre hatte Voigtländer die sich darbietende Gelegenheit benutzt, 1867 die Pütz'sche Druckerei anzukaufen, hauptsächlich, um den sich entwickelnden Verlag selbst herzustellen. Groß war die Arbeitslast, die auf dem unermüdlichen Manne lag, namentlich seit 1871 sein Schwager Hartmann, der ihm sechs Jahre lang ein treuer Mitarbeiter gewesen, gestorben war.

Endlich konnte am 1. Januar 1874 sein ältester Sohn, Robert Voigtländer jun. (geb. 1849), in das Geschäft eintreten, und die Entwickelung des Gesamtgeschäfts nahm in gemeinsamer Arbeit auf den vom Vater geschaffenen Grundlagen merkbaren Fortgang. Hierzu gehörte auch die 1876 erfolgte Gründung des »Kreuznacher Tageblatts«, des ersten und auch heute noch einzigen täglich erscheinenden Blattes der Stadt. Das Wagnis gelang, aber auch allzuviel wurde der Arbeit, die das neue Unternehmen verursachte, besonders als unangenehme Erfahrungen betreffs der Redaktion Voigtländer veranlaßten, trotz seiner vorgerückten Jahre dieselbe selbst zu übernehmen. Sechs Jahre lang hat er dieses aufreibende Amt, teils mit, teils ohne fremde Hilfe verwaltet.

Um die Kräfte der Geschäftsinhaber nicht zu sehr zu zersplittern, wurde 1878 das Sortimentsgeschäft und der Ortsverlag an Georg Barth verkauft; gegenwärtig im Besitze von Max Görlich.[998]

1885 trat auch der zweite Sohn, Karl Voigtländer, in die Firma ein, deren Geschäfte in stetem erfreulichen Wachstum begriffen waren.

Am 8. März 1886 glitt Voigtländer abends beim Nachhausegehen aus und erlitt einen Oberschenkelbruch. Es war der Bruch seiner Lebenskraft. Im Frühjahr 1877 befiel ihn ein altes Rheumatismusleiden und nach mehrmonatlichem Siechenlager erlöste ihn am 26. September ein sanfter Tod von der schweren Lebens- und schwereren Sterbensarbeit.

Neben seiner angestrengten, geschäftlichen Arbeit hatte Voigtländer dem Allgemeinwohl sein Talent und seine ausdauernden Kräfte gewidmet. Seit Jahren gehörte er dem Vorstande des »Kaufmännischen Vereins«, des »Antiquarisch-historischen Vereins« an. Er war Ehrenmitglied des »Liederkranzes«, und durch ihn hauptsächlich wurde der »Gesangverein für den gemischten Chor« mit ins Leben gerufen, dessen Vorstande er ebenfalls lange Zeit angehörte; denn Pflege und Hebung der Musik war eine der liebsten Beschäftigungen seiner Mußestunden. Auch der »Verschönerungsverein für das Nahetal« ist sein Werk. Die »Loge« ehrte in ihm den Meister vom Stuhl. Daneben wirkte er als Vorstandsmitglied und langjähriger Vorsitzender des Rheinisch-Westfälischen Kreisvereins der deutschen Buchhändler.

Robert Voigtländer verlegte bald darauf den Verlag nach Leipzig, zweigte aber die Jugendschriftenabteilung ab und übergab sie an Carl Geibel und Dr. Arnold Brockhaus, welche diesen Geschäftszweig unter der neuen Firma Geibel & Brockhaus in Leipzig fortführten.

Robert Voigtländer, übrigens in den weitesten Kreisen bekannt als Verfasser bezw. Bearbeiter des kommentierten Urheber- und Verlagsrecht gab nun seinem Verlag eine ganz neue Richtung. Besonders waren es die »Farbigen Künstler-Steinzeichnungen«, welche auf dem Markte einen ungeahnten Erfolg errangen. Die Künstlersteinzeichnungen sind Originallitographien. Der Künstler selbst entwirft sein Bild auf dem Stein, bestimmt die Farben und überwacht den Druck, so daß die fertigen Blätter bis in alle Einzelheiten hinein sein eigenes Werk sind. An dem Unternehmen, das neben seiner Gediegenheit auch noch durch enorme Preisniedrigkeit auffällt, arbeiten unsere ersten Künstler und bedeutendsten Meister mit, so u. a. L. Dettmann, Otto Fischer, Graf Leopold von Kalckreuth, Fr. Kallmorgen, Arthur Kampf, J. V. Cissarz, W. Georgi, Walter Leistikow, Wilh. Steinhausen, H. von Volkmann, Franz Skarbina und Hans Thoma. Es erleichtert die schöne und ersprießliche[999] Aufgabe, daß dieses Unternehmen auf der Heimat, auf deutschem Land und Volk aufgebaut ist und so sich als ein begrüßenswertes Kulturunternehmen ersten Ranges erwiesen hat.

Nicht minder guten Erfolg hatte der Verlag mit seinen Sammlungen »Biographische Volksbücher« (Lebensbilder hervorragender Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts) in bis jetzt über 150 Bändchen, und der »Neuen Buchkunst«. Weiter seien aus dem gediegenen Verlag noch genannt: Ad. von Hanstein, Das jüngste Deutschland; Schreber-Hennig, Buch der Erziehung; Schmidt, Unser Körper; E. v. Buße, Formenschatz für Mutter und Kind usw.

Seit 1904 ist Dr. Walter Pantenius Mitinhaber der angesehenen Firma.

Quellen: R. Voigtlaender, F. L. R. V., Kreuznach 1888; Verlagskataloge.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 6. Berlin/Eberswalde 1908, S. 996-1000.
Lizenz:
Faksimiles:
996 | 997 | 998 | 999 | 1000

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Anatol / Anatols Größenwahn

Anatol / Anatols Größenwahn

Anatol, ein »Hypochonder der Liebe«, diskutiert mit seinem Freund Max die Probleme mit seinen jeweiligen Liebschaften. Ist sie treu? Ist es wahre Liebe? Wer trägt Schuld an dem Scheitern? Max rät ihm zu einem Experiment unter Hypnose. »Anatols Größenwahn« ist eine später angehängte Schlußszene.

88 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon