Verstellen

[1151] Verstêllen, verb. regul. act. welches nach Maßgebung der Partikel ver in einer dreyfachen Bedeutung vorkommt. 1. So fern ver eine Verschlimmerung bezeichnet, ist verstellen, dem Scheine nach, oder durch eine zufällige Veränderung, auf kurze Zeit eine andere und zwar nachtheilige Gestalt ertheilen; wodurch es sich von dem härtern verunstalten unterscheidet, welches unter andern auch eine bleibende Verderbung der Gestalt bezeichnet. Sein Gesicht durch eine Perücke verstellen. Eine schlecht gemachte Kleidung verstellet den, der sie trägt. Die Krankheit hat ihn sehr verstellet. Cain verstellete seine Geberde, 1 Mos. 4, 5. 6. 2. So fern ver eine Verbergung bezeichnet, ist verstellen, durch Stellen, d.i.[1151] durch einen äußern Schein verbergen. Das Angesicht mit Asche verstellen, 1 Kön. 20, 38; so fern es bloß unkenntlich machen bedeutet. Ingleichen durch sein äußeres Betragen die innern Empfindungen verbergen, wo es mit dem Lat. dissimulare überein kommt, aber in der edlern Schreibart veraltet ist. Seinen Verdruß verstellen, besser verbergen. 3. In weiterm Verstande, so daß ver den bloßen Begriff der Änderung hat, ist verstellen, sich von außen anders stellen, als man denkt und empfindet. Wir verstellen uns, wenn unser äußeres Verhalten unsern Neigungen und Empfindungen widerspricht. Er weiß sich vortrefflich zu verstellen. Der Satan verstellet sich in einen Engel des Lichts, 2 Cor. 11, 14. Welche Wortfügung mit der Präposition doch ungewöhnlich ist. Ein Zorniger verstellt sich, wenn er sich freundlich stellt. Verstellter Weise. Eine verstellte Zärtlichkeit, Freundlichkeit u.s.f. Verstellen wird in dieser Bedeutung bloß absolute gebraucht; wird die Art und Weise der Verstellung durch ein Nebenwort, oder auch durch als ausgedruckt, so gebraucht man dafür das einfache sich stellen.

Daher die Verstellung, besonders in der dritten Bedeutung, sowohl von der wissentlichen Annehmung des Scheines von einem Zustande, worin man sich nicht befindet, als auch von äußern Handlungen, welche dem innern Zustande zuwider sind. Es ist lauter Verstellung.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1151-1152.
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