Renatus Descartes

[339] Renatus Descartes, geb. 1596 zu Hay in Touraine, gest. zu Stockholm 1650, war von einer etwas mehr als mittelmäßigen Höhe, und sehr zart und regelmäßig gebaut. Er hatte eine breite etwas hervor stehende Stirn, dunkle Augen, und eine schwarzgelbe Farbe. Auf der Wange hatte er stets eine kleine Blatter. Sein Blick war voll Annehmlichkeit, sein Gesicht heiter, seine Stimme einnehmend. Seine Gesundheit war nicht die stärkste. Schon auf der Schule zeigte sich sein Scharfsinn. Seine Geburt so wohl als seine Neigung machten, daß er sich zum Militair begab; er diente als Volontair bei der Belagerung von Rochelle und in Holland unter dem Prinzen Moritz. Während er in Holland die Waffen trug, war einst an den Straßen von Breda ein mathematisches Problem angeschlagen; eine Menge Menschen blieben stehen; unbekannt mit der Sprache bat er einen Mann, der neben ihm stand, ihm den Anschlag zu erklären. Dieser Mann war der Urheber des Problems, Professor Beecmann; er lächelte über den jungen Officier, und ward sehr überrascht, als dieser den Morgen darauf das Problem gelöst hatte. Descartes verließ das Militair, und widmete sich ganz den Wissenschaften, vorzüglich der Philosophie und Mathematik. Nachdem er viel gelesen, ohne dessen ungeachtet zu sichern Resultaten zu gelangen, ging er auf Reisen, um die Menschen zu studiren und sich selbst zu beobachten. Allein auch seine Wanderungen gaben ihm wenig reinen Gewinn für feste Grundsätze; und er kehrte zurück mit [339] dem Vorsatz, alle Systeme zu vergessen, und sich selbst einzig von seiner Denkkraft geleitet, ein System zu schaffen. Dieses sein System – welches sehr berühmt worden ist – ist zwar voller Seltsamkeiten, und auf keinen Fall so beschaffen, ihm eine Stelle unter den Philosophen vom ersten Range zu sichern; allein es herrscht doch durchgehends der Geist des Selbstdenkens darin, und es hat viel dazu beigetragen, diesen Geist auch in Andern zu erwecken. Heydenreich hat über die Entwicklung seines Geistes und über seine Philosophie lehrreiche Betrachtungen geschrieben, im 1. Theile seiner Original-Ideen etc. Descartes liebte übrigens die Unabhängigkeit; er ließ sich jedoch bereden, nach Stockholm zur Königin Christina zu gehen, die ihn zu sehen wünschte. Er fand seinen Tod in Stockholm. Sein Körper blieb bis 1666 daselbst, in welchem Jahre er nach Paris gebracht, und in der Kirche der heiligen Généviève - Dumont von neuen begraben wurde. Descartes hatte ein liebenswürdiges Betragen. Er hatte sich nicht verheirathet; aber die Liebe kannte er. Er hatte eine Tochter Francisca, welche im fünften Jahre in seinen Armen starb. Er war untröstlich über diesen Tod, und gestand, daß er nie einen größern Schmerz empfunden habe.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 1. Amsterdam 1809, S. 339-340.
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