Gejrroed

[213] Gejrroed (Nord. M.),

1) ein mächtiger Riese, der einst den listigen Loke überlistete. Dieser hatte in Freia's Falkengewand eine kleine Vergnügungsreise gemacht, und kam dabei an ein hoch ummauertes Schloos Gejrrödsgard. Auf eine der mächtigen Zinnen setzte er sich, und sah neugierig in die Fenster. Der Riese befahl einem seiner Diener, ihm den seltenen grossen Vogel herabzubringen, und mit unsäglicher Mühe klomm dieser an der schroffen Mauer empor. Der schadenfrohe Loke lachte innerlich über des Burschen Dummheit, der einen Vogel mit blossen Händen greifen wollte, und liess ihn seine beschwerliche Arbeit ganz vollenden, dann erhob er seine gewaltigen Fittiche, um zu entfliehen, doch er war diessmal der Betrogene, denn er sass an der Mauer fest, und musste sich geduldig durch den Verhöhnten fesseln und in G.'s Palast bringen lassen. Dem sonderbaren Vogel in die Augen schauend, meinte der Riese, dass er wohl ein verwandelter Mensch sein könne, befahl ihm zu sprechen, und sperrte, da er diess nicht that, ihn drei Monate lange in einen Käfig, ohne ihm Futter zu geben. Nach dieser Hungerkur entschloss sich Loke, zu sagen wer er sei, und um sein Leben zu retten, versprach er dem Riesen, Thor ohne Mjölner und Kraftgürtel nach Gejrrödsgard zu bringen. Wirklich beredete er den mächtigsten Asen zu einem Spaziergange und zur Zurücklassung seiner einzigen Waffe, und sagte ihm dabei, dass es sehr verdienstlich sein würde, den Riesen so ungerüstet zu besuchen. Thor, in seiner Ehrlichkeit und auf seine Stärke vertrauend, machte sich dahin auf, kehrte aber unterwegs bei der Riesenfrau Gridr, der Mutter des stummen Vidar, ein; diese machte ihn darauf aufmerksam, dass G. ein schlauer und eben so mächtiger Mann sei, rieth ihm, sich vorzusehen, lieh ihm auch ein[213] Paar Eisenhandschuhe, einen starken Gürtel, und ihren eigenen, den Gridursstab. So ausgerüstet, zog er mit Loke zu dem Flusse Vimr, und wollte, nachdem er seinen Pelz aufgeschürzt, hindurchwaten; doch wie er mitten darin war, stieg der Fluss plötzlich und erhob sich ihm bis an den Hals. Thor bedrohte den Fluss vergeblich mit seiner Götterstärke, da bemerkte er, sich umschauend, dass oberhalb der Stelle, an der er hindurchwatete, eine Riesenjungfrau, G.s Tochter, an beiden Ufern stand und so das Wasser steigen machte; lachend wies Thor seinem Begleiter die Ursache des ungewöhnlichen Zuflusses, nahm einen Stein und warf ihn nach dem Jotenweibe, sagend: »bei der Quelle stockt der Fluss,« traf glücklich und alsbald kam er ungehindert hinüber. - Bei G. angelangt, wies man den Fremden ein Zimmer an, in welchem sich ein grosser Lehnstuhl befand, auf den Thor sich setzte. Sogleich bemerkte er, dass derselbe sich gegen die Decke hebe; da stützte er seinen Gridursstab dagegen und drückte nun mit aller Macht abwärts. Es entstand ein gewaltiges Krachen unter dem Stuhl, ein fürchterliches Geschrei erhob sich; siehe! G.s Tochter Gjalp und Greid hatten darunter gesessen, den Stuhl erhoben, und Thor hatte Beiden die mächtigen Riesenleiber zerbrochen. - Die Fremdlinge leitete man nun in einen Saal, wo sich der Riese befand; so wie Thor gerade vor ihn hintrat, nahm er einen glühenden Eisenklumpen aus dem Feuer des Herdes und warf ihn nach Thor. Dieser fing ihn mit den Eisenhandschuhen auf, schleuderte ihn nach G., der sich hinter einer eisernen Säule verborgen, doch der Wurf durchdrang die Schutzwehr, durchbohrte den Riesen und die hinter ihm befindliche Wand, und fuhr weit in den Erdboden hinein; so rettete sich Thor aus der Gefahr, in welche Loke ihn gestürzt.

2) G., König des Gotnalandes, von Frigga gehasst und dem Untergange geweiht. Ihn wollte Odin besuchen, wovon ihn Frigga in Kenntniss setzen und vor dem Fremden als einem Zauberer warnen liess; als nun Odin kam, und aus einem damals allgemeinen Aberglauben seinen Namen nicht nennen wollte, hängte ihn G. acht Tage lang zwischen zweien Feuern auf, um ihn zum Geständniss zu zwingen. In dieser Zeit besang Odin unter dem Namen Grimner seine eigenen Thaten und andere mystische Sagen, endlich aber nannte er sich; jetzt wollte G. hinzulaufen, um den Gott zu entfesseln, stolperte jedoch und fiel in sein eigenes Schwert. Mit seinem Tode war der Zauber gelöst und der gefesselte Odin wieder frei.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 213-214.
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