Jeder

[1429] Jēder, ein uneigentliches persönliches Pronomen, welches einen Satz auf alle Individua eines aus mehrern einzelnen Dingen bestehenden Ganzen bestimmet. Da es nun das Subject vermöge seiner Bedeutung schon auf alle mögliche Art bestimmet, so leidet es den bestimmten Artikel nicht, wohl aber den unbestimmten ein, in welchem letztern Falle es zugleich eine Veränderung in der Declination leidet. Es wird auf folgende Art decliniret, es mag übrigens conjunctive oder absolute stehen:

Nom. Jeder, jede, jedes.

Gen. Jedes, jeder, jedes.

Dat. Jedem, jeder, jedem.

Acc. Jeden, jede, jedes.

Mit dem unbestimmten Artikel ein aber:

Ein jeder, eine jede, ein jedes.

Eines jeden, einer jeden, eines jeden.

Einem jeden, einer jeden, einem jeden.

Einen jeden, eine jede, ein jedes.

Es stehet so wohl absolute, als conjunctive, d.i. es kann so wohl sein Hauptwort ausdrücklich bey sich haben, als auch sich auf dasselbe beziehen. Jedes Land hat seinen Gebrauch, und jedes Jahrhundert seine Sitten. Jeder Tag vermehret seine Liebe und seine Ungeduld. Jede kleine Miene zeuget von seinem guten Herzen. Die Alten bildeten sich ein, jedes nach Regeln gebauete Wesen, welches denkt, sey ein Theil der allgemeinen Weltseele. Einem jeden Narren gefällt seine Kappe. Auf jeder Seite stand ein Bild. Wo es im Oberdeutschen und der höhern Schreibart der Hochdeutschen auch zuweilen für all gebraucht wird. Jede Freude ist dahin. Jede Versammlung, jedes Getöse, jedes wilde Schreyen des Volks verliert sich in ihrer Gegenwart, Abt. Zuweilen auch, obgleich nicht auf die beste Art, auch im Plural. Wie beglückt würde sie sich unter jeden andern Umständen geglaubt haben. Denn anstatt des Plurals bedienet man sich lieber des absoluti jeder mit dem Vorworte von, oder in der höhern Schreibart mit der zweyten Endung. Jeder von unsern Freunden, oder jeder unserer Freunde. Mein Herz hat bey jedem ihrer Worte blutige Thränen geweinet. Sie lebet in jedem meiner Gedanken. Eigentlich ist der Plural nur in Verbindung mit dem alle erlaubt, jede mag übrigens conjunctiv oder absolut seyn. Alle und jede, Gen. aller und jeder, Dat. allen und jeden, Acc. alle und jede; d.i. alle ohne Ausnahme und jedes Individuum derselben insbesondere. Das Asolutum ist in der Declination dem Conjunctivo gleich. Jeder merkt auf meine Handlungen. Ein jeder thut immer gern etwas andres, als er thun sollte. Sich nach eines jeden Gemüthsart, oder nach jedes Gemüthsart richten. Gib einem jeden oder jedem etwas. Im gemeinen Leben wird das Neutrum jedes auch häufig für jedermann, jede Person gebraucht.


Da lobte jedes dieß Gesicht,

Weiße.


Es ist gleichgültig, ob man den unbestimmten Artikel ein diesem Fürworte beyfüget oder nicht; aber eben darum, weil es gleichgültig ist, lässet man denselben in der edlen und höhern Schreibart lieber weg, weil er die Rede nur schleppend und weitschweifig macht, es wäre denn, daß man um des Wohlklanges willen einen Satz mit einer Sylbe anfangen müßte, welche den Ton nicht hat, da denn ein jeder für jeder gute Dienste leistet.

Anm. Im Oberdeutschen lautet dieses Fürwort auch um eine Sylbe länger, jederer, jedere, jederes, Gen. jederes, jederer,[1429] jederes, Dat. jederem oder jederm, jederer, jederem u.s.f.


Wer doch gewesen sey, das Haupt und Leitesmann

Nach jeders Sagen selbst,

Opitz.


Es ist nicht unwahrscheinlich, daß dieses Wort, wie Frisch vermuthet, aus jedweder zusammen gezogen ist. Allein die letzte Hälfte kann auch das Fürwort der seyn, welches mit dem je, dem Zeichen der Allgemeinheit, verbunden worden. Im Engl. ist dafür every one, im Franz. chacun, und im Schwed. eweli en, üblich, wo das erste und letzte das Fürwort wer und welch zu seyn scheinen, wie im Dänischen hver, enhver, ein jeder. Im Pohlnischen ist jeden, jedna, jedno, einer, eine, eines. S. Jedweder und Jeglich.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1429-1430.
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