Säumen (2)

[1305] 2. Säumen, verb. reg. welches in einer doppelten Gestalt üblich ist. 1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, langsam in einer Bewegung oder in einer Handlung seyn, und in engerer Bedeutung fehlerhaft langsam seyn, langsam seyn, da man eilen sollte, welches man auch mit größten Theils gleichbedeutenden Wörtern zögern und zaudern nennet; im Gegensatze des Eilens. Ich will es thun und nicht säumen, Ezech. 24, 14. Der Tod säumet nicht, Sir. 14, 12. Häufet euch und säumet nicht, Jer. 4, 6. Ich habe nicht gesäumet. Ich fürchtete doch, daß du säumen möchtest.

[1305] 2. Als ein Activum, säumen machen, in der Bewegung, in einer Veränderung hindern, wo es ehedem für hindern überhaupt gebraucht wurde. Säume mich nicht mit dem Reuten, 2 Kön. 2, 24. Im Hochdeutschen ist es in dieser thätigen Gestalt wenig mehr üblich, doch gebraucht man es noch reciproce für das vorige Neutrum; sich säumen, säumen, zaudern, langsam seyn. Komm herab und säume dich nicht, 1 Mos. 45, 9. Der Herr säumet sich nicht, zu vergelten, 5 Mos. 7, 10. Ihre Tage werden sich nicht säumen, Es. 23, 22. Daher das Säumen, und, obgleich seltener, die Säumung.

Anm. Bey dem Kero suuman, bey den Schwäbischen Dichtern sumen, in dem Buche Belial 1483 samen, bey den heutigen Oberdeutschen saumen, im Nieders. sumen, im Franz. chômer, im Schwed. suma, im Isländ. söma, welche beyden letztern doch nur in den zusammen gesetzten försuma und forsuma, versäumen, üblich sind. Das Wort ist alt, und schon in dem Salischen Gesetze ist Sonnis (richtiger Somnis) Versäumniß, Grund des Außenbleibens. Man siehet leicht, daß die heutige Bedeutung dieses Wortes eine Figur einer ältern eigentlichern ist. Aber welche diese ältere ist, läßt sich nicht mit Gewißheit bestimmen. Es kann solches, wie Wachter will, der Begriff der Last, der Schwere, seyn, S. 4 Saum. Es kann aber auch von der Bedeutung der sanften, schleichenden, gleitenden Bewegung abstammen, und ein Verwandter von sanft, Seim u.s.f. seyn. Endlich kann auch der Begriff der Ruhe, der Muße, der Stätigkeit, der herrschende seyn, welcher gemeiniglich eine Figur der Bedeckung, des hohlen Raumes ist. In den beyden letzten Fällen sind das Lat. Somnus, Schwed. Sömn, der Schlaf, sömnig, schläferig, das Schwed. Tom, Muße, das Säumen, (weil s und t oft mit einander abwechseln,) und unser zahm, Nieders. taam, damit verwandt. Ehedem hatte man auch das Nebenwort sam, für träge, faul, langsam, wovon Frisch verschiedene Beyspiele anführet. Das zusammen gesetzte versäumen hat so wohl die neutrale, als die active Bedeutung. S. 1 Saum, Säumig, Säumniß und Saumselig.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1305-1306.
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