Paraguay

[365] Paraguay, 1) in der weitern Bedeutung, begriff, ehe noch i. J. 1776 viele Theile desselben zu dem neu gestifteten Vicekönigreiche Rio de la Plata im Spanischen Südamerika geschlagen wurden, einen großen Strich Landes in dem südlichen Amerika, der sich von Brasilien an bis hinter Chili und Peru und das vormahls so genannte Amazonenland erstreckte, und sieben große Provinzen in sich begriff. – Der östliche Theil von Paraguay gehört den Portugiesen. 2) in der engern Bedeutung bedeutet Paraguay [365] eine jener Provinzen, die jetzt zu dem erwähnten Spanischen Vicekönigreiche Rio de la Plata gehört, und durch welche der große Paraguaystrom fließt. Die Lust dieses Landes ist gemäßigt und gesund. Die vorzüglichsten Producte desselben sind Korn, Baumwolle, Zucker, Paraguaythee, Gewürze u. f. f. Die Hauptstadt la Assumption liegt am Flusse Paraguay, und hatte vor einigen Jahren nur 400 Einwohner. Sehr merkwürdig ist Paraguay durch die Niederlassungen der Jesuiten daselbst geworden. Der Spanische Hof erlaubte den Jesuiten in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, Missionen hier zu errichten, und die halb wilden Bewohner von Paraguay in eine gesittete bürgerliche Verfassung zu bringen; er glaubte ohne Zweifel in diesen Etablissements zugleich eine Art von Schutzwehr gegen die ihm zu nahen Portugiesen zu finden. Die Jesuiten machten sich anheischig, allen die Spanische Sprache zu lehren, und überdieß der Krone für jeden mannbaren Amerikaner in ihren Missionen einen Piaster (1 Thlr. und 8 10 gute Gr.) zu bezahlen. Die Jesuiten wußten sich bald bei den Einwohnern von Paraguay (welche ihnen in der Folge wirklich viel Cultur verdankten) auf mannigfaltige Art so einzuschmeicheln, daß sie nach einem geringen Anfange in der Folge 31 Missionen oder Doctrinas, welche zusammen auf 100,000 Amerikaner faßten, errichteten. Hier waren sie zugleich Priester und oberste Befehlshaber. Ihr Hauptzweck dabei war jedoch bloß die Bereicherung und Vergrößerung ihres Ordens, den sie auch lange Zeit zu erreichen wußten. Sorgfältig verschlossen sie allen Spaniern wie den Portugiesen den Eintritt in ihre Etablissements, in der vorgespiegelten Absicht, die Sitten ihrer Zöglinge rein zu erhalten. Weit entfernt, diesen die Spanische Sprache zu lehren, flößten sie ihnen vielmehr den stärksten Haß gegen Spanier und Portugiesen ein; sie hatten sich sogar von ihrem Hofe die Erlaubniß zu erschleichen gewußt, ihre Untergebenen bewaffnen zu dürfen. Diese besaßen kein Eigenthum; dagegen bereicherten die Jesuiten ihren Orden durch den Handel mit Producten des Landes unglaublich. Dem Spanischen Hofe wußten sie lange Zeit durch falsche Berichte die wahre Beschaffenheit der Dinge zu verbergen, und demselben ihre [366] Lage als dürftig vorzustellen, daher derselbe auch wenig Kopfsteuer erhielt. Zwar war der Hof auf diese Täuschungen aufmerksam gemacht worden, allein vergebens; die Jesuiten wußten sich in ihrem guten Rufe zu behaupten. Als aber endlich i. J. 1752 ein mit Portugal abgeschloßner Umtauschungstractat in Amerika vollzogen werden sollte, wodurch ihre Missionen durchschnitten und ihrem Handel ein Ende gemacht worden sein würde, suchten sie dieses anfangs durch Cabalen am Hofe zu hintertreiben: als aber dieses mißglückte, warfen sie die Maske ab; sie ließen ihre Leute zu den Waffen greifen. Sie hatten eine wohl versehene und nicht ungeschickte Armee von 20,000 Mann auf den Füßen, und sie konnten auch nicht entscheidend überwunden werden. Im J. 1767 wurden jedoch die Jesuiten gänzlich aus der Spanischen Monarchie vertrieben; und so ging auch ihr Reich in Paraguay zu Ende. Vergl. den Art. Jesuiten.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 365-367.
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