[162] 3. Spannen, verb. reg. act. einen elastischen Körper entweder durch Zusammendrückung oder durch Ausdehnung in den Fall setzen, daß er sich mit Heftigkeit bemühe, sich wieder in seinen vorigen Stand zu setzen.
1. Durch Zusammendrücken.
(1) Eigentlich. Den Bogen (das Schießgewehr dieses Nahmens) spannen. Ein gespannter Bogen. Die Armbrust spannen. So auch den Hahn an einem Feuergewehre spannen oder aufspannen, entweder, weil dabey die Feder wirklich gespannt wird, oder auch als eine von dem Spannen der Bogen und Armbrüste beygehaltene Redensart.
(2) In weiterer Bedeutung, mit einer Schnellkraft befestigen, so daß entweder die befestigte Sache, oder die zur Befestigung dienende Theile eine Schnellkraft äussern. (a) Eigentlich. Der Schlösser spannet das Eisen, welches er bearbeiten will, in den Schraubestock, der Drechsler, den Körper, welchen er abdrehen will, auf die Drechselbank oder zwischen die Docken. Die Fuhrleute spannen den Wagen und die darauf liegende Last mit der Spannkette, daher auch die Auf- oder Abläder, welche solches verrichten, an einigen Orten Spanner oder Spänner heißen, wo es aber auch zu der folgenden Bedeutung des Bindens, Fesselns gehören kann. Das gespannte Roß, in der Zimmermannskunst, wenn zwey Träger so auf einander gekämmet werden, daß sie eine große Last tragen können. S. Roß und Spannriegel. Das Kleid spannet, der Schuh spannt mich, sagt man, wenn die Kleidungsstücke die Theile des Leibes zu sehr einschränken, so daß diese ihre elastische Kraft dagegen äußern. (b) Figürlich. ά) Einen Fluß spannen, oder aufspannen, ihn stämmen, seinen Abfluß hemmen, und dadurch aufschwellen machen, wo es in Ansehung dieses Aufschwellens auch eine Figur der Ausdehnung seyn kann. Auf ähnliche Art ist, einen Fluß oder Mühlenbach einspannen, ihn einfassen, sein Bett einschränken. β) In manchen Fällen stehet es für binden, fesseln überhaupt. In der[162] Landwirthschaft spannet man die Pferde, wenn man ihnen auf der Weide die Vorderfüße mit Stricken zusammen schleifet, damit sie nicht entlaufen, welches auch fesseln, und in Niedersachsen tüdern genannt wird. Im Niedersächsischen bedeutet es auch, einen Gefangenen fesseln oder binden. Am üblichsten ist es von der Befestigung des Zugviehes an den Wagen, Pflug u.s.f. Die Pferde vor den Wagen, die Ochsen an den Pflug oder vor den Pflug spannen. In welcher Bedeutung schon Notker spannen sagt. Die Pferde hinter den Wagen spannen, figürlich, eine Sache verkehrt anfangen. Die figürliche R.A. sie sind mit einander gespannt, oder über den Fuß gespannt, von Personen, welche nicht in dem besten Vernehmen mit einander stehen, ohne eben Feinde zu seyn, ist dunkel. Man könnte spannen hier von dem alten Span, Spänigkeit, Streit, Mishälligkeit, ableiten, wenn nicht der Beysatz des Fußes diese Ableitung unwahrscheinlich machte.
2. Durch Ausdehnung.
(1) Nach allen Richtungen. Einen gespannten Leib haben, wenn derselbe aufgetrieben, und die Haut gleichsam gespannt oder ausgedehnet ist. Da es denn auch von der dieser Ausdehnung ähnlichen Empfindung gebraucht wird. Ach, wie spannt michs auf dem Schienbeine! Gell.
(2) Der Länge nach, von dehnbaren und elastischen Körpern. (a) Eigentlich. Einen Missethäter auf die Leiter spannen, eine Art der Tortur, welche auch der Zug genannt wird. Der Seiltänzer tanzet auf einem straff gespannten Seile. Die Saiten auf einem musikalischen Instrumente spannen. Die Saiten höher spannen, auch figürlich, seine Forderungen erhöhen. Die Saiten zu hoch spannen, zu viel begehren, die Sache zu weit treiben. Ingleichen durch Ausdehnung befestigen. Zeug in den Rahmen spannen. (b) Figürlich. ά) Mit Ausdehnung begreifen, erreichen. So weit als man mit der Hand spannen kann, so weit als man mit den ausgedehnten Fingern der Hand reichen kann. S. Spanne und Umspannen. Ehedem sagte man auch gespannte, d.i. ausgestreckte, Arme. Nach einer noch weitern Figur ist ein weit gespanntes Gewölbe, welches einen großen Bogen macht. β) Anstrengen, von den Fähigkeiten des Leibes und Geistes. Alle seine Kräfte spannen oder anspannen. Die Spannung der Kräfte. Überspannte Empfindungen. Ingleichen nach einer noch weitern Figur, ein zu hoch gespanntes, übertriebenes, Lob.
So auch das Spannen und die Spannung, welches letztere in einigen Fällen auch von der Handlung des Spannens, noch häufiger aber von dem Zustande gebraucht wird, da ein Körper gespannt ist.
Anm. Bey dem Notker und Ottfried spannan, welcher letztere es für binden gebraucht, im Nieders. gleichfalls spannen, im Schwed. spänna, welches sowohl biegen, als ausdehnen bedeutet. Das doppelte n deutet auf ein Intensivum, dessen einfacheres Zeitwort spanen noch bey dem Notker vorkommt, und, wenigstens in einigen Bedeutungen, zu dem Schwed. spana, ziehen, Griech. σπάν, gehöret. In andern Bedeutungen hingegen sticht die Bedeutung des Bindens merklich hervor, aus welchem Worte es vermittelst des oft gleichfalls intensiven Zischlautes gebildet seyn kann, daher dieses s auch in andern Sprachen mangelt, z.B. in dem Lat. pandere, dem Schwed. bända, päna, im mittlern Lat. bendare, im Angels. bendan, im Engl. to bend, welche insgesammt spannen bedeuten.
Ehedem ging dieses Zeitwort irregulär, ohne Zweifel, weil das einfachere spanen, mit dem intensiven spannen vermischt war. Das Imperf. lautet bey dem Notker spien, und das Mittelwort bey dem Ottfried gelpannan, für gespannt.
Adelung-1793: Spannen (2) · Spannen (1) · Spannen
Pierer-1857: Spannen [1] · Spannen [2] · Bank spannen · Spännen