Versitzen

[1141] Versitzen, verb. irregul. S. Sitzen, welches in doppelter Gestalt vorkommt. 1. Als ein Neutrum, welches als ein solches das Hülfswort seyn erfordert. (1) Sitzen bleiben, eine nur in der Landwirthschaft einiger Gegenden übliche Bedeutung, wo man von der ausgesäeten Gerste sagt, sie versitze, bleibe versitzen, oder sey versessen, wenn sie sitzen bleibt, d.i. nicht aufgehet. (2) Auf etwas versessen seyn, im gemeinen Leben, für das anständigere ersessen. S. Ersitzen.

2. Als ein Activum. (1) Sich versitzen, in Gestalt eines Reciproci, durch langes Sitzen zu andern Geschäften träge und untauglich werden. (2) Durch langes Sitzen um etwas kommen, es verlieren.


Daß Helden Blut und Kraft verschwitzen,

Gelehrte Schlaf und Ruh versitzen,

Günth.


Und denkt vielleicht, daß ein verdrießlich Weib

In Monathsfrist viel Eigensinn versitze,

Haged.


(3) Durch stille Sitzen vorüber gehen lassen; doch wohl nur im Niederdeutschen. Den Gerichtstag versitzen, ihn vorüber gehen lassen, ohne zu erscheinen. Das Spiel versitzen, passen. Die Zeit versitzen, so lange sitzen, daß die Zeit darüber verstreiche. 4) Durch Sitzen bezahlen oder tilgen, wofür doch absitzen im Hochdeutschen üblicher ist. Eine Schuld im Gefängnisse versitzen.

So auch das Versitzen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1141.
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