[406] Saturnus oder Kronos, (Gr. u. röm. M.). Der altitalische S., seinem Namen nach ein Saatengott, und der altgriechische Kronos, ein völlig symbolisches Wesen, das, wie seine Brüder, die übrigen Titanen, auf die urweltlichen und geordneten Naturkräfte hindeutet, auch wohl theilweise mit dem phönicischen ⇒ Moloch zusammenhängt, sind diejenigen zwei Gottheiten der in Manchem von einander so weit abweichenden zwei Religionen, deren Vereinigung zu einem Wesen der spätern, alles Griechische und Römische vermengenden, gelehrten Mythologie am schlechtesten gelungen ist. Kronos, der Sohn des Uranus und der Gäa, war unter den Titanen der Listigste. Seine Mutter hatte die Centimanen und Cyclopen geboren, welche ihrer furchtbaren Gestalt und Stärke wegen von Uranus in die Unterwelt gesperrt worden waren; dieses hatte die Mutter sehr erzürnt, und sie that den Jüngsten ihrer Kinder den Vorschlag, ihre Brüder an dem Vater zu rächen, wovor sie alle zurückschauderten; nur S. that, was sie gewünscht: mit einem scharfen Messer versehen, verbarg er sich bei seiner Mutter, und als Uranus in der Nacht zu der Gattin kam, entmannte ihn S. und warf nach vollbrachter That die Werkzeuge auf die Erde herab, wodurch dieselbe befruchtet wurde. Der Uranide vermählte sich dann mit seiner Schwester, der Titanide Rhea, und aus dieser Ehe entspross das ganze, die Welt beherrschende Göttergeschlecht: Pluto, Vesta, Ceres, Neptun, Juno und Jupiter. Kronos wusste aus einer Prophezeiung seiner Eltern, dass er durch eines seiner Kinder vom Throne gestossen werden würde; um dieses zu verhüten, frass er alle seine Kinder gleich nach der Geburt, bis auf Jupiter, an dessen Stelle Rhea ihm einen in Windeln eingehüllten Stein gab. Der jüngste Sohn, auf diese Weise gerettet, wuchs schnell, schon in einem Jahre, zu ausserordentlicher Grösse und Stärke heran, und erhielt von der Metis (Klugheit) ein Brechmittel, welches er dem Kronos gab, worauf dieser alle die verschlungenen Kinder sammt dem Steine wieder auswarf. Den Stein legte Jupiter zum Andenken an seine wunderbare Errettung am Fuss des Parnassus nieder, verband sich mit seinen Brüdern und Schwestern zum Sturz des Kronos, that ihm, wie dieser seinem Vater gethan hatte, und strebte nach der Herrschaft; die Titanen widersetzten sich jedoch dieser Anmassung, worauf ein zehnjähriger Krieg entstand, der damit endete, dass Jupiter die Centimanen und Cyclopen aus dem Tartarus befreiete, mit ihrer Hülfe die Titanen besiegte und dieselben in den Kerker der befreiten Cyclopen sperrte, vor welchem die Letztern Wache hielten; worauf dann die Verloosung der Herrschaft zwischen den drei Kroniden: Pluto, Neptun und Jupiter, vor sich ging, in welcher der Erstere die Erde, der Zweite das Meer, der Dritte aber den Himmel und sie alle beherrschte. Nun soll der vom Throne gestossene Kronos = S. nach Italien geflohen sein, und unter seiner Herrschaft sich hier das goldene Zeitalter eingestellt haben: die Menschen alterten nicht, lebten, gleich den Göttern, ohne Sorgen, in steter Glückseligkeit, in Gesundheit und Stärke; wenn sie starben, war es ein Schlummer, welcher sie ihres Daseins überhob, indem er sie zu Dämonen machte; ungepflegt trug die Erde alle Früchte, ohne Arbeit gab sie ihnen ihre Schätze; es war das Leben des Paradieses, was die Menschen unter seiner Regierung führten. Zur Erinnerung an dieses ursprüngliche Leben in Unschuld, Freiheit und Gleichheit wurde zu Rom das Fest der Saturnalien jährlich vom siebenzehnten December an, mit gänzlichem Aufhören aller Geschäfte, gefeiert. Die Herren erlaubten dabei den Sklaven alle möglichen Freiheiten, ja es fand kein Unterschied mehr zwischen Herren und Dienern statt; denn die Letzteren sassen am reich besetzten Tisch[406] und die Ersteren warteten auf. Diese heiteren Feste, in denen jede Kurzweil erlaubt war, dauerten anfangs nur einen Tag, wuchsen dann aber immer mehr, bis sie sich unter den Kaisern zu einer ganzen Woche ausgedehnt hatten. Uralte Tempel waren dem S. oder Kronos in Griechenland geweihet; in Rom stand sein Tempel am Fusse des Capitols, und war zugleich Staatsarchiv und Schatzkammer. Der Gott wird gewöhnlich mit einer Sichel abgebildet; die Sense, die Flügel und das Stundenglas, das man ihm auch häufig gibt, sind Attribute, durch die Neueren und durch Ummodelung der Begriffe hinzugekommen. S. unser Bild, wo S. nach einem geschnittenen Steine abgebildet ist. Die Perser stellen den Planeten S. oder den Genius, der ihn beherrscht, fast ganz thierisch dar; der Untertheil des Körpers nähert sich dem des Schweines, an diesen schliesst sich ein Menschenleib mit Menschenarmen an, der gekrönte Kopf ist aber wieder thierisch.