Schicken

[1437] Schicken, verb. reg. act. et neutr. im letzten Falle mit haben, welches der Form nach so wie schichten das Intensivum von einem veralteten schichen, schihen oder schehen ist, und ursprünglich eine schnelle aber doch härtere Bewegung ausdrucket, als dieses. Nach einer sehr gewöhnlichen Figur wurde es nachmahls von mancherley Handlungen gebraucht, welche mit einer schnellen Bewegung und ihrem eigenthümlichen Laute verbunden sind. Daher wird es noch jetzt in mehrern dem Anscheine nach sehr verschiedenen Bedeutungen gebraucht, welche sich doch insgesammt auf eine und eben dieselbe Onomatopöie gründen.

1. Die Bewegung eines andern Dinges beschleunigen; wo es zu dem Geschlechte der Wörter scheuchen, schächten im gemeinen Leben für jagen, Ital. cacciare, dem Griech. ἱκανειν, kommen, und andern ähnlichen Wörtern mehr gehöret. Es ist hier noch in einem doppelten Falle üblich. 1) Für eilen, als ein Reciprocum. Schickt euch, eilet, macht fort. Ich will mich schicken, eilen. Das Beywort geschickt wird noch oft für behende, schnell und leicht in seinen Bewegungen gebraucht. 2) In weiterer Bedeutung, machen, daß ein Ding an einem andern Orte gegenwärtig werde; wo es doch nur noch in einigen Fällen gebraucht wird, weil die meisten Arten dieser Handlung ihre eigenen Nahmen haben, wohin z.B. werfen, tragen, fahren u.s.f. gehören. In engerer Bedeutung schickt man so wohl Personen als Sachen. Personen werden geschickt, wenn man ihnen Befehl oder Auftrag ertheilet, sich an einen Ort zu begeben. Der Ort, wohin man schickt, bekommt die Vorwörter zu, in, nach, an u.s.f. Einen Bothen nach der Stadt, in die Stadt schicken. Schicke deinen Bedienten zu mir. Eine Armee in des Feindes Land schicken. Zu jemanden schicken. Seinen Sohn auf Reisen schicken. Jemanden in das Elend schicken, ihn verweisen. Zuweilen stehet auch die dritte Endung der Person. Schicke mir deinen Bruder, oder schicke ihn zu mir. Die Sache, welche der geschickte hohlen soll, bekommt das Vorwort nach. Nach Brot, nach Wein, nach dem Doctor schicken. Ich will nach der Wache schicken. Im Oberdeutschen gebraucht man dafür das Vorwort um; um Brot, um den Doctor schicken. Die Sache, welche der geschickte thun soll, kann zuweilen durch den bloßen Infinitiv ausgedruckt werden. Ein Kind schlafen schicken. Da dieses Zeitwort, wenn es von Personen gebraucht wird, einen Befehl, oder doch einen vertraulichen Auftrag voraus setzt, so verstehet es sich von selbst, daß man dieses Wort nicht gebrauchen kann, wenn man nur zu bitten hat, und sich mit Anstand und Behuthsamkeit ausdrucken will. Einen Höhern schickt man nicht. Sachen werden geschickt, wenn man sie durch einen dritten an einen Ort bringen, oder daselbst gegenwärtig werden läßt. Jemanden ein Packet Waare schicken. Was hat dir dein Freund geschickt? Ich will es dir durch deinen Bedienten schicken. Einen Brief auf die Post, Waaren mit der Post schicken. Güter nach Leipzig, nach London schicken, es geschehe nun zu Wasser oder zu Lande, auf welche Art es wolle. In beyden Fällen ist dieses Wort, wie schon Stosch bemerket, im gemeinen Leben und der[1437] vetraulichen Sprechart am üblichsten; in der höhern gebraucht man dafür senden, besonders wenn von wichtigen Dingen und Personen die Rede ist. Eben dieses gilt auch von den Zusammensetzungen abschicken, verschicken, einschicken, wegschicken u.s.f. In weiterm Verstande sagt man, jemanden in die andere Welt schicken, mittelbarer oder unmittelbarer Weise die Ursache seines Todes seyn. Ein Buch in die Welt schicken, es heraus geben. 3) Figürlich, in der Reihe der zufälligen Dinge wirklich werden lassen, besonders von der Einrichtung der menschlichen Veränderungen, welche ohne unser Zuthun erfolgen; fügen. Der Herr schickts also, 2 Sam. 17, 14, füget, ordnet, verhängt es so. Gott schickt dem Menschen Krankhaft, Leiden u.s.f. Sprichw. Gott muß es schicken, wenn es soll glücken. Ingleichen als ein Reciprocum, so fern man solche Veränderungen einem Zufalle oder Ohngefähr zuschreibt. Es kann sich noch wunderlich schicken. Was seyn soll, schickt sich gleichwohl. Es mußte sich schicken, daß ich ihn nicht zu Hause antraf. Man weiß oft nicht, wie sich etwas schicken soll. Es kann hier als das Factitivum von schehen in geschehen angesehen werden, geschehen machen; indessen findet auch die folgende Bedeutung des Ordnens, Anordnens, Statt. S. auch Schicksal, Schickung und Geschick.

2. Geschäfte verrichten; eine gleichfalls von der Bewegung entlehnte Figur, wovon schäften, geschäftig und Geschäft nur im Endlaute verschieden sind. Es ist hier als ein Neutrum üblich, wird aber nur noch hin und wieder im gemeinen Leben gebraucht. Er hat immer was zu schicken, ist immer geschäftig. Ich mag nichts mehr mit ihm zu schicken haben, zu thun. Sie sollen mit ihm nichts schicken und tauschen, und der Schick soll nichts gelten, bey einem Schweizerischen Schriftsteller, wo zugleich das im Hochdeutschen unbekannte Schick zu bemerken ist.

3. In engerer Bedeutung werden verschiedene besondere Arten der Geschäftigkeit durch dieses Zeitwort ausgedruckt. 1) Rüsten, sich rüsten. Schicket euch! und sie schickten sich, 1 Kön. 20, 12. Sich zur Arbeit, zur Reise, zum Tode, zum Sterben schicken. Es schickt sich alles zum Winter. Der Himmel schickt sich zum Regen. Figürlich auch sich gefaßt halten. Schicke dich zur Anfechtung, Sir. 2, 1. Als eine Figur kann auch der sonst ungewöhnliche biblische Gebrauch angesehen werden. Er schickte sein Herz nicht, daß er den Herrn suchte, 2 Chron. 12, 14. Die ihr Herz schicken, Gott zu suchen, Kap. 30, 9. Schicke dich Israel, begegne deinem Gott, Hos. 4, 12. Frühe will ich mich zu dir schicken, Ps. 5, 4. 2) Die nöthige Ordnung, Gestalt und Fähigkeit zu etwas ertheilen. Im Schwedischen ist skicka ordnen, in Ordnung bringen. Im Oberdeutschen sagt man noch, eine Materie zu einer Gestalt schicken, d.i. bilden, ihr eine Gestalt ertheilen. Daher das Ober- und Niederdeutsche Schick, die Gestalt. Er schickt sich albern dazu, sagt man von jemanden, der sich bey einer Handlung oder Verrichtung auf eine ungewöhnliche Art anstellet. Im Hochdeutschen wird es nur als ein Reciprocum im figürlichen Verstande gebraucht, sich schicken, das nöthige Verhältniß, die nöthige Gestalt, die nöthige Fähigkeit, kurz, jede nöthige Beschaffenheit im Verhältnisse gegen ein anderes Ding haben. Der Rock schickt sich nicht zur Weste, es sey nun in Ansehung der Größe, oder der Farbe, oder sonst einer andern Rücksicht. Die Antwort schickt sich nicht zu der Frage. Cajus schickt sich gar nicht zu dem Amte, hat nicht die nöthigen Eigenschaften dazu. Das schickt sich nicht zur Sache. Zwey Personen schicken sich gut zusammen, wenn sie beyde die zu einer Absicht erforderlichen Eigenschaften haben. S. auch Geschickt. Aber, sich in etwas schicken heißt die nöthige Fähigkeit, Willigkeit und Einsicht zu etwas erlangen. Er weiß sich gut in die Sache zu schicken. Sich in sein Elend schicken, dasselbe mit[1438] Gelassenheit ertragen. Sich in jedermann zu schicken wissen, sich nach jedes Gemüthsart richten. Sich in die Zeit schicken, sich nach den Umständen derselben betragen. Ingleichen, eine Sache nach ihren Gründen einsehen; ich kann mich in seine Schmeicheleyen gar nicht schicken, wofür doch sich finden üblicher ist. 3) Im engsten Verstande schickt sich ein Ding, wenn es dem Wohlstande gemäß ist. Das schickt sich nicht für dich, ist deiner Würde nicht angemessen. Schmeicheleyen schicken sich für keinen gesetzten Mann. Es schickt sich nicht, daß man zur Zeit der Trauer bunte Kleider trage. Das würde sich nicht schicken.

Daher das Schicken, welches doch in den reciproken Bedeutungen ungewöhnlich ist. Das Hauptwort die Schickung siehe an seinem Orte besonders.

Anm. Frisch und andere haben schon bemerket, daß dieses Wort bey unsern ältesten Oberdeutschen Schriftstellern nicht angetroffen wird, ob es gleich alles Ansehen eines alten Wortes hat. Es scheinet zunächst aus der Niederdeutschen Mundart herzustammen, in welcher es gleichfalls schicken, so wie im Schwed. skicka, lautet. Es ist allem Ansehen nach das Intensivum, und in manchen Fällen das Factitivum, von schehen in geschehen, so wie schichten dessen Intensivum in andern Rücksichten ist. Mit der ältesten Bedeutung der heftigen Bewegung sind auch schaukeln, das veraltete schaken, stoßen, Franz. chocquer, u. a. m. verwandt. Provinzielle Bedeutungen sind noch das Ober- und Niederdeutsche aufschicken, aufputzen, eigentlich in Ordnung stellen, das bey den Jägern übliche beschicken, befruchten, das Oberd. Schick, Anlaß, Gelegenheit, Ursache u.s.f.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1437-1439.
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