Electra

[182] Electra (Gr. M.), »die Klare«,

1) Tochter Agamemnons und der Clytämnestra, erwuchs mit ihrem Bruder Orestes, den sie über Alles liebte, unter den Augen der Mutter und deren schändlichen Verführers, des Aegisthus, bis Agamemnon von Troja zurückkehrte und Clytämnestra ihn umbringen liess. Damals sollten auch seine Kinder sämmtlich getödtet werden, doch E. fand Mittel, ihren jüngern Bruder Orestes mit seiner Amme Arsinoë zu Anaxibia, Agamemnons Schwester und Gattin des Königs Strophius zu Phanote in Phocis, zu schaffen, wo er mit Pylades jene sprüchwörtlich gewordene Freundschaft schloss. Das Muttergefühl der Clytämnestra regte sich jedoch in so weit, dass sie, nachdem der Mord des Agamemnon, der Cassandra, und der Kinder dieser beiden vollbracht war, nicht auch noch Hand an ihre eigene Tochter legte; allein um nichts von ihr besorgen zu dürfen, ward sie durch Agisth mit einem Arbeitsmann aus Argos, weit unter ihrem Stande, verheirathet. Dieser hatte so viel Ehrerbietigkeit gegen seines ehemaligen Königs Tochter, dass er die Ehe nicht vollzog. Endlich schlug die Stunde der Rache: Orestes, zum Manne erwachsen, kam mit deinem treuen Freunde zurück, und unter seiner Hand fielen die beiden Verbrecher; der Taglöhner, welchem E. zugefallen, ward reich beschenkt für seine freundliche Schonung, und die Königstochter mit Pylades vermählt, welcher Ehe Medon und Strophius entsprossten.

2) E., eine der Oceaniden, mit dem Meergotte Thaumas vermählt und von ihm Mutter der Harpyien und der Iris, welche letztere daher auch Thaumantias heisst.

3) E., eine der Plejaden, mit ihren sechs Schwestern (Kindern des Atlas und der Pleïone) an den Himmel gesetzt, wo sie im Sternbilde des Stieres stehen.[182] E. war von Jupiter Mutter des Dardanus und des Jasion, oder sie war mit dem italischen König Corythus vermählt, von welchem sie den Jasion empfing, während sie zugleich von Jupiter den Dardanus gebar. Sie soll den Bewohnern von Ilion das Palladium gebracht haben.

4) E., Schwester des Cadmus, des Gründers von Theben (nach welcher er ein Thor der Stadt das electrische benannte).

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 182-183.
Lizenz:
Faksimiles:
182 | 183