Robert Clive

[274] Robert Clive. Dieser große Mann, welcher in einem Zeitraum von zehn Jahren die Englische Ostindische Compagnie aus den verzweifeltsten Umständen riß, und ihr in einem fremden Welttheil durch Klugheit, Muth und mit Gefahr seines Lebens ein weit größeres Landeigenthum, als sein ganzes Vaterland groß war, erwarb, war der Sohn eines Englischen Rechtsgelehrten, und ward 1725 geboren. Schon in seiner frühen Jugend gaben ihm seine Lehrer das Zeugniß, daß er zum Lernen zu unruhig, aber ein ungewöhnlich beherzter und verwegener Bube sei. Im Jahr 1743 ging er als Schreiber in die Dienste der Ostindischen Compagnie, und ging nach Madras. Im Jahr 1747 trat er in die seinem Charakter angemessenen Kriegsdienste, in welchen er sich unausgesetzt bis ins Jahr 1753 als einen höchst einsichtsvollen, muthigen und tapfern Krieger zeigte, und die Franzosen nebst den Indischen Alliirten vor seinem Namen zittern machte. In dem erwähnten Jahre 1753) mußte er seiner Gesundheit wegen nach England zurück; er war schon einige Jahre vorher von einem Nervenfieber befallen worden, das in eine Art von Schwermuth ausartete, von welcher er nachher, besonders in ruhigern Situationen, noch oft und lange litt. Im Jahr 1755 ging er als Obristlieutenant und Gouverneur des Forts David wiederum nach Indien, wo er, noch ehe er seinen Gouverneursposten antrat, den furchtbaren Seeräuber Angria in seinem fast für unüberwindlich gehaltenen Raubnest bezwingen half. Um diese Zeit geschah die grausame Einnahme und Plünderung der Englischen Factorei in Calcutta (s. Calcutta), welche zu rächen Bombay verschiedene Kriegsschiffe, und Madras den Obristen Clive mit etwa fünfhundert Mann nach der Mündung des Ganges schickte. Clive hatte in diesem Kriege ein ungewöhnliches Glück, welches den Nabob zum Frieden zwang, ohne jedoch seinen Entschluß zu erschüttern, die Engländer in Bengalen zu schwächen. Die Engländer traten daher mit einigen in diesen Reichen zum Aufstand [274] immer geneigten Großen, vorzüglich mit des Nabobs Schwager und ersten Befehlshaber Mir Jaffir, wider denselben in Verbindung; und Clive gewann 1757 die berühmte Schlacht bei Plassey, welche den Nabob der Regierung beraubte, und den Grund zu der nachmahligen Oberherrschaft der Engländer in Bengalen legte. In die folgenden zehn Jahre fallen die großen Eroberungen, welche Clive in Ostindien machte, so wie die Anhäufungen von Reichthümern, die er für sich machte. Miß Jaffirs Ernennung zum Nabob von Bengalen, welche demselben versprochen worden war legte den ersten Grund zu den letztern, indem er von dem neuen Nabob ein Geschenk von 300000 Pfund Sterling bekam. Die aus England nach Indien geschickten Räthe ernannten ihn zum unumschränkten Dietator daselbst Als in Indien alles ruhig war, ging er nach England zurück, und ward daselbst 1761 von dem Könige mit dem Titel Lord Clive, Baron von Plassey (zum Andenken des daselbst erfochtenen Sieges) begnadigt. Als aber kaum drei Jahre darauf das Glück der Engländer in Ostindien von neuem äußerst wankend ward, wurde Clive, im Jahr 1765 mit vier seiner Freunde, als General en Chef und Gouverneur nach Calcutta zurück gesandt. Bei seiner Ankunft war der Hauptfeind der Engländer der Nabob von Auhd geschlagen, und der Mogul, der sich als Prätendent bei ihm aufgehalten, hatte sich unter den Schutz der Engländer begeben, welchen Umstand Clive benutzte, sich vom Mogul, welcher dem Namen nach Oberherr dieser Lande ist, die Belehnung über die drei Provinzen Bengalen, Bohar und Orixa geben zu lassen, und solchergestalt eine ungeheuer große von funfzehn Millionen Menschen bewohnte Strecke Landes unter die Oberherrschaft der Engländer zu bringen. Hierauf suchte er die Mißbräuche, welche zu Bedrückung der Eingebornen dort eingerissen waren und ihren Grund in der Raubgier der Europäer hatten, zu mildern, womit es ihm jedoch nicht glückte. Im Jahr 1767 kam er nach England zurück, und wurde 1769 zum Ritter des Ordens vom Hosenbande ernannt. Weil nach seiner Abwesenheit aus Indien die Sachen dort von neuem schief gingen, und durch üble Verwaltung und neue Kriege die Compagnie einem Bankerott nahe gebracht wurde, so entstand eine Untersuchung, [275] wo dieß herrühre. Er wurde darüber vom Parlament in Anspruch genommen, und man trug 1773 im Unterhause darauf an, daß er des Mißbrauchs seiner Gewalt in Indien und dort unrecht erworbenen Vermögens angeklagt werden sollte. Er entschuldigte sich dagegen, und das Unterhaus absolvirte ihn mit der Erklärung, daß er dem Vaterlande große Dienste geleistet habe. Beim Ausbruch des Amerikanischen Krieges wurde ihm das General-Commando angetragen; allein er lehnte es, seiner immer schwächer werdenden Gesundheit wegen, ab. Seine Krankheit war eine Art von Schwermuth, die ihm am 22. Nov. 1774 der Welt entriß; er legte selbst Hand an sein Leben, und erschoß sich mit einer Pistole.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 1. Amsterdam 1809, S. 274-276.
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