May (1), der

[128] 1. Der May, des -es, plur. die -e, Oberd. des -en, plur. die -en, ein Wort, welches ehedem überhaupt einen Büschel und besonders einen grünen Büschel, einen Straus bedeutet zu haben scheinet, aber nur noch in einigen Fällen üblich ist. 1. Die büscheligen Triebe oder Jahrwüchse, ingleichen die bräunlichen, länglichen, spitzigen Knospen an den Wipfeln und Ästen des Nadelholzes, besonders aber der Kiefern, aus welchen dieser Jahrwuchs heraus kommt, werden in der Landwirthschaft der May genannt. In weiterer Bedeutung ist es in der Landwirthschaft ein jeder Jahrwuchs des Holzes, es sey Nadelholz oder Laubholz, in die Länge, welcher auch der Limpf, ingleichen der Trieb genannt wird. 2. Ein grüner Zweig von einem Baume, oder mehrere in einen Büschel gebundene grüne Zweige. 1) * Überhaupt. Und sollt am ersten Tage Früchte nehmen von schönen Bäumen, Palmenzweige, und Meyen von dichten Bäumen und Bachweiden, 3 Mos. 23, 40; am ersten Tage sollt ihr Citronen, Palmenzweige, Zweige von andern stark belaubten Bäumen und von Bachweiden nehmen, Michael. Schmücket das Fest mit Mayen bis an die Hörner des Altars, Ps. 118, 27. Und trugen Meyen und grüne Zweige und Palmen, 2 Macc. 7, 10. Etliche hieben Mäyen von den Bäumen und streueten sie auf den Weg, Marc. 11, 8. Wo überall grüne Zweige und Büschel von grünen Zweigen überhaupt verstanden werden. In dieser allgemeinen Bedeutung ist es im Hochdeutschen veraltet. Wir gebrauchen es nur noch, 2) in engerer Bedeutung, von solchen Zweigen frisch ausgeschlagener Birkenbäume, so fern selbige im Frühlinge bey festlichen Gelegenheiten zur Ausschmückung der Häuser oder öffentlichen Örter gebraucht werden, wo das Wort in[128] einigen Gegenden auch weiblichen Geschlechtes ist, die Maye, plur. die -n, oft aber auch im männlichen Geschlechte collective gebraucht wird. May stecken oder setzen. Das Haus mit May schmücken. Jemanden einen May oder eine Maye setzen.


Die Fremden besser zu erfreuen,

Umsteckt der milde Wirth den Tisch mit dichten Meyen,

Haged.


Im Nieders. Mai, Meg, in der Schweiz ein Meyeten, im mittlern Lat. Maius, Franz. May, im Ital. Maio, Maggio. Daher der Birkenbaum, von welchem solche Zweige genommen werden, im gemeinen Leben vieler Gegenden nur der May oder die Maye genannt wird, S. Maybaum.

Anm. Die meisten Sprachforscher leiten dieses Wort in der letzten Bedeutung von dem Monathe May her, weil der Birkenbaum gemeiniglich in diesem Monathe auszuschlagen pflegt, daher auch die Maye am häufigsten in demselben gesetzet werden. Allein sie haben das Wort nicht in seinem ganzen Umfange gekannt. May, Mayenstrauß, Maylein, kommen bey den Oberdeutschen Schriftstellern von einem jeden Blumenstrauße zu allen Jahreszeiten vor. Meyken ist im Holländ. gleichfalls ein Blumenstrauß, und in den Franz. Niederlanden ist Maie, und im mittlern Lat. Maia, ein Haufen Garben auf dem Felde, eine Mandel. Es scheinet also dieses Wort einen Haufen, ein Büschel, eine Verbundung mehrerer Dinge zu bezeichnen, und mit Miethe, ein Haufen, Malter, Mahl in der Bedeutung eines Haufens, u.a.m. zu dem Worte machen, verbinden, zu gehören, S. Gemahl.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 128-129.
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