Blōß

[1083] Blōß, -er, -este, adj. et adv. der Decke oder Bedeckung beraubt, besonders von solchen Sachen, welche gewöhnlich bedeckt zu seyn pflegen.

1. Eigentlich. Ein bloßer Degen, ein bloßes Schwert, im Gegensatze dessen, welches in der Scheide steckt. Ein bloßes Messer. Auf der bloßen (unbedeckten) Erde schlafen. Besonders für unbekleidet. Mit bloßen Füßen, mit bloßem Kopfe einher gehen. Brust und Arme waren bloß. Er stand nackt und bloß da. Einen Bloßen schlagen, seines Zweckes verfehlen; eigentlich, so fallen, daß man seine Blöße sehen lasse. S. Frischens Wörterbuch.

2. Figürlich. 1) * Beraubt, als ein Nebenwort, mit der zweyten Endung des Nennwortes. Kein Mensch ist aller Sünde bloß.


Vor leide

Sten ich froiden blos,

König Conrad.


[1083] Alles trostes wart si blos,

Fabeln der Schwäb. Dichter Fab. 57.


Wiplicher ere was si blos,

Fabeln der Schwäb. Dichter Fab. 53.


Doch diese Bedeutung ist im Hochdeutschen veraltet, und man gebraucht statt dessen entblößet.

2) Besonders, des Schutzes beraubt, unbeschützet, in welcher Bedeutung dieses Wort besonders im Fechten üblich ist. Sich bloß geben, einen Theil seines Leibes unbeschützt lassen, wo man von seinem Gegner verwundet werden kann, und in weiterer Bedeutung überhaupt, seine Schwäche, sein Geheimniß verrathen. Sich gegen jemanden bloß geben, ihm seine Verlegenheit, sein Bedürfniß offenbaren. Der Himmel entriß dir deine Stütze, und nun stehest du selbst den Mühseligkeiten des Lebens bloß, Dusch, du bist ihnen ausgesetzet. Ich verdiente es wohl seinen Vorwürfen bloß gestellet zu werden. In dieser ganzen Bedeutung ist es am häufigsten als ein Nebenwort üblich.

3) Aller andern Eigenschaften, oder Prädicate beraubt, für allem, nichts als; so wohl in Gestalt eines Bey- als auch eines Nebenwortes. Es ist ein bloßer Argwohn, ein bloßes Geschwätz, es ist weiter nichts als ein Argwohn, nichts als ein Geschwätz. Er hat nichts als das bloße Haus. Das bloße Läugnen wird hier nicht helfen. Schon die bloße Vorstellung von einem solchen Glücke entzückt mich. Sie ist noch die bloße Unschuld, Gell. Unter dem bloßen Himmel liegen, weiter nichts als den Himmel zur Decke haben. Die bloß sinnlichen Ergetzungen stillen nie das ganze Verlangen einer unsterblichen Seele, Dusch. Du glaubtest bloß zum Vergnügen für dich zu leben, ebend. Es kommt bloß darauf an, ob sie sich meinen Vorschlag wollen gefallen lassen, Gell.


Nicht bloß mit Schein und Farben prangen,

Die nur der Pöbel trefflich heißt,

Haged.


Anm. 1. Von diesem Beyworte kommen der Comparativ und der Superlativ nur selten vor, weil es gemeiniglich eine so vollkommene Beraubung bezeichnet, die keiner weitern Grade fähig ist. Von dem Unterschiede zwischen bloß und nackend, S. das letztere. Um des Nachdruckes willen wird dem Nebenworte bloß zuweilen auch allein beygefüget. Ich suche mein Glück bloß und allein in dem Gedanken von ihm. Bloßer Dingen, bloßerdings, für bloß und allein, ist Oberdeutsch.

Anm. 2. Im Oberdeutschen kommt dieses Wort zuerst im Schwabenspiegel vor, wo es blozz und bloz lautet und nackend bedeutet. Doch singt schon Heinrich von der Vogelweide:


Ich sanc hie vor den frowen vmb ir blossen gruos.


Die Niedersächsische und alle mit ihr verschwisterte Mundarten haben statt des ß am Ende ein t. Nieders. bloot, blaut, Dän. blot, Schwed. blott. Im Altfriesischen ist blot arm. In den Logobardischen Gesetzen kommt blutare für plündern, berauben, gleichsam entblößen, und bey dem Ulphilas blautgan für abschaffen vor. Wachter, Frisch und Ihre leiten bloß von lösen, belösen her; eine Ableitung, welche wenig Wahrscheinlichkeit für sich hat. Das alte las, laus, Schein, und das Zeitwort lassen oder laten, sehen und scheinen, schicken sich weit besser hierher. Bloß bedeutet alsdann eigentlich hervor scheinend. Ein bloßes (ein blankes) Schwert, dessen tödtliche Schneide unbedeckt in die Augen fällt. S. Antlitz, Blitzen und Lassen. Blecken, scheinen, wurde ehedem auf ähnliche Art für entblößet seyn gebraucht, und blank, glänzend, kommt noch jetzt zuweilen für bloß vor.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1083-1084.
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