Gedenken

[464] Gedênken, verb. irreg. act. (S. Denken,) welches in allen den Bedeutungen gebraucht wird, in welchen dieses einfache Zeitwort üblich ist.

1. Eigentlich, Vorstellungen mit Bewußtseyn haben; so wohl 1) absolute, wo doch denken im Hochdeutschen üblicher ist. Ich gedachte, vielleicht ist keine Gottesfurcht an diesen Orten, 1 Mos. 20, 11; und so in vielen andern Stellen mehr. Im Oberd. sagt man auch häufig, ich gedenke mir, für: ich denke bey mir selbst. Unfallo gedacht ihm, Theuerd. Als auch, 2) in Rücksicht auf einen besondern Gegenstand, mit dem Vorworte[464] worte an. Woran gedenken sie? Wenn er sein Wort Ein Mahl gegeben hat, so ist an keinen Widerruf zu gedenken, so ist kein Widerruf zu hoffen. Im Oberdeutschen auch mit der zweyten Endung. Gedenk ich deiner Treu, Günth.

2. Figürlich, mit verschiedenen Nebenbegriffen. 1) Für dafür halten, glauben, vermuthen, wo das einfache denken im Hochdeutschen gleichfalls üblicher ist. Ich gedachte, ich möchte vielleicht sterben müssen, 1 Mos. 26, 9. 2) Sich eine vergangene oder abwesende Sache vorstellen, für erinnern. Bey Menschen Gedenken, so lange Menschen denken, d.i. sich erinnern können. Der Gegenstand bekommt am häufigsten das Vorwort an. Ich wollte wünschen, daß sie an die Fabel von dem Knaben gedächten, Gell. Die Haut schauert mir noch, wenn ich daran gedenke. Ich gedenke nicht mehr daran. Du sollst an mich gedenken. Ingleichen mit dem Nebenbegriffe der thätigen Erweisung dieser Erinnerung, besonders in der biblischen Schreibart. Gedenke, daß du den Sabbath heiligest. Gedenke an deinen Schöpfer in deiner Jugend. Im Oberdeutschen sehr häufig auch mit der zweyten Endung der Sache. Gedenke meiner, wenn dirs wohl geht, 1 Mos. 40, 14. Des Herrn gedenken, Es. 46, 9; und so in vielen andern Stellen mehr. 3) Erwähnen; in welcher Bedeutung es häufiger gebraucht wird, als das einfache denken, und alsdann die zweyte Endung der Sache bekommt. Eines im Besten gedenken. Eines in seinem Gebethe gedenken. Eines in allen Ehren gedenken. Dessen nicht zu gedenken. Er gedenkt der Freundschaft mit keinem Worte.


Sein werd in aller Welt gedacht,

Gell.


Zuweilen auch mit der vierten Endung. Ich wills nicht mehr gedenken. In eben diesem Verstande wird auch das Mittelwort gedacht von Dingen gebraucht, deren man vorher Erwähnung gethan hat. Er ließ sich den gedachten Antrag gefallen. Obgedacht, mehrgedacht, in den Kanzelleyen, wofür in denselben, besonders im Oberdeutschen, auch wiederhohlt, mehrbemeldet, ermeldet, erhohlt, gleich erhört, oberzählt, obangezogen, vorangeregt, vorangedeutet, vorentworfen, eröftert, erdeutet, vorersagt, besagt, hierobig, erst erwähnt, oft berührt u.s.f. üblich sind. 4) Nachdenken, überlegen; wo doch im Hochdeutschen denken üblicher ist. 5) Hoffen. Gedenken sie mit ihrer Braut eine zufriedene Ehe zu führen? Gell. Wir gedenken alle alt zu werden, Sir. 8, 7. 6) Vorhaben, Willens seyn. Ich gedenke eine Reise zu thun. Wo gedenken sie hin? Ihr gedachts böse mit mir zu machen, 1 Mos. 50, 20. Sie gedachten mich zu erwürgen, Richt 20, 5; und so in andern Stellen mehr, wo es in dieser Bedeutung auch einige Mahl mit den Vorwörtern über und wieder vorkommt. 7) Einem etwas gedenken, den Beleidiger die Folgen des Andenkens an eine Beleidigung empfinden lassen, sich dafür künftig an ihm rächen. Ich will es ihm schon noch gedenken. Ich gedenke es dir gewiß. In welchem Verstande das einfache denken nicht gebraucht wird.

Anm. Schon bey dem Ottfried githenkan. S. das einfache Denken. Statt der im Oberdeutschen üblichen Zusammensetzungen, Gedenkmahl, Gedenkpfennig, Gedenkspruch, Gedenkzeichen, Gedenkzettel u.s.f. sind im Hochdeutschen die einfachern Denkmahl, Denkpfennig u.s.f. gewöhnlicher.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 464-465.
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