[668] Semon, Richard, geb. 1859 in Berlin, Prof. der Anatomie in Jena, seit 1897 Privatgelehrter in München.
Wie schon Hering, Mach, Haeckel, Preyer u. a. erblickt S. im (unbewußten) Gedächtnis, in der »Mneme« eine allgemeine Eigenschaft des Organischen, durch welche er die Vererbung (auch erworbener Eigenschaften) u. a. erklärt. Viele Lebenserscheinungen beruhen auf dein Nachwirken früherer Prozesse, deren Spuren (»Engramme«) lebendig (»ekphoriert«) werden. Die Mneme hat eine physische und psychische Seite. Der erste mnemische Hauptsatz ist der »Satz der Engraphie«: »Alle gleichzeitigen Erregungen innerhalb eines Organismus bilden einen zusammenhängenden simultanen Erregungskomplex, der als solcher engraphisch wirkt, das heißt einen zusammenhängenden und insofern ein Ganzes bildenden Engrammkomplex zurückläßt.« Der zweite mnemische Hauptsatz ist der »Satz der Ekphorie«: »Ekphorisch auf einen simultanen Engrammkomplex wirkt die partielle Wiederkehr derjenigen energetischen Situation, die vormals engraphisch gewirkt hat.« Die Assoziation ist der Zusammenhang der einzelnen Komponenten eines Engrammkomplexes und ist ein Ergebnis der Engraphie; es gibt eigentlich nur Simultan-Assoziationen. Die physische Erregung und ihre Empfindung sind derselbe Vorgang von zwei Seiten betrachtet. Bei unmittelbarer Betrachtung (Introspektion) achtet man auf den direkt gegebenen Empfindungsinhalt selbst, bei der energetischen auf ein Produkt der Abstraktion und Kombination sehr vieler mittelbar verknüpfter Empfindungen.
SCHRIFTEN: Die Mneme als erhaltendes Prinzip im Wechsel des organischen Geschehens, 2. A. 1908. – Die mnemischen Empfindungen, 1909, u. a.