[441] [441] Der Luxus ist vorzüglich in unserm Zeitalter ein wichtiger Gegenstand der Untersuchung geworden; er hat häufige Widersacher, aber auch gründliche Vertheidiger gefunden. Da jedoch dieser fremde Ausdruck, Luxus, schon den Nebenbegriff des Schädlichen und Verderblichen bei sich führt, welches erst von der Sache erwiesen werden muß, so würde es unserer Meinung nach weit besser sein, sich in Untersuchungen hierüber Statt desselben des Ausdrucks Wohlleben zu bedienen, welchem kein solcher Nebenbegriff anhängt. Daß das Wohlleben an sich, als ein dem Menschen von der Natur selbst bestimmter Gegenstand seiner Bestrebungen, demselben zu wünschen und zu gönnen sei, ist eben so sehr außer Zweifel, als daß dasselbe zu gleicher Zeit beitrage, seine geistigen Anlagen zu entwickeln und auszubilden. Auch ist das Wohlleben fähig, durch die Anweisung zur Hervorbringung und Bearbeitung der Gegenstände desselben, die Industrie zu befördern, und auf diese Art unmittelbar auf den Wohlstand einer Nation zu wirken. Dagegen sehen wir aber auch daß das Wohlleben nicht nur einzelne Menschen und Familien, sondern selbst ganze Nationen zu Grunde richtet. Was können wir nach diesen Bemerkungen anders urtheilen, als daß das Wohlleben, so wie es an sich wünschenswerth ist, auch unter gewissen Bedingungen einem Staate sehr zum Vortheil gereichen könne, daß aber dessen unzeitige Einführung, so wie der Mißbrauch desselben, die gegentheilige Wirkung hervorbringen müsse. Die Hauptbedingung, unter welcher das Wohlleben dem Staate heilsam ist, ist diese, daß dasselbe mit dem Vermögen desselben oder dem Nationalreichthume gleichen Schritt halte. Ich sage mit Vorbedacht nicht, daß es eine Folge des Nationalreichthums sei; denn mehrere Mahle schon brachte ein schnell bewirkter Reichthum einer Nation ein eben so schnell steigendes Wohlleben hervor, welches durch seine geschwinde Verbreitung dem Staate bald zum größten Nachtheil gereichte, indem es die Arbeitsamkeit in demselben erstickte. Der langsam sich entwickelnde Luxus kann auch durch Erweckung der Industrie zur Hervorbringung der Gegenstände desselben die Ursache des Nationalwohlstandes werden, und so gereicht er dem Staate zum wahren Vortheil. Aus diesen allgemeinen Ideen ergeben [442] sich folgende Bemerkungen: Kleine Staaten haben ein übertriebenes Wohlleben mehr zu fürchten, als große, weil sie selbst für die Gegenstände desselben wenig Rath schaffen können, und folglich das Geld dafür nicht ihren Mitbürgern, sondern auswärtigen Nationen zu Gute kommt. – Ueberhaupt sollten die Gegenstände des Luxus mehr in- als ausländische sein: doch darf man hierüber nicht zu streng urtheilen; denn eine wohlhabende und thätige Nation kann das Geld, das sie ins Ausland geschickt, durch den Handel von demselben wieder gewinnen. – Es ist am sichersten, so wie es an sich überaus nützlich ist, vorzüglich dem kleinen Wohlleben des großen Haufens fortzuhelfen, und dagegen das hohe Wohlleben der Großen niederzuhalten; denn das letztere kann, besonders wenn im Volk erst ein Anfang der Aufnahme ist, nicht nur sehr dazu beitragen, daß der gemeine Mann ausgesogen und unterdrückt wird, sondern es kann auch leichter die Gränzen überschreiten, da der Große weit eher Credit findet, als der gemeine Mann. – Diejenigen Gegenstände des Wohllebens sind vorzüglich zu billigen, in welchen vornehmlich die auf die Hervorbringung des Bedürfnisses gewandte Arbeit bezahlt wird, dagegen das Wohlleben, dessen Gegenstände mehr durch die Seltenheit und Liebhaberei den Preis erhalten, schädlicher ist. – So wie das Wohlleben die Gränzen des Vermögens nicht überschreiten darf, wenn es nicht verderblich werden soll, so muß es sich auch innerhalb der Gränzen der Sittlichkeit halten, und nicht in Ueppigkeit und Schwelgerei ausarten: wenigstens müssen diese Laster höchstens in den Häusern einiger Reichen verschlossen bleiben; denn wenn sie sich der Nation bemächtigen, so ist es um dieselbe geschehen.