Betragen

[942] Betragen, verb. irreg. (S. Tragen,) welches in doppelter Gattung üblich ist.

I. Als ein Activum. 1) Auf eine Sache so viel als nöthig ist, oder so viel sie fassen kann, tragen. So betragen die Goldschmiede das Silber, welches sie vergolden wollen, wenn sie das verquickte Gold auf dasselbe tragen oder verbreiten, welches vermittelst eines Betragestiftes, oder einer flachen kufpernen Klinge geschiehet, welche an dem einen Ende etwas aufgeworfen ist. Im gemeinen Leben höret man auch nicht selten, daß die Fliegen das Fleisch betragen, wenn sie ihre Eyer in dasselbe legen, oder es, wie der gröbere Hause spricht, beschmeißen. 2) Sich betragen, sich verhalten, von allen sittlichen Handlungen und deren Absichten, welche die Beschäftigung unsers Lebens ausmachen. Sich wohl, oder übel betragen. Er hat sich in seinem Amte sehr schlecht betragen. In dieser Bedeutung, in welcher schon Ottfried B. 2, Kap. 4 das einfache dragen gebraucht, ist der Infinitivus in Gestalt eines Hauptwortes, das Betragen, des -s, plur. inus. noch üblicher, die Beschaffenheit der menschlichen Handlungen in Ansehung ihrer Sittlichkeit, besonders im gesellschaftlichen Umgange, auszudrucken. Ein gutes, ein schlechtes Betragen. Dein Betragen hat mich sehr gewundert. Ich vermuthete von dir ein billigeres Betragen. Im Oberdeutschen sagt man statt dieses Wortes auch der Betrag, die Betragenheit, oder die Betragniß. Sich mit jemanden wohl oder übel betragen, vertragen, fängt an im Hochdeutschen zu veralten. S. auch Benehmen und Verhalten.

II. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, eine gewisse Summe ausmachen. Die ganze Summe beträgt zehn Thaler. Es wird nicht viel betragen. Wie viel betragen seine sämmtlichen Schulden?

Anm. Sich betragen, in der zweyten Bedeutung des Activi lautet im Nieders. sik gedrägen. Veraltete Bedeutungen dieses Zeitwortes sind, sich betragen, für sich ernähren, im Schwabenspiegel, und sich betragen lassen, sich verdrießen lassen, bey dem Hornegk.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 942.
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