[319] Gottfried Kneller, geboren zu Lübeck 1648, ein Schüler Paul Rembrands und Ferdinand Böls, war einer der berühmtesten Bildnißmahler seiner Zeit. Kneller studirte mit seinem Bruder zu Rom, und arbeitete nach seiner Zurückkunst in München, Nürnberg und Hamburg. Er kam 1676 nach London, wo er die Stelle eines ersten königlichen Hofmahlers erlangte. Wilhelm III. machte ihn zum Ritter, Kaiser Joseph I. erhob ihn in den Reichsritter-Stand, und endlich ward er Englischer Baronet. Er starb 1723, und wurde in der Abteikirche Westminster begraben, wo man ihm ein prächtiges Monument mit der ins Englische übersetzten Grabschrift des großen Raphaels aufrichtete. Dieser Künstler wählte den einträglichsten Theil der Mahlerei, das Portraitmahlen, worin ihn nach Lelys Tode kein Nebenbuhler zum Wetteifer reitzte, und wodurch er sich ungetheilten Ruhm erwarb. Man hielt sich nicht gemahlt, wenn es nicht von ihm war. Seine Composition ist angenehm, sein Pinsel leicht und sein Colorit kräftig. Eine gänzliche Aehnlichkeit durfte man von ihm nicht erwarten; er wußte diesen Fehler durch eine besondre Anmuth, und insbesondre durch eine edle Einfalt zu ersetzen, welche in den Augen eines Engländers die größten Reitzungen hat. Er machte sich den [319] ohnedieß einträglichen Zweig der Portraitmahlerei dadurch noch einträglicher (er hinterließ viel Vermögen, ob er gleich großen Aufwand machte), daß er im eigentlichen Sinne des Worts eine Portrait-Fabrik anlegte. Seine (größten Theils Deutschen) Handlanger mußten an dem Bilde, woran er lediglich die Gesichtszüge mahlte, alles übrige ausführen. Der eine mahlte die Perrücke, ein Andrer den Huth, ein Dritter den Rock etc. Uebrigens war sein Ruf so groß, daß die Englischen Künstler alle seine Fehler, welche zum Theil seine Flüchtigkeit im Arbeiten nothwendig machten, als Tugenden nachahmten.