Schwänzen

[1712] Schwänzen, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist.

I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben. 1) Mit dem Schwanze wedeln, besonders von den Hunden, wenn es aus einem Wohlbehagen und aus Freundlichkeit geschiehet, wofür auch schwänzeln üblich ist. Figürlich ist schwänzen stolz einher gehen, eigentlich den Hintern im Gehen aus Stolz hin und her drehen. Sie treten einher und schwänzen, Es. 3, 16. 2) Nachlässig und ohne Absicht hin und her gehen. Müßig herum schwänzen.[1712] Im Nieders. fummeln. Es scheint hier nicht zunächst zu Schwanz zu gehören, sondern noch die allgemeine Bedeutung der Bewegung aufbehalten zu haben. S. Schwanz Anm.

II. Als ein Activum. 1) Mit einem Schwanze versehen, in welchem Verstande besonders das Mittelwort geschwänzt üblich ist. Geschwänzte Noten, zum Unterschiede von den ungeschwänzten. In engerer Bedeutung ist ein Pferd schwänzen, dessen Schwanz zierlich aufschürzen, wofür doch aufschwänzen üblicher ist. 2) Bey den Holzflößen wird das Holz geschwänzet, wenn man die Scheite, welche sich hier und da am Ufer anhängen, abstößet, und ihnen forthilft, da denn auch diejenigen Arbeiter, welche dazu bestellet sind, Schwänzer genannt werden. Es scheinet auch hier den allgemeinen Begriff der Bewegung zu haben, und eigentlich in Bewegung setzen, schwimmen machen, zu bedeuten. 3) Muthwillig und ohne Noth versäumen, im gemeinen Leben. Ein Knabe schwänzt die Schule, wenn er dieselbe muthwilliger Weise versäumt. Ein Lehrer schwänzt seinen Scholaren, der Scholar schwänzt seine Stunde, wenn beyde die Lehrstunde ohne Noth versäumen. In einem andern Verstande schwänzt man jemanden, wenn man sich einen unerlaubten Gewinn zu dessen Nachtheil macht, auf welche Art das Gesinde seine Herrschaft schwänzt, wenn es sich die so genannten Schwänzelpfennige macht, welche an andern Orten Korbpfennige heißen. Die Ableitung, welche Frisch von dieser Bedeutung, und der R.A. auf den Schwanz schlagen, das ist, unterschlagen, angibt, ist zu weit gesucht und unwahrscheinlich. Es scheinet vielmehr, daß schwänzen hier eine Figur der schnellen Bewegung ist, indem die meisten übrigen im gemeinen Leben üblichen Wörter, welche eine solche Art des Hintergehens bezeichnen, z.B. beschummeln, beschuppen, belugsen u.s.f. Figuren einer schnellen überraschenden Bewegung sind. Die niedrige R.A. Geld auf den Schwanz schlagen, für unterschlagen, kann als eine verunglückte Anspielung auf das mißverstandene Zeitwort schwänzen angesehen werden, wenn sie nicht ihren Ursprung von einer besondern jetzt unbekannten Veranlassung hat. So auch das Schwänzen.

Anm. Die Endsylbe -zen deutet auf ein Intensivum; es kommt daher hier nur auf die Sylbe schwan, und ohne Zischlaut wan, an. Man siehet daher bald, daß schwänzen so wohl in seiner engern, als ältern weitern Bedeutung, mit seinem Verwandten Schwanz, zu dem Geschlechte der Wörter schwinden, schwenden geschwinde, schwingen, schwanken, Wind, wenden, Fahne, u.s.f. gehöret.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1712-1713.
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