[1372] Dāhin und Dahín, ein Nebenwort des Ortes, welches in einer doppelten Gestalt üblich ist.
1. Als ein anzeigendes Umstandswort, eine Bewegung an einen Ort hin zu bestimmen, den man gleichsam Fingern zeiget, da es denn im Vordersatze stehet, und den Ton alle Mahl auf der ersten Sylbe hat. Bis dahin bin ich gekommen. Tritt mir dahin. Meine Seele entsaget gern den Freuden dieses Lebens, wenn sie nur dāhin, wo sie künftig länger seyn wird, keinen Fluch mitnimmt, Dusch.
Und steiget an der Wesen Kette
Bis dahin, wo den höchsten Ring
Zevs an sein Ruhebette
Zu seinen Füßen hing,
Raml.
Ingleichen in weiterer Bedeutung, das Ziel einer Handlung, die Absicht einer Bemühung zu bezeichnen. Es ist schon dahin mit ihm gekommen, daß er alles verkaufen muß. Suchen sie doch die Sache dahin zu vergleichen, daß u.s.f. Seine Sorgen gehen ohne Aufhören alle dahin, allen alles zu rauben und sich zuzueigenen. Nur vermeide man den Oberdeutschen Gebrauch dieses Wortes, da es mit Verbis verbunden wird, die keine eigentliche Bewegung bedeuten: das Gutachten lautete dahin, daß u.s.f.
2. Als ein beziehendes Umstandswort des Ortes, eine Bewegung nach einem vorher bestimmten Orte zu bezeichnen, da es den Ton alle Mahl auf der letzten Sylbe hat. 1) Eigentlich. Er ist noch nicht in Rom gewesen, aber er wird nächstens dahin reisen. Nimm dieses mit dir dahin. Hast du es da gefunden, so lege es wieder dahin. 2) Figürlich. (a) Eine Richtung des Gemüthes, oder andere Verbindung mit einem vorher genannten Gegenstande auszudrucken. Er spricht nur von Dingen die dahin gehören. Wenn es noch nicht geschehen ist, so laß deine Sorgen dahin gerichtet seyn. (b) Zuweilen verschwindet der Ort, auf welchen sich das da beziehet, und alsdann bedeutet dahin, so viel als hinweg oder weg, und wird in der edlern Schreibart mit verschiedenen Verbis sehr häufig gebraucht, in deren Gesellschaft es auch figürliche Bedeutungen erhält. Einige der vornehmsten dieser Zeitwörter sind:
Fahren. Darum fahren alle unsere Tage dahin durch deinen Zorn, Ps. 90, 9. Die Zeit fähret dahin wie ein Strom. Er ist dahin gefahren, d.i. aus diesem Leben gefahren, gestorben,[1372] mit einer bedenklichen Besorgniß in Ansehung seines künftigen Zustandes.
Fallen. Er fiel dahin wie ein Klotz, auf die Erde. Wir sind wie eine Blume, die dahin fällt, und nicht wieder aufblühet. Fliegen. Meine Tage sind leichter dahin geflogen, denn ein Weberspul, Hiob 7, 6.
Fließen. Ach wie froh wird mein graues Alter in deiner Umarmung dahin fließen! Geßn.
Wie fließet so traurig
Euch das Leben dahin!
Zach.
Geben. Ich habe es dahin gegeben, aufgeopfert, weggegeben. Gott hat sie dahin gegeben in schändliche Lüste, Röm. 1, 26. Welcher ist um unserer Sünde willen dahin gegeben, Kap. 4, 25.
Gehen. Ich gehe dahin ohne Kinder, d.i. ich sterbe, 1 Mos. 15, 2. Die Zeit gehet dahin, wie ein Schatten, vergehet. Haben. Meine Erstgeburt hat er dahin, 1 Mos. 27, 36. Sie haben ihren Lohn dahin, Matth. 6, 2. Denn ihr habt euren Trost dahin, Luc. 6, 24.
Laufen. Wie ein Schiff auf den Wasserwogen dahin läuft, Weish. 5, 10.
Leben. Ihr Hütten stehet offen meinem Freunde, der sein graues Alter süß dahin leben wird! Geßn.
Und lebet so dahin, als dorfte sie nicht sterben,
Opitz.
Müssen. Das macht dein Grimm, daß wir so plötzlich dahin müssen, Ps. 90, 7.
Nehmen. Er nehme es auch gar dahin, 2 Sam. 19, 30. So er über seinen Sohn, der ihm allzu früh dahin genommen ward, Leid und Schmerzen trug, Weish. 14, 15. Bis die Sündfluth kam und nahm sie alle dahin, Matth. 24, 39.
Reißen. Wo mich nicht die Verzweifelung dahin reißt. Den ein Anschein von Gründlichkeit zu glänzenden Irrthümern dahin reißt, Less.
Schießen. Der Bach scheußt dahin von den Leuten, Hiob 28, 4.
Seyn. Er ist dahin, er ist nicht mehr vorhanden, ist gestorben, mit besorglicher Vermuthung. Alle unsere Freuden sind dahin, sind vergangen. Ein Fieber, ein Steckfluß, so sind wir dahin. Meine hohen Absichten, meine stolzen Entwürfe waren alle dahin, Dusch.
Min hoher muot ist ouch dahin,
Burkh. v. Hohenfels.
Sinken. Vor Schmerzen dahin sinken.
Der Dirne sinken die Hände
Von der Arbeit dahin,
Zachar.
Stehen, wo dahin stehen im gesellschaftlichen Leben von einer ungewissen Sache gebraucht wird. Es stehet dahin, ob es wahr ist, es ist noch ungewiß. Es stehet dahin, ob ich ihn jemahls wieder sehen werde.
Stellen. Etwas dahin gestellet seyn lassen, über eine Sache kein Urtheil fällen wollen. Ich stelle es dahin, ob dem also ist, lasse es unentschieden.
Sterben. Dahin sterben, ohne gehörige Vorbereitung sterben. Er starb auch so dahin, Opitz. Ingleichen auch nur wie das einfache sterben. Die Erde wird veralten, und die darauf wohnen, werden dahin sterben, Es. 51, 6. Darum ließ er sie dahin sterben, daß sie nichts erlangten, Ps. 78, 33.
Stürmen.
Die eilende Zeit stürmt alle unsere Freuden dahin,
Dusch.
Und so mit ähnlichen Verbis mehr.
[1373] Anm. Bey dem Notker lautet dieses Wort dar hina, bey den Schwäbischen Dichtern aber schon dahin. Zuweilen werden noch andere Vor- und Nebenwörter im gemeinen Leben an dieses angehänget, die denn zu dessen Bedeutung noch die ihrige mitbringen, z.B. dahinab, dahinan, dahinauf, dahinaus u.s.f. welche aber doch richtiger da hinab, da hinan, da hinauf, da hinaus geschrieben werden.
Buchempfehlung
1889 erscheint unter dem Pseudonym Bjarne F. Holmsen diese erste gemeinsame Arbeit der beiden Freunde Arno Holz und Johannes Schlaf, die 1888 gemeinsame Wohnung bezogen hatten. Der Titelerzählung sind die kürzeren Texte »Der erste Schultag«, der den Schrecken eines Schulanfängers vor seinem gewalttätigen Lehrer beschreibt, und »Ein Tod«, der die letze Nacht eines Duellanten schildert, vorangestellt. »Papa Hamlet«, die mit Abstand wirkungsmächtigste Erzählung, beschreibt das Schiksal eines tobsüchtigen Schmierenschauspielers, der sein Kind tötet während er volltrunken in Hamletzitaten seine Jämmerlichkeit beklagt. Die Erzählung gilt als bahnbrechendes Paradebeispiel naturalistischer Dichtung.
90 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro