Elend (2), das

[1789] 2. Das Elend, des -es, plur. inus. ein fremdes Land, so fern der Aufenthalt in demselben als eine Strafe, oder als eine Widerwärtigkeit angesehen wird, exilium; ein größten Theils veraltetes Wort, welches nur noch in den Redensarten vorkommt, jemanden in das Elend verweisen, ins Elend gehen, im Elende leben, das Elend bauen, d.i. als ein Fremdling in einem fremden Lande wohnen, S. 1. Bauen u.s.f. Und wie er viel Leute aus ihrem Vaterlande vertrieben hatte, so mußte er auch selbst im Elende sterben zu Lacedämon, 2 Macc. 3, 9. Sie sind neulich wieder kommen aus dem Elende darin sie waren, Jud. 5, 21.

Anm. Ehedem war dieses Wort in der jetzt gedachten Bedeutung üblicher, als es jetzt ist. Du mußt denken, daß nirgend kein Elend, sondern wo du hinkommst, daß du überall daheim seyst, Kaisersb. Es bedeutete aber nicht bloß ein fremdes Land und den Aufenthalt in demselben, sondern auch einen Vertriebenen, exulem, einen Fremdling: ja es waren auch das Beywort, elend, fremd, das Zeitwort ellenden, ein Fremdling seyn, sich ellenden, sich entfernen, nebst vielen andern Zusammensetzungen und Ableitungen üblich. Den schon von Frischen angeführten Beyspielen können noch folgende beygefüget werden. Ich was froidebere, Sorge was ellende (fremd) in minem herzen, Gottfr. von Nifen. Mir feit ein ellender bilgerin, mir sagte ein fremder Pilgrim, Rudolph von Rothenburg. O we, was eren sich ellendet (sich entfernet) von tiutschen landen! Walther von der Vogelweide. Muos sich min lip von ir elenden, (entfernen,) Fried. von Husen. Daher wird eine Herberge für fremde, ausländische Personen in den vorigen Jahrhunderten sehr häufig eine Elend-Herberge genannt. Was die Abstammung dieses Wortes betrifft, so ist dessen erste Hälfte leicht zu bestimmen. Es ist das alte el, fremd, ander, welches schon in dem Latein. alius und Griech. αλλος zum Grunde lieget, und noch in der Niedersächsischen und einigen verwandten Mundarten, wenigstens in Zusammensetzungen angetroffen wird. Dahin[1789] gehören das mittlere Latein. albanus, albanagium, das Goth. aljath, anders wohin, das Engl. else, sonst, das Nieders. elaat, welches so viel als das Hochdeutsche albern bedeutet, das gleichfalls Nieders. eeldanken, an fremde Sachen denken, das Schwed. elidheodig, ein Fremder, das Angels. elthecdig, ein Proselyt, das Oberdeutsche Ellentuom, Gefangenschaft in einem fremden Lande, welches bey dem Notker und in den Monseeischen Glossen vorkommt, das alte Elirater, ein Ausländer, Barbarus, bey dem Raban Maurus, und Eliporo, ein Fremder, in Boxhorns Glossen. In manchen großen Städten, z.B. zu Augsburg, findet man eine Straße, welche das Elend genannt wird; vielleicht weil sie zum Aufenthalte der Fremden bestimmt war. Die letzte Hälfte des Wortes Elend ist, dem Wachter zu Folge, das Deutsche Wort Land, welche Muthmaßung dadurch wahrscheinlich wird, daß dieses Wort bey dem Ottfried beständig Elilent lautet. S. auch das folgende.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1789-1790.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: