Vierkandt, Alfred

[787] Vierkandt, Alfred, geb. 1867 in Hamburg, Prof. in Berlin.

Von Wundt beeinflußt. Psychische Faktoren konstituieren die Gesellschaft[787] und die Erhaltung der Kultur. Die Kulturgüter sind überindividuell, Produkte des Gesamtgeistes. Die Kultur besteht aus einem »Inbegriff fester Formen«, welche der Willkür der Einzelnen entzogen sind. Der Kulturwandel ist durch soziale und sachliche Kräfte bedingt; bei den letzteren sind die trivialen und idealen Motive zu unterscheiden, zu den ersteren gehört der Einfluß des Angenehmen und des Nützlichen. Stärker als die sachlichen sind die sozialen Motive. Eine hohe Bedeutung hat für die Kulturentwicklung das Infinitesimale, Kleine. Der Kulturwandel ist entweder »endogen« oder »Akkulturation« (durch Entlehnung), stetig oder unstetig, bewußt oder unbewußt. Es gibt Halb- oder Vollkultur (bzw. Natur- und Kulturvölker). Das Wesen der Vollkultur liegt im »Überwiegen der willkürlichen vor den unwillkürlichen Willensakten«. Ein »ethelistischer« (willensbestimmter) und »intellektueller« Typus der Vollkultur ist zu unterscheiden.

Schriften: Naturvölker und Kulturvölker, 1896. – Die Stetigkeit im Kulturwandel, 1908. – Das Kulturproblem, Zeitschr. f. Sozialwissensch. III, 1899. – Philos. Studien XX, u.a.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 787-788.
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