Niedlich

[501] Niedlich, -er, -ste, adj. et adv. 1) Den Sinnen, besonders aber dem Gesichte angenehm, da es dasjenige in sich begreift, was man sonst artig, zierlich, geputzt, vornehmlich aber nett nennet, eigentlich, demjenigen, was nett ist, ähnlich und gleich. Niedlich gekleidet gehen, reinlich und zierlich; nett. Das siehet niedlich aus. Ein niedlicher Hut, Weiße. Ein niedliches Haus, ein niedlicher Garten. Kleine niedliche Sachen. Ein niedliches Mädchen, von angenehmer Gestalt. Da Kleinheit und Zierlichkeit verbunden dem Auge vorzüglich angenehm ist, so hat das Wort niedlich auch in den meisten Fällen den Nebenbegriff der Kleinheit bey sich. S. Fein, welches auf ähnliche Art gebraucht wird. 2) In engerer Bedeutung wird es auch von Speisen gebraucht, für schmackhaft, delicat, lecker. Ein niedliches Gericht. Die vorhin das niedlichste aßen, Klagel 4, 5. Ich[501] aß keine niedliche Speise, Dan. 10, 3. Von Getränken wird es seltener, doch aber zuweilen gebraucht.

Anm. Bey dem Willeram mit einer andern Ableitungssylbe nietsam, für angenehm, im Nieders. nike, welches aus dem ältern niedlik zusammen gezogen ist. Frischens Ableitung von dem Oberdeutschen Niedel, Milchrahm, ist seltsam und ohne alle Analogie, zumahl da man nähere und bessere Quellen hat. Schon Wachter hat es von dem bey dem Ottfried, Notker, Willeram und andern ältern Schriftstellern so häufig vorkommenden Niete, Niut, Belustigung, Annehmlichkeit, Verlangen, nioton und sih nieten, sich belustigen, angenehme Empfindungen haben, und niet, angenehm, abgeleitet, von welchem letztern, welches wiederum mit nett verwandt ist, unser niedlich vermittelst der Ableitungssylbe -lich gebildet worden. S. Neid, welches in seiner ältern allgemeinen Bedeutung gleichfalls hierher gehöret, Genießen, ehedem nießen und nieten. Die Niedersachsen haben noch ein anderes Wort für unser niedlich in der ersten Bedeutung, welches niber, nifer, niper lautet, klein und zierlich bedeutet, und mit Knabe, und Nau in Genau verwandt zu seyn scheinet.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 501-502.
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