Attike

[82] Attike. (Baukunst)

Ein niedriges oder halbes Stokwerk auf einem ganzen oder höhern, nach der ehemaligen Bauart in Athen.

In der heutigen Baukunst kommen zweyerley Attiken vor. Man macht sie entweder über dem Hauptgesims, so daß sie mehr zu dem Dache, als zu dem eigentlichen Körper des Gebäudes gehören, [82] oder man setzt sie unter dem Hauptgesims, so daß sie ein würkliches Geschoß oder Stokwerk ausmachen. Von der erstern Art muß man es herleiten, daß ein über dem Hauptgesims stehendes Geländer bisweilen auch Attike genennt wird, wie wol diesem der Name nicht eigentlich zukömmt. Eine ganz herumgehende Attike wird die genennt, die um das ganze Gebäude geht. Man macht aber auch solche, die nur über einem Theil der Hauptseite stehen.

Die Attike wird in großen Gebäuden oder Pallästen über dem Hauptgeschoß gesetzt, wenn man nicht zwey volle Geschosse braucht, und wird insgemein halb so hoch, als das Hauptgeschoß, gemacht. Wo man hinlänglichen Platz hat, sich auszudehnen, kann man alle Hauptzimmer in ein Geschoß zusammen bringen. Alsdenn wäre es eine ganz unnütze Sache, die geringern Zimmer, für Bediente und den persönlichen Gebrauch, in eben der Höhe zu machen. Folglich thut man in diesem Falle sehr wol, ein Attike über das Hauptgeschoß zu setzen. Dadurch bekömmt auch das Gebäude von außen ein gutes Ansehen, indem es nicht zu hoch wird, und die Pracht des Hauptgeschosses durch den Gegensatz des Attike noch vermehrt wird. In diesem Fall aber müssen die Säulen und Pilaster durchaus bis an das Hauptgesims gehen, wie an dem Opernhause in Berlin; denn es steht nicht gut, wenn die Attike durch ein Gesims oder Gebälke von dem Hauptgeschoß getrennt ist.

Man macht auch bisweilen eine Attike zwischen zwey Hauptgeschossen, oder hohen Stokwerken, damit die Bedienten gerade über den Zimmern der Herrschaft ihre Wohnungen in dieser Attike nehmen können. Eine solche ist z. E. zwischen dem Hauptgeschoß an dem königlichen Schloß in Berlin, auch in dem Pallast des Cardinal Borghese in Rom. Dergleichen Attiken sind zwar sehr bequem; sie verstellen aber das Ansehen des Gebäudes etwas, oder müssen, wie auf dem berlinschen Schlosse, sehr niedrig gemacht werden.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 82-83.
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