[350] Stanislaus August (geb. am 17. Januar 1732), der älteste Sohn des Pohlnischen Grafen von Poniatowski, genoß nebst seinen zwei Brüdern die trefflichste, zweckmäßigste Erziehung, an welcher der Vater oft selbst sehr thätigen Antheil nahm. Stanislaus August, der, von allem Geräusche entfernt, [350] den Wissenschaften einen ganz besondern Geschmack abgewonnen hatte, brachte es endlich in denselben so weit, daß er seine beiden Brüder nicht nur übertraf, sondern auch ein Gelehrter beißen konnte. Und in der That verrathen seine Schriften einen Mann von großen Kenntnissen – einen Mann, der, da er keine Kriegs- und Heldenthaten aufzuzeigen wußte, gewiß nicht dazu gelangt sein würde, was er schon nach seinem zurückgelegten zwei und dreißigsten Jahre wurde. – Bis zu dem Vater des Stauislaus August hatte die Familie Poniatowski – zwar alt, aber, bei ihren wenigen Besitzungen und geringem Vermögen, ohne großen Einfluß auf die Republik – ihre Subsistenz meist der fürstlichen Familie Sapieja zu verdanken, zog von dieser Pensionen und war bei ihr in Diensten. Endlich aber empfahl der Fürst Sapieja den Vater unsers Stanislaus dem Könige von Schweden, Carl XII., welcher diesen jungen Pohlen nach und nach zu einem seiner besten Generals emporhob, der unter ihm in dem Kriege wider August II. diente, und auch endlich nach der unglücklichen Schlacht bei Pultawa 1709 mit ihm in die Türkei ging, nicht nur die ganze Zeit mit ihm daselbst aushielt, und als Gesandten bei der Pforte sich brauchen ließ, sondern auch bis an seinen Tod (in der Schlacht bei Friedrichshall 1718) um ihn war, nachher aber mit seiner Familie sich nach Hamburg und Danzig wendete, wo er mehrere Jahre in der Stille und nur in seiner Familie zubrachte. Kein Wunder, daß nun auch August III. den in Carls XII. Diensten sich so empor geschwungenen alten Poniatowski auf seine Seite zu bringen sich bemühte; welches ihm aber doch nicht sogleich gelang, indem dieser, zu gut Freund mit dem abgesetzten Stanislaus Leszynski, erst nachdem das Haus Sapieja gegen August III. nachgiebiger geworden, auf seine Seite sich neigte. Natürlich bekam von nun an das gräflich Poniatowskische Haus Einfluß und Gewicht, und in nicht gar langer Zeit erhielt der Vater die sehr wichtige Stelle eines Kron-Schatzmeisters, die er bis an seinen Tod 1762 zur Zufriedenheit der ganzen Nation bekleidete. Aber auch sein ältester Sohn, Stanislaus August, als Mann von gutem Herzen, von Kopf und Kenntnissen der Nation [351] schon längst bekannt, fand Gelegenheit, sein Vaterland aus mancherlei Krisen, in welche es mit Rußland damahls leider schon zu sehr verwickelt war, eben so glücklich als klug zu reißen, und so wurde nach dem Tode Königs August III. (am 5. Octbr. 1763) Stanislaus August – was man gewiß einige Jahre zuvor nicht ahnden konnte – den 7. Septbr. 1764 fast einstimmig zum Könige von Pohlen gewählt und gekrönt. Zwar würde seine Wahl entweder gar nicht, oder doch sehr schwer erfolgt sein, wenn nicht inzwischen der Churfürst von Sachsen, Friedrich Christian, der Sohn Augusts III., welcher die Krone Pohlens suchte, gestorben, und dessen Churprinz bei seinem Tode nicht zu jung gewesen wäre: da aber jetzt kein fremder Prinz um die Krone Pohlens sich bewarb, und die Nation wieder einen Plasten auf den Thron wünschte, auch den jungen Stanislaus August fast durchgängig schätzte und liebte, dieser auch von Preußen, hauptsächlich aber von Rußland begünstigt wurde, so geschah denn auch diese Wahl fast ohne den geringsten Widerspruch. Dieser Fürst nun – welcher in der Pohlnischen Geschichte Stanislaus II. August heißt, und für seine Perfon der edelste, vortrefflichste Herr, gelehrt, arbeitsam, herablassend, gegen Jedermann, ohne Unterschied der Person, gerecht war – würde gewiß mehrere seiner würdigen Vorgänger übertroffen haben, hätte ihm die Nation nur mehr Selbstständigkeit gelassen. Zwar war er wenig Krieger; aber er wußte auch, daß Pohlen jetzt der Ruhe benöthigt wäre, und daß seiner Nation, bei dem großen Einflusse, den die benachbarten Mächte, Oestreich, Preußen und besonders Rußland, auf die Republik und die öffentlichen Geschäfte hatten, und bei der allzu großen Ueberlegenheit dieser Mächte, Kriege tödtlich werden könnten. Natürlich suchte er daher, so gut er konnte, alle Kriege zu vermeiden, und seine ganze Aufmerksamkeit auf eine gut geordnete Regierung, auf weise und wohlthätige Gesetze und eine gerechte Gerichtspflege zu verwenden, um dadurch den mannigfaltigen Gebrechen abzuhelfen und die Glückseligkeit des ganzen Reichs zu erhöhen. Wie innig betrübte er sich über die große Ungerechtigkeit und eiserne Härte des Adels gegen die Dissidenten! Wie sehr man diese schon seit Sigismund [352] III. von Seiten des katholischen Adels zu drücken versuchte, wie sie ihre Beschwerden auch jetzt wieder vorbrachten, und von auswärtigen Mächten dabei unterstützt wurden, findet man ausführlicher in dem Art. Dissidenten (Th. 1, S. 353). Und beinahe wäre diese gute, gerechte und zum Theil Gewissenssache zum Vortheil der Dissidenten ausgefallen. Wider alles Vermuthen aber spannen die Bischöfe Soltyk von Cracan, und Masalsky von Wilna, unter dem katholischen Adel zu Bar in Podolien eine Conföderation an, suchten bei dem Türtischen Kaiser Schutz und Hülfe, und bewogen diesen, Catharinen II. den Krieg, der aber zum Nachtheil der Türken ausfiel, anzukündigen. Leider aber ward das Resultat dieses Krieges für Pohlen im J. 1773 eine Theilung, bei welcher 3945 Quadratmeilen von Pohlen abgerissen wurden, wovon an Preußen 556, an Oestreich 1389, und an Rußland 2000 Quadratmeilen ohne Schwerdtstreich kamen. – Durch diese verruchte Barer Conföderation hätte der König Stanislaus August bald sein Leben verloren. In der Haupt- und Residenzstadt Warschau wurde der Anschlag auf sein Leben gemacht. Eines Abends, als der König nach Hause fuhr, geschah ein Schuß in seinen Wagen hinein, welcher ihn traf und verwundete, aber nicht tödtete. Weil der Plan der Barer Conföderation gänzlich auf den Untergang des Königs gerichtet war, und sie diesen in Warschau zu verfolgen für zu schwer hielt, so geschah noch in derselben Nacht seine heimliche Entführung ans der Stadt, um ihn im Geheim morden zu können. Allein Einer von den Mitverschwornen, welchen noch zu rechter Zeit die Reue überfiel, entdeckte die That, und man war im Stande nachzusetzen, und den König, der sich schon in eine Mühle geflüchtet hatte, wieder einzuholen. Nun war zwar das Leben des Königs gerettet, allein wirklich schien er noch für weit mehr Kränkungen bestimmt zu sein. Durch diese erste Theilung Pohlens wuchs nicht nur der Einfluß der benachbarten drei Mächte, sondern auch das Ansehen des Adels, den diese zu erhöhen, und hingegen die Macht des Königs zu schwächen bemüht waren. Kurz, der König verlor eigentlich seine Macht, und nur der königliche Titel blieb ihm übrig. Denn auf dem Reichstage 1773 mußten [353] nun ganz nach Rußlands Belieben mit der Pohlnischen Constitution Veränderungen vorgenommen werden: so mußte sich z. B. der König gefallen lassen, daß ihm ein Conseil permanent an die Seite gesetzt wurde, welches von Reichstage zu Reichstage dauern sollte, und in welchem der König eigentlich nichts mehr als Präsident war; ferner sollte künftighin nie wieder ein auswärtiger Prinz auf den Pohlnischen Thron kommen, ja nicht einmahl der Sohn oder Enkelsohn eines abgegangenen Königs mit um die Pohlnische Krone werben können (vielleicht ein Hauptgrund, warum Stanislaus August sich nicht vermählte): auch wurde auf diesem Reichstage dem Könige das Recht entzogen, die Kron- und andern Aemter, wie bisher, allein und ohne Widerspruch der Stande zu besetzen; das Conseil permanent sollte allemahl drei Candidaten vorschlagen, und der König einen von diesen wählen: wurden Starosteien oder einzelne Krongüter offen, so mußte er sie von nun an gleich wieder an adeliche Familien vergeben, damit der König ja nicht etwa einen etwas bedeutenden Privatschatz erhalten sollte.
So wenig nun von dieser Zeit an der gute König, der sonach alle Selbstständigkeit verloren hatte, wirken konnte, so verlor er doch nicht ganz den Muth, seiner Nation zu nutzen und sie glücklich zu machen. Er kannte, als Gelehrter, als weiser Regent, den Mangel guter Gesetze, und, um diesem abzuhelfen, übertrug er im J. 1776 dem damahligen Kron-Großkanzler, Grafen Andreas Zamoyski, die Verfertigung eines neuen Gesetzbuches. Dieser gelehrte, brave Mann fertigte eines, was seinem Könige sowohl, als dem Auslande – nur nicht dem allmächtigen Adel gefiel: dieser widersprach, weil darin seine Vorrechte gegen den Bürger- und Bauernstand nicht hinlänglich berücksichtigt worden waren, und diese zwei Stände überhaupt zu menschlich waren behandelt worden. Kurz, dieses vortreffliche Gesetzbuch wurde im J. 1779 auf dem Reichstage feierlich verworfen. Aber auch dieß war noch nicht die letzte Kränkung für den guten König, noch eine weit größere war ihm bereitet. Beim Ausbruche des letztern Türkenkrieges gegen Rußland und Oestreich (1788.) fürchtete König Friedrich Wilhelm II. von Preußen, der den unglücklichen Ausgang dieses Krieges für die Türken [354] voraussehen konnte, daß Rußland und Oestreich ihre Macht dadurch zu sehr vergrößern würden: er suchte daher im J. 1790 Pohlens Allianz gegen diese zwei Mächte auf das angelegentlichste. Um aber an den Pohlen eine wahre hinlängliche Unterstützung zu finden, war es schlechterdings nöthig, diese Nation vorher anders und besser zu constitutioniren. Dieß nun konnte bloß damit geschehen, daß Pohlen aus einem Wahlreiche in ein Erbreich verwandelt, und ein etwas mächtiger und reicher Fürst gewählt wurde, wozu er in der Person des Churfürsten, jetzt Königs, von Sachsen, den würdigsten und besten Candidaten zu finden glaubte, zumahl da er die Neigung der Pohlnischen Nation gegen diesen Herrn kannte. Kurz, Friedrich Wilhelm II. erklärte die Pohlnische Constitution von 1773 für null und nichtig, und versprach jede andere Constitution, welche die Nation sich machen würde, zu garantiren. Die Pohlen, jetzt vernünftig genug, und müde jener bei Königswahlen sonst gewöhnlichen Unruhen, vereinigten sich denn wirklich, so, daß am 3. Mai 1791 die neue Constitution zu Stande kam, und dem Könige von Preußen vorgelegt werden konnte, welche er nicht nur genehmigte, sondern sogar mit den Waffen zu vertheidigen versprach. Gleich darauf ruften die Pohlen den Churfürsten von Sachsen zum erblichen Könige von Pohlen aus, mit dieser Ausdehnung, daß, im Fall derselbe ohne männliche Descendenz versterben würde, die Krone sogar an seine Prinzessin Tochter kommen sollte. Allein Rußland, damit ganz unzufrieden, ließ sich recht gern von mehrern mißvergnügten Pohlnischen Reichsständen, die, an ihrer Spitze Potocki, eine Gegenconföderation zu Targowicz gemacht hatten, zu Hülfe rufen. Es verwarf 1792 jene Constitution, und ließ zugleich eine Armee von 70,000 Mann in Pohlen einrücken. Auch der König von Preußen hielt das der Pohlnischen Nation gegebene Wort nicht, sondern ließ sich vielmehr die Vorschläge, die Rußland demselben wegen einer abermahls vorzunehmenden Theilung mit Pohlen that, gefallen, und so mußten denn diese der Gewalt nachgeben. Auf dem Reichstage zu Grodno wurde diese Constitution vernichtet, und Rußland und Preußen schritten zur zweiten Theilung Pohlens. Es erfolgte jedoch eine neue Insurrection unter Kosciusko, welche[355] in dem Artikel Kosciusko (im 2. Theil, S. 326) näher erwähnt ist; aber auch diese lief unglücklich ab, und zog. endlich die dritte und letzte Theilung Pohlens nach sich, so, daß nunmehr das ganze ehemahlige Reich an Rußland, Oestreich und Preußen lam, und gänzlich aufhörte, ein Reich zu sein.
Was nach dieser letzten Theilung aus dem Könige Stauislaus II. August geworden, wollen wir nur noch mit wenigen Worten berühren. Es hatte nehmlich Catharina II., die einst im J. 1764 seine Thronbesteigung so sehr beförderte, jetzt im J. 1794 seine Entthronung beschlossen. Sie ließ ihn daher nach Grodno bringen, nöthigte ihn (am 25. Novbr. 1794) nicht nur den Theilungstractat zu unterschreiben, und in die gänzliche Vernichtung Pohlens zu willigen, sondern auch aller und jeder Rechte auf dieses Reich auf ewig zu entsagen, und die Krone niederzulegen, auch sogleich als Gefangener nach Petersburg zu gehen, wo er denn endlich am 12. Febr. 1798 in einem Alter von 66 Jahren verstarb. Oeffentliche Rachrichten rühmten damahls das gute und menschenfreundliche Benehmen des Russischen Hofes gegen diesen unglücklichen König; das mag sein, gewiß aber würde es edler gewesen sein, wenn man diesem Fürsten Regierung und Krone gelassen hätte, die er unter allen Königen Pohlens am ersten verdiente.
Buchempfehlung
Der satirische Roman von Christoph Martin Wieland erscheint 1774 in Fortsetzung in der Zeitschrift »Der Teutsche Merkur«. Wielands Spott zielt auf die kleinbürgerliche Einfalt seiner Zeit. Den Text habe er in einer Stunde des Unmuts geschrieben »wie ich von meinem Mansardenfenster herab die ganze Welt voll Koth und Unrath erblickte und mich an ihr zu rächen entschloß.«
270 Seiten, 9.60 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro