[482] Georg Joachim Zollikofer, Prediger an der reformirten Kirche und Mitglied der Deutschen Gesellschaft zu Leipzig, einer der berühmtesten Deutschen Kanzelredner, war zu St. Gallen in der Schweiz 1730 geboren, und anfangs an verschiedenen Orten in der Schweiz Prediger, kam aber 1758 nach Leipzig. Zwar erhielt er, unter sehr vortheilhaften Bedingungen, mehrere Anträge nach Berlin, Kopenhagen und andre Orten; allein er schlug sie aus Liebe zu seiner Gemeinde aus, und blieb für immer in [482] Leipzig, wo er am 22. Januar 1788 starb. Zuerst machte er sich durch die Herausgabe eines neuen Gesangbuchs (1766) verdient, und erwarb sich auch bald den Ruhm eines großen Redners, krönte aber seinen Ruhm, als Redner und Prediger, noch durch einen vortrefflichen Charakter voll echter Frömmigkeit, Bescheidenheit und Wohlthätigkeit. Professor Garve, der wohl hier ein vollgültiger Richter ist, hat in seiner Schrift: Ueber den Charakter Zollikofers (Leipzig, 1788. gr. 8.) eine vortreffliche Schilderung von ihm und seinen Predigten hinterlassen. Das Einzige, was man an diesen tadelt, ist: daß sie zum Theil zu philosophisch, und nicht allgemein faßlich abgefaßt, und deßhalb nicht von jedem Prediger als Muster zu gebrauchen wären. Allein in Hinsicht auf die Gemeinde, in der Zollikofer auftrat, konnte sie dieser Tadel nicht treffen. Außer seinen Predigten: Warnung vor einigen herrschenden Fehlern unsers Zeitalters, wie auch von dem Mißbrauche der reinern Religionserkenntniß, Leipzig, 1788, die er noch selbst in den Druck gegeben hatte, gab der zu Leipzig privatisirenoe Hauptmann von Blankenburg, Zollikofers Freund, auf dessen Geheiß, die vorzüglichsten Predigten desselben in 7 Bänden, Leipzig, 788 und 89, gr. 8. heraus. Je mehr man Zollikofers Predigten überhaupt als Meisterstücke schätzt, um desto interessanter ist es, zu wissen, welche von ihnen die vorzüglichste sei? Diese soll, nach Zollikofers eignem Urtheil, so wie nach dem Urtheile Garveʼs und mehrerer Recensenten die Predigt: »Das Bild des vollkommenen Mannes, der in keinem Worte fehlet« sein.