Nennen

[466] Nênnen, verb. irreg. act. ich nenne, du nennest oder nennst; Imperf. ich nannte, Conj. nennete, Mittelw. genannt.

1. Ein Ding bey seinem Nahmen rufen oder erwähnen, dasselbe vermittelst des Ausdruckes bezeichnen, welchen es als einen Nahmen führet, der ihm zukommt, der dessen Unterscheidungsmerkmahle enthält; da denn so wohl das Ding, als auch der Nahme in die vierte Endung gesetzet werden. Ihr sollt euch nicht Rabbi, nicht Meister nennen, Matth. 23, 8. Der wird ein Sohn des Höchsten genennet (genannt) werden, Luc. 1, 32. Cajus und Titius nennen sich Vetter. Wir nennen alle Dinge schön, die der Einbildungskraft oder dem Verstande gefallen. Das nenn ich doch gehen, das verdient doch den Nahmen des Gehens. Ich kann ihn nicht nennen, weiß seinen Nahmen nicht. Wie nennt er sich? wie heißt er? Er nennt sich Bav, er heißt Bav, sein Nahme ist Bav. Als er die Mutter nennen hörete. Das Hauptwort Nahme leidet auch das Vorwort bey. Jemanden bey seinem rechten Nahmen nennen. Jemanden bey Nahmen nennen. Das ist mein Nahme bey dem man mich nennen soll, 2 Mos. 3, 15.


Wie lange wirst du ihn bey diesem Nahmen nennen?

Weiße.


Zuweilen auch das Vorwort mit. Da stunden auf die Männer, die jetzt mit Nahmen genennet (genannt) sind, 2 Chron. 28, 15, die jetzt genannten Männer. Er zählet die Sternen (Sterne) und nennet sie alle mit Nahmen, Ps. 147, 4. Die Person, zu deren Nachricht eine Person oder Sache genannt wird, stehet in der dritten Endung. Nenne mir doch einmahl das Ding, sage mir dessen Nahmen. Nenne mir einen, der keine Fehler hätte.

Zuweilen hat es den Nebenbegriff der allgemeinen Achtung bey sich.


Wer ist wohl jetzt des Volks Verlangen?

Wen, dacht er, nennt man jetzt als mich?

Gell.


Das Mittelwort genannt wird auch vor Beynahmen gebraucht; Dionysius genannt der Tyrann; ob man gleich in der edlern Schreibart lieber einen andern Ausdruck gebraucht, Dionysius mit dem Beynahmen des Tyrannen, oder der Tyrann. So genannt deutet an, theils, daß man diese Benennung und die Sache welche sie ausdruckt, nicht so schlechthin anerkenne, theils aber auch, daß der Nahme zwar üblich, aber doch an sich unrichtig und undeutlich sey. Man merket sehr deutlich, daß die so genannten Großen oft noch bey ihrem Leben wieder kleiner werden. Obgenannt, oft genannt, mehr genannt, vorgenannt u.s.f. für oben genannt, vorhin genannt, oder mehrmahls genannt, gehören in die Sprache der Kanzelleyen.

[466] 2. Einem Dinge einen Nahmen geben, ertheilen, mit zwey Accusativen, so wohl der Person, als des Nahmens. Gott nennete (nannte) das Licht Tag, und die Finsterniß Nacht, 1 Mos. 1, 5. Es kann so wohl von Ertheilung eines eigenthümlichen Nahmens gebraucht werden, als auch von Ausdrücken, welche nur die Art oder Gattung bezeichnen, dagegen das niedrigere heißen nur allein von dem erstern üblich ist. Das Kind wurde nach seinem Vater genannt, bekam den Nahmen, welchen dessen Vater führet. Der biblische Ausdruck, mit einem Nahmen nennen, einen Nahmen beylegen, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich. Du sollt mit einem neuen Nahmen genennet werden, Es. 62, 2; Kap. 65, 15.

3. * Bestimmen, ein im Hochdeutschen ungewöhnlicher Gebrauch, welcher noch im Oberdeutschen vorkommt. Ein Genanntes ist daselbst der genau bestimmte Gehalt, die bestimmten und bekannten Einkünfte, die man auch wohl das Firum zu nennen pflegt. In Nürnberg sind die Genannten die Glieder des äußern oder weitern Rathes, aus welchen die Glieder des innern oder engern Rathes erwählet werden, vermuthlich, weil sie von der Bürgerschaft, oder denen die das Wahlrecht haben, dazu ernannt werden. In eben dieser jetzt ungewöhnlichen Bedeutung kommt es 1 Mos. 41, 45 vor: Pharao nennete Joseph den heimlichen Rath, d.i. er ernannte ihn zum geheimen Rathe.

Daher die Nennung, am häufigsten in der ersten Bedeutung.

Anm. Dieses Zeitwort ist vermittelst der Endung -nen von dem größten Theils veralteten Zeitworte nahmen, welches noch in dem Oberdeutschen beniemen und in dem Niederdeutschen nömen, nennen, übrig ist, gebildet, daher es auch noch im Tatian nemnen, bey dem Kero, vermuthlich um des Wohllautes willen, nemmen, aber schon in dem Isidor nennen lautet. Im Schwed. lautet es gleichfalls nämna, dagegen im Englischen noch das einfachere to name üblich ist. Mit einer andern Ableitungssylbe hat man noch in den gemeinen Mundarten benahmsen, d.i. nennen, bestimmen. In einigen Gegenden wird es regulär abgewandelt, ich nennete, genennet. Im Hochdeutschen ist die irreguläre Abwandelung die üblichste, obgleich auch viele sonst gute Schriftsteller jene vorziehen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 466-467.
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