Ammon

Fig. 19: Ammon
Fig. 19: Ammon

[36] Ammon, , der Jupiter der Aegypter, wird mit Widderhörnern zu beiden Seiten des Kopfes vorgestellt. Der ursprüngliche ägyptische Name war Amun und soll einen Heerde- oder Weide-Gott bedeuten. Am höchsten wurde A. in Theben in Ober-Aegypten verehrt, wo die noch jetzt vorhandenen staunenswerthen Ruinen Ueberreste seines Tempels sind. Da nun Theben der Südgrenze Aegyptens nahe liegt, also nach Meroë in Aethiopien hinweist, wo Amun ebenfalls verehrt wurde, und von wo aus Theben nach allen Spuren gegründet worden ist, so haben wir die Widderhörner höcht wahrscheinlich so zu deuten, dass dadurch an die uralte Schafzucht der nomadischen Aethiopier erinnert werden soll, in der ihr bester Reichthum bestand. Bemerkenswerth erscheint besonders auch das Verhältniss des Amun-Dienstes in Ober-, zum Apis-Dienst in Mittel- und Unter-Aegypten. Dort galt noch das Schaf, der Mittelpunkt des Nomadenlebens, hier schon der Stier, der Träger des Ackerbaues, als Symbol des höchsten Gutes. Von Meroë und Theben ging der Amun- oder A.-Dienst mit einer priesterlichen Colonie nach der grossen Oase in der libyschen Wüste über, heutzutage Siwah, von den Römern Ammonium genannt. Hier lernten ihn die Griechen und Römer durch ihre nahe gelegenen Colonien, vornämlich Cyrene, kennen, erklärten den afrikanischen Gott für einerlei mit der höchsten ihnen bekannten Gottheit und verehrten ihn als Jupiter A., dessen Dienst nun auch in mehrere griechische Städte überging. Auch das Sternbild des Widders im Thierkreis wurde mit diesem Cultus in Verbindung gesetzt. Die alten Historiker machten aus diesem Gotte eine geschichtliche Person. Bei Diodor ist A. ein König in Libyen, der des Uranus Tochter, Rhea, zur Gattin gewählt hatte. Eine Untreue, welche er sich mit der schönen Amalthea erlaubte, offenbarte sich durch einen Sohn, den Bacchus, wesshalb A. der Geliebten einen Landstrich schenkte, der seiner gekrümmten Form und Fruchtbarkeit wegen »das Horn des Ueberflusses« hiess. Um der Eifersucht seiner Gattin zu entgehen, schaffte der König das Kind der Liebe nach Nysa (von welcher Stadt dasselbe auch den Namen bekam, der Gott von Nysus, Dio Nysus). Erwachsen, that Bacchus sich durch kühne, grosse Thaten hervor, und Rhea zerfiel um seinetwillen mit ihrem Gatten, verliess ihn, heirathete Saturnus, ihren Bruder, und von diesem ward nun A. angegriffen, nach Creta zu fliehen genöthigt, wohin ihn jedoch auch Saturn verfolgte; Ammon entging durch seinen Sohn Dionysus und Minerva noch grösserem Unglück, indem er nach Libyen zog. Nach seinem Tode unter die Götter des Landes aufgenommen, ward ihm in der fruchtreichen Oase, welche den Namen Ammonitis schon vor seiner Ankunft getragen haben soll, der prachtvollste aller Tempel gebaut, und A. war der höchste Gott der Aegypter. Die ihm als Kennzeichen zugetheilten Hörner sind Symbole der Kraft, der Macht, des Glanzes, und da dieselben in sich selbst zurückgebogen erscheinen, so bedeuten sie »den in sich selbst zurückgezogenen«, den Gott vor seiner Offenbarung, wie etwa der Parabrama der Indier, worauf auch die Mythe deutet, dass Jupiter, den sein Sohn Hercules bat, sich ihm zu zeigen, nach langem Weigern sich endlich in das Fell eines geopferten Widders hüllte, indem nur unter einer Hülle die Sterblichen Gott schauen können, da sie den Glanz seiner Majestät nicht zu ertragen vermögen. - An den Festen des A. ward seine Bildsäule mit Edelsteinen auf das Reichste und Blendendste geschmückt, in feierlicher Procession dem Volke zur Schau umhergetragen, in einem Schiffe sitzend, unter Absingung feierlicher Hymnen. Er erscheint hier als oberster Lenker des Weltschiffes, von welchem alle Bewegungen des Weltalls ausgehen.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 36.
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