Das Sylbenmaaß

[469] Das Sylbenmaaß: darunter versteht man bisweilen die Versart, oder auch die ganze metrische Einrichtung eines Gedichts; allein im eigentlichsten Sinne bedeutet es: die regelmäßige Anordnung des Versbaues in Ansehung der Länge und Kürze der Füße oder Versglieder. – Die gewöhnlichsten Sylbenmaaße in der Deutschen Dichtkunst sind: 1) das jambische, welches aus einem zweisylbigen Fuße besteht, dessen erste Sylbe kurz, die zweite aber lang ist; 2) das dactylische (s. Dactylus); 3) das spondäische, ein zweisylbiger Fuß, dessen beide Sylben lang sind; 4) das trochäische, welches sich von dem vorigen darin unterscheidet, daß dessen zweite Sylbe kurz ist. – In einem Gedichte herrscht 1) entweder ein einziges, oder auch mehrere Sylbenmaaße: das Letztere geschieht z. B. wenn der Dichter Doppelstrophen (s. d. Art. Strophe) gebraucht, und solche auch durch das Sylbenmaaß bemerklich machen will; 2) kann das Sylbenmaaß entweder gleichartig sein, wenn jeder Vers des Gedichts aus ganz gleichen Füßen, z. B. aus lauter Jamben besteht: oder ungleichartig, wenn z. B. Spondäen und Dactylen in einem Verse verbunden sind, wie dieß z. B. bei dem Hexameter (s. dies. Art.) der Fall ist. – Das älteste, gewöhnlichste und unstreitig auch der Deutschen Sprache natürlichste Sylbenmaaß ist das jambische; allein daß auch andere, ja sogar alle bei den Römern und Griechen gewöhnliche Sylbenmaaße in der Deutschen Sprache anwendbar sind, haben schon Deutsche Dichter des 16. und 17. Jahrhunderts, am glücklichsten aber in neuern Zeiten Klopstock und Ramler erwiesen.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 5. Amsterdam 1809, S. 469.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika