II. Nähere Entwicklung des Ursprungs und Fortgangs der Mythologie

Der Fetischdienst. Der Gottesdienst. Der Sterndienst. Schelling und seine Philosophie der Mythologie. Der Sonnendienst. Die Vielgötterei. Der Gott der Israeliten. Die griechische Mythologie.

[22] Womit hub die Verehrung von etwas Ausserordentlichem unter den Menschen an? Das Allererste war etwas Greifbares, das sie vor sich erblickten, und das sie anstaunten, entweder besonders schätzten oder auch -fürchteten. Da die freundliche Seite der Natur aber, wie es scheint, uns Menschen minder in das Auge fällt, als die dunkle, so dürfen wir sagen: die Furcht war der erste und vorherrschende Beweggrund, dass sie vor einem aussergewöhnlichen Gegenstande sich demüthigten, aus Erkenntniss ihrer eigenen Unzulänglichkeit und Schwäche. Wenn es ihnen nicht leicht möglich war mit einem Dinge fertig zu werden, so legten sie ihm wunderbare Eigenschaften bei, es mochte etwas Lebendes oder etwas Lebloses sein. Gewöhnlich deuchte ihnen ein solcher Gegenstand gefährlich, oder sie meinten doch, dass eine bedenkliche Gefahr von ihm ausgehe, wenn es auch in Wirklichkeit nicht der Fall war. Ein eigenthümlicher Zauber schien an derartigen Auffälligkeiten zu haften. So glaubte man, ein seltsam geformter Steinblock trage die Schuld, wenn in dessen Nähe sich etwas Räthselhaftes ereignet hatte, welches man für die Wirkung einer übernatürlichen Kraft, einer Art von Hexerei ansah; demzufolge hütete man sich vor dem verdächtigen Felsen für ein andermal, wich der Gegend aus, oder nahte sich, wenn es sein musste, unter ängstlichen Geberden und Bitten. Namentlich aber vor gefährlichen Thieren machte sich jene Scheu geltend, die zur Verehrung derselben führte, vor riesigen Ungethümen aller Art, vor den sogenannten Flusspferden, vor scheusslichen Krokodilen und Alligatoren, vor sehr grossen oder giftigen Schlangen und schädlichen Pflanzen. Man griff zur Beschwörung derselben und suchte ihren Zauber abzuwenden, um seine Haut vor Verderben und Nachtheil zu schützen.

Ein zweiter Beweggrund, um etwas Aussergewöhnliches zu feiern und hochzuhalten, entsprang aus der Wahrnehmung vom Gegentheil, nämlich aus der Erkenntniss des Nützlichen und Heilsamen, das ein Gegenstand für die Menschen hatte. Wir dürfen es vielleicht eine dankbare Bewunderung nennen, die man dergleichen Dingen zollte, nachdem die Erfahrung gelehrt hatte, dass in ihnen eine segensreiche Eigenschaft, ein wohlthätiges Etwas, eine Hülfe gegen Gefahr sich biete. So geschah es denn, dass man den Ichneumon oder die Pharaonsmaus anbetete, ein Raubthier, welches die Eier des Krokodils verzehrte, ferner den Ibis, einen reiherartigen Sumpfvogel, dem man die Vertilgung giftiger Schlangen zuschrieb, den Stier, den Bock, die Jagdwaffen, Bogen und Pfeil, alle Mittel, welche dem Hunger vorzubeugen geeignet waren. Noch heutzutag leben in vielen Ländern, wie im hohen Norden Europa's, so in Afrika, Amerika, Australien und auf den Inseln der Südsee eine Menge[22] Völkerschaften, die fast nichts Anderes für heilig und göttlich erachten, als dergleichen äusserliche Gegenstände, Organismen und allerlei oft mit roher Kunst geformte Dinge von plumper Gestalt. Ein solches Objekt der Anbetung heisst ein Fetisch, der ganze Dienst selbst Fetischismus. Eine eigentliche Vielgötterei lässt sich darunter nicht verstehen, da auf dieser Stufe der Erkenntniss an die Festsetzung eines bestimmten Gottes oder an mehrere Götter noch nicht gedacht wurde, sondern blos an etwas Uebermenschliches, vor welchem man Schauer empfand, Scheu, Angst, Ehrfurcht. In diesen Regungen der Seele möchten wir, ohne Zweifel mit Recht, das früheste Aufdämmern der Ahnung sehen, dass es ausserhalb der Menschen gleichsam etwas Unendliches gebe, das sich dem endlichen Geist als unbegreiflich aufdringe. Also würde im besten Sinne die Fetischverehrung den allerersten Anlauf zu einer Religion bezeichnen. Freilich verbirgt sich dahinter auch der gleichzeitige Ursprung des Glaubens an Zauberei, Hexerei und Geisterseherei; was sehr entschuldbar und durchaus nicht auffällig ist. Denn die Menschengeschöpfe jener weit entlegenen Vorzeit waren mit der Natur noch so wenig vertraut, dass es ihnen in den meisten Fällen, zuerst wohl überall, an einer jeglichen Erklärung dessen gebrechen musste, was in ihren Augen wunderbar schien, eigentlich aber gesetzlich und ganz einfach zugegangen war. An das Kindesalter ihrer Bildung dürfen wir keine sonderlichen Anforderungen stellen, noch weniger wäre die Meinung derer begründet, welche ohne Bedenken den kalten Ausspruch wagten: die heutigen Völkerschaften und wildlebenden Horden, die jenem Glauben an die Fetische bis auf diese Stunde ergeben sind, bewiesen damit ihre gänzliche Unfähigkeit zur Kultur. Das hiesse diesen armen Barbaren schweres Unrecht thun. Sie verdienen kein härteres Urtheil, als dass wir sagen, sie seien auf den frühesten Anfängen der Menschenbildung zurückgeblieben, wahrend es sogar zweifelhaft erscheine, ob das Klima der Region, worin sie leben, hier die Hitze, dort der Frost, ihnen je gestatten werde über ihre geistig tiefen Zustände hinauszugelangen. Das können wir vom allgemeinen Standpunkt der Menschheit aus bedauern. Dagegen nicht bedauernswerth ist es, sondern bitter und niederschlagend, wenn wir wahrnehmen, dass selbst innerhalb der gesellschaftlichen Kreise, die einen achtungswerthen Grad der Civilisation errungen zu haben sich brüsten, noch immer eine Masse Personen vorhanden sind, die sich die Existenz übernatürlicher Einwirkungen nicht ausreden lassen, an Geistererscheinungen glauben, an Geheimnisse der Zauberei und an die Schreckgestalten von Gespenstern. Keine Belehrung fruchtet bei dieser Gattung von Menschen, im tiefsten Innern taucht der alte Wahn immer wieder auf und pflanzt sich, wie wir unten sehen werden, von Generation zu Generation fort. Denn die ihnen gebotene Aufklärung erachten sie entweder nicht für stichhaltig, oder sie kommen bei jedem neuen Anlass, gegen ihre bessere Ueberzeugung und mit Kopfschütteln, auf ihre alte Befangenheit zurück. Das geschieht bald harmlos und ohne Schaden, bald zum Nachtheil jener geistigen Entwicklung, deren Zielpunkte fort und fort angestrebt werden müssen, damit man den Feinden des Menschengeschlechts, den Finsterlingen, endlich das Mittel raube, die menschliche Schwäche zu benutzen, die Unwissenheit zu verewigen und das geistige Leben auf der Erde zu ersticken.

Diejenigen Völker, die so glücklich waren, zur Kultur sich aufzurichten, warfen den armseligen Fetischdienst ab. Die Weise ihres Daseins gestaltete sich tröstlicher, ihre Augen lernten schärfer sehen, und es gelang ihnen, durch aufmerksamere Beobachtung der um sie her ausgebreiteten Natur einen höheren Begriff dessen, was göttlich sein möge, zu fassen. Man fing an, ein Wesen zu suchen, von welchem Alles ausgehe und regiert werde. Wir müssen dieses Suchen der Menschen das[23] Umschauen nach einem Grottesbegriff nennen. War diese Neigung eine gesunde oder thörichte? Giebt es, wie so Manche neuerdings zweifelnd fragen, einen Gott? Darauf ersparen wir uns nach dem im ersten Abschnitt Gesagten die Antwort. Hier genügt es zu wiederholen, dass die Neigung von jeher vorhanden gewesen ist: ein Umstand, der in der Schätzung des achtsamen Forschers eine schwerwiegende Bedeutung hat, die ihn stets verhindern wird, leichtfertig über diese als uralt erwiesene Richtung hinwegzuhuschen. Wenn der moderne Hochmuth mit Gelassenheit das Wort hinwirft, die Menschen wären von Anfang an in diesem Punkte irre umhergetappt, so besagte das offenbar, den Menschen einen angeborenen Irrthum zuzuerkennen, welcher jetzt klar zu Tage liege, einen schon in der Urzelle ihnen mitgegebenen falschen Trieb. Die Erfahrung lehrt uns allerdings, dass es oft lange Zeit vergeblich ist, einen tiefeingerosteten Wahnglauben aus den kranken Köpfen der Thoren wegzuschaffen; gesetzt also, für einen solchen Wahn wäre das Suchen der Menschen nach einem Gott zu erachten, so müssten doch die Streiter, die solches jetzt behaupten, siegreiche Gründe mancher Art in das Feld führen können, um einem Jeden zu beweisen, dass ein sonderbarer Weltirrthum bisher obgewaltet habe. Denn das Sehnen nach einem Gott und den Glauben an einen solchen, sagen sie, sei ein Zeichen blosser menschlicher Ohnmacht und Angst, nicht aber vernünftiger Einsicht.

Allein an so wuchtigen Gründen gebricht es durchaus. Die Forschungen sowohl als die darauf gebauten Schlüsse entbehren des Haltes, wie schon oben bemerkt worden ist; jene sind bei weitem noch unzulänglich, diese daher luftig, weil sie aus unzulänglichem Wissen gezogen worden. Nicht besser steht es um die Erfahrung. Auf diese nämlich beruft man sich ebenfalls, auf die Mittheilung, es glaubten keineswegs alle Menschen der Erde an einen Gott, auch heutzutag noch nicht; das Bedürfniss also, irgend einen Gott sich vorzustellen, sei nicht durchweg und allgemein vorhanden. Auch diese Folgerung ist ebenso schief, wie die oben erwähnte, welche den Scherz Virchow's betraf, dass eine Menge Menschen ohne einen Funken von Gewissen wären. Denn die Ausnahme zur Regel erheben zu wollen, ist Blödsinn von ähnlicher Art, als wenn wir behaupten wollten, die Erde sei kalt, weil sie an gewissen Flecken kalt ist. Freilich treffen wir noch heute mit mancherlei rohen Völkerschaften zusammen, die kein Wissen haben von einem Gott, einem sogenannten Schöpfer der Welt, einem höchsten Wesen, das sie verehren möchten. Aber was kommt auf diese Thatsache an? Nicht das mindeste! Wir haben schon oben gesehen, dass in mehreren Erdgegenden sich noch einzelne Horden befinden, die gleichsam im frühen Naturstande verkümmernd fortleben, so dass sie seither die unterste Stufe menschenwürdiger Bildung in keinem Punkte überschritten haben. Unter diesen trifft man denn auch solche Stämme, bei welchen der Begriff von einem Gott noch nicht lebendig geworden, oder doch zu keiner Geltung gekommen ist. Nichtsdestoweniger wäre es eine Verwegenheit, diesen Klassen von Menschen schlechthin die Befähigung abzusprechen, einen Gottgedanken in ihrem Innern zu spüren, sobald sie zu einer glücklicheren Lebensweise sich aufraffen könnten. Blosse thierische Regungen ihnen zuzutrauen, wäre eine Herabsetzung derselben ohne irgend einen vernünftigen Grund. Vergessen wir nicht, dass einst, nach ihrem Hervorgehen aus der Zelle, unstreitig alle Menschen so elend und armselig vegetirten; wobei nicht zu läugnen ist, dass von Anfang an edlere Arten existirt haben mögen, die um so früher und schneller aus der Thierheit erstanden, je günstiger ihre äussere Umgebung war, ein milder Himmel mit gesundem Klima, ein fruchtbares Stück Festland oder eine gesegnete Insel, ein wohlgesicherter Wall, kurz, ein Erdfleck, wo sie alle jene[24] Erfordernisse, die zur Zeit des Aufblühens ihnen den »Kampf um das Dasein« erleichtern konnten, reichlich vorfanden.

Die Thiere irgend einer Menschenart gleichzustellen, hat es nie ein Recht gegeben, und wird es nie eines geben! Sehen wir die Affen an, unsere vorgeblichen Seitenverwandten. Die Geschichte seit etwa sechstausend Jahren hat uns keine Sylbe davon gemeldet, dass diese Thiere in ihrer vollkommensten Art einmal zu irgend einer Zeit eine Spur verrathen hätten, ein leises Anzeichen, dass sie mehr als Thiere wären und einen Fortschritt anbahnten, der auf Weiteres als auf die Erhaltung ihres Leibes sich erstrecke. Und hätten die Affen innerhalb dieses Zeitraums, der kein so ganz kurzer ist, irgend eine geistige Bewegung offenbart, die einen Unterschied von ihrem heutigen Charakter aufzeigte, so müssten wir nicht allein davon gehört haben, sondern auch ohne allen Zweifel noch heute, sei's jährlich, sei's täglich, als Augenzeugen bemerken können, dass diese thierischen Organismen einen wenn auch noch so momentanen Anlauf nähmen, um aus ihrer bisherigen, stumpfen Sphäre einen einzigen, wenigstens lilliputischen Schritt hinauszuthun. Die Umwandlung der Formen und ihre Weiterzeugung müsste sich doch, wenn Darwin und Häckel so ganz Recht hätten, in die Gegenwart hinein ein Bischen fortsetzen und nicht seit der Epoche, wohin Mythologie und Geschichte reicht, durch die gesammte Affenwelt in's Stocken gerathen sein! Sicher steht es, dass Niemand das Experiment machen wird, den Affen einen Gottesgedanken anzuerziehen; sicher steht es, dass kein vernünftiger Mensch, der die Affengeschichte durchgeht, auf den Einfall gerathen wird, einen Affen und einen Buschmann gleichzeitig in die Lehre zu nehmen, mit der Zuversicht, der erstere werde durch nachhaltige Unterweisung dem letztern mindestens bis zu einem gewissen Grade gleichkommen. Und man unterschätze die Buschmänner nicht über alle Massen. Denn es wird uns über sie, wie auch über ihre Nachbarn, die Hottentotten, zuverlässig berichtet, dass diese rohen Seelen Bekanntschaft mit Zauberei haben, also doch an das Vorhandensein ausserordentlicher Einflüsse denken, welche dem Fetischglauben verwandt sind. Ein ernsthaftes Gottsuchen aber darf von den Buschmännern Niemand erwarten; das Geschlecht derselben besitzt keine festen Niederlassungen, sondern es streift rottenweise in ebenso unfruchtbaren als unkultivirten Landstrichen umher, und wie sollten dergleichen Barbaren auf den Gedanken an einen göttlichen Lenker verfallen, da sie noch nicht einmal so weit sind, dass sie einen Häuptling aus ihrer Mitte oder ein gesellschaftliches Oberhaupt über sich gesetzt haben, um irgend einer Leitung zu gehorchen? Ob sie immer in dieser jämmerlichen Lage verharren werden, ist ungewiss; aussterben aber sammt und sonders werden sie schwerlich, damit ein später Naturforscher sagen könnte, in ihnen sei eine Unterart der Menschenart erloschen.

Aus dem Obigen erhellt, dass wir die frühesten Vorstellungen, welche die Mythologie von göttlichem Wesen bringt, keineswegs aus einer willkürlichen Erziehung, die werthlos sein würde, herzuleiten haben. Auf eine regelrechte logische strenge Gedankenfassung jener Urgeschlechter dürfen wir indessen nicht gleich anfangs zählen. Nach Abwertung des kindischen Fetischglaubens wurde die im Innern auftauchende Idee, dass es einen Allwalter aller Dinge geben müsse, weiter verfolgt; zunächst trat ein unsicheres Vermuthen und Schliessen ein, hier so, dort anders beschaffen, bald ein Vorwärtstappen, bald ein Zurückweichen, eine Ungewisse Bewegung, die erklärlich ist aus der Getrenntheit der Völker und aus der lange fortdauernden Jugendlichkeit des menschlichen Nachdenkens. Der erste Gottesbegriff konnte daher wegen des Mangels an anderweitigen Hülfsmitteln nur ein sehr beschränkter sein. Von der Betrachtung der sichtbaren Dinge ausgehend, wandte man seine Augen zum Firmament.[25] Und da werden wir uns wohl einigermassen verwundern müssen, dass man nicht sogleich und auf den ersten Blick von Seiten der damaligen Weltweisen allgemein in dem Gedanken zusammengetroffen ist, ein Etwas, das Jedermann schaute, für das gesuchte Götterwesen anzuerkennen, die Sonne. Denn Einer wie der Andere, sollten wir meinen, hätte sich fragen müssen: was giebt es Grösseres ausser ihr? Die Sonne war es, die man täglich am hohen Firmamente lichtverbreitend aufgehen, hinwandeln und wieder hinter den Horizont versinken sah, eine feurige Scheibe mit unvergleichlicher Strahlenpracht, die Alles erwärmte und belebte, was unter ihr auf der Erde war, vom geringsten Halm bis zum Menschen hinauf. Nahe lag es, diese Erscheinung der Natur sich wegzudenken. Und wenn sie ausblieb und fehlte, was musste da eintreten? Verderben, Tod und Vernichtung alles dessen, was webte und lebte, und zwar in kürzester Frist. Gleichwohl kam sie immer wieder, fortleuchtend von Geschlecht zu Geschlecht, mit unfehlbarer Pünktlichkeit und unverändert. Also konnte es doch wahrhaftig nicht schwer sein, im wandelnden Sonnenrunde endlich den gesuchten Gott zu vermuthen, dessen unermesslichen Segen man tagtäglich inne ward, selbst erlebte und überall umher erblickte. Ein wohlthätiges Wesen musste es überdiess sein, weil man sah, dass ein jegliches Heil von dieser leuchtenden Gestalt ausging und abhing. Der Mond war die nächstbedeutende Erscheinung, die am Firmament sich zeigte. In seinem Aussehen dem Sonnenrund am ähnlichsten unter allem, was man schaute, konnte auch diese lichtspendende Scheibe nichts Anderes bedeuten als ein göttliches Wesen, das im Luftraum hinschwebte und Herrschaft über die Erde ausübte, über jedes Ding derselben. Der Mensch allein hatte die Begabung mitgebracht, dergleichen Gedanken zu denken und aus sich heraus zu nehmen.

Der Kultus von Sonne und Mond war denn der erste, der sich in der gottsuchenden Menschheit Geltung verschaffte. Gleichwohl drang er, so weit wir zurückschauen können, nicht überall durch, wie man doch seiner Natürlichkeit wegen erwarten sollte. Die ersten Spuren und Berichte von dieser Verehrung erhalten wir von einzelnen Völkerstämmen des Morgenlandes; die Langsamkeit, womit der Gottesbegriff vorrückte, erklärt sich, wie erwähnt, aus dem Umstände, dass die Menschen in jener Epoche einen sehr geringen geistigen Austausch hatten, da sie einzelne Gesellschaften bildeten, die durch Land und Wasser von einander abgeschlossen lebten, oder auch nomadisch umherirrten. Ein neugewonnener Gedanke, so klar er sein mochte, bedurfte langer Jahrtausende zu seiner Verbreitung; er blieb einstweilen ein Sondergut derjenigen, die so viel Verstand hatten, ihn zu fassen und sich anzueignen.

Die Sonne hätte eigentlich, als man ihre vorwiegende Bedeutung erkannte, der höchste Weltherrscher und die alleinige Gottheit sein sollen. Doch schon die Betrachtung des Mondes, wie gesagt, brachte sie von dem Kultus eines einzigen Wesens ab. Bald traten noch andere Sterne hinzu, die Planeten, so viele man deren aus dem Heere der Sterne mit der blossen Schärfe des Auges, auf die man damals angewiesen war, herauserkannte. Eine sorgfältige Beobachtung hatte die Folge, dass man fünf Planeten fand, und unter Hinzurechnung von Sonne und Mond ein göttliches Siebenregiment aufstellte. Unterdessen aber hatten die Menschen auch wahrgenommen, dass auf der Erde Gutes und Böses sich zutrug; sie setzten daher ein doppeltes Prinzip fest und theilten die Planeten in solche, die glückbringend, und in solche, die unglückbringend sein sollten. Unter die erstem zählte man die Wandelsterne Venus und Jupiter, unter die letztern Mars und Saturnus; von jenen stammte Friede, Liebe und Wohlfahrt, von den andern Krieg, Hass, Zerstörungslust und Unfriede. Doch unverändert blieben die Eigenschaften nicht, die man den sieben[26] göttlichen Wesen zugetheilt hatte; im Kultus fing der Charakter derselben zu schwanken an, und selbst die ursprüngliche Milde der für wohlthätig erachteten Himmelslenker wurde wahnsinnig ausgedeutet: was Heil zu verleihen geschienen hatte, schlug den Bekennern zu einem grausenhaften Fluch ohne Gleichen aus. Besonders der Dienst von Sonne und Mond, wie er in Vorderasien ausartete, haftet als ein ewiger Schandfleck am Menschengeschlechte. Die Verwilderung nahm eine andere und zwar schrecklichere Gestalt an, als sie je zuvor gezeigt hatte; denn sie ist offenbar über die Rohheit hinausgegangen, die in der Urzeit unter den Menschen hauste. Das entsetzliche Regiment der Priester hatte begonnen!

Von den Erscheinungen der Natur also angeregt, waren die Menschen in dem Prozesse ihrer geistigen Entwicklung bis zu dem Sterndienste vorgedrungen, der lange eine gewaltige Rolle bei den Zendvölkern, Persern, Phöniziern und Aegyptern spielte, auch nach dem glücklichen Arabien sich verpflanzte, wo ein Volk mit Namen Sabäer wohnte. Von diesem soll, der gewöhnlichen Annahme nach, die Benennung Sabäismus herrühren, die man dem Sterndienste beigelegt hat. Die Sabäer waren allerdings auch Sternverehrer, aber umgekehrt erhielten sie wohl von diesem Kultus erst ihren Namen, wie Schelling1 dargethan hat. Zunächst weist dieser Philosoph auf das hebräische und arabische Wort »Zaba« hin. Das Wort Zaha, sagt er, bedeutet das Heer (exercitus), insbesondere das »himmlische Heer,« und davon komme auch der alttestamentliche Name Zebaoth, Herr der Heerschaaren, her. Doch von letzterer Anführung können wir an dieser Stelle keinen Gebrauch machen. Begnügen wir uns mit dem, was Schelling hinzufügt: »Von dem Wort Zaba heisst im Arabischen ein Sternverehrer Zabi oder nach der gelinderen Aussprache Sabi, die Sternverehrung selbst Zabiah (also Sabiah); woraus erhellt, dass die richtige Form des Wortes Zabiismus, zusammengezogen Zabismus ist.« Also sei die bekannte und angenommene Form Sabeismus (Sabäismus) nicht ganz richtig. Genug, Schelling pflegt die Sternverehrung Zabismus zu nennen, aber er thut diess hauptsächlich desshalb, um einen einfachen Ausdruck zu haben für die Bezeichnung der Art und Weise, wie er selbst die Entstehung und Bedeutung des Sterndienstes fasst. Einen Ausdruck wünschte er, der sofort auf den Unterschied seiner eigenen philosophischen Beurtheilung von der gewöhnlichen, die man seither hatte, aufmerksam mache.

Der berühmte Philosoph nämlich holt in diesem Gebiete anders aus, als es vor ihm geschehen war, und im Obigen von uns geschehen ist: er verwirft den Ursprung göttlicher Begriffe aus der sinnlichen Naturanschauung. Dem geistigen Prozess, den die Menschen durchmachten, giebt er einen, wie er offenbar meint, tieferen Hintergrund. Einen Gott nimmt er an, der ausser der Natur ist, in der Natur und durch die Natur seine Urmacht zur Geltung bringt. So dringt Gott denn auch in den Menschen und durch die Menschen auf Erkenntniss seines Selbst hin. Gott ist erst ohne die Natur und wird durch die Natur, was er ist, und theilt sich schaffend mit, immer weiter vorschreitend, um in unserem Bewusstsein klarer und heller hervorzutreten. Schelling will durch sein philosophisches System, wenn ich recht sehe, aus der Mythologie den Beweis führen, dass Gott seine Hand unmittelbar und ununterbrochen über die Menschen halte und in ihr Bewußtsein übergehe: was successive der Fall sei. Auf diesem Wege gelangt er denn auch, wie es wohl sein Hauptzweck war, zur Erklärung der Offenbarung Gottes im Christenthum.

Diesem System zufolge konnte es nicht fehlen, dass Schelling die Sternverehrung,[27] den Zabismus, wie er für Sabäismus sagt, nach Ursprung und Verlauf anders zeichnet. Seine Sätze lauten folgendermassen. Zuvörderst erklärt er den Zabismus für die älteste Religion, die er auch eine astrale Religion nennt; eine begleitende Erscheinung derselben sei das Nomadenleben gewesen (ein früheres Leben der Menschen kennt er also nicht), welches in der ersten Menschheit stattgefunden habe. Und diese erste Menschheit betrachtet er als eine unzertrennte, die noch nicht zum Völkerleben übergegangen, und deren natürlicher Aufenthalt die Wüste gewesen, worin sie, vor dem Eintritt in die Geschichte, unstät, umherschweifend, ohne feste bleibende Wohnsitze, also nomadisch umhergeirrt wären, sich selbst fremd und zugleich Fremdlinge auf der Erde, heimathlos, mit einem nur beweglichen Eigenthum, ihrer Heerde. Denn, sagt er merkwürdig genug, »für das Bewusstsein gab es noch gar keine Aussenwelt, die Natur war finden Menschen wie gar nicht vorhanden«; wie soll man sich das vorstellen? Wie konnte es Nomaden ohne ein Auge für die Natur geben? Setzen wir hinzu, dass Schelling ausdrücklich bemerkt, der mythologische Prozess sei »ein allgemeiner (!) gewesen, von dem die ganze Menschheit ergriffen war; wesshalb auch die Offenbarung ihre Sprache (?) und zum Theil selbst den Inhalt ihrer Lehre den verschiedenen Stufen und Momenten jenes Prozesses gleichsam hätte annähern müssen«, sintemal »alle Offenbarung nur eine successive, nicht auf einmal enthüllende sei«. Also die ganze damals noch ungetrennte Menschheit, glaubt er, soll an diesem Prozess betheiligt gewesen sein, der allgemein durchgegriffen habe und dergestalt erfolgt sei, dass er durchzugreifen vermochte. Denn hören wir weiter, er sagt: »der Zabismus beruhte nicht auf einer blos subjektiven Vorstellung, sondern auf einer realen Gewalt, der das Bewusstsein unterworfen war«; diese Gewalt habe »nicht blos die Vorstellung, sondern ebenso wohl das Leben der ältesten Menschheit bestimmt und beherrscht,« und dadurch (!) sei die ruhelose Bewegung in dem äusseren Leben derselben hervorgebracht worden, die nomadische Wanderung ohne Haus und Herd. So hätten wir denn zu denken, dass Gott sich im Bewusstsein der Menschen gewaltsam, wenn auch allmälig, zur Erkenntniss durchgearbeitet habe, jeden Gedanken hervorrufend, wie zugleich Schritt und Tritt bedingend. Wahrhaftig, ein sonderbares Völkchen mit einem sonderbaren Gott über ihm!

Was aber folgt daraus für die Sternverehrung? Schelling nimmt nicht ein Erkennen durch die Sinne an, sondern einen - von dem Urgöttlichen ausgehenden Einfluss auf das allmälig eintretende Erkennen des göttlichen Wesens, ein Erkennen, welches im innern Bewusstsein des ältesten Menschengeschlechts wie in der Wirkung auf die Aussenseite desselben sich offenbart habe. Daher meint er: dass die astrale Religion »ganz von innen heraus, durch eine innere Notwendigkeit entstanden sei«; ferner sagt er geradezu: »nicht von den wirklichen, den sinnlich erkannten Sternen ging das Bewusstsein aus, um sie zu vergöttern«; denn es habe in diesem ersten Moment, wie oben schon angeführt wurde, für das Bewusstsein noch gar keine Aussenwelt gegeben. »Alles ist,« fährt er fort, »ein innerer, ganz nur im Innern vorgehender Prozess; zu eigentlichen Sterngöttern entschliesst das Bewusstsein sich erst später,« oder, wie er an einer andern Stelle sich ausdrückt, es ist »eine spätere Ausartung, als gewisse Völker die materiellen Sterne selbst anbeteten.« Kurz, seine Meinung geht dahin, dass die astrale Religion (der erste Polytheismus) »nicht sowohl die Sterne als Götter, sondern umgekehrt die Götter als Sterne ansah.« Denn aus seiner ganzen (philosophischen) Ableitung erhelle, dass »er nicht gemeint sei, die sogenannte Sternverehrung von aussen, durch eine empirische Anschauung und darauf erfolgte Vergötterung der wirklichen, noch dazu etwa als körperlich vorgestellten[28] Sterne, entstehen zu lassen.« Diess sei die »gewöhnliche« Erklärung. Man sage: »die wohlthätigen und mächtigen Wirkungen der Himmelskörper (zunächst doch wohl nur der Sonne und des Monds) mussten den noch sinnlichen Menschen veranlassen, diesen Himmelskörpern eine besondere Verehrung zuzuwenden.« Schelling giebt zwar »die gerühmte Leichtigkeit« dieser Erklärung zu, die wenig Mühe mache, aber behauptet seinerseits, »es sei gegen alle Natur, dass die Gestirne erst für blosse materielle Lichter oder Körper gehalten, - dann vergöttert worden«. Gegen alle Natur, behauptet er, nämlich wie er selbst den Gang der Natur sich denkt und darstellt. Schliesslich wollen wir noch bemerken, was Schelling ausserdem über die Sabier sagt, weil seine Worte einen für den ganzen Begriff des Sterndienstes, wie er diesen aufgefasst hat, erläuternden näheren Zusatz enthalten. Er versichert: das Wort Zabier (wie er sie statt Sabier nennt) »bedeutet ursprünglich kein besonderes Volk, sondern die ältesten Verehrer des ausschliesslichen (und in diesem Sinne Einen) Gottes, des kosmischen, des Weltgottes, und so mittelbar auch der Sterne als derjenigen Elemente, in welchen die innerliche, noch ungebrochene Kraft dieses Gottes gegenwärtig ist.« Wir müssen für unsere Leser die letztere Charakterisirung des Einen Gottes im Dunkel lassen; denn es würde zu weit führen, auf den von Schelling vorgetragenen Beweis seiner Ansichten, auf die gesammte Grundlage seiner Philosophie, naher einzugehen.

Was uns sofort an der abweichenden Meinung des berühmten Denkers auffällt, ist hauptsächlich Folgendes. Abgesehen davon, dass die gewöhnliche Erklärung der Sternverehrung, wie er selbst zugesteht, eine leichte und mühelose ist, also mit Recht auch für die einfachste erachtet werden könnte, stossen wir uns an der historischen Auffassung, die er dem mythologischen Prozesse gegeben hat. Erstens soll die älteste Menschheit eine ungetrennte oder noch ungetheilte gewesen sein. Das ist nichts als eine willkürliche Annahme, die sich höchstens auf die mosaische Ueberlieferung stützen könnte. Heutzutage sehen wir diesen Standpunkt, vermöge des neueren Ergebnisses der Naturforschung, wovon Schelling freilich nichts ahnen konnte, für einen veralteten an. Zweitens soll diese älteste Menschheit ein nomadisches Leben geführt haben, wie denn »die Vorväter der Israeliten lange noch Nomaden geblieben seien, als andere Völker schon zum geschichtlichen Leben übergegangen waren.« Ein Nomadenleben ist allerdings bekanntermassen eingetreten, aber nur nicht gleich in jener Urzeit, als die menschlichen Organismen sich zu entwickeln anfingen; oder sagen wir lieber: in dem nomadischen Umherziehen kann man keineswegs die erste Bewegung der frühesten Menschen erblicken, vielmehr bedeutet dasselbe eine schon beginnende Kultur und eine Epoche, wo die Wildheit der Thiere eingeschränkt war. Wenn (nebenbei gesagt) die ältesten Israeliten, von welchen man Kunde hat, noch lange fortnomadisirten, so mochte ihnen das bequem dünken, aber augenscheinlich waren sie in der Bildung gegen andere Völkerstämme zurückgeblieben und hatten sich von ihren Nachbarn ausgeschlossen, oder sie waren von diesen »im Kampfe um das Dasein« vertrieben worden. Drittens behauptet Schelling nach seinem System etwas für uns Seltsames. Diese angeblich älteste Menschheit, die ungetrennte, nomadisirende und vorgeschichtliche, soll dem Zabismus gehuldigt haben, dem »schlechthin ältesten« Religionssystem derselben, und dieser sogenannte Sternkultus soll wiederum auf der einen Seite »dem Menschen die Erde entzogen, ihn verhindert haben auf der Erde sich anzubauen, ihn einen Fremdling auf Erden sein lassen«: was nicht viel anderes besagen würde, als dass diese Religion ein Hemmschuh für die Entwicklung der Menschheit gewesen sein müsste. Und gleichwohl soll andererseits die besagte Religion nichts Geringeres als die Einheit eines Gottes aufgenommen[29] haben, von dem man späterhin wieder abgefallen sei, um in Vielgötterei zu gerathen. Wir sind ausser Stande, den Verlauf dieses Prozesses für einen nothwendigen zu betrachten, wofür ihn Schelling hält, um aus Gott das Werden der Natur zu erklären. Lassen wir den im religiösen Sinne gebrauchten Ausdruck »Abfall« bei Seite. Von Rückschritten ganzer Völker ist die Weltgeschichte voll, nur gehen die Rückschritte schwerlich von Gott aus.

Vergebens sucht Schelling die seltsame Struktur seines Gebäudes durch die Einwendung zu stützen, dass »man es nicht anders als absurd nennen könne«, wenn man dem Menschen den umgekehrten Weg zutraue, ihn erst in ein freies und besonnenes Verhältniss zur Natur setze, also ihn die Sterne als blosse Naturgegenstände empfinden und hernach erst sie willkürlich vergöttern lasse. Allein die Schlussfolgerung scheint verfehlt, da der Satz nicht richtig ist, wonach wir dem ersten Menschengeschlecht, welches zum Gottbegriff vordrang, ein freies und besonnenes Verhältniss zur Natur beimessen sollen. So weit gehen wir nicht, besonders nicht heutzutag; wir weisen blos auf die wohlthätigen Wirkungen hin, die nach und nach die Menschen empfinden und schätzen lernten; diese Wirkungen mussten doch einen Urheber haben, und desshalb geriethen die besten und klügsten Beobachter auf die einfachste aller Vermuthungen, dass hier wohl Götter ihre Macht entfalten dürften. Offene sinnende Augen gehörten zu dieser Erkennung der Verhältnisse, weiter nichts; solche Augen aber waren den Menschen mitgegeben worden, und nur diesen. Sie konnten sehen lernen.

Ebenso wenig dient es dem Vorgehen unsers Philosophen zur Stütze, wenn er den Satz aufstellt, dass »der Mensch, indem er dem mythologischen Prozess anheimfiel, den sein Bewusstsein sich zugezogen« hatte, »nicht in die Natur zurückgefallen, dass er vielmehr der Natur entrückt, durch eine wahre Verzauberung ausser die Natur versetzt worden sei, in das geistige Prius aller Natur, das die Natur als solche für ihn aufgehoben« habe.2 Ein solcher Vorgang wäre dem Menschen gegenüber eine Art von Wunder, aber kein Prozess successiver geistiger Entwicklung, wie wir ihn, mindestens heutzutag, für natürlich und nothwendig ansehen. Freilich, Schellings System brachte eine derartige Anschauung der Dinge mit sich und erleichterte ihm so manche Schlussfolgerung, die wir nicht anerkennen können. Namentlich aber in historischer Beziehung scheidet er nicht sorgfältig genug ältere und jüngere Thatsachen, sondern verbindet bei seiner reichen Belesenheit allerlei Notizen, um sie theils für seine Ideen zu verwenden oder nach seinem Sinne zu erklären. Aeusserst fremdartig muthet es uns an, wenn er »in der vorgeschichtlichen Zeit eine Ruhe und Stille statuirt, die nur der tiefen, feierlichen Stille des Himmels vergleichbar ist. Denn wie der Himmel keine Ereignisse kennt und in lautloser Stille ist, heute wie vor Jahrtausenden, so jene Zeit.« Eine derartige Epoche, das wissen wir jetzt, hat auf der Erde niemals existirt, am wenigsten von dem Augenblicke an, wo das Leben, wenn man so sagen darf, sich erzeugte, rührte und regte in seinen unzähligen, körperlichen Einfassungen! Uebrigens ist es sehr auffällig, dass Schelling die Masse seiner ältesten Menschheit, wie es scheint, durchweg für gleichbegabt ansieht und an keine hervorragenden Individuen denkt, welche in ihr jene Religion angefangen, gefördert, verbreitet hätten. Vielmehr sagt er frank und frei, dass »die älteste Menschheit den Mächten des Himmels diente«, und »nicht[30] zufällig« sei dies geschehen, sondern »eine höhere Macht habe sie unter dem Gesetz dieser Religion erhalten«. Schon desshalb wäre der Vorgang einer solchen allgemeinen Entwicklung ein ausserordentliches Wunder, ganz abgesehen von dem angeblichen höheren Eingreifen in die Entwicklung. Selbst eine ungetrennte Masse zählte ohne Zweifel verschiedene Köpfe unter sich, also auch bunte, schwache, verkehrte Meinungen, die mit jenem Prius unvereinbar sein würden.

Von welcher Seite wir auch die von Schelling vorgelegte Erklärung der geistigen Entwicklung prüfen, aus dem Gesagten ergiebt sich ihre vollständige Unhaltbarkeit von selbst. Wir können seine Darstellung von der ältesten Religion und der angenommenermassen durch sie beherrschten ältesten Menschheit für nichts Anderes erachten, als für eine Dichtung des grossen Philosophen, die einen schonen und anmuthigen Hintergrund hat, aber die Geltung, die sie in seinen Tagen beanspruchen durfte, nicht länger behaupten kann, nachdem durch die neuere Naturforschung so viele alte Mährchen zu Wasser geworden sind.

Unter den Göttern des Sternkultus, welcher die erste Vielgötterei erzeugte, hat sich die Anbetung der Sonne, wie wir vor allen Dingen bemerken wollen, nicht nur am weitesten über die Erde ausgebreitet, sondern auch, obwohl mehr oder weniger modifizirt und geringer geschätzt, am längsten erhalten. Denn die Sonne wurde von sehr späten Völkern immer noch als ein Gott betrachtet, nachdem von ihnen bereits andere Götter angenommen und an die Spitze gesetzt worden waren, die man nun als höhere und mächtigere Wesen verehrte, so dass die Sonne ihrer obersten Stellung verlustig ging. Wir treffen sie namentlich bei den Indern, Persern, Griechen, Römern und Germanen als eine fort und fort gefeierte männliche Gottheit an. Oberster Gott blieb sie, wie es scheint, bei den Aegyptern, dagegen in Indien wich der Indra, wie sie hiess, neuen Obergöttern; also verlor sie an Ansehen gegenüber andern Göttern der genannten Völker. Unerwähnt lassen wir die scheussliche Ausartung des Sonnendienstes unter den syrischen und phönizischen Stämmen, deren Gott Moloch oder Baal hiess, ein hohles in Glut gesetztes ehernes Bild, welches zahllose Opfer von Knaben und Mädchen verbrannte, während Pauken und Flöten das Jammergeschrei der in entsetzlicher Weise Gemarterten übertönten. Verbunden war diese ruchlose Mordgier mit einer unbeschreiblichen Verwilderung der Sitten gegenüber einer weiblichen Gottheit, der speerbewaffneten, jungfräulichen Astarte. Unmenschliche Grausamkeit und bestialische Wollust paaren sich durch eine eigenthümliche Verwandtschaft, laut der Geschichte, zu allen Zeiten. Barbarische Kriege, die Inquisition des Mittelalters (durch die Jesuiten so lange als möglich gepflegt), und die Mörderei der Franzosen am Ende des achtzehnten Jahrhunderts sind Kleinigkeiten gegen den eingeführten Massenmord des Sonnengottesdienstes, der eine geraume Epoche gedauert hat. Wir finden mit ihm nur einen einzigen Vergleich: die Wildheit des alten Mexikanervolks, welche Cortez am Gestade von Verakruz gelandet antraf; leider sollte diese unmenschliche Verirrung der Azteken durch die Verrücktheit spanischen Christenthums ersetzt werden. Die Menschenfresserei in Mexiko und anderwärts hatte aber wenigstens eine Entschuldigung, das Bedürfniss, den Appetit mit solchem Fleische zu befriedigen, welches einst das schmackhafteste schien. Das war bei dem Sonnengottesdienst eines Moloch oder Baal nicht einmal der Fall. Die Verehrer desselben weihten unschuldige Kinder dem unbarmherzigsten Feuertode, einer Tödtungsart, gegen welche die Ertränkung neugeborner Sprösslinge in China, von der man noch bis zur heutigen Stunde hört, so mild ist wie die Ersäufung junger Katzen, die man vornimmt, um das Ueberwuchern dieser Thiergattung zu verhüten. Die Bosheit der Priester erfand diese Scheusslichkeit des Molochdienstes, damit sie ihre Herrschaft[31] stärkten und befestigten, wie sie überall zu thun suchten, wo sie einmal an das Ruder gelangt waren; bei den Persern dürfen wir nur an den Trug der Magier erinnern. Die Priester rissen, wo sie konnten, unter dem Deckmantel der Religion jeglichen Einfluss an sich, indem sie den Menschenmord nach Gutdünken heiligten. So brachten denn die Molochdiener das Mährchen auf, die Menschen müssten die verzehrende Glut des Sonnengottes versöhnen; eine von gränzenloser Verruchtheit ausgedachte Erfindung, welche Schelling, wie wir sehen werden, gewissermassen natürlich erachtet und nach seinem System verarbeitet.

Wir gehören nicht zu den Gottesläugnern, die neuerdings sich aufgethan haben, weil es äusserst bequem ist, Alles zu verneinen. Vielmehr glauben auch wir an einen allgewaltigen Urgeist, der durch das All sich offenbart hat und über dem All schwebt, auf den von ihm ausgegangenen unwandelbaren Gesetzen ruhend, die einem ewigen Fortbau der Natur zu Grunde liegen. Nichts Anderes als die Vervollkommnung kann das Ziel sein, nach welchem hingesteuert wird, und welches für das Menschenauge in eine ebenso unabsehbare Ferne verschwimmt, wie es unabsehbar hinter ihm liegt. Ein ewiges Suchen aber ist der Menschheit vergönnt und ist gerechtfertigt. Wir nehmen also ein solches Numen in und mit dem All unbedingt an. Wäre es nicht von Uranfang oder vielmehr ohne Anfang vorhanden gewesen, so müsste uns die Gesammtheit der Dinge als ein Werk des Zufalls erscheinen, und einen Zufallsgott, wie gesagt, weisen wir mit guten Gründen ab.

Demungeachtet sind wir ausser Stande, uns mit dem Schelling'schen Numen zu befreunden. Unser Philosoph räumt demselben einen übernatürlichen Einfluss auf die gesammte Natur ein, der nicht gesetzmässig wäre, sondern mit der Handhabung der Gesetze sehr seltsam verführe. Denn wie sollten wir uns die sonderbare Annahme erklären, dass dieses Numen erst auf die ungetrennte älteste Menschheit mit so erhabenem Geiste eingewirkt und gleichsam die Glückseligkeit eines Paradieses ausgespendet habe, wie es in der früheren Epoche der Sternverehrung der Fall gewesen sei, in der späteren aber nicht, als die Menschheit getrennt war. Wir könnten dann nicht umhin, auf die Meinung zu verfallen, dass jenes Numen eine ziemliche Zeit lang sein Antlitz abgewandt, achtlos oder mit Absicht die Ausübung seiner Einwirkung unterlassen hätte, obendrein in einem solchen Grade von der Erde sich zurückgezogen haben müsste, dass der grösste Jammer ausgebrochen, der elendeste Rückschritt zur Thierheit eingetreten sei. Die Schelling'sche Erklärung genügt mit nichten, um die Nothwendigkeit einer derartigen Wendung darzuthun. Wir sehen, die Menschheit zertrennte sich (mit unserm Philosophen vorausgesetzt, dass sie einst unzertrennt war) in einzelne Rotten, und die Priesterschaft führte diese Rotten an, so dass die schauderhaftesten Rohheiten, die wir oben angedeutet haben, weithin auf der Erde einrissen. Warum, muss man fragen, hat das Numen dergleichen Rückschritte gestattet, seine Allgewalt nicht fortgesetzt, sondern gleichsam seine Hand fallen lassen, die es ehedem über die Sterblichen gehalten hatte? Was Schelling's System von Gegensätzen, Widerstreit oder Spannung der Potenzen spricht, ist eine künstliche Ausflucht. Denn war Gott durch das All geworden, so müsste er auch seine Gesetze nach wie vor in der ihn offenbarenden Natur walten lassen und den Geist der Menschen sammt ihrem äusseren Leben so zu beherrschen fortfahren, dass sie nicht von der bereits gewonnenen Erkenntniss eines höchsten Wesens abfielen; er müsste ihnen einen Riegel vorschieben, dass sie ihre ganze Begabung, ihre Sinne und ihr Nachdenken nicht auf Scheusslichkeiten der ärgsten Art richteten. Das Schelling'sche Numen hat diess nicht gethan oder konnte es nicht thun; dem Wesen desselben fehlt es an demjenigen, was wir Konsequenz, Aufmerksamkeit, Treue[32] nennen! Ein solches mangelhaftes Numen aber konnte es niemals geben. Daraus folgt, dass wir den Einfluss der göttlichen Urmacht auf die menschliche Entwicklung anders fassen müssen, nämlich so, dass die Menschen sich unter dem für das All und für sie gegebenen Gesetze des Prius fortbewegten, nach den ihnen verliehenen Kräften und nach der äusseren Umgebung ihre Bildung verfolgten, hier schneller, dort langsamer vorrückten oder auch - wieder zurückschritten. Alles nach gesetzlicher Regelung in allen Fällen.

Wie gelangte man nun überhaupt zur eigentlichen Vielgötterei? Ganz wohl hat Schelling eingesehen, dass an einen plötzlichen Wolkenbruch der Mythologie, der über die Menschheit zur Bereicherung ihrer Vorstellungen hereingebrochen wäre, nicht zu denken sei. Auch nach ihm, wie gesagt, war die Entwicklung geistiger Ideen eine successive, nicht eine, die Alles auf einmal in raschem Wurfe gebracht hätte. Eines knüpfte sich an das Andere, so oder so. Aber freilich versteht er diese Successivität der Entwicklung auf seine Weise, nicht auf unsere, wenn er sich folgendermassen darüber hören lässt. Verwerflich und unhistorisch dünken ihm die seitherigen Theorien, nach welchen zur Erklärung der Mythologie nichts weiter erforderlich werde, als dass eine willkürliche Phantasie, nach Belieben oder nach zufälliger Einsicht, jetzt diesen, jetzt einen andern Gegenstand aus der Natur heraushebe, um eine Eigenschaft oder irgend ein Vermögen desselben persönlich zu machen (zu personifiziren). Nach einer solchen Theorie gebe es, wie man leicht sehe, keine gesetzliche Aufeinanderfolge, keine bestimmte Abstufung in der Entstehung der mythologischen Vorstellungen. Gewöhnlich lasse man dieses Personifiziren von den nächsten Erscheinungen und Kräften anfangen, wie diess auch (eine solche Entstehungsweise angenommen) ganz natürlich sein würde, indess geschichtlich die Mythologie in der That vom Entferntesten, vom Himmel angefangen habe. Das Letztere indessen ist eine Schelling'sche Behauptung, die wir im Obigen für das Gegentheil erklären mussten, für ungeschichtlich. Umsonst fügt er daher zur Begründung seiner gegen die gewöhnliche Theorie gerichteten Zweifel hinzu: »so früh sich auch dem Menschen der wohlthätige Einfluss der Himmelslichter bemerklich gemacht haben möge, andere konkrete Gegenstände hätten ihm doch materiell näher gelegen.« Letzteres ist sehr richtig, denn wir haben gesehen, dass die Verehrung der Fetische von solchem Punkte ausgeht. Schelling fährt fort: »gesetzt, man Hesse dieses Personifiziren zufällig vom Himmel anfangen, entweder dass die Weltkörper selbst, oder die sie bewegenden und umtreibenden Kräfte als Götter vorgestellt wurden, so wäre doch kein Verweilen. Dieses willkürliche Personifiziren, einmal im Zug, würde nicht säumen, auch mit den andern, mehr speziellen Naturkräften dasselbe zu thun; es würde also der ganze Haufe der mythologischen Vorstellungen im bunten Durcheinander auf einmal entstehen.« Davon ist die Nothwendigkeit keineswegs einzusehen. Auch das, was »in den Zug« kam, konnte ja auf die langsamste und natürlichste Weise nach und nach vervollständigt werden, je nachdem begabte Individuen die Vorstellungen ihres Geistes von Zeitalter zu Zeitalter fortsetzten und erweiterten. Daher fällt auch die angeknüpfte Behauptung in sich selbst zusammen: ein solches Aufeinmalentstehen im bunten Durcheinander sei »gegen alle Geschichte und ein neuer Beweis, wie sehr jene Theorien, die sich angeblich auf dem rein empirischen Standpunkt halten, vielmehr der wahren Erfahrung, welche hier die wahre Geschichte sei, entgegenstünden. Denn die Geschichte zeige mit unwiderleglicher Bestimmtheit, dass in der Mythologie verschiedene Systeme nacheinander hervorgegangen wären, eines dem andern gefolgt, und je das frühere dem spätern zu Grunde gelegt worden sei.« Der letztere Satz lässt sich heutzutag ebenso gut auf die gewöhnlichen[33] Theorien anwenden, und durch diese wird der geschichtliche Verlauf nirgends bestritten, wie wir oben gezeigt haben, indem wir auf die allmälige geistige Entwicklung des Menschengeschlechts hinwiesen, die ihre Anfänge unendlich weiter zurückzudatiren hatte, als Schelling ahnte. Das Personifiziren hing von der Einsicht einzelner Völker ab; was hier gefunden war, ging später dahin oder dorthin über, ohne dass wir dadurch genöthigt sind, auf Gleichzeitigkeit und auf Gleichmässigkeit der wirkenden Phantasie hinauszukommen. Es versteht sich also von selbst, dass wir auch in der empirischen Theorie keine »gesetzlose Entwicklung« der Mythologie statuiren, sondern das Gegentheil, wie unser Standpunkt darthut. Denn wir läugnen nochmals entschieden, dass »mit der Anregung durch sinnliche Eindrücke und auf dieselbe gebaute Schlüsse«, wie unser Philosoph an einer andern Stelle wiederholt versichert, »eine zufällige Entstehung nothwendig verbunden sei.« Für die Feststellung seines Systems bedurfte er freilich dieser Behauptung, die er jedoch ausser Stande war zu erweisen. Denn er kannte nicht das Ergebniss der heutigen Naturforschung, welche die leibliche und geistige Entwicklung der Menschen endlich vor unser Auge geführt hat; von Zufälligkeit kann nicht mehr gefabelt werden, sondern gesichert ist die klare Gesetzlichkeit, nach welcher sich das Innere und Aeussere von jeher entfaltet hat und immerdar entfalten wird.

Wie aber gelangen wir nun auf den Weg, die Entstehung der Vielgötterei zu erklären? Durch folgende natürliche und einfache Annahme. Als die Menschheit, vom Fetischismus ausgehend, im Bewusstsein die Existenz eines Gottes aufnahm, nachdem sie weiter und tiefer nachgesonnen hatte, so liegt es doch handgreiflich vor, dass sie mit klugen Augen die Sonne bemerkte, die klar und wohlthätig am Himmel glänzte, ja, die man auch für sehr nahe halten mochte, da man von Entfernungen noch gar keine Vorstellung und Erfahrung hatte. Ein Gott war denn aufgefunden, und die Entdeckung eines solchen verbreitete sich von einem Beschauer zum andern, man fing an eine Gottheit sich zu denken, und was man glaubte, griff hier durch und ging dort auf andere Völkerschaften oder Horden über. Wiederum dachten Einzelne im Verlauf der Zeit weiter nach, als der erste Gott, der Sonnengott, so entschieden erkannt war, dass sein göttlicher Rang ausser allem Zweifel stand. Mit dem Einen Weltherrscher begnügte man sich nicht mehr, auch vor andern Erscheinungen am Himmel fühlte man Ehrfurcht und Furcht, und so blieb nichts Anderes übrig, als dass man auch in ihnen göttliche Wesen sah und auf den Gedanken gerieth, untere Götter zweiten Rangs oder Nebengötter von besonderem Machtbereich in die Weltregierung einzusetzen.

Schelling dagegen träumte von einem überirdischen Zwange, der auf den Geist der Menschheit ausgeübt worden sei. Diesen Traum lassen wir nicht gelten, sondern sehen hier nur die Folge einer natürlichen Fähigkeit im Menschen, den ersten Gottesbegriff auszudehnen und weiter zu begründen: man hatte für's Erste keinen Grund, blos mit Einem vorlieb zu nehmen. Nach Schelling war der Zabismus (Sabäismus) selbst »für sich noch unmythologisch und ungeschichtlich«; denn, sagt er, »jene Götter, die im Zabismus verehrt wurden, waren noch weit von menschenähnlichen Göttern und solchen, die man durch Bilder darstellen zu können glaubte, entfernt.« Der Zabismus nämlich sei anfangs keine Idolatrie gewesen.

Was den letzteren auf den Sterndienst bezüglichen Punkt anlangt, so hat er seine Richtigkeit, aber er erklärt sich auf das einfachste aus dem Umstande, dass die Menschen einer so frühen Epoche noch nicht die Fähigkeit hatten, Bilder irgend einer Art zu formen, ja, dass sie wohl nicht einmal die Möglichkeit ahnten, Bildnisse zu verfertigen von sich und andern Organismen, geschweige denn von Unsichtbaren[34] Wesen. Bei der weiteren Entwicklung der mythologischen Elemente, die auf den Sterndienst gefolgt sind, fand sich dann diese Möglichkeit, und der Versuch blieb nicht aus, die Gestalten jener mit Hülfe ihrer Phantasie entdeckten Gottheiten durch allerlei besondere Formen zu versinnlichen, so schlecht sie zunächst auch ausfallen mochten. Nun hatte man etwas Sichtbares vor sich, das man anbeten konnte; alsdann tauchten die Priester auf, die sich den Beruf aneigneten, die gesammte Götterverehrung in ihre Hand zu nehmen, sie zu leiten und zu beherrschen. An den Bildern, die sie machten oder machen liessen, hatten sie noch keinen genügenden Anhalt; sie erfanden desshalb eine Menge für den Kultus nützlicher oder anwendbarer Dinge, schrieben Ceremonien, Opfer und Gebräuche vor, wählten feste Stätten aus, wo der Dienst des einen und des andern Gottes statthaben sollte, und befahlen die Gründung von Hainen, den Bau von Altären und Tempelhäusern, die Einrichtung von feierlichen Versammlungen, prächtigen Aufzügen und heiligen Festtagen.

Zu verschiedenen Zeiten wechselten modenartig die getroffenen Veranstaltungen, die Bildungsstufe der einzelnen Völker anzeigend, eine hohe oder niedere, eine aufsteigende oder zur Verwilderung zurückkehrende. Meistentheils aber gingen, wie es scheint, unsinnige Bestimmungen voraus, ganz abgesehen von den Mitteln, welche die Herrschsucht der Priester zur Unterjochung der armen Menschheit ausbrütete; es dauerte lange, bis hier und da ein Staatsthum sich durch angemessene Entfaltung des religiösen Kultus hervorthat. Es scheint fast unmöglich, die Wechselwirkung der Menschenzüge, die hier sich niederliessen oder dorthin wanderten, heutzutag zu erforschen, um im Einzelnen zu zeigen, was die eine Horde von der andern annahm, was man mitbrachte oder vorfand. Unter etlichen Hauptschichten der Völker stellten sich endlich besondere und doch in manchen Stücken ähnliche mythologische Systeme zusammen; es sind ihrer nur wenige, welche denkwürdige Erscheinungen bieten, so dass sie ausgebildete Kreise der Mythologie genannt werden können. Zu diesen gehören vor allen andern die Religionen der Inder, Aegypter, Perser, Griechen, Römer und Altgermanen, sammt und sonders abgeschlossene Vielgöttersysteme. Der Begriff eines alleinigen im Himmel waltenden Gottes dagegen, die Verehrung eines solchen oder die Annahme eines höchsten Wesens, das allein Alles geschaffen habe und allein zugleich beherrsche, zeigt sich mit bestimmten Umrissen nur bei dem Geschlecht der Israeliten oder Juden. Ob Schelling diesen Gott, der einst, wie es heisst, mit den Urvätern des letztern Volkes persönlich verkehrt hat, aus der Himmelsverehrung der Sterndienstzeit ableitet oder nicht, mag dahingestellt sein: so viel ist bis heute ausgemacht, dass eine gleiche Gottanschauung, wie sie durch die Israeliten gegangen und bewahrt worden ist, in den Ueberlieferungen keines zweiten Volkes gefunden wird, weder was die Gesammtauffassung, noch insbesondere die Alleinigkeit des Gottwesens betrifft. Den Israeliten muss die Menschheit dankbar das Verdienst zuerkennen, den ersten einfachsten Begriff der Gottheit gewonnen und zu den folgenden Geschlechtern übergeleitet zu haben, woher sie ihn auch geschöpft haben mochten. Von den Ahnungen anderer Völker in dieser grossartigen Vorstellung müssen wir absehen; denn zu einem wirklichen Kultus der göttlichen Einheit kam es bei keinem von ihnen, wenn auch Einzelne an einen höchsten Gott dachten und ihm eine schrankenlose Machtvollkommenheit beilegten. Sie hielten immer noch Untergötter daneben hoch.

Die Entstehung der Vielgötterei zu erklären, wollen wir, wenigstens ihren frühsten Anfängen nach, auf Schelling Rücksicht nehmen. Zu dem aufgefundenen einen Gott, sagten wir, gesellte man neue hinzu. Der erste Gott, so sucht nun dieser Philosoph zu beweisen, »konnte dem Bewusstsein nur als männlich erscheinen«; worauf ein »Uebergang« eingetreten sei, der sich dem Bewusstsein nicht wohl[35] anders habe darstellen können, als »wie ein Uebergang vom Männlichen zum Weiblichen, das heisse, wie ein weiblich Werden des erst Männlichen, vermöge einer durchaus natürlichen, ja nothwendigen Vorstellung.« Wir unterlassen hier anzuführen, mit welchen Ausdrücken er »diesen Uebergang von Männlichkeit zu Weiblichkeit, von dem männlichen Gott zu einer weiblichen Gottheit« nachgewiesen hat; wir erwähnen nur, dass er versichert, nicht er mache diese Ausdrücke, sondern die Mythologie selbst drücke sich so kühn aus. Die gewöhnliche Erklärung bringe eine künstliche, blos willkürliche, poetisirende Einkleidung (also gerade das, was wir unserem Philosophen selbst vorwerfen); kurz, er stützt sich auf die seinem System zu Grunde gelegten Sätze von einem sich materialisirenden Urgott, den wir freilich als ein sehr schwankendes Prius gefunden haben. Auf das zeugende sei das gebärende Prinzip gefolgt. Und wie äussere sich dieses? An die Stelle des himmlischen Herrschers, jenes Königs des Himmels, der im Zabismus ausschliesslich verehrt worden sei, trete jetzt die Himmelskönigin, und jener Uebergang, von welchem eben die Rede war, sei in allen Mythologien der Vorwelt dadurch bezeichnete dass an die Stelle des himmlischen Herrschers jene weibliche Gottheit trete, die unter verschiedenen Namen als Mylitta, als Astarte, als Urania von so vielen Völkern verehrt worden. Urania sei nach dieser Ableitung nur Uranos selbst in weiblicher Gestalt, der weiblich gewordene Uranos.

Wir können hier die Erklärung dieser als nothwendig angenommenen Verwandlung (deren Nothwendigkeit wir kurz abweisen) nicht weiter verfolgen. Doch scheint es nicht unangemessen, noch anzuführen, wie Schelling die Sache im Verhältniss zu den Griechen deutet. Denn bei letztern begegnen wir einer Vorstellung, die seinen obigen Ansichten ein wenig zu Statten kommt. Die griechische Mythologie, sagt er, gehöre zwar einem viel späteren Momente, ja, dem letzten Momente der mythologischen Entwicklung an, aber sie habe darum die früheren Momente nicht weniger in sich aufgenommen, nur, wie sich verstehe, auf eigenthümliche Art. Er kommt nämlich auf die von der Entmannung des Uranos erzählte Mythe. Der Uebergang vom Männlichen zum Weiblichen, meint er denn, »konnte ja auch vorgestellt werden als ein entmännlicht, entmannt Werden des zuerst ausschliesslich herrschenden Gottes.« So sei der Uebergang in der hellenischen Mythologie vorgestellt, wo Uranos entmannt werde durch Kronos, der ihm in der Herrschaft folge (was einer anderweitigen Erklärung bedürfe). Hierdurch unterscheide sich also die hellenische von der asiatischen Vorstellung, welche an die Stelle des männlichen Gottes unmittelbar eine weibliche Gottheit, die Urania, setze; aber die wesentliche Identität der hellenischen Vorstellung mit der asiatischen zeige sich darin, dass die griechische Theogonie aus dem Schaum der abgeschnittenen und in's Meer geworfenen Zeugungstheile des Uranos die Aphrodite entstehen lasse, die in der That nur das hellenische Gegenbild der asiatischen Himmelskönigin sei, und insofern ja ebenfalls Urania heisse. Hier sei also Aphrodite oder Urania wenigstens mittelbar Folge der Entmannung des Uranos; auf jeden Fall gehe ihr diese voraus.

Man sollte denken, dass hier nichts als Poesie vorliege. Nachdem aber Schelling der Urania eine bestimmte Stellung angewiesen zu haben glaubt, will er diese Stellung auch historisch rechtfertigen. Dieselbe werde hauptsächlich dadurch bestätigt, dass Herodotos, ein Schriftsteller, der unser grösstes »Vertrauen« verdiene, diese Verehrung der Urania gerade von den ältesten geschichtlichen Völkern herkommen lasse, das heisse, von denen, die zuerst aus der Einheit der ursprünglichen Menschheit ausgeschieden (eine grundfalsche Annahme Schellings, wie oben dargethan worden), den Assyriern, Arabern, Persern. Bei den Persern sei diese Stellung am[36] deutlichsten. Herodotos berichte nämlich, die Perser hätten den ersten, den höchsten Gott in dem lebendigen »Himmelsumschwung« erkannt und verehrt, und dann erst an zweiter Stelle als untergeordnete Naturen Sonne, Mond, ferner dann auch das Feuer, das Wasser, die Winde, das heisse, die Luft in ihren Bewegungen, kurz, die Elemente. Endlich sei auch die Erde, nicht als Element, sondern unmittelbar als Gestirn von ihnen verehrt worden. Von Tempeln, Altären, Götterbildern, überhaupt menschenartigen Göttern, wie es scheine, wüssten die Perser nichts. Sie hätten auf den Gipfeln der Berge vorzüglich dem Himmelsumschwung (so erklärt Schelling den griechischen Ausdruck) geopfert, auch der Sonne und dem Mond, wenigstens anfänglich nur diesen; dazu hätten sie aber auch von den Assyriern und Arabern gelernt der Urania opfern, welche die ersten Mylitta, die zweiten Astarte, sie selbst Mitra nennten. Der Name Mitra, merkt Schelling an, bedeute nichts anderes als die Mutter, nämlich die erste, die höchste Mutter.

Doch wir müssen auf weitere Nachweisungen des berühmten Philosophen verzichten. Ohnehin werden unsere Leser wenig einverstanden sein mit dieser Erläuterung der Theogonie oder des Ursprungs der Vielgötterei. Denn auch in diesem Punkte leuchtet ein, dass die eigentliche Grundlage seines Gebäudes eine künstliche und rein dichterische ist; künstlich, weil er aus einer höchsten geistigen Urgewalt Alles fliessen lässt, was die Menschen sich in ihrem Innern, und zwar unabhängig vom menschlichen Bewusstsein, eingebildet haben sollen; rein dichterisch, weil er die Menschheit nach Ursprung und Geschichte so hinstellt, als hätte sie sich ununterbrochen im Laufe der aufeinanderfolgenden Perioden nach derjenigen Richtung hin entwickelt, die ihr Unterworfensein unter ein unabwendbares Schicksal mit sich brachte, die also die natürliche war und nicht anders sein konnte. Geht er doch so weit in seiner Beharrlichkeit auf dem von ihm eingenommenen Standpunkte, dass er alle nur erdenklichen Momente zusammenspeichert, um selbst jene Scheusslichkeiten, welche im Sonnendienste kleinasiatischer Völkerschaften verübt worden sind, aus der Konsequenz seiner Grundanschauung herzuleiten und gewissermassen zu beschönigen. Daher hält er die beispiellosen Kindertödtungen dieser entmenschten Horden für nichts anderes als für »Versöhnopfer«, die sie dem Gott dargebracht hätten, um seinen himmlischen Zorn abzuwenden, der sonst Alles verzehre, auch den Friedenspender und Heilgeber Melkarth verschlinge, den eigenen Sohn des höchsten Gottes. Anstatt einen so thierischen Rückfall aus der namenlosen Bosheit des Priestergezüchts zu erklären und mit solchen Farben zu malen, dass die späteste Welt vor dem Jammerbilde sich entsetze, greift Schelling, wie kein Zweifel bleibt, auf seinen Gott zurück, der vor der Natur beschlossen habe, durch die Natur sich zu materialisiren; ja, um in diesen Abgrund Licht zu bringen, erkennt er, wenn ich recht sehe, in den verworfenen Aufstellungen der Pfaffen ein erstes Aufblitzen christlicher Ideen. Denn wie schildert man das erfundene Trugspiel? Die Tyrier und Phönizier müssen beständig fürchten, dass ihr Gott, ein verzehrender Feuergott, ihnen den Heiland rauben werde, seinen eigenen Sohn, den Melkarth, der sie seither schütze; daher verbrennen sie ihm, dem Sonnengott und Urgott, ihre theuern Kinder, die doch sonst auch, sammt dem Melkarth, eine Beute der Vernichtung sein würden, wie der ganze Stamm.

Diesen von Ungeheuern teuflisch ausgesonnenen Götzendienst, welcher das Verderben jener Staaten ward, verbindet man überdies noch mit der griechischen Mythologie. Unter dem Melkarth nämlich versteht man den tyrisch-phönizischen Herakles (Herkules), ein Götterwesen, welches, wie auch Schelling für ausgemacht betrachtet,[37] mit dem griechischen Herakles identisch sei. In der That, eine sehr unbegründete Identität. Denn für die Vergleichung bietet dieser Gottessohn höchstens einige Pinselstriche dar, die gemeinsam sind, aber doch einen ganz verschiedenen Hintergrund aufweisen, wie es häufig bei mythologischen Gebilden ist, die ein Volk nachgeahmt hat. Von dem Herakles der Griechen, einer Nation, die immer das Fremde selbstschöpferisch verarbeitet hat, wird lediglich berichtet, dass er ein von Zeus erzeugter Held gewesen sei, der sich durch den Zorn der Hera gezwungen sah, den ihm vorenthaltenen Rang eines Heros (Halbgottes) und die Aufnahme in den Himmel durch schwere Abenteuer zu erkämpfen. Das ist etwas ganz Anderes; einen Gottessohn, der in der eigentlichen Absicht erschienen wäre, um für die Menschheit als Retter zu leiden, stellt er keineswegs vor; er ist nur ein tapferer Streiter für die Götter und Menschen, nebenher auch ein Kämpfer für die Ausrottung der Barbarei, eine den Griechen nützliche Heldenerscheinung. Mehr in diesen Hauptheros der Hellenen hineinzulegen, wäre ein Missgriff philosophischen Tiefsinns, der so weit über die Schnur hauen würde, dass er auf eine schlimmere Oberflächlichkeit hinausliefe, als diejenige wäre, welche man dem gewöhnlichen Gesichtspunkte vorwerfen möchte. Die Griechen in ihrer Blüthezeit wissen keine Sylbe von einem halbchristlichen Heiland; auch haben sie ihrem Herakles nicht gerade sonderliche Ehren dargebracht, geschweige denn Menschenopfer.

Verfolgen wir unsere eigene Ansicht weiter. In ihrem Bewusstsein waren manche Völker, die einen Weg zur Kultur anstrebten, auf die Stufe der Vielgötterei vorgeschritten, gemäss ihrer steigenden Berücksichtigung der sie umgebenden Natur. Sie dachten, dass ausser ihnen und über ihnen ein Götterreich bestehe, welches sie so gestalteten, dass sie ihm die Einrichtungen ihres irdischen Haushalts zu Grunde legten und auf höhere Wesen ihre eigenen Gewohnheiten, Leidenschaften und besonderen Züge übertrugen, im Denken und Handeln. Schon aus dieser Wahrnehmung ergiebt sich, dass Alles aus ihrer Phantasie selbstständig hervorwuchs, was sie von den Göttern glaubten; denn daher kam es, dass sie denselben zwar einen ausserordentlichen und überirdischen Wirkungskreis anzuweisen für nöthig hielten, aber nicht umhin konnten, das göttliche Gebahren nach ihren menschlichen Vorstellungen menschlich zu bemessen. Was die Gestalten der Körper anbelangt, liebte die morgenländische Phantasie, ihnen das Entsetzliche und Verzerrte, ja, das ungeheuerliche aufzuprägen; bei andern Völkern begegnen wir zuerst unförmlichen, dann verfeinerten Bildern, obgleich es häufig vorkam, dass sie irgend etwas Geschmackloses, Kauderwelsches und Absonderliches zur Auszeichnung der Figuren beibehielten, vermittelst welcher die Götter versichtbart wurden. Endlich rückten die Griechen auf den Schauplatz, und diese führten nach und nach die Aufgabe durch, das Schöne aus der Unform herauszuarbeiten und die Göttergestalten so zu idealisiren, dass man zu dem Ausspruche berechtigt ist: sie schufen die Götter nach ihrem eigenen Bilde, indem sie den in der Körperform vollendeten Menschen darstellten, wie er, wenn nicht leiblich, doch geistig vor ihrem Auge stand, gross, herrlich, erhaben, sinnvoll. Die religiöse Aufgabe bahnte ihnen den Weg zur Kunst, und wiederum an der Gestaltung dessen, was ihnen als göttlich vorschwebte, stärkten sie das Kunstgefühl, so dass sie auf dem Gebiete der Kunst die Lehrer der Menschheit geworden sind. Denn sie verstanden es am besten, im Buche der Natur zu lesen, demzufolge ihren Geist zu schärfen und die Kühnheit ihrer Phantasie zu zügeln; sie waren eines der begabtesten Geschlechter, die aus dem innern Orient an die Gestade des westlich gelegenen Mittelmeeres vorgedrängt wurden, wo sie unter einem reichgesegneten Himmel glücklicher gediehen als irgend ein zweites Volk der Erde. Von ihren[38] Göttern streiften sie daher die grellen und wunderlichen Merkmale, auf die wir anderwärts stossen, frühzeitig ab; ebenso die barbarischen und ungeheuerlichen Träumereien von dem geistigen Wesen derselben. Denn die Mythologie der Griechen, wie Schelling mit Recht bemerkt hat, bildet »das Ende« eines langen Prozesses, in welchem die Mythologie entstanden ist. Wir dürfen hinzusetzen, dass die vorzüglichen Denker unter den Hellenen, ehe die Glanzepoche dieses Volks abgelaufen war, durch Tiefsinn und Scharfblick über die von ihren Vorgeschlechtern geglaubten Göttergestalten selbst, also über den mythologischen Prozess hinausgetreten sind. Die Philosophie derselben lehrte sie den Lichtstrahl einer andern Weltordnung, sie wurde die Mutter der neueren Philosophie.

Wohin wir auch blicken, in allen Hauptmythologien finden wir ein Götterreich, mit einem Oberhaupt, welches das Regiment vorzugsweise führt. Die Familienordnung auf Erden wurde, wie oben gesagt, auf die Einrichtung des himmlischen Hofes angewandt, am genauesten in den grossen Systemen der Griechen, Römer und Germanen; die Götter zeigten dieselben Vorzüge und Mängel wie die Menschen. Dem Befehle eines obersten Weltgebieters mussten sämmtliche andere Mitgötter sich fügen, von denen ein jeder zwar eine eigene abgegrenzte Machtsphäre hatte, worin er selbstständig wirken konnte, aber nicht unabhängig hingestellt war; denn auch in diese besonderen Sphären durfte der Oberherr eingreifen, so oft es ihm beliebte, während er wiederum an sie einzelne seiner Machtbefugnisse zeitweilig überlassen konnte. Wie der Hauptgott fast immer vermählt zu sein pflegte, so gab es auch unter den Nebengöttern Gemahlinnen, Söhne, Töchter, ehelose und verehlichte Männer, auch Jungfrauen, die jeden Liebesbund von sich ausschlossen. Noch mehr; der Hauptgott galt hier und da für den Schöpfer alles dessen, was ausser ihm lebte; man führte die Abstammung sämmtlicher Götter auf ihn zurück, wie auch die Erschaffung der sterblichen Wesen, wesshalb er der Vater der Götter und Menschen hiess, so namentlich Zeus bei den Griechen, Odin bei den alten Germanen. Ausserdem reihten sich an die mächtigeren Gottheiten geringere Götterwesen an, die allerlei Verpflichtungen hatten, ferner zahllose Meergötter, Flussgötter, Berggötter, Flurgötter, zahllose sogenannte Nymphen, Göttinnen der Quellen und Bäume, Hausgötter, Genien. Man glaubte die Natur in allen ihren Erscheinungen und Organismen von höheren Wesen erfüllt und belebt.

Ebenso knüpfte man die Fortdauer nach dem Tode, wo sie nicht im Himmel sein sollte, an eine von Göttern und Göttinnen beherrschte Unterwelt an, die ebenfalls ein selbstständiges, doch von dem obersten Gott des Lichtes nicht immer unabhängiges Haupt hatte. Im Uebrigen vermöchte man schwerlich die ausserirdischen Gestalten zu zählen, die nach dem Traum der verschiedenen Mythologien eine Existenz haben sollten, die theils von ewiger, theils von beschränkter Dauer war. Wer ferner könnte die Dämonen zählen, die überall auftauchen, und die Heroen, die bald von Vatersseite, bald von Mutterseite göttlichen Ursprungs waren und durch Thaten auf der Erde als Halbgötter in das Reich des Himmels sich emporrangen?[39]

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Schelling, Philosophie der Mythologie. - Im Obigen wollen wir sein System kurz andeuten und zeigen, welche Bedenken es angesichts der Naturwissenschaft habe.

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Das Schelling'sche Prius der Natur ist dar Gott ausser der Natur, der durch die Natur seiend wird, seien könnend u.s.w. Der Ausdruck »aufgehoben« ist sehr gewählt und soll wohl bedeuten: »zurückgelassen« oder dergleichen.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. XXII22-XL40.
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