Medea

Fig. 211: Medea
Fig. 211: Medea

[324] Medea, (Gr. M.), eine berühmte Zaubrerin, Tochter des Äetes, Königs von Colchis, und der Hecate, Schwester der Circe. Von Beiden in der Kunst der Zauberei unterrichtet, erlangte sie bald einen seltenen Grad von Geschicklichkeit; doch nicht bösen Sinnes, wandte sie ihre Kunst nur dazu an, das Unheil, welches Jene angestiftet, zu verhüten, und die Fremdlinge, welche in Colchis ankamen, von der Gefahr, geopfert zu werden, zu retten, bis ihr Vater, fürchtend, sie wolle durch ihre Handlungsweise nach seiner Krone streben, sie in ein Gefängniss setzen liess, aus welchem sie sich nur durch ihre Zaubermittel zu befreien vermochte. M. floh zu einem Tempel des Sonnengottes, der eine Freistatt war und in der Nähe des Meeres lag; dort war sie zu der Zeit, als die Argonauten in Colchis anlangten; sie erzählte diesen, dass man die Fremden hier zu opfern pflege, verband sich dann mit den Abenteurern zu gemeinschaftlicher Sache, und nachdem sie sich mit Jason, den sie so lieb gewann, wie er die schöne Königstochter, verlobt, machten sie sich auf den Weg nach dem goldenen Vliess, welches in dem Tempel des Mars, siebenzig Stadien von der Stadt Aea, dem Sitz des Königs von Colchis, bewahrt wurde. M. trat bei Nacht vor die verschlossenen Thore, und rief den Wächtern in der Landessprache zu, dass man ihr öffnen möge, was ohne Bedenken geschah, da sie als die Tochter des Königs wohl bekannt war; alsbald drangen die Argonauten ein und hieben die meisten Wächter nieder; M. tödtete den Drachen, der das Vliess hütete, und Alle entkamen glücklich dem sie verfolgenden König. Jason gelangte nun mit M. nach Thessalien, wo man nichts von dem Ausgang der Sache wusste; dort machte die Zaubrerin, da sie sah, dass fünfzig Abenteurer schwerlich eine verschlossene, wohl bewahrte Feste erobern würden, dem Geliebten den Vorschlag, dass sie allein in die Hauptstadt gehen und ihm die Eroberung möglich machen wolle. Sie eröffnete ihm, dass sie mancherlei wunderbar wirkende Mittel bei sich trage; sie habe dieselben bisher nie zum Unheil eines Menschen angewendet, nun aber werde sie damit gegen die Strafbaren leicht sich helfen können (Pelias hatte Jason's Vater[324] vom Throne gestossen und dann ihn, so wie seine Gattin, umgebracht). Sie gab den Helden darauf Alles an, was sie beim Angriff zu thun hätten, und versprach ihnen, von der Burg aus durch Rauch während des Tages, durch Feuer bei der Nacht Zeichen zu geben. - Nun verfertigte sie ein hohles Bild der Diana, in welchem sie allerlei Zaubermittel verbarg, gab sich das Ansehen einer alten Frau, schmückte das Bild mit Allem, was Eindruck auf die Sinne machen konnte, und ging dann in die Stadt, das Volk auffordernd, die Göttin zu ehren. Die Stadt ward von wilder Begeisterung ergriffen, und geleitete die Zaubrerin zur Königsburg; sie bethörte den alten König und seine Töchter so, dass sie glaubten, die Göttin selbst sei von den Hyperboreern gekommen, um das Land zu beglücken, und sich ihr völlig überliessen; sie bot dem Könige an, ihn zu verjüngen, und da er hierüber, als über Unmögliches, in Zweifel gerieth, liess sie sich Wasser bringen, verschloss sich damit in ein Zimmer, tilgte das künstliche Alter, und erschien in Jugendfülle und entzückender Schönheit vor dem Könige, welcher nun Alles für wahr hielt, von hoher Achtung für sie erfüllt ward, und seinen Töchtern befahl, mit ihm zu thun, was M. ihnen sagen würde. Nachts, als Pelias schlief, liess Jene die Mädchen ihren Vater tödten, damit sie seinen Körper kochen könne, was zur Verjüngung nöthig sei; den misstrauisch Gewordenen Muth einzuflössen, schlachtete sie einen alten Widder und liess das Bild eines Lammes aus dem Kessel, in dem er gekocht worden, emporsteigen, worauf die Mädchen über ihren Vater herfielen und ihn tödteten; nur die zärtliche Alcestis legte nicht Hand an das greise Haupt des Vaters. Nach vollbrachter That führte sie die Jungfrauen mit lodernden Fackeln auf den Thurm der Burg, und verzögerte durch Beten ihr Herabsteigen, bis die Argonauten herbeikamen. Nunmehr sahen sich die Mädchen auf das Schrecklichste enttäuscht, doch schon war die Mauer überstiegen, das Schloss besetzt, die Wache niedergemacht, und Jason Sieger; er vermählte darauf Pelias' Töchter, und zog mit M. nach Corinth, wo er zehn Jahre wohnte und von ihr drei Söhne empfing: Thessalus, Alcimenes und Tisander. Da verliebte sich Jason in Glauce, die aufblühende Tochter Creons, des Königs von Corinth, und beschloss, diese zu ehelichen und seine Gattin zu verstossen. Nachdem der Vater eingewilligt und den Tag zur Hochzeit bestimmt hatte, suchte Jason M. zuerst zu bewegen, dass sie freiwillig auf die Ehe verzichte; er wolle die neue Ehe nicht schliessen, als wäre er der frühern Verbindung überdrüssig, sondern nur, um für seine Kinder eine Verwandtschaft mit dem Königshause zu knüpfen. M. aber rief zürnend die Götter zu Zeugen seiner Schwüre, Jason achtete ihrer Vorwürfe nicht und vermählte sich mit des Königs Tochter, worauf M. aus Corinth verbannt wurde, doch noch einen Tag zur Ordnung ihrer Abreise erhielt. Während dieser Zeit setzte sie alle ihre Zauberkünste in Bewegung: sie legte Feuer an das Königshaus, in dem Creon unterging und welchem Jason nur mit Noth entkam; darauf mordete sie ihre und Jason's Söhne, und entfloh auf einem Drachenwagen durch die Luft, kam zu Hercules, der ihr Hülfe versprochen, wenn einmal Jason verrätherisch gegen sie handeln sollte, fand den Helden jedoch wahnsinnig, und nachdem sie ihn geheilt, ward er von Eurystheus so sehr gedrängt, dass er nicht im Stande war, ihre Wünsche zu erfüllen; daher ging sie zu König Aegeus nach Athen, den sie zu vielen Ausschweifungen verleitete. Von Creon's Sohne verklagt, ward sie freigesprochen, doch von dem aus Trözen nach Athen kommenden Theseus vertrieben, worauf sie sich nach Phönicien wandte, und Gemahlin eines angesehenen Königs wurde, welchem sie den Medus gebar, der nach dem Tode des Vaters das Reich erlangte; seine Tapferkeit und seine glänzenden Eigenschaften bewogen das Volk, von ihm den Namen der Meder anzunehmen; M. selbst verschwindet hier aus der mythischen Geschichte. Unser Bild zeigt M., im Begriff, ihre Kinder zu tödten: Gruppe, in Arles gefunden.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 324-325.
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