Geländer

[446] Geländer. (Baukunst)

Eine Art Verzäunung oder Einfaßung hoher, oder abgesönderter Plätze in den Gebäuden, damit man nicht über eine gewisse Stelle hinaustrete. Die Oerter, welche mit Geländern umgeben werden, sind freye Gallerien auf Dächern über den Gebälken der Gebäude, Balkone, Fensteröffnungen, die bis auf den Boden heruntergehen, und auch Treppen, in der Absicht, daß man sich daran halten und stellen könne, ohne Gefahr herunter zu fallen.

Sie werden aber auch gebraucht, gewisse Plätze von andern daran stoßenden abzusöndern. In dieser Absicht braucht man sie in Kirchen, die Chöre von dem Schiff abzusöndern, vor Altären, in Säälen, die Plätze der Throne, Richterstühle oder Lehrstühle von dem übrigen Raum des Zimmers abzusöndern, ingleichen vor Alcoven.

Die Geländer dienen an allen diesen Orten zwar zur Verwahrung der Plätze, die sie einschließen, aber auch zugleich zur Zierrath, daher die neuern Baumeister ihre Beschaffenheit aus den Regeln der Baukunst bestimmt haben. Es giebt aber zweyerley Art Geländer, nämlich Dokkengeländer oder Balustraden, und Stab- oder Blumen- und Laubgeländer, die insgemein von Eisen gemacht werden. Diese werden hauptsächlich zu Treppen und vor die Balkone gebraucht

Die Dokkengeländer bestehen aus Dokken oder kleinen Säulchen, mit unterzwischen gesetzten Postamenten, alles auf einen durchgehenden Fuß oder Plinthe gesetzt, und einem Gesims bedekt. Weil sie hauptsächlich zur Sicherheit gegen das Herunterfallen dienen, so müssen sie wenigstens dritthalb Fuß hoch seyn, an hohen Orten aber werden sie, um ein gutes Verhältnis zum Ganzen zu haben, oft weit höher. Wenn sie um ein Dach gehen, so kann man ihnen die Höhe des Gebälkes, oder wie Blondel will, 1/6 noch darüber gehen.

Die Festigkeit dieser Geländer kömmt hauptsächlich von den Postamenten her, diese müssen also nicht allzuweit aus einander stehen. Wenn das Geländer über einem Gebälk steht, das von Säulen unterstützt wird, so ist die Austheilung der Postamenter natürlicher Weise so, daß gerade über jeder Säule ein Postament stehe. Hat man keine Säulen, so muß man sie so richten, daß sie, als schweerere Theile, nicht über Oefnungen, sondern über Pfeilern oder ganzen Mauren stehen. Sonst darf man in Ansehung ihrer Weite aus einander eben nicht die genaueste Sorge tragen, wenn man nur nicht weniger als fünf, und nicht mehr, als 15 Dokken zwischen zwey Postamenter setzet.

Ofte wird ein Theil des Geländers maßiv, oder aus an einander stoßenden Postamenten gemacht, welches insonderheit in sehr maßiven Gebäuden geschieht. Auf diese Postamente werden zur Vermehrung der Pracht Vasen oder gehauene Bilder gesetzt; doch läßt man sie sehr oft auch ohne solchen Aufsatz.

Die Dokken selbst werden auf verschiedene Weise gemacht. Insgemein sind es kleine bauchigre Säulchen, deren Ründung durch vier Eken unterbrochen ist.

Die ganze Höhe des Geländers kann füglich in 9 Theile getheilt werden, davon 4 Theile zum Fuß, (wenn nämlich das Geländer über einem großen Gebälke steht) 4 Theile zu der Höhe der Dokken, und einer zur Höhe des Gesimses genommen werden [446] können. Man setzet sie so weit aus einander, daß zwischen zweyen, wo sie am dikkesten sind, wenigstens so viel leeres sey, als die Dike des Halses einer Dokke beträgt.

Diese Geländer versteken das Dach eines Gebäudes, und geben ihm daher auch ein besseres Ansehen. Man findet sie an keinen antiken Gebäuden, und Vitruvius gedenkt ihrer nicht. Die flachen Dächer der Alten machten sie auch nicht so nothwendig, als sie uns sind. Vermuthlich haben die Alten zur Verwahrung gegen das Herunterfallen von Dächern maßive Brustwehren gemacht.

Von den eisernen Laubgeländern haben wir hier nichts zu sagen, weil sie mehr unter ganz willkührliche Zierrathen gehören, und ein Werk des Schlössers sind. Eine Menge Zeichnungen solcher Geländer kann man bey Daviller finden.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 446-447.
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