Borgen

[1126] Borgen, verb. reg. act. eine bewegliche Sache als ein Darlehen nehmen, und als ein Darlehen geben. 1. Als ein Darlehen nehmen. 1) Eine Sache als ein Darlehen nehmen, um sie wieder zu geben, entlehnen. Etwas von einem borgen. Ein Kleid, einen Hut, Getreide von jemanden borgen. Geld borgen, es als ein Darlehen aufnehmen. Geborgtes Geld. Etwas auf eines andern Nahmen borgen. Er borget bey allen Leuten, nimmt bey allen Leuten Geld auf. Ein geborgter Meister, bey den Handwerkern, ein Obermeister, der in einem außerordentlichen Falle nur auf kurze Zeit erwählet wird. 2) Eine Waare nehmen, um den Werth derselben in einer gewissen Zeit in Gelde zu erstatten, auf Borg, auf Credit kaufen. Waaren borgen, sie nicht gleich bezahlen. 2. Als ein Darlehen geben. 1) Einem eine Sache als ein Darlehen geben, sie ihm leihen. Einem ein Pferd, sein Kleid, Getreide borgen. Einem Geld borgen. 2) Eine Waare geben, so daß der Werth derselben erst nach einer gewissen Zeit bezahlet werde, auf Borg, auf Credit geben; verborgen. Einem Waaren borgen. Ich borge nicht, ich gebe keine Waaren ohne bare Bezahlung weg. Sprichw. Lange geborgt ist nicht geschenkt.

Anm. In beyden jetzt angeführten Hauptbedeutungen lautet dieses Wort im Nieders. gleichfalls borgen, im Engl. to borrow, im Angels. borgian, im Holländ borghen, im Dän. borge, im Schwed. borga. Borgen oder entlehnen, kommt in dem Schwabenspiegel vor. Bey ältern Oberdeutschen Schriftstellern wird es sich in dieser Bedeutung wohl nicht leicht finden. Dagegen kommt es bey ihnen in andern Bedeutungen desto häufiger vor. Z.B. 1) Für sich hüthen. Ze porgene ist, man muß sich hüthen, Kero. Piporakemes, wir wollen uns hüthen, ebend. Der iro ne borget, der sich nicht vor ihr hüthet, Notk. 2) Sich erinnern. UUer mag iro giborgen, wer mag sich ihrer erinnern? Notker. 3) Ansehen, achten. Niemannis ne borgist, du siehet keines Person an, Notker. 4) Versagen, welche Bedeutung bey dem Ottfried B. 2, Kap. 22, und Kap. 18, vorkommt. 5) Bürge werden, versprechen, gut sagen; welche Bedeutung dieses Wort ehedem im Niedersächsischen hatte, wie aus dem Bremisch-Nieders. Wörterb. und Ölrichs Gloss. ad Stat. Bremens. erhellet. S. Bürge. 6) Harren, warten, welche Bedeutung es noch in Baiern hat.


Das ich der rede gegen ir so lange borge

Das ist des schuld si ist so guot,

Graf Werner von Homberg.


Aus diesen zum Theil sehr verschiedenen Bedeutungen erhellet, daß bergen, borgen, und Bürge genau verwandt sind; ob sich gleich die Grade dieser Verwandtschaft nicht so leicht werden bestimmen lassen. Gottsched, Herr Stosch, die Verfasser der Greifswald. krit. Versuche, und des Hamb. gemeinnützigen Magazins haben den Unterschied zwischen borgen, so fern es als ein Darlehen nehmen oder geben bedeutet, und zwischen leihen und lehnen[1126] fest zu setzen sucht, aber sich dabey um die Erforschung der ersten eigentlichen Bedeutung unbekümmert gelassen, ohne welche doch jener unmöglich bestimmet werden kann. Der Sprachgebrauch entscheidet hier nichts, weil derselbe von keinem andern Unterschiede etwas weiß, als daß borgen mehr der Sprache des Umganges, als der edlern und höhern Schreibart angemessen ist. Das Hauptwort der Borger, derjenige, welcher von einem andern borget, kommt zwar Es. 24, 2, vor, allein im Hochdeutschen ist es nur in der R.A. üblich: ein Borger muß auf den Zahler denken. Im Nieders. bedeutet Borge, und Borgmann einen Gläubiger.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1126-1127.
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