Paul Olavides

[295] Paul Olavides, ein Mann von ungemeiner Thätigkeit und dem wärmsten Patriotismus, zugleich einer der scharfsinnigsten Köpfe unter den neuern Spaniern, war 1724 zu Lima in Peru geboren. Er that Reisen durch verschiedene Theile Europens, und machte endlich in Spanien den weitaussehenden Plan, die große bisher wüste, bloß von Räubern und wilden Thieren bewohnte Bergkette, welche die Provinz Neucastilien von Andalusien, Cordova und Jaen scheidet, und unter dem Namen Sierra Morena bekannt ist, zu bevölkern und urbar zu machen. Ein Abenteurer aus Bayern, Namens Thürriegel, dem die Herbeischaffung von Einwohnern und die Aufsicht über sie aufgetragen wurde, lockte unter ungeheuern Versprechungen und Prahlereien auf 6000 Menschen aus Schwaben und den Rheingegenden dahin: allein als sie ankamen, fanden sie sich getäuscht; das unfruchtbare Land gab ihnen, ungeachtet der König viel für sie that, kaum die nöthigsten Bedürfnisse, und eine Seuche riß einen großen Theil derselben ins Grab. Nun übernahm Olavides, der Generalintendant über diese Colonien worden war, die Vollendung des Colonisationswesens, zog neue Pflanzer in das Reich, verwandelte von 1767–76 das öde Gebirge in die herrlichste und fruchtbarste Gegend, und machte den Geist der Industrie unter den Colonisten auf alle Art rege. Er verschaffte hier beinahe 10,000 Familien Unterhalt, und legte einige Städte an, deren größte er dem König Carl III. zu Ehren Carolina nannte. Zum Unglück für ihn selbst hatte er aber, um [295] die neuen Bewohner nicht mit Faulheit anzustecken, keine Klöster in der Sierra Morena angelegt. Die Mönche und die Geistlichkeit beschuldigten ihn in der Stille der Ketzerei: er wurde 1776 im Namen der Inquisition arretirt; und einige unvorsichtige Reden und Handlungen in Bezug auf Religion und Clerisei, die man ihm als das größte Verbrechen anrechnete, waren jenem Gerichtshofe hinlänglich, um den verdienten Mann 1778 als einen förmlichen Ketzer auf 6 (nach andern Nachrichten 8) Jahr zur Gefangenschaft in einem Kloster und zu täglichen Bußübungen in derselben zu verurtheilen und ihn aller seiner Güter und Würden zu berauben. König Carl III. der erst kurz vorher dem Inquisitionsgericht den größten Theil der verlornen Gewalt wiedergegeben hatte, wagte es nicht zu widersprechen; allein wahrscheinlich geschah es durch Unterstützung vom Hofe, daß Olavides bald darauf aus seinem Kloster glücklich nach Frankreich entfloh. Man wußte bisher nicht, ob und wo er lebe; jetzt aber sind wir durch BourgoinsTableau moderne dʼEspagne, Th. 1. S. 361, belehrt worden, daß er noch an dem Ufer der Loire lebt, und während des Schreckenssystems in großer Gefahr war, sein Leben zu verlieren.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 295-296.
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