[344] Nemesis, (Gr. u. röm. M.). Das Wort heisst ursprünglich nichts weiter als: die Austheilung; es liegt daher am Tage, dass es schon in den frühesten Zeiten geistigen Bedürfniss des griechischen Volkes war, an eine die Schicksale der Menschen billig vertheilende Macht zu glauben. Diese Vertheilung dachte man sich Anfangs bloss als eine solche, die alles über das gemeinsame Loos hinausschreitende Glück des Einzelnen in's Gleichgewicht zurückbrächte, womit sich die Vorstellung von einem Neide der Gottheit über allzugrosses Glück der Sterblichen verband. Mit der Zeit gestaltete sich dann der Begriff der N. anders, indem er durch die Erstarkung des sittlichen Gefühls veredelt wurde, und damit fiel die N. mit der Erinnys in Eins zusammen. Sie ist nun die rächende und strafende Schicksals-Gottheit, die den übermüthigen Frevler früh oder spät im Wechsel des Geschickes ereilt. Sie wird eine Tochter des Erebus und der Nacht genannt und hat die Beinamen: Adrastea, die Unentrinnbare, und Rhamnusia, von ihrer besonderen Verehrung in dem attischen Flecken Rhamnus. Man bildete sie als jungfräuliche Göttin, beflügelt, die rechte Hand nach dem Munde gewandt, den Blick nach dem Busen gerichtet, mit dem Zügel, dem Rade oder andern Attributen, welche sich auf das Einhalten, Zügeln beziehen. Auf der einen unserer Abbildungen sehen wir, nach einer Schaumünze des Antonius, zwei N. sich[344] anblickend; die eine trägt einen Massstock; neben ihnen steht der nackte Apollo auf seinen Bogen gestützt; die andere zeigt nach einem alten Medaillon N. Panthea (Allgottheit) mit den Flügeln der Victoria, neben sich das Glücksrad, die Schale und Schlange der Hygea haltend, um anzudeuten, dass sie dem, der es verdient, Sieg, Reichthum und Gesundheit bringe.