Entziehen

[1842] Entziehen, verb. irreg. act. (S. Ziehen,) wegziehen, eine Sache von einem Orte oder von einer andern Sache ziehen. 1. Eigentlich, in welchem Verstande doch dieses Zeitwort im Hochdeutschen wenig gebraucht wird. Entzeuch deinen Fuß vom Hause deines Nächsten, Sprichw. 25, 17. 2. Figürlich. 1) Einem etwas entziehen, überhaupt, ihn hindern, dasselbe zu besitzen oder zu gebrauchen. Jemanden seine Hülfe entziehen, ihm seine Hülfe, ihm nicht helfen. Die besten Männer werden dem Vaterlande entzogen, werden aus demselben weggezogen, außer Stande gesetzet, demselben zu dienen. Im Oberdeutschen auch mit Verschweigung der dritten Endung der Person.[1842] Er ließ eine Theurung in das Land kommen, und entzog allen Vorrath des Brotes, Ps. 105, 16. 2) In engerer Bedeutung, mit dem Nebenbegriffe der Unrechtsmäßigkeit, einem etwas entziehen, das ihm gehöret oder zukommt. Den Bürgern die Nahrung entziehen. Dem Pferde sein Futter entziehen. 3) Sich einer Sache entziehen, sich von derselben entfernen; im Oberdeutschen auch mit dem Vorworte von. Sich den Sorgen entziehen, sie vermeiden. Sich den Geschäften, der Arbeit, dem Geräusche der Welt entziehen. Sich einer Person (im Oberdeutschen von einer Person,) entziehen, die Gemeinschaft mit ihr ganz oder eine Zeit lang aufheben. Ingleichen, jemanden seine Hülfe entziehen, ihm seine Hülfe versagen. Meine Nächsten haben sich entzogen, und meine Freunde haben mein vergessen, Hiob 19, 14. Daher die Entziehung in den beyden ersten figürlich Bedeutungen.

Anm. Ottfried gebraucht das Reciprocum sih intzihan noch für, sich wegbegeben. An andern Orten stehet bey ihm irziehen statt des Activi entziehen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1842-1843.
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