Begehen

[799] Begehen, verb. irreg. act. S. Gehen. 1. An einen Ort gehen, vornehmlich um ihn zu besichtigen. So sagt man noch im gemeinen Leben. Das ganze Feld begehen. Die Grenzen begehen. Die Jäger haben das Holz nicht fleißig genug begangen.

2. Figürlich. 1) Eine Weise begehen, einen Gebrauch, eine Gewohnheit mitmachen. Vornehmlich aber, 2) mit gewissen Feyerlichkeiten auszeichnen, wie feyern. Daher, ein Fest begehen, einen Geburtstag, einen Nahmenstag begehen, für feyern überhaupt. Ingleichen, die Fasten mit Schmausen begehen, das Andenken einer wichtigen That begehen. Ehedem war eine Leiche begehen, auch so viel, als sie feyerlich zur Erde bestatten. Daher heißt es noch in dem Theuerdank:


Bis sein Leib nach küngklichem syt

Ist begangen vnd begraben.


Auch das Schwedische begå bedeutet noch zur Erde bestatten. Allein im Deutschen ist davon nur noch das Hauptwort Begängniß, oder Leichenbegängniß üblich. 3) Überhaupt so viel als thun, ausüben, doch nur im nachtheiligen Verstande von bösen oder wenigstens fehlerhaften Handlungen. Ein Laster, einen Diebstahl, einen Mord, eine Thorheit begehen. Eine Untreue an jemanden begehen. Er hat viele Fehler begangen. Ich würde eine solche Unhöflichkeit gewiß nicht begehen. Es ist nicht möglich, daß er eine solche Niederträchtigkeit begehen sollte. Wie hast du das an mir begehen können? Ehedem wurde es auch in gutem Verstande gebraucht; denn so findet man z.B. bey den Schwäbischen Dichtern, ein Wunder begen, verrichten. Im Oberdeutschen ist dieser im Hochdeutschen veraltete Gebrauch auch noch hin und wieder üblich, weil man daselbst auch herrliche Thaten begehet. 4) Sich mit einem begehen, vertragen, eine Bedeutung, welche im Oberdeutschen häufiger ist als im Hochdeutschen. Wenn Mann und Weib sich mit einander wohl begehen, Sir. 25, 2.


Daß sich der grimme Wolf mit Lämmern soll begehn,

Opitz.


Wie naß und trucken sich, wie warm und kalt begehn,

Opitz.


Wenig, die sich wohl verstehn,

Gut begehn,

Günth.


Ich wußte mich mit allen zu begehn,

Wiel.


5) Sich begehen, sich zur Fortpflanzung vermischen, wie begatten; doch nur in einigen Gegenden.

Daher die Begehung in allen obigen Bedeutungen; die Begehungssünden, in der theologischen Sittenlehre, im Gegensatze der Unterlassungssünden.

Anm. Außer diesen bedeutet begehen, 1) in Niedersachsen begaan, in dieser Mundart auch so viel als überfallen, feindlich anfallen. 2) In der Schlesischen Mundart, heftig empfinden. Er hat es sehr begangen, wird bey dem Steinbach durch valde doluit übersetzet, und, er begehet es um des Vaters Tod nicht wenig, non parum morte patris adficitur.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 799.
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