[403] Wetzlar, die ehemahlige durch das Reichskammergericht berühmte freie Reichsstadt in der Wetterau im Oberrheinischen Kreise an der Lahn auf sehr unebenen Boden gelegen, faßt nicht viel über 5000 Einwohner, und vordem noch auf 900 Personen, welche [403] zum Kammer-Gericht gehörten. Dieses Reichs-Kammergericht, welches 1693 aus dem von den Franzosen verbrannten Speier hieher verlegt worden war (worüber man Th. I. S. 213. nachsehen kann), wurde aufm Rathhause gehalten, und beschäftigte außer den sämmtlichen dazu gehörigen Personen auch noch über 50 Advocaten und Procuratoren, so wie es auch außerdem noch viel Auditoren gab, die sich zu gründlicher Erlernung des Reichsprozesses hier aufhielten, so daß die Stadt dadurch an Lebhaftigkeit und Nahrung sehr gewann (man rechnete die durch das Reichs-Kammergericht jährlich hier in Umlauf gebrachte Geldsumme auf 200,000 schwere Thaler). In dem letzten Französischen Kriege war es mehrmahls von Franzosen besetzt, und mußte, da seine Neutralität nicht völlig ausgemittelt war, ansehnliche Contribution zahlen. Auch fielen in Wetzlars Nähe bedeutende Gefechte vor, besonders im Juni 1796, wo das Jourdansche Heer vom Erzherzog Carl zurückgeschlagen wurde. Im J. 1797 war hier das Hauptquartier des General Hoche, der auch in dieser Stadt starb.
Da durch Aufhebung der Deutschen Reichsverfassung nun auch jenes alte ehrwürdige Gericht seine Auflösung erhalten hat, so hat auch die Stadt Wetzlar dadurch an Wohlstand und Nahrung außerordentlich verloren. Viel ist aber bei dieser Gelegenheit über die Versorgung der bei diesem Gericht angestellt gewesenen Personen geschrieben worden, deren man sich, wie Recht, sehr nachdrücklich angenommen. Auch hat man sich neulich mit der Hoffnung geschmeichelt, daß bei der neuen Einrichtung der Deutschen Bundesstaaten vielleicht hier ein Bundesgericht errichtet werden dürfte, um so mehr, da eine fruchtbare, angenehme Lage, Wohlfeilheit aller Lebensmittel und selbst die schon so gut eingerichteten öffentlichen Gebäude und bequemen Wohnungen es auf alle Art erleichtern würden. Auch war es ein bedeutender Vorzug, daß hier stets eine Harmonie aller Religionen statt fand; daher denn auch bei dem Aufenthalte so vieler schätzbaren Männer eine hohe Bildung entstehen mußte.