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[339] Der einzige Großstaat, mit welchem das römische Reich grenzte, war das Reich von Iran258, ruhend auf derjenigen Nationalität, die im Alterthum wie heutzutage am bekanntesten ist unter dem Namen der Perser, staatlich zusammengefaßt durch das altpersische Königsgeschlecht der Achaemeniden und seinen ersten Großkönig Kyros, religiös geeinigt durch den Glauben des Ahura Mazda und des Mithra. Keines der alten Culturvölker hat das Problem der nationalen Einigung gleich früh und gleich vollständig gelöst. Südlich reichten die iranischen Stämme bis an den indischen Ocean, nördlich bis zum kaspischen Meer; nordöstlich war die innerasiatische Steppe der stete Kampfplatz der seßhaften Perser und der nomadischen Stämme Turans. Oestlich schieden mächtige Grenzgebirge sie von den Indern. Im westlichen Asien trafen früh drei große Nationen jede ihrerseits vordrängend auf einander: die von Europa aus auf die kleinasiatische Küste übergreifenden Hellenen, die von Arabien und Syrien aus in nördlicher und nordöstlicher Richtung vorschreitenden und das Euphratthal wesentlich ausfüllenden [339] aramäischen Volkerschaften, endlich die nicht bloß bis zum Tigris wohnenden, sondern selbst nach Armenien und Kappadokien vorgedrungenen Stämme von Iran, während andersartige Urbewohner dieser weitgedehnten Landschaften unter diesen Vormächten erlagen und verschwanden. Ueber dieses weite Stammgebiet ging in der Epoche der Achaemeniden, dem Höhepunct der Herrlichkeit Irans, die iranische Herrschaft nach allen Seiten, insbesondere aber nach Westen weit hinaus. Abgesehen von den Zeiten, wo Turan über Iran die Oberhand gewann und die Seldschuken und Mongolen den Persern geboten, ist eigentliche Fremdherrschaft über den Kern der iranischen Stämme nur zweimal gekommen, durch den großen Alexander und seine nächsten Nachfolger und durch die arabischen Chalifen, und beide Male nur auf verhältnißmäßig kurze Zeit; die östlichen Landschaften, in jenem Fall die Parther, in diesem die Bewohner des alten Baktrien warfen nicht bloß bald das Joch des Ausländers wieder ab, sondern verdrängten ihn auch aus dem stammverwandten Westen.
Das durch die Parther regenerirte Perserreich fanden die Römer vor, als sie in der letzten Zeit der Republik in Folge der Besetzung Syriens in unmittelbare Berührung mit Iran traten. Wir haben dieses Staats schon mehrfach früherhin zu gedenken gehabt; hier ist der Ort das Wenige zusammenzufassen, was über die Eigenthümlichkeit des auch für die Geschicke des Nachbarstaats so vielfach ausschlaggebenden Reiches sich erkennen läßt. Allerdings hat auf die meisten Fragen, die der Geschichtsforscher hier zu stellen hat, die Ueberlieferung keine Antwort. Die Occidentalen geben über die inneren Verhältnisse ihrer parthischen Nachbarn und Feinde nur gelegentliche in der Vereinzelung leicht irreführende Notizen; und wenn die Orientalen es überhaupt kaum verstanden haben die geschichtliche Ueberlieferung zu fixiren und zu bewahren, so gilt dies doppelt von der Arsakidenzeit, da diese den späteren Iraniern mit der vorhergehenden Fremdherrschaft der Seleukiden zusammen als unberechtigte Usurpation zwischen der alt- und der neupersischen Herrschaftsperiode, den Achaemeniden und den Sassaniden gegolten hat; dies halbe Jahrtausend wird so zu sagen aus der Geschichte Irans herauscorrigirt259 und ist wie nicht vorhanden
[340] Der Standpunct, den die Hofhistoriographen der Sassanidendynastie damit einnahmen, ist mehr der legitimistisch-dynastische des persischen Adels als derjenige der iranischen Nationalität. Freilich bezeichnen die Schriftsteller der ersten Kaiserzeit die Sprache der Parther, deren Heimath etwa dem heutigen Chorasan entspricht, als mitten inne stehend zwischen der medischen und der skythischen, das heißt als einen unreinen iranischen Dialekt; dem entsprechend galten sie als Einwanderer aus dem Land der Skythen und in diesem Sinne wird ihr Name auf flüchtige Leute gedeutet und der Gründer der Dynastie Arsakes zwar von Einigen für einen Baktrer, von Andern dagegen für einen Skythen von der Maeotis erklärt. Daß ihre Fürsten nicht in Seleukeia am Tigris ihre Residenz nahmen, sondern in der unmittelbaren Nähe bei Ktesiphon ihr Winterlager aufschlugen, wird darauf zurückgeführt, daß sie die reiche Kaufstadt nicht mit skythischen Truppen hätten belegen wollen. Vieles in der Weise und den Ordnungen der Parther entfernt sich von der iranischen Sitte und erinnert an nomadische Lebensgewohnheiten: zu Pferde handeln und essen sie und nie geht der freie Mann zu Fuß. Es läßt sich wohl nicht bezweifeln, daß die Parther, deren Namen allein von allen Stämmen dieser Gegend die heiligen Bücher der Perser nicht nennen, dem eigentlichen Iran fern stehen, in welchem die Achaemeniden und die Magier zu Hause sind. Der Gegensatz dieses Iran gegen das aus einem uncivilisirten und halb fremdartigen District herstammende Herrschergeschlecht und dessen nächstes Gefolge, dieser Gegensatz, den die römischen Schriftsteller nicht ungern von den persischen Nachbaren übernahmen, hat allerdings die ganze Arsakidenherrschaft hindurch bestanden und gegährt, bis er schließlich ihren Sturz herbeiführte. Darum aber darf die Herrschaft der Arsakiden noch nicht als Fremdherrschaft gefaßt werden. Dem parthischen Stamm und der parthischen Landschaft wurden keine Vorrechte eingeräumt. Als Residenz der Arsakiden wird zwar auch die parthische Stadt Hekatompylos genannt; aber hauptsächlich verweilten sie im Sommer in Ekbatana (Hamadan) oder auch in Rhagae gleich den Achaemeniden, im Winter, wie bemerkt, in der Lagerstadt Ktesiphon oder auch in Babylon an der äußersten westlichen Grenze des Reiches. Das Erbbegräbniß in der Partherstadt Nisaea blieb; aber später diente dafür häufiger Arbela in Assyrien. Die arme und ferne parthische Heimathlandschaft war für die üppige Hofhaltung und die wichtigen Beziehungen zu dem Westen [341] besonders der späteren Arsakiden in keiner Weise geeignet. Das Hauptland blieb auch jetzt Medien, eben wie unter den Achaemeniden. Mochten immer die Arsakiden skythischer Herkunft sein, mehr als auf das, was sie waren, kam darauf an, was sie sein wollten; und sie selber betrachteten und gaben sich durchaus als die Nachfolger des Kyros und des Dareios. Wie die sieben persischen Stammfürsten den falschen Achaemeniden beseitigt und durch die Erhebung des Dareios die legitime Herrschaft wiederhergestellt hatten, so mußten andere Sieben die makedonische Fremdherrschaft gestürzt und den König Arsakes auf den Thron gesetzt haben. Mit dieser patriotischen Fiction wird weiter zusammenhängen, daß dem ersten Arsakes statt der skythischen die baktrische Heimath beigelegt ward. Die Tracht und die Etikette am Hof der Arsakiden war die des persischen; nachdem König Mithradates I seine Herrschaft bis zum Indus und Tigris ausgedehnt hatte, vertauschte die Dynastie den einfachen Königstitel mit dem des Königs der Könige, wie ihn die Achaemeniden geführt hatten, und die spitze skythische Kappe mit der hohen perlengeschmückten Tiara; auf den Münzen führt der König den Bogen wie Dareios. Auch die mit den Arsakiden in das Land gekommene ohne Zweifel vielfach mit der alteinheimischen gemischte Aristokratie nahm persische Sitte und Tracht, meistens auch persische Namen an; von dem Partherheer, das mit Crassus stritt, heißt es, daß die Soldaten noch das struppige Haar nach skythischer Weise trugen, der Feldherr aber nach medischer Art mit in der Mitte gescheiteltem Haar und geschminktem Gesicht erschien.
Die staatliche Ordnung, wie sie durch den ersten Mithradates festgestellt wurde, ist dem entsprechend wesentlich diejenige der Achaemeniden. Das Geschlecht des Begründers der Dynastie ist mit allem Glanz und mit aller Weihe angestammter und göttlich verordneter Herrschaft umkleidet: sein Name überträgt sich von Rechtswegen auf jeden seiner Nachfolger und es wird ihm göttliche Ehre erwiesen; seine Nachfolger heißen darum auch Gottessöhne260 und außerdem [342] ›Brüder des Sonnengottes und der Mondgöttin‹, wie noch heute der Schah von Persien die Sonne im Titel führt; das Blut eines Gliedes des Königsgeschlechts auch nur durch Zufall zu vergießen ist ein Sacrilegium – alles Ordnungen, die mit wenigen Abminderungen bei den römischen Caesaren wiederkehren und vielleicht zum Theil von diesen der älteren Großherrschaft entlehnt sind.
Obwohl die königliche Würde also fest an das Geschlecht geknüpft ist, besteht dennoch eine gewisse Königswahl. Da der neue Herrscher sowohl dem Collegium der ›Verwandten des königlichen Hauses‹ wie dem Priesterrath angehören muß, um den Thron besteigen zu können, so wird ein Act stattgefunden haben, wodurch vermuthlich eben diese Collegien selbst den neuen Herrscher anerkannten261. Unter den ›Verwandten‹ sind wohl nicht bloß die Arsakiden selbst zu verstehen, sondern die ›sieben Häuser‹ der Achaemenidenordnung, Fürstengeschlechter, welchen nach dieser die Ebenbürtigkeit und der freie Eintritt bei dem Großkönig zukommt und die auch unter den Arsakiden ähnliche Privilegien gehabt haben werden262. Diese Geschlechter waren zugleich Inhaber von erblichen Kronämtern263; die Surên zum Beispiel – der [343] Name ist wie der Name Arsakes zugleich Personen- und Amtbezeichnung –, das zweite Geschlecht nach dem Königshaus, setzten als Kronmeister jedesmal dem neuen Arsakes die Tiara aufs Haupt. Aber wie die Arsakiden selbst der parthischen Provinz angehörten, so waren die Surên in Sakastane (Sedjistân) zu Hause und vielleicht Saker, also Skythen; ebenso stammten die Karên aus dem westlichen Medien, während die höchste Aristokratie unter den Achaemeniden rein persisch war.
Die Verwaltung liegt in den Händen der Unterkönige oder der Satrapen; nach den römischen Geographen der vespasianischen Zeit besteht der Staat der Parther aus achtzehn ›Königreichen‹. Einige dieser Satrapien sind Secundogenituren des Herrscherhauses; insbesondere scheinen die beiden nordwestlichen Provinzen, das atropatenische Medien (Aderbeidjan) und, sofern es in der Gewalt der Parther stand, Armenien den dem zeitigen Herrscher nächststehenden Prinzen zur Verwaltung übertragen worden zu sein264. Im übrigen ragen unter den Satrapen hervor der König der Landschaft Elymais oder von Susa, dem eine besondere Macht- und Ausnahmestellung eingeräumt war, demnächst derjenige der Persis, des Stammlandes der Achaemeniden. Die wenn nicht ausschließliche, so doch überwiegende und den Titel bedingende Verwaltungsform war im Partherreich, anders als in dem der Caesaren, das Lehnkönigthum, so daß die Satrapen nach Erbrecht eintraten, aber der großherrlichen Bestätigung unterlagen265. Allem [344] Anschein nach hat sich dies nach unten hin fortgesetzt, so daß kleinere Dynasten und Stammhäupter zu dem Unterkönig in demselben Verhältniß standen, wie dieser zu dem Großkönig266. Somit war das Großkönigthum der Parther äußerst beschränkt zu Gunsten der hohen Aristokratie durch die ihm anhaftende Gliederung der erblichen Landesverwaltung. Dazu paßt recht wohl, daß die Masse der Bevölkerung aus halb oder ganz unfreien Leuten bestand267 und Freilassung nicht statthaft war. In dem Heer, das gegen Antonius focht, sollen unter 50000 nur 400 Freie gewesen sein. Der vornehmste unter den Vasallen des Orodes, welcher als Feldherr desselben den Crassus schlug, zog ins Feld mit einem Harem von 200 Weibern und einer von 1000 Lastkamelen getragenen Bagage; er selber stellte 10000 Reiter zum Heer aus seinen Clienten und Sclaven. Ein stehendes Heer haben die Parther niemals gehabt, sondern zu allen Zeiten blieb hier die Kriegführung angewiesen auf das Aufgebot der Lehnsfürsten und der ihnen untergeordneten Lehnsträger so wie der großen Masse der Unfreien, über welche diese geboten.
Allerdings fehlte das städtische Element in der politischen Ordnung des Partherreichs nicht ganz. Zwar die aus der eigenen Entwickelung des Ostens hervorgegangenen größeren Ortschaften sind keine städtischen Gemeinwesen, wie denn selbst die parthische Residenz Ktesiphon im Gegensatz zu der benachbarten griechischen Gründung Seleukeia ein Flecken genannt wird; sie hatten keine eigenen Vorsteher und keinen Gemeinderath und die Verwaltung lag hier wie in den Landbezirken ausschließlich bei den königlichen Beamten. Aber von den Gründungen der griechischen Herrscher war ein freilich verhältnißmäßig geringer Theil unter parthische Herrschaft gekommen. In den ihrer Nationalität nach aramäischen Provinzen Mesopotamien und Babylonien hatte das griechische Städtewesen unter Alexander und seinen Nachfolgern festen Fuß gefaßt. Mesopotamien war mit griechischen [345] Gemeinwesen bedeckt und in Babylonien war die Nachfolgerin des alten Babylon, die Vorläuferin Bagdads, eine Zeit lang die Residenz der griechischen Könige Asiens, Seleukeia am Tigris durch ihre günstige Handelslage und ihre Fabriken emporgeblüht zu der ersten Kaufstadt außerhalb der römischen Grenzen, angeblich von mehr als einer halben Million Einwohner. Ihre freie hellenische Ordnung, auf der ohne Zweifel ihr Gedeihen vor allem beruhte, wurde im eigenen Interesse auch von den parthischen Herrschern nicht angetastet, und die Stadt bewahrte sich nicht bloß ihren Stadtrath von 300 erwählten Mitgliedern, sondern auch griechische Sprache und griechische Sitte mitten im ungriechischen Osten. Freilich bildeten in diesen Städten die Hellenen nur das herrschende Element; neben ihnen lebten zahlreiche Syrer und als dritter Bestandtheil gesellten sich dazu die nicht viel weniger zahlreichen Juden, so daß die Bevölkerung dieser Griechenstädte des Partherreichs, ähnlich wie die von Alexandreia, sich aus drei gesondert neben einander stehenden Nationalitäten zusammensetzte. Zwischen diesen kam es, eben wie in Alexandreia, nicht selten zu Conflicten, wie zum Beispiel zur Zeit der Regierung des Gaius unter den Augen der parthischen Regierung die drei Nationen mit einander handgemein und schließlich die Juden aus den größeren Städten ausgetrieben wurden. – Insofern ist das parthische Reich zu dem römischen das rechte Gegenstück. Wie in diesem das orientalische Unterkönigthum ausnahmsweise vorkommt, so in jenem die griechische Stadt; dem allgemeinen orientalisch-aristokratischen Charakter des Partherregiments thun die griechischen Kaufstädte an der Westgrenze so wenig Eintrag wie die Lehnkönigthümer Kappadokien und Armenien dem städtisch gegliederten Römerstaat. Während in dem Staat der Caesaren das römisch-griechische städtische Gemeinwesen weiter und weiter um sich greift und allmählich zur allgemeinen Verwaltungsform wird, so reißt die Städtegründung, das rechte Merkzeichen der hellenisch-römischen Civilisation, welche die griechischen Kaufstädte und die Militärcolonien Roms ebenso umspannt wie die groß artigen Ansiedelungen Alexanders und der Alexandriden, mit dem Eintreten des Partherregiments im Osten plötzlich ab, und auch die bestehenden Griechenstädte des Partherreichs verkümmern im weiteren Lauf der Entwickelung. Dort wie hier drängt die Regel mehr und mehr die Ausnahmen zurück.
[346] Irans Religion, mit ihrer dem Monotheismus sich nähernden Verehrung des ›höchsten der Götter, der Himmel und Erde und die Menschen und für diese alles Gute geschaffen hat‹, mit ihrer Bildlosigkeit und Geistigkeit, mit ihrer strengen Sittlichkeit und Wahrhaftigkeit, ihrer Hinwirkung auf praktische Thätigkeit und energische Lebensführung, hat die Gemüther ihrer Bekenner in ganz anderer und tieferer Weise gepackt, als die Religionen des Occidents es je vermochten, und wenn vor der entwickelten Civilisation weder Zeus noch Jupiter Stand gehalten haben, ist der Glaube bei den Parsen ewig jung geblieben, bis er einem andern Evangelium, dem der Bekenner des Mohammed erlag oder doch vor ihm nach Indien entwich. Wie sich der alte Mazda-Glaube, zu dem die Achaemeniden sich bekannten und dessen Entstehung in die vorgeschichtliche Zeit fällt, zu demjenigen verhielt, den als Lehre des weisen Zarathustra die wahrscheinlich unter den späteren Achaemeniden entstandenen heiligen Bücher der Perser, das Awestâ verkünden, ist nicht unsere Aufgabe darzustellen; für die Epoche, wo der Occident mit dem Orient in Berührung steht, kommt nur die spätere Religionsform in Betracht, wie sie, entstanden vielleicht im Osten Irans, in Baktrien, insbesondere vom Westen her, von Medien aus dem Occident gegenüber trat und in ihn eindrang. Enger aber als selbst bei den Kelten sind in Iran die nationale Religion und der nationale Staat mit einander verwachsen. Es ist schon hervorgehoben worden, daß das legitime Königthum in Iran zugleich eine religiöse Institution, der oberste Herrscher des Landes als durch die oberste Landesgottheit besonders zum Regiment berufen und selbst gewissermaßen göttlich gedacht wird. Auf den Münzen nationalen Gepräges erscheint regelmäßig der große Feueraltar und über ihm schwebend der geflügelte Gott Ahura Mazda, neben ihm in kleinerer Gestalt und in betender Stellung der König und dem König gegenüber das Reichsbanner. Dem entsprechend geht auch die Uebermacht des Adels im Partherreich Hand in Hand mit der privilegirten Stellung des Klerus. Die Priester dieser Religion, die Magier erscheinen schon in den Urkunden der Achaemeniden und in den Erzählungen Herodots und haben, wahrscheinlich mit Recht, den Occidentalen immer als national persische Institution gegolten. Das Priesterthum ist erblich und wenigstens in Medien, vermuthlich auch in anderen Landschaften galt die Gesammtheit der Priester, etwa wie die Leviten in dem späteren Israel, [347] als ein besonderer Volkstheil. Auch unter der Herrschaft der Griechen haben die alte Religion des Staates und das nationale Priesterthum ihren Platz behauptet. Als der erste Seleukos die neue Hauptstadt seines Reiches, das schon erwähnte Seleukeia gründen wollte, ließ er die Magier Tag und Stunde dafür bestimmen, und erst nachdem diese Perser, nicht gern, das verlangte Horoskop gestellt hatten, vollzogen ihrer Anweisung gemäß der König und sein Heer die feierliche Grundsteinlegung der neuen Griechenstadt. Also auch ihm standen berathend die Priester des Ahura Mazda zur Seite und sie, nicht die des hellenischen Olymp wurden bei den öffentlichen Angelegenheiten insoweit befragt, als diese göttliche Dinge betrafen. Selbstverständlich gilt dies um so mehr von den Arsakiden. Daß bei der Königswahl neben dem Adelsrath der der Priester mitwirkte, wurde schon bemerkt. König Tiridates von Armenien, aus dem Haus der Arsakiden, kam nach Rom unter Geleit eines Gefolges von Magiern und nach deren Vorschrift reiste und speiste er, auch in Gemeinschaft mit dem Kaiser Nero, der gern sich von den fremden Weisen ihre Lehre verkünden und die Geister beschwören ließ. Daraus folgt allerdings noch nicht, daß der Priesterstand als solcher auf die Führung des Staats wesentlich bestimmend eingewirkt hat; aber keineswegs ist der Mazda-Glaube erst durch die Sassaniden wieder hergestellt worden; vielmehr ist bei allem Wechsel der Dynastien und bei aller eigenen Entwickelung die Landesreligion in Iran in ihren Grundzügen die gleiche geblieben.
Die Landessprache im Partherreich ist die einheimische Irans. Keine Spur führt darauf, daß unter den Arsakiden jemals eine Fremdsprache in öffentlichem Gebrauch gewesen ist. Vielmehr ist es der iranische Landesdialekt Babyloniens und die diesem eigenthümliche Schrift, wie beide vor und in der Arsakidenzeit unter dem Einfluß von Sprache und Schrift der aramaeischen Nachbaren sich entwickelten, welche mit der Benennung Pahlavi, das heißt Parthava belegt und damit bezeichnet werden als die des Reiches der Parther. Auch das Griechische ist in demselben nicht Reichssprache geworden. Keiner der Herrscher führt auch nur als zweiten Namen einen griechischen; und hätten die Arsakiden diese Sprache zu der ihrigen gemacht, so würden uns griechische Inschriften in ihrem Reiche nicht fehlen. Allerdings zeigen ihre Münzen bis auf die Zeit des Claudius ausschließlich268 [348] und auch später überwiegend griechische Aufschrift, wie sie auch keine Spur der Landesreligion aufweisen und im Fuß sich der örtlichen Prägung der römischen Ostprovinzen anschließen, ebenso die Jahrtheilung so wie die Jahrzählung so beibehalten haben, wie sie unter den Seleukiden geregelt worden waren. Aber es wird dies vielmehr dahin aufzufassen sein, daß die Großkönige selber überhaupt nicht prägten269 und diese Münzen, die ja wesentlich für den Verkehr mit den westlichen Nachbaren dienten, von den griechischen Städten des Reiches auf den Namen des Landesherrn geschlagen worden sind. Die Bezeichnung des Königs auf diesen Münzen als ›Griechenfreund‹ (φιλέλλην), die schon früh begegnet270 und seit Mithradates I, das heißt seit der Ausdehnung des Staates bis an den Tigris, stehend wird, hat einen Sinn nur, wenn auf diesen Münzen die parthische Griechenstadt redet. Vermuthlich war der griechischen Sprache im Partherreich neben der persischen eine ähnliche secundäre Stellung im öffentlichen Gebrauch eingeräumt, wie sie sie im Römerstaat neben der lateinischen besaß. Das allmähliche Schwinden des Griechenthums unter der parthischen Herrschaft läßt sich auf diesen städtischen Münzen deutlich verfolgen, sowohl in dem Auftreten der einheimischen Sprache neben und statt der griechischen wie auch in der mehr und mehr hervortretenden Sprachzerrüttung271.
Dem Umfang nach stand das Reich der Arsakiden weit zurück nicht bloß hinter dem Weltstaat der Achaemeniden, sondern auch hinter dem ihrer unmittelbaren Vorgänger, dem Seleukidenstaat. Von [349] dessen ursprünglichem Gebiet besaßen sie nur die größere östliche Hälfte; nach der Schlacht, in welcher König Antiochos Sidetes ein Zeitgenosse der Gracchen, gegen die Parther fiel, haben die syrischen Könige nicht wieder ernstlich versucht ihre Herrschaft jenseit des Euphrat geltend zu machen; aber das Land diesseit des Euphrat blieb den Occidentalen.
Von dem persischen Meerbusen waren beide Küsten, auch die arabische, im Besitz der Parther, die Schifffahrt auf demselben also vollständig in ihrer Gewalt; die übrige arabische Halbinsel gehorchte weder den Parthern noch den über Aegypten gebietenden Römern.
Das Ringen der Nationen um den Besitz des Industhals und der westlich und östlich angrenzenden Landschaften zu schildern, so weit die gänzlich zerrissene Ueberlieferung überhaupt eine Schilderung zuläßt, ist die Aufgabe unserer Darstellung nicht; aber die Hauptzüge dieses Kampfes, welcher dem um das Euphratthal geführten stetig zur Seite geht, dürfen auch in diesem Zusammenhang um so weniger fehlen, als unsere Ueberlieferung uns nicht gestattet die Verhältnisse Irans nach Osten in ihrem Eingreifen in die westlichen Beziehungen im Einzelnen zu verfolgen und es daher nothwendig erscheint wenigstens die Grundlinien derselben uns zu vergegenwärtigen. Bald nach dem Tode des großen Alexander wurde durch das Abkommen seines Marschalls und Theilerben Seleukos mit dem Gründer des Inderreiches Tschandragupta oder griechisch Sandrakottos die Grenze zwischen Iran und Indien gezogen. Danach herrschte der letztere nicht bloß über das Gangesthal in seiner ganzen Ausdehnung und das gesammte nördliche Vorderindien, sondern im Gebiet des Indus wenigstens über einen Theil des Hochthals des heutigen Kabul, ferner über Arachosien oder Afghanistan, vermuthlich auch über das wüste und wasserarme Gedrosien, das heutige Balutschistan, so wie über das Delta und die Mündungen des Indus; die in Stein gehauenen Urkunden, durch welche Tschandraguptas Enkel, der gläubige Buddhaverehrer Asoka das allgemeine Sittengesetz seinen Unterthanen einschärfte, sind wie in diesem ganzen weit ausgedehnten Gebiet, so namentlich noch in der Gegend von Pischawar gefunden worden272.[350] Der Hindukusch, der Parapanisos der Alten, und dessen Fortsetzung nach Osten und Westen schieden also mit ihrer gewaltigen nur von wenigen Pässen durchsetzten Kette Iran und Indien. Aber langen Bestand hat dies Abkommen nicht gehabt.
In der früheren Diadochenzeit brachten die griechischen Herrscher des Reiches von Baktra, das von dem Seleukidenstaat gelöst einen mächtigen Aufschwung nahm, das Grenzgebirge überschreitend einen großen Theil des Industhals in ihre Gewalt und setzten vielleicht noch weiter hinein in Vorderindien sich fest, so daß das Schwergewicht dieses Reiches sich aus dem westlichen Iran nach dem östlichen Indien verschob und der Hellenismus dem Inderthum wich. Die Könige dieses Reiches heißen indische und führen späterhin ungriechische Namen; auf den Münzen erscheint neben und statt der griechischen die einheimisch indische Sprache und Schrift, ähnlich wie in der parthisch-persischen Prägung neben dem Griechischen das Pablavi emporkommt.
Es trat dann eine Nation mehr in den Kampf ein: die Skythen oder, wie sie in Iran und in Indien heißen, die Saker brachen aus ihren Stammsitzen am Jaxartes über das Gebirge nach Süden vor. Die baktrische Landschaft kam wenigstens großentheils in ihre Gewalt und etwa im letzten Jahrhundert der römischen Republik müssen sie sich in dem heutigen Afghanistan und Balutschistan festgesetzt haben. Darum heißt in der frühen Kaiserzeit die Küste zu beiden Seiten der Indusmündung um Minnagara Skythien und führt im Binnenlande die westlich von Kandahar gelegene Landschaft der Dranger später den Namen [351] ›Sakerland‹, Sakastane, das heutige Sedjistan. Diese Einwanderung der Skythen in die Landschaften des baktro-indischen Reiches hat dasselbe wohl eingeschränkt und geschädigt, etwa wie die ersten Wanderungen der Germanen das römische, aber es nicht zerstört; noch unter Vespasian hat ein wahrscheinlich selbständiger baktrischer Staat bestanden273.
Unter den Juliern und den Claudiern scheinen dann an der Indusmündung die Parther die Vormacht gewesen zu sein. Ein zuverlässiger Berichterstatter aus augustischer Zeit führt eben jenes Sakastane unter den parthischen Provinzen auf und nennt den König der Saker-Skythen einen Unterkönig der Arsakiden; als letzte parthische Provinz gegen Osten bezeichnet er Arachosien mit der Hauptstadt Alexandropolis, wahrscheinlich Kandahar. Ja bald darauf in vespasianischer Zeit herrschen in Minnagara parthische Fürsten. Indeß war dies für das Reich am Indusstrom mehr ein Wechsel der Dynastie als eine eigentliche Annexion an den Staat von Ktesiphon. Der Partherfürst Gondopharos, den die christliche Legende mit dem Apostel der Parther und der Inder, dem heiligen Thomas, verknüpft274, hat allerdings von Minnagara aus bis nach Pischawar und Kabul hinauf geherrscht; aber diese Herrscher gebrauchen, wie ihre Vorherrscher im indischen Reich, neben der griechischen die indische Sprache und nennen sich Großkönige wie diejenigen von Ktesiphon; sie scheinen mit den Arsakiden darum nicht weniger rivalisirt zu haben, weil sie demselben Fürstengeschlecht angehörten275. – Auf diese [352] parthische Dynastie folgt dann in dem indischen Reich nach kurzer Zwischenzeit die in der indischen Ueberlieferung als die der Saker oder die des Königs Kanerku oder Kanischka bezeichnete, welche mit dem J. 78 n. Chr. beginnt und wenigstens bis in das dritte Jahrhundert [353] bestanden hat276. Sie gehören zu den Skythen, deren Einwanderung früher erwähnt ward und auf ihren Münzen tritt an die Stelle der indischen die skythische Sprache277. So haben im Indusgebiet nach den Indern und den Hellenen in den ersten drei Jahrhunderten unserer Zeitrechnung Parther und Skythen das Regiment geführt. Aber auch unter den ausländischen Dynastieen hat dort dennoch eine nationalindische Staatenbildung sich vollzogen und behauptet und der parthisch-persischen Machtentwickelung im Osten eine nicht minder dauernde Schranke entgegengestellt wie der Römerstaat im Westen.
[354] Gegen Norden und Nordosten grenzte Iran mit Turan. Wie das westliche und südliche Ufer des kaspischen Meeres und die oberen Thäler des Oxos und Jaxartes der Civilisation eine geeignete Stätte bieten, so gehört die Steppe um den Aralsee und das dahinter sich ausbreitende weite Flachland von Rechts wegen den schweifenden Leuten. Es sind unter diesen Nomaden wohl einzelne den Iraniern verwandte Völkerschaften gewesen; aber auch diese haben keinen Theil an der iranischen Civilisation, und es ist das bestimmende Moment für die geschichtliche Stellung Irans, daß es die Vormauer der Culturvölker bildet gegen diejenigen Horden, die als Skythen, Saken, Hunnen, Mongolen, Türken keine andere weltgeschichtliche Bestimmung zu haben scheinen als die der Culturvernichtung. Baktra, das große Bollwerk Irans gegen Turan, hat in der nachalexandrischen Epoche unter seinen griechischen Herrschern längere Zeit dieser Abwehr genügt; aber es ist schon erwähnt worden, daß es späterhin zwar nicht unterging, aber das Vordringen der Skythen nach Süden nicht länger zu hindern vermochte. Mit dem Rückgang der baktrischen Macht ging die gleiche Aufgabe über auf die Arsakiden. Wie weit dieselben ihr entsprochen haben, ist schwierig zu sagen. In der ersten Kaiserzeit scheinen die Großkönige von Ktesiphon, wie südlich vom Hindukusch so auch in den nördlichen Landschaften, die Skythen zurückgedrängt oder sich botmäßig gemacht zu haben; einen Theil des baktrischen Gebiets haben sie ihnen wieder entrissen. Aber welche und ob überhaupt dauernde Grenzen hier sich feststellten, ist zweifelhaft. Der Kriege der Parther und der Skythen wird oft gedacht. Die letzteren, hier zunächst die Umwohner des Aralsees, die Vorfahren der heutigen Turkmenen, sind regelmäßig die Angreifenden, indem sie theils zu Wasser über das kaspische Meer in die Thäler des Kyros und des Araxes einfallen, theils von ihrer Steppe aus die reichen Fluren Hyrkaniens und die fruchtbare Oase der Margiana (Merw) ausrauben. Die Grenzgebiete verstanden sich dazu die willkürliche Brandschatzung mit Tributen abzukaufen, welche regelmäßig in festen Terminen eingefordert wurden, wie heute die Beduinen Syriens von den Bauern daselbst die Kubba erheben. Das parthische Regiment also vermochte wenigstens in der früheren Kaiserzeit so wenig wie das heutige türkische, hier [355] dem friedlichen Unterthan die Früchte seiner Arbeit zu sichern und einen dauernden Friedensstand an der Grenze herzustellen. Auch für die Reichsgewalt selbst blieben diese Grenzwirren eine offene Wunde, oftmals haben sie in die Successionskriege der Arsakiden so wie in ihre Streitigkeiten mit Rom eingegriffen.
Wie das Verhältniß der Parther zu den Römern sich gestaltet und die Grenzen der beiden Großmächte sich festgestellt hatten, ist seiner Zeit dargelegt worden. Während die Armenier mit den Parthern rivalisirt hatten und das Königthum am Araxes sich anschickte in Vorderasien die Großkönigsrolle zu spielen, hatten die Parther im Allgemeinen freundliche Beziehungen zu den Römern unterhalten als den Feinden ihrer Feinde. Aber nach der Niederwerfung des Mithradates und des Tigranes hatten die Römer, namentlich durch die von Pompeius getroffenen Organisationen, eine Stellung genommen, die mit ernstlichem und dauerndem Frieden zwischen den beiden Staaten sich schwer vertrug. Im Süden stand Syrien jetzt unter unmittelbarer römischer Herrschaft und die römischen Legionen hielten Wacht an dem Saume der großen Wüste, die das Küstenland vom Euphratthal scheidet. Im Norden waren Kappadokien und Armenien römische Lehnsfürstenthümer. Die nordwärts an Armenien grenzenden Völkerschaften, die Kolcher, Iberer, Albaner, waren damit nothwendig dem parthischen Einfluß entzogen und wenigstens nach römischer Auffassung ebenfalls römische Lehnstaaten. Das südöstlich an Armenien angrenzende durch den Araxes von ihm getrennte Klein-Medien oder Atropatene (Aderbeidjan) hatte schon den Seleukiden gegenüber unter seiner alteinheimischen Dynastie seine Nationalität behauptet und sogar sich selbständig gemacht; unter den Arsakiden erscheint der König dieser Landschaft je nach Umständen als Lehnsträger der Parther oder als unabhängig von diesen durch Anlehnung an die Römer. Somit reichte der bestimmende Einfluß Roms bis zum Kaukasus und zum westlichen Ufer des kaspischen Meeres. Es lag hierin ein Uebergreifen über die durch die nationalen Verhältnisse angezeigten Grenzen. Das hellenische Volksthum hatte wohl an der Südküste des schwarzen Meeres und im Binnenland in Kappadokien und Kommagene so weit Fuß gefaßt, daß hier die römische Vormacht an ihm einen Rückhalt fand; aber Armenien ist auch unter der langjährigen römischen Herrschaft immer ein ungriechisches Land geblieben, durch die Gemeinschaft der Sprache und des Glaubens, die [356] zahlreichen Zwischenheirathen der Vornehmen, die gleiche Kleidung und gleiche Bewaffnung278 an den Partherstaat mit unzerreißbaren Banden geknüpft. Die römische Aushebung und die römische Besteuerung sind nie auf Armenien erstreckt worden; höchstens bestritt das Land die Aufstellung und die Unterhaltung der eigenen Truppen und die Verpflegung der daselbst liegenden römischen. Die armenischen Kaufleute vermittelten den Waarentausch über den Kaukasus mit Skythien, über das kaspische Meer mit Ost-Asien und China, den Tigris hinab mit Babylonien und Indien, nach Westen hin mit Kappadokien; nichts hätte näher gelegen als das politisch abhängige Land in das römische Steuer- und Zollgebiet einzuschließen; dennoch ist nie dazu geschritten worden. Die Incongruenz der nationalen und der politischen Zugehörigkeit Armeniens bildet ein wesentliches Moment in dem durch die ganze Kaiserzeit sich hinziehenden Conflict mit dem östlichen Nachbar. Man erkannte es wohl auf römischer Seite, daß die Annectirung jenseit des Euphrat ein Uebergriff in das Stammgebiet der orientalischen Nationalität und für Rom kein eigentlicher Machtzuwachs war. Der Grund aber oder wenn man will die Entschuldigung dafür, daß diese Uebergriffe dennoch sich fortsetzten, liegt darin, daß das Nebeneinanderstehen gleichberechtigter Großstaaten mit dem Wesen der römischen, man darf vielleicht sagen mit der Politik des Alterthums überhaupt unvereinbar ist. Das römische Reich kennt als Grenze genau genommen nur das Meer oder das wehrlose Landgebiet. Dem schwächeren, aber doch wehrhaften Staatswesen der Parther gönnten die Römer die Machtstellung nicht und nahmen ihm, worauf diese wieder nicht verzichten konnten; und darum ist das Verhältniß zwischen Rom und Iran durch die ganze Kaiserzeit eine nur durch Waffenstillstände unterbrochene ewige Fehde um das linke Ufer des Euphrat.
In den von Lucullus (3, 72) und Pompeius (3, 125) mit den Die Parthern abgeschlossenen Verträgen war die Euphratgrenze anerkannt, [357] also Mesopotamien ihnen zugestanden worden. Aber dies hinderte die Römer nicht die Herrscher von Edessa in ihre Clientel aufzunehmen und, wie es scheint durch Erstreckung der Grenzen Armeniens gegen Süden, einen großen Theil des nördlichen Mesopotamien wenigstens für ihre mittelbare Herrschaft in Anspruch zu nehmen (3, 148). Deßwegen hatte nach einigem Zaudern die parthische Regierung den Krieg gegen die Römer in der Form begonnen, daß sie ihn den Armeniern erklärte. Die Antwort darauf war der Feldzug des Crassus und nach der Niederlage bei Karrhae (3, 342 fg.) die Zurückführung Armeniens unter parthische Gewalt; man kann hinzusetzen die Wiederaufnahme der Ansprüche auf die westliche Hälfte des Seleukidenstaats, deren Durchführung freilich damals mißlang (3, 352). Während des ganzen zwanzigjährigen Bürgerkriegs, in dem die römische Republik zu Grunde ging und schließlich der Principat sich feststellte, dauerte der Kriegsstand zwischen Römern und Parthern, und nicht selten griffen beide Kämpfe in einander ein. Pompeius hatte vor der Entscheidungsschlacht versucht den König Orodes als Verbündeten zu gewinnen; aber als dieser die Abtretung Syriens forderte, vermochte er es nicht über sich die durch ihn selbst römisch gewordene Provinz auszuliefern. Nach der Katastrophe hatte er dennoch sich dazu entschlossen; aber Zufälligkeiten lenkten seine Flucht statt nach Syrien vielmehr nach Aegypten, wo er dann sein Ende fand (3, 435). Die Parther schienen im Begriff abermals in Syrien einzubrechen; und die späteren Führer der Republikaner verschmähten den Beistand der Landesfeinde nicht. Noch bei Caesars Lebzeiten hatte Caecilius Bassus, als er die Fahne des Aufstands in Syrien erhob, sofort die Parther herbeigerufen. Sie waren diesem Ruf auch gefolgt; des Orodes Sohn Pakoros hatte den Statthalter Caesars geschlagen und die von ihm in Apameia belagerte Truppe des Bassus befreit (709). Sowohl aus diesem Grunde wie um für Karrhae Revanche zu nehmen hatte Caesar beschlossen im nächsten Frühling persönlich nach Syrien und über den Euphrat zu gehen; aber die Ausführung dieses Planes verhinderte sein Tod. Als dann Cassius in Syrien rüstete, knüpfte er auch mit dem Partherkönig an und in der Entscheidungsschlacht bei Philippi (712) haben parthische berittene Schützen mit für die Freiheit Roms gestritten. Da die Republikaner unterlagen, verhielt der Großkönig zunächst sich ruhig, und auch Antonius hatte wohl die Absicht des Dictators Pläne auszuführen, aber zunächst mit der Ordnung des Orients [358] genug zu thun. Der Zusammenstoß konnte nicht ausbleiben; der Angreifende war diesmal der Partherkönig. Als im J. 713 Caesar der Sohn in Italien mit den Feldherren und der Gemahlin des Antonius schlug und dieser in Aegypten bei der Königin Kleopatra unthätig verweilte, entsprach Orodes dem Drängen eines bei ihm im Exil lebenden Römers, des Quintus Labienus und sandte diesen, einen Sohn des erbitterten Gegners des Dictators Titus Labienus und ehemaligen Offizier im Heere des Brutus, so wie (713) seinen Sohn Pakoros mit einer starken Armee über die Grenze. Der Statthalter Syriens Decidius Saxa unterlag dem unvermutheten Angriff; die römischen Besatzungen, großentheils gebildet aus alten Soldaten der republikanischen Armee, stellten sich unter den Befehl ihres früheren Offiziers; Apameia und Antiocheia, überhaupt alle Städte Syriens mit Ausnahme der ohne Flotte nicht zu bezwingenden Inselstadt Tyros, unterwarfen sich; auf der Flucht nach Kilikien gab sich Saxa, um nicht gefangen zu werden, selber den Tod. Nach der Einnahme Syriens wandte sich Pakoros gegen Palaestina, Labienus nach der Provinz Asia; auch hier unterwarfen sich weithin die Städte oder wurden mit Gewalt bezwungen mit Ausnahme des karischen Stratonikeia. Antonius, durch die italischen Verwickelungen in Anspruch genommen, sandte seinen Statthaltern keinen Succurs und fast zwei Jahre (Ende 713 bis Frühjahr 715) geboten in Syrien und einem großen Theil Kleinasiens die parthischen Feldherren und der republikanische Imperator Labienus – der Parthiker, wie er mit schamloser Ironie sich nannte, nicht der Römer, der die Parther, sondern der Römer, der mit den Parthern die Seinigen überwand. Erst nachdem der drohende Bruch zwischen den beiden Machthabern abgewandt war, sandte Antonius ein neues Heer unter Führung des Publius Ventidius Bassus, dem er das Commando in den Provinzen Asia und Syrien übergab. Der tüchtige Feldherr traf in Asia den Labienus allein mit seinen römischen Truppen und schlug ihn rasch aus der Provinz hinaus. An der Scheide von Asia und Kilikien in den Pässen des Taurus wollte eine Abtheilung der Parther die fliehenden Verbündeten aufnehmen; aber auch sie wurden geschlagen, bevor sie sich mit Labienus vereinigen konnten, und darauf dieser auf der Flucht in Kilikien aufgegriffen und getödtet. Mit gleichem Glück erstritt Ventidius die Pässe des Amanos an der Grenze von Kilikien und Syrien; hier fiel Pharnapates, der beste der parthischen Generale (715). Damit war Syrien vom Feinde befreit. Allerdings überschritt im Jahre darauf Pakoros noch einmal den [359] Euphrat, aber nur um in einem entscheidenden Treffen bei Gindaros nordöstlich von Antiocheia (9. Juni 716) mit dem größten Theil seines Heeres den Untergang zu finden. Es war ein Sieg, der den Tag bei Karrhae einigermaßen aufwog, und von dauernder Wirkung: auf lange hinaus haben die Parther nicht wieder ihre Truppen am römischen Ufer des Euphrat gezeigt.
Wenn es im Interesse Roms lag die Eroberungen gegen Osten auszudehnen und die Erbschaft des großen Alexander hier in ihrem vollen Umfang anzutreten, so lagen dafür die Verhältnisse nie günstiger als im J. 716. Die Beziehungen der Zweiherrscher zueinander hatten zur rechten Zeit dafür sich neu befestigt und auch Caesar wünschte damals wahrscheinlich aufrichtig eine ernstliche und glückliche Kriegführung seines Herrschaftsgenossen und neuen Schwagers. Die Katastrophe von Gindaros hatte bei den Parthern eine schwere dynastische Krise hervorgerufen. König Orodes legte, tief erschüttert durch den Tod seines ältesten und tüchtigsten Sohnes, das Regiment zu Gunsten seines zweitgeborenen Phraates nieder. Dieser führte, um sich den Thron besser zu sichern, ein Regiment des Schreckens, dem seine zahlreichen Brüder und der alte Vater selbst so wie eine Anzahl der hohen Adlichen des Reiches zum Opfer fielen; andere derselben traten aus und suchten Schutz bei den Römern, unter ihnen der mächtige und angesehene Monaeses. Nie hat Rom im Orient ein Heer von gleicher Zahl und Tüchtigkeit gehabt wie in dieser Zeit: Antonius vermochte nicht weniger als 16 Legionen, gegen 70000 Mann römischer Infanterie, gegen 40000 der Hülfsvölker, 10000 spanische und gallische, 6000 armenische Reiter über den Euphrat zu führen; wenigstens die Hälfte derselben waren altgediente aus dem Westen herangeführte Truppen, alle bereit ihrem geliebten und verehrten Führer, dem Sieger von Philippi wo immer hin zu folgen und die glänzenden Siege, die nicht durch, aber für ihn über die Parther bereits erfochten waren, unter seiner eigenen Führung mit noch größeren Erfolgen zu krönen.
In der That faßte Antonius die Aufrichtung eines asiatischen Großkönigthums nach dem Muster Alexanders ins Auge. Wie Crassus vor seinem Einrücken verkündigt hatte, daß er die römische Herrschaft bis nach Baktrien und Indien ausdehnen werde, so nannte Antonius den ersten Sohn, den die ägyptische Königin ihm gebar, mit dem Namen Alexanders. Er scheint geradezu beabsichtigt zu habe [360] einerseits mit Ausschluß der vollständig hellenisirten Provinzen Bithynien und Asia das gesammte Reichsgebiet im Osten, so weit es nicht schon unter abhängigen Kleinfürsten stand, in diese Form zu bringen, andererseits alle einstmals von den Occidentalen besetzten Landschaften des Ostens in Form von Satrapien sich unterthänig zu machen. Von dem östlichen Kleinasien wurde der größte Theil und der militärische Primat dem streitbarsten der dortigen Fürsten, dem Galater Amyntas, zugewiesen (S. 308). Neben dem galatischen standen die Fürsten von Paphlagonien, die von Galatien verdrängten Nachkommen des Deiotarus; Polemon, der neue Fürst im Pontos und der Gemahl der Enkelin des Antonius Pythodoris; ferner wie bisher die Könige von Kappadokien und Kommagene. Einen großen Theil Kilikiens und Syriens sowie Kypros und Kyrene vereinigte Antonius mit dem ägyptischen Staat, dem er also fast die Grenzen wiedergab, wie sie unter den Ptolemaeern gewesen waren, und wie er die Buhle Caesars, die Königin Kleopatra zu der seinigen oder vielmehr zu seiner Gattin gemacht hatte, so erhielt ihr Bastard von Caesar Caesarion, schon früher anerkannt als Mitherrscher in Aegypten279, die Anwartschaft auf das alte Ptolemaeerreich, die auf Syrien ihr Bastard von Antonius Ptolemaeos Philadelphos. Einem anderen Sohn, den sie dem Antonius geboren hatte, dem schon erwähnten Alexander ward für jetzt Armenien zugetheilt als Abschlagzahlung auf die ihm weiter zugedachte Herrschaft des Ostens. Mit diesem nach orientalischer Art geordneten Großkönigthum280 dachte er den Principat [361] über den Occident zu vereinigen. Er selbst hat nicht den Königsnamen angenommen, vielmehr seinen Landsleuten und den Soldaten gegenüber nur diejenigen Titel geführt, die auch Caesar zukamen. Aber auf Reichsmünzen mit lateinischer Aufschrift heißt Kleopatra Königin der Könige, ihre Söhne von Antonius wenigstens Könige; den Kopf seines ältesten Sohnes zeigen die Münzen neben dem des Vaters, als verstände die Erblichkeit sich von selbst; die Ehe und die Erbfolge der echten und der Bastardkinder wird von ihm behandelt, wie es bei den Großkönigen des Ostens Gebrauch ist oder, wie er selbst sagte, mit der göttlichen Freiheit seines Ahnherrn Herakles281; jenen Alexander und dessen Zwillingsschwester Kleopatra nannte er den ersteren Helios, die letztere Selene nach dem Muster eben dieser Großkönige, und wie einst der Perserkönig dem flüchtigen Themistokles eine Anzahl asiatischer Städte, so schenkte er dem zu ihm übergetretenen Parther Monaeses drei Städte Syriens. Auch in Alexander gingen der König der Makedonier [362] und der König der Könige des Ostens einigermaßen neben einander her, und auch ihm war für das Lagerzelt von Gaugamela das Brautbett in Susa der Lohn; aber seine römische Copie zeigt in ihrer Genauigkeit ein starkes Element der Caricatur.
Ob Antonius gleich bei der Uebernahme des Regiments im Osten seine Stellung in dieser Weise aufgefaßt, ist nicht zu entscheiden; vermuthlich ist die Schaffung eines neuen orientalischen Großkönigthums in Verbindung mit dem occidentalischen Principat allmählich in ihm gereift und der Gedanke erst völlig zu Ende gedacht worden, nachdem er im J. 717 bei seiner Rückkehr aus Italien nach Asien abermals das Verhältniß mit der letzten Königin des Lagidenhauses angeknüpft hatte, um es nicht wieder zu zerreißen. Aber sein Naturell war solchem Unterfangen nicht gewachsen. Eine jener militärischen Capacitäten, die dem Feind gegenüber und besonders in schwieriger Lage besonnen und kühn zu schlagen wissen, fehlte ihm der staatsmännische Wille, das sichere Erfassen und entschlossene Verfolgen des politischen Ziels. Hätte der Dictator Caesar ihm die Unterwerfung des Ostens zur Aufgabe gestellt, so würde er sie wohl gelöst haben; zum Herrscher taugte der Marschall nicht. Nach der Vertreibung der Parther aus Syrien verstrichen fast zwei Jahre (Sommer 716 bis Sommer 718), ohne daß irgend ein Schritt zum Ziele gethan ward. Antonius selbst, auch darin untergeordnet, daß er seinen Generalen bedeutende Erfolge ungern gönnte, hatte den Besieger des Labienus und des Pakoros, den tüchtigen Ventidius sofort nach diesem letzten Erfolg entfernt und selbst den Oberbefehl übernommen, um die armselige Ehre der Einnahme Samosatas, der Hauptstadt des kleinen syrischen Dependenzstaats Kommagene, zu verfolgen und zu verfehlen; ärgerlich darüber verließ er den Osten, um in Italien mit seinem Schwager über die künftige Ordnung zu verhandeln oder mit seiner jungen Gattin Octavia sich des Lebens zu freuen. Seine Statthalter im Osten waren nicht unthätig. Publius Canidius Crassus ging von Armenien aus gegen den Kaukasus vor und unterwarf daselbst den König der Iberer Pharnabazos und den der Albaner Zober. Gaius Sossius nahm in Syrien die letzte noch zu den Parthern haltende Stadt Arados; er stellte ferner in Judaea die Herrschaft des Herodes wieder her und ließ den von den Parthern eingesetzten Thronprätendenten, den Hasmonaeer Antigonos hinrichten. Die Consequenzen des Sieges auf römischem Gebiet wurden also gezogen und bis zum kaspischen Meer und der syrischen Wüste die römische Herrschaft zur Anerkennung [363] gebracht. Aber die Kriegführung gegen die Parther zu beginnen hatte sich Antonius selbst vorbehalten, und er kam nicht.
Als er endlich im J. 718 sich nicht Octavias, sondern Kleopatras Armen entwand und die Heersäulen in Marsch setzte, war bereits ein guter Theil der geeigneten Jahreszeit verstrichen. Noch viel auffallender als die Säumniß ist die Richtung, welche Antonius wählte. Früher und später haben alle Angriffskriege der Römer gegen die Parther den Weg auf Ktesiphon eingeschlagen, die Hauptstadt des Reiches und zugleich an dessen Westgrenze gelegen, also für die am Euphrat oder am Tigris hinabmarschirenden Heere das natürliche und nächste Operationsziel. Auch Antonius konnte, nachdem er durch das nördliche Mesopotamien ungefähr auf dem Wege, den Alexander beschritten hatte, an den Tigris gelangt war, am Fluß hinab auf Ktesiphon und Seleukeia vorrücken. Aber statt dessen ging er vielmehr in nördlicher Richtung zunächst nach Armenien und von da, wo er seine gesammten Streitkräfte vereinigte und namentlich durch die armenische Reiterei sich verstärkte, in die Hochebene von Media Atropatene (Aderbeidjân). Der verbündete König von Armenien mag diesen Feldzugsplan wohl empfohlen haben, da die armenischen Herrscher zu allen Zeiten nach dem Besitz dieses Nachbarlandes strebten und König Artavazdes von Armenien hoffen mochte den gleichnamigen Satrapen von Atropatene jetzt zu bewältigen und dessen Gebiet zu dem seinigen zu fügen. Aber Antonius selbst ist durch solche Rücksichten unmöglich bestimmt worden. Eher mochte er meinen von Atropatene aus in das Herz des feindlichen Landes vordringen zu können und die alten persischen Residenzen Ekbatana und Rhagae als Marschziel betrachten. Aber wenn er dies plante, handelte er ohne Kenntniß des schwierigen Terrains und unterschätzte durchaus die Widerstandskraft des Gegners, wobei die kurze für Operationen in diesem Gebirgsland verfügbare Zeit und der späte Beginn des Feldzugs schwer in die Wagschale fielen. Da ein geschickter und erfahrener Offizier, wie Antonius war, sich darüber schwerlich hat täuschen können, so haben wahrscheinlich besondere politische Erwägungen hier eingewirkt. Phraates Herrschaft wankte, wie gesagt ward; Monaeses, von dessen Treue Antonius sich versichert hielt und den er vielleicht an Phraates Stelle zu setzen hoffte, war dem Wunsche des Partherkönigs gemäß in sein Vaterland zurückgekehrt282; Antonius [364] scheint auf eine Schilderhebung desselben gegen Phraates gezählt und in Erwartung dieses Bürgerkrieges seine Armee in die inneren parthischen Provinzen geführt zu haben. Es wäre wohl möglich gewesen in dem befreundeten Armenien den Erfolg dieses Anschlags abzuwarten und wenn danach weitere Operationen erforderlich waren, im folgenden Jahre wenigstens über die volle Sommerzeit zu verfügen; aber dies Zuwarten mißfiel dem hastigen Feldherrn. In Atropatene traf er nicht bloß auf den hartnäckigen Widerstand des mächtigen und halb unabhängigen Unterkönigs, der in seiner Hauptstadt Praaspa oder Phraarta (südlich vom Urmia-See, vermuthlich am oberen Lauf des Djaghatu) entschlossen die Belagerung aushielt, sondern der feindliche Angriff brachte auch den Parthern, wie es scheint, den inneren Frieden. Phraates führte ein stattliches Heer zum Entsatz der angegriffenen Stadt heran. Antonius hatte einen großen Belagerungspark mitgeführt, aber ungeduldig vorwärts eilend diesen in der Obhut von zwei Legionen unter dem Legaten Oppius Statianus zurückgelassen. So kam er seinerseits mit der Belagerung nicht vorwärts; König Phraates aber sandte unter eben jenem Monaeses seine Reitermassen in den Rücken der Feinde gegen das mühsam nachrückende Corps des Statianus. Die Parther hieben die Deckungsmannschaft nieder, darunter den Feldherrn selbst, nahmen den Rest gefangen und vernichteten den gesammten Park von 300 Wagen. Damit war der Feldzug verloren. Der Armenier, an dem Erfolge des Feldzugs verzweifelnd, nahm seine Leute zusammen und ging heim. Antonius gab nicht sofort die Belagerung auf und schlug sogar das königliche Heer in offener Feldschlacht, aber die flinken Reiter entrannen ohne wesentlichen Verlust und es war ein Sieg ohne Wirkung. Ein Versuch, von dem König wenigstens die Rückgabe der alten und der neu verlorenen Adler zu erlangen und also wenn nicht mit Vortheil, doch mit Ehren Frieden zu schließen, schlug fehl; so leichten Kaufs gab der Parther den sicheren Erfolg nicht aus der Hand. Er versicherte nur den Abgesandten des Antonius, daß, wenn die Römer die Belagerung auf heben würden, er sie auf der Heimkehr [365] nicht belästigen werde. Diese weder ehrenvolle noch zuverlässige feindliche Zusage wird Antonius schwerlich zum Aufbruch bestimmt haben. Es lag nahe in Feindesland Winterquartier zu nehmen, zumal da die parthischen Truppen dauernden Kriegsdienst nicht kannten und voraussichtlich beim Einbrechen des Winters die meisten Mannschaften heimgegangen sein würden. Aber es fehlte ein fester Stützpunkt und die Zufuhr in dem ausgesogenen Land war nicht gesichert, vor allen Dingen Antonius selbst einer solchen zähen Kriegführung nicht fähig. Also gab er die Maschinen preis, die die Belagerten sofort verbrannten und trat den schweren Rückweg an, entweder zu früh oder zu spät. Funfzehn Tagemärsche (300 röm. Meilen) durch feindliches Land trennten das Heer von dem Araxes, dem Grenzfluß Armeniens, wohin trotz der zweideutigen Haltung des Herrschers allein der Rückzug gerichtet werden konnte. Ein feindliches Heer von 40000 Berittenen gab trotz der gegebenen Zusage den Abziehenden das Geleit und mit dem Abmarsch der Armenier hatten die Römer den besten Theil ihrer Reiterei verloren. Die Lebensmittel und die Zugthiere waren knapp, die Jahreszeit weit vorgerückt. Aber Antonius fand in der gefährlichen Lage seine Kraft und seine Kriegskunst wieder, einigermaßen auch sein Kriegsglück; er hatte gewählt, und der Feldherr wie die Truppen lösten die Aufgabe in rühmlicher Weise. Hätten sie nicht einen ehemaligen Soldaten des Crassus bei sich gehabt, der, zum Parther geworden, Weg und Steg auf das genaueste kannte und sie statt durch die Ebene, auf der sie gekommen waren, auf Gebirgswegen zurückführte, die den Reiterangriffen weniger ausgesetzt waren – wie es scheint über die Berge um Tabriz – so würde das Heer schwerlich an das Ziel gelangt sein; und hätte nicht Monaeses, in seiner Art dem Antonius die Dankesschuld abtragend, ihn rechtzeitig von den falschen Zusicherungen und den hinterlistigen Anschlägen seiner Landsleute in Kenntniß gesetzt, so wären die Römer wohl in einen der Hinterhalte gefallen, die ihnen mehrfach gelegt wurden. Antonius Soldatennatur trat in diesen schweren Tagen oftmals glänzend hervor, in seiner geschickten Benutzung jedes günstigen Moments, in seiner Strenge gegen die Feigen, in seiner Macht über die Soldatengemüther, in seiner treuen Fürsorge für die Verwundeten und die Kranken. Dennoch war die Rettung fast ein Wunder; schon hatte Antonius einen treuen Leibdiener angewiesen im äußersten Fall ihn nicht lebend in die Hände der Feinde fallen zu lassen. Unter stetigen Angriffen des tückischen Feindes, [366] in winterlich kalter Witterung, bald ohne genügende Nahrung und oft ohne Wasser erreichten sie in siebenundzwanzig Tagen die schützende Grenze, wo der Feind von ihnen abließ. Der Verlust war ungeheuer; man rechnete auf jene siebenundzwanzig Tage achtzehn größere Treffen und in einem einzigen derselben zählten die Römer 3000 Todte und 5000 Verwundete. Es waren eben die besten und bravsten, die die stetigen Nachhuts- und Flankengefechte hinrafften. Das ganze Gepäck, ein Drittel des Trosses, ein Viertel der Armee, 20000 Fußsoldaten und 4000 Reiter waren auf diesem medischen Feldzug zu Grunde gegangen, zum großen Theil nicht durch das Schwert, sondern durch Hunger und Seuchen. Auch am Araxes waren die Leiden der unglücklichen Truppen noch nicht zu Ende. Artavazdes nahm sie als Freund auf und hatte auch keine andere Wahl; es wäre wohl möglich gewesen hier zu überwintern. Aber die Ungeduld des Antonius litt dies nicht; der Marsch ging weiter und bei der immer rauher werdenden Jahreszeit und dem Gesundheitszustand der Soldaten kostete dieser letzte Abschnitt der Expedition vom Araxes bis nach Antiocheia, obwohl kein Feind ihn behinderte, noch weitere 8000 Mann. Wohl ist dieser Feldzug ein letztes Aufleuchten dessen, was in Antonius Charakter brav und tüchtig war, aber politisch seine Katastrophe, um so mehr, als gleichzeitig Caesar durch die glückliche Beendigung des sicilischen Krieges die Herrschaft im Occident und das Vertrauen Italiens für jetzt und alle Zukunft gewann.
Die Verantwortung für den Mißerfolg, den zu verleugnen er vergeblich versuchte, warf Antonius auf die abhängigen Könige von Kappadokien und Armenien, auf den letzteren insofern mit Recht, als dessen vorzeitiger Abmarsch von Praaspa die Gefahren und die Verluste des Rückzugs wesentlich gesteigert hatte. Aber für den Feldzugsplan trug nicht er die Verantwortung, sondern Antonius283; und das Fehlschlagen der auf Monaeses gesetzten Hoffnungen, die Katastrophe des Statianus, [367] das Scheitern der Belagerung von Praaspa sind nicht durch den Armenier herbeigeführt worden. Die Unterwerfung des Ostens gab Antonius nicht auf, sondern brach im nächsten Jahre (719) abermals aus Aegypten auf. Die Verhältnisse lagen auch jetzt noch verhältnißmäßig günstig. Mit dem medischen König Artavazdes wurde ein Freundschaftsbündniß angeknüpft; derselbe war nicht bloß mit dem parthischen Oberherrn in Streit gerathen, sondern grollte auch vor allem dem armenischen Nachbar und durfte bei der wohlbekannten Erbitterung des Antonius gegen diesen darauf rechnen an dem Feind seines Feindes eine Stütze zu finden. Alles kam an auf das feste Einvernehmen der beiden Machthaber, des sieggekrönten Herrn des Westens und des geschlagenen Herrschers im Osten; und auf die Kunde hin, daß Antonius die Fortführung des Krieges beabsichtige, begab sich seine rechtmäßige Gattin, die Schwester Caesars von Italien nach dem Osten, um ihm neue Mannschaften zuzuführen und das Verhältniß zu ihr und zu dem Bruder neu zu befestigen. Wenn Octavia groß genug dachte trotz des Verhältnisses mit der aegyptischen Königin dem Gatten die Hand zur Versöhnung zu bieten, so muß auch Caesar, wie dies weiter die eben jetzt erfolgende Eröffnung des Krieges an der italischen Nordostgrenze bestätigt, damals noch bereit gewesen sein das bestehende Verhältniß aufrecht zu erhalten. Beide Geschwister ordneten ihre persönlichen Interessen denen des Gemeinwesens in hochherziger Weise unter. Aber wie laut das Interesse wie die Ehre dafür sprachen die hingereichte Hand anzunehmen, Antonius konnte es nicht über sich gewinnen das Verhältniß zu der Aegyptierin zu lösen; er wies die Gattin zurück, und dies war zugleich der Bruch mit deren Bruder, und, wie man hinzusetzen kann, der Verzicht auf die Fortführung des Krieges gegen die Parther. Nun mußte, ehe daran gedacht werden konnte, die Herrschaftsfrage zwischen Antonius und Caesar erledigt werden. Antonius ging denn auch sofort aus Syrien nach Aegypten zurück und unternahm in den folgenden Jahren nichts Weiteres zur Ausführung seiner orientalischen Eroberungspläne; nur strafte er die, denen er die Schuld des Mißerfolgs beimaß. Den König von Kappadokien Ariarathes ließ er hinrichten284 und gab das Königreich[368] einem illegitimen Verwandten desselben, dem Archelaos. Das gleiche Schicksal war dem Armenier zugedacht. Wenn Antonius, wie er sagte, zur Fortführung des Krieges im J. 720 [34] in Armenien erschien, so hatte dies nur den Zweck die Person des Königs, der sich geweigert hatte nach Aegypten zu gehen, in die Gewalt zu bekommen. Dieser Act der Rache wurde auf nichtswürdige Weise im Wege der Ueberlistung ausgeführt und in nicht minder nichtswürdiger Weise durch eine in Alexandreia aufgeführte Caricatur des capitolinischen Triumphs gefeiert. Damals wurde der zum Herrn des Ostens bestimmte Sohn des Antonius, wie früher angegeben ward, als König von Armenien eingesetzt und mit der Tochter des neuen Bundesgenossen, des Königs von Medien vermählt, während der älteste Sohn des gefangenen und einige Zeit später auf Geheiß der Kleopatra hingerichteten Königs von Armenien, Artaxes, den die Armenier anstatt des Vaters zum König ausgerufen hatten, landflüchtig zu den Parthern ging. Armenia und Media Atropatene waren hiemit in Antonius Gewalt oder ihm verbündet; die Fortführung des parthischen Krieges wurde wohl angekündigt, blieb aber verschoben bis nach der Ueberwindung des westlichen Rivalen. Phraates seinerseits ging gegen Medien vor, anfangs ohne Erfolg, da die in Armenien stehenden römischen Truppen den Medern Beistand leisteten; aber als im Verlauf der Rüstungen gegen Caesar Antonius seine Mannschaften von dort abrief, gewannen die Parther die Oberhand, überwanden die Meder und setzten in Medien so wie auch in Armenien den König Artaxes ein, der, um die Hinrichtung des Vaters zu vergelten, sämmtliche im Lande zerstreute Römer greifen und tödten ließ. Daß Phraates die große Fehde zwischen Antonius und Caesar, während sie vorbereitet und ausgefochten ward, nicht voller ausnutzte, wurde wahrscheinlich wieder einmal durch die im eigenen Lande ausbrechenden Unruhen verhindert. Diese endigten damit, daß er ausgetrieben ward und zu den Skythen des Ostens ging; an seiner Stelle wurde Tiridates als Großkönig ausgerufen. Als die entscheidende Seeschlacht an der Küste von Epirus geschlagen ward und dann in Aegypten die Katastrophe des Antonius sich vollzog, saß in Klesiphon dieser neue Großkönig auf dem schwankenden Thron und schickten an der entgegengesetzten Reichsgrenze die Schaaren Turans sich an den früheren Herrscher wieder an seine Stelle zu setzen, was ihnen bald darauf auch gelang.
[369] Der kluge und klare Mann, dem die Liquidation der Unternemungen des Antonius und die Feststellung des Verhältnisses der beiden Reichstheile zufiel, bedurfte ebenso sehr der Mäßigung wie der Energie. Es würde der schwerste Fehler gewesen sein in Antonius Gedanken eingehend den Orient oder auch nur im Orient weiter zu erobern. Augustus erkannte dies; seine militärischen Ordnungen zeigen deutlich, daß er zwar den Besitz der syrischen Küste wie den der ägyptischen als ein unentbehrliches Complement für das Reich des Mittelmeers betrachtete, aber auf binnenländischen Besitz daselbst keinen Werth legte. Indeß Armenien war nun einmal seit einem Menschenalter römisch und konnte, nach Lage der Verhältnisse, nur römisch oder parthisch sein; die Landschaft war durch ihre Lage militärisch für jede der Großmächte ein Ausfallsthor in das Gebiet der andern. Augustus dachte auch nicht daran auf Armenien zu verzichten und es den Parthern zu überlassen; und wie die Dinge lagen, durfte er schwerlich daran denken. Wenn aber Armenien festgehalten ward, konnte man dabei nicht stehen bleiben; die örtlichen Verhältnisse nöthigten die Römer weiter das Stromgebiet des Kyros, die Landschaften der Iberer an seinem oberen, der Albaner an seinem unteren Lauf, das heißt die als Reiter wie zu Fuß kampftüchtigen Bewohner des heutigen Georgien und Schirwân, unter ihren maßgebenden Einfluß zu bringen, das parthische Machtgebiet nicht nördlich vom Araxes über Atropatene hinaus sich erstrecken zu lassen. Schon die Expedition des Pompeius hatte gezeigt, daß die Festsetzung in Armenien die Römer nothwendig einerseits bis an den Kaukasus, andrerseits bis an das Westufer des kaspischen Meeres führte. Die Ansätze waren überall da. Antonius Legaten hatten mit den Iberern und den Albanern gefochten. Polemon, von Augustus in seiner Stellung bestätigt, herrschte nicht bloß über die Küste von Pharnakeia bis Trapezunt, sondern auch über das Gebiet der Kolcher an der Phasismündung. Zu dieser allgemeinen Sachlage kamen die besonderen Verhältnisse des Augenblicks, welche es dem neuen Alleinherrscher Roms in dringendster Weise nahe legten das Schwert den Orientalen gegenüber nicht bloß zu zeigen, sondern auch zu ziehen. Daß König Artaxes, wie einst Mithradates, sämmtliche Römer innerhalb seiner Grenzen umzubringen befohlen hatte, konnte nicht unvergolten bleiben. Auch der landflüchtige König von Medien hatte Hülfe jetzt bei Augustus gesucht, wie er sie sonst bei Antonius gesucht haben würde. Der Bürger-und Prätendentenkrieg im [370] parthischen Reiche erleichterte nicht bloß den Angriff, sondern der vertriebene Herrscher Tiridates suchte gleichfalls Schutz bei Augustus und erklärte sich bereit als römischer Vasall das Reich von Augustus zu Lehen zu nehmen. Die Rückgabe der bei den Niederlagen des Crassus und der Antonianer in die Gewalt der Parther gerathenen Römer und der verlorenen Adler mochte an sich dem Herrscher der Kriegführung nicht werth erscheinen; fallen lassen konnte der Wiederhersteller des römischen Staates diese militärische und politische Ehrenfrage nicht. Mit diesen Thatsachen mußte der römische Staatsmann rechnen; bei der Stellung, die Augustus im Orient nahm, war die Politik der Action überhaupt und durch die vorhergegangenen Mißerfolge doppelt geboten. Ohne Zweifel war es wünschenswerth die Ordnung der Dinge in Rom bald vorzunehmen; aber eine zwingende Nöthigung dies sofort zu thun bestand für den unbestrittenen Alleinherrscher nicht. Er befand sich nach den entscheidenden Schlägen von Aktion und Alexandreia an Ort und Stelle und an der Spitze eines starken und siegreichen Heeres; was einmal geschehen mußte, geschah am besten gleich. Ein Herrscher vom Schlage Caesars wäre schwerlich nach Rom zurückgegangen, ohne in Armenien die Schutzherrschaft hergestellt, die römische Suprematie bis zum Kaukasus und zum kaspischen Meere zur Anerkennung gebracht und mit dem Parther abgerechnet zu haben. Ein Herrscher von Umsicht und Thatkraft hätte die Grenzvertheidigung im Osten gleich jetzt geordnet, wie die Verhältnisse es erforderten; es war von vorn herein klar, daß die vier syrischen Legionen von zusammen 40000 Mann nicht genügten, um die Interessen Roms zugleich am Euphrat, am Araxes und am Kyros zu wahren und daß die Milizen der abhängigen Königreiche den Mangel der Reichstruppen nur verdeckten, nicht deckten. Armenien hielt durch politische und nationale Sympathie mehr zu den Parthern als zu den Römern; die Könige von Kommagene, Kappadokien, Galatien, Pontus neigten wohl umgekehrt mehr nach der römischen Seite, aber sie waren unzuverlässig und schwach. Auch die maßhaltende Politik bedurfte zu ihrer Begründung eines energischen Schwertschlags, zu ihrer Aufrechthaltung des nahen Arms einer überlegenen römischen Militärmacht.
Augustus hat weder geschlagen noch geschirmt; gewiß nicht weil er über die Sachlage sich täuschte, sondern weil es in seiner Art lag das als nothwendig Erkannte zögernd und schwächlich durchzuführen und die Rücksichten der inneren Politik auf das Verhältniß zum Ausland [371] mehr als billig einwirken zu lassen. Das Unzulängliche des Grenzschutzes durch die kleinasiatischen Clientelstaaten hat er wohl eingesehen ; es gehört in diesen Zusammenhang, daß er schon im J. 729 [25] nach dem Tode des Königs Amyntas, des Herrn im ganzen innern Kleinasien, diesem keinen Nachfolger gab, sondern das Land einem kaiserlichen Legaten unterstellte. Vermuthlich sollten auch die benachbarten bedeutenderen Clientelstaaten, namentlich Kappadokien in gleicher Weise nach dem Ableben der derzeitigen Inhaber in kaiserliche Statthalterschaften verwandelt werden. Dies war ein Fortschritt, insofern die Milizen dieser Landschaften damit der Reichsarmee incorporirt und unter römische Offiziere gestellt wurden; einen ernstlichen Druck auf die unsicheren Grenzlandschaften oder gar auf den benachbarten Großstaat konnten diese Truppen nicht ausüben, wenn sie auch jetzt zu denen des Reiches zählten. Aber alle diese Erwägungen wurden überwogen durch die Rücksicht auf die Herabdrückung der Ziffer des stehenden Heeres und der Ausgabe für das Heerwesen auf das möglichst niedrige Maß.
Ebenso ungenügend waren den augenblicklichen Verhältnissen gegenüber die auf der Heimkehr von Alexandreia von Augustus getroffenen Maßregeln. Er gab dem vertriebenen König der Meder die Herrschaft von Kleinarmenien und dem parthischen Prätendenten Tiridates ein Asyl in Syrien, um durch jenen den in offener Feindseligkeit gegen Rom verharrenden König Artaxes in Schach zu halten, durch diesen auf den König Phraates zu drücken. Die mit diesem wegen der Rückgabe der parthischen Siegestrophäen angeknüpften Verhandlungen zogen sich ergebnißlos hin, obwohl Phraates im J. 731 [23], um die Entlassung eines zufällig in die Gewalt der Römer gerathenen Sohnes zu erlangen, die Rückgabe zugesichert hatte.
Erst als Augustus im J. 734 [20] sich persönlich nach Syrien begab und Ernst zeigte, fügten sich die Orientalen. In Armenien, wo eine mächtige Partei sich gegen den König Artaxes erhoben halle, warfen sich die Insurgenten den Römern in die Arme und erbaten für des Artaxes jüngeren am kaiserlichen Hof erzogenen und in Rom lebenden Bruder Tigranes die kaiserliche Belehnung. Als des Kaisers Stiefsohn Tiberius Claudius Nero, damals ein 22 jähriger Jüngling, mit Heeresmacht in Armenien einrückte, wurde König Artaxes von seinen eigenen Verwandten ermordet und Tigranes empfing die königliche Tiara aus der Hand des kaiserlichen Vertreters, wie sie fünfzig Jahre früher sein [372] gleichnamiger Großvater von Pompeius empfangen hatte (3, 129). Atropatene wurde wieder von Armenien getrennt und kam unter die Herrschaft eines ebenfalls in Rom erzogenen Herrschers, des Ariobarzanes, Sohnes des früher erwähnten Artavazdes; doch scheint dieser das Land nicht als römisches, sondern als parthisches Lehnsreich erhalten zu haben. Ueber die Ordnung der Dinge in den Fürstenthümern am Kaukasus erfahren wir nichts; aber da sie später unter die römischen Clientelstaaten gerechnet werden, so hat wahrscheinlich damals auch hier der römische Einfluß obgesiegt. Selbst König Phraates, jetzt vor die Wahl gestellt sein Wort einzulösen oder zu schlagen, entschloß sich schweren Herzens zu der die nationalen Gefühle der Seinen empfindlich verletzenden Herausgabe der wenigen noch lebenden römischen Kriegsgefangenen und der gewonnenen Feldzeichen.
Unendlicher Jubel begrüßte diesen von dem Fürsten des Friedens errungenen unblutigen Sieg. Auch bestand nach demselben mit dem Partherkönig längere Zeit ein freundschaftliches Verhältniß, wie denn die unmittelbaren Interessen der beiden Großstaaten sich wenig stießen. In Armenien dagegen hatte die römische Lehnsherrschaft, die nur auf sich selbst ruhte, der nationalen Opposition gegenüber einen schweren Stand. Nach dem frühen Tode des Königs Tigranes schlugen dessen Kinder oder die unter ihrem Namen regierenden Staatsleiter sich selber zu dieser. Gegen sie wurde von den Römerfreunden ein anderer Herrscher Artavazdes aufgestellt; aber er vermochte nicht gegen die stärkere Gegenpartei durchzudringen. Diese armenischen Wirren störten auch das Verhältniß zu den Parthern; es lag in der Sache, daß die antirömisch gesinnten Armenier sich auf diese zu stützen suchten, und auch die Arsakiden konnten nicht vergessen, daß Armenien früher eine parthische Secundogenitur gewesen war. Unblutige Siege sind oft schwächliche und gefährliche. Es kam so weit, daß die römische Regierung im J. 748 demselben Tiberius, der vierzehn Jahre zuvor den [6] Tigranes als Lehnkönig von Armenien eingesetzt hatte, den Auftrag ertheilte abermals mit Heeresmacht dort einzurücken und die Verhältnisse nöthigenfalls mit Waffengewalt zu ordnen. Aber das Zerwürfniß in der kaiserlichen Familie, welches die Unterwerfung der Germanen unterbrochen hatte (S. 32), griff auch hier ein und hatte die gleiche üble Wirkung. Tiberius lehnte den Auftrag des Stiefvaters ab und in Ermangelung eines geeigneten prinzlichen Feldherrn sah die römische Regierung einige Jahre hindurch wohl oder übel dem Schalten der antirömischen [373] Partei in Armenien unter parthischem Schutz unthätig zu. Endlich im J. 753 wurde dem älteren Adoptivsohn des Kaisers, dem zwanzigjährigen Gaius Caesar, nicht bloß derselbe Auftrag ertheilt, sondern es sollte, wie der Vater hoffte, die Unterwerfung Armeniens der Anfang größerer Dinge sein, der Orientfeldzug des zwanzigjährigen Kronprinzen man möchte fast sagen die Alexanderfahrt fortsetzen. Vom Kaiser beauftragte oder dem Hofe nahe stehende Litteraten, der Geograph Isidoros, selber an der Euphratmündung zu Hause, und der Vertreter der griechischen Gelehrsamkeit unter den Fürstlichkeiten des augustischen Kreises, König Juba von Mauretanien widmeten jener seine im Orient selbst eingezogenen Erkundigungen, dieser litterarische Collectaneen über Arabien dem jungen Prinzen, der vor Begierde zu brennen schien mit der Eroberung Arabiens, über welche Alexander weggestorben war, einen vor längerer Zeit dort eingetretenen Mißerfolg des augustischen Regiments glänzend zu begleichen. Zunächst für Armenien war diese Sendung ebenso von Erfolg wie die des Tiberius. Der römische Kronprinz und der parthische Großkönig Phraatakes trafen persönlich auf einer Insel des Euphrat zusammen; die Parther gaben wieder einmal Armenien auf und die nahe gerückte Gefahr eines parthischen Krieges ward abgewandt, das gestörte Einvernehmen wenigstens äußerlich wiederhergestellt. Den Armeniern setzte Gaius den Ariobarzanes, einen Prinzen aus dem medischen Fürstenhause, zum König und die Oberherrschaft Roms wurde abermals befestigt. Indeß fügten die antirömisch gesinnten Armenier sich nicht ohne Widerstand; es kam nicht bloß zum Einrücken der Legionen, sondern auch zum Schlagen. Vor den Mauern des armenischen Castells Artageira empfing der junge Kronprinz von einem parthischen Offizier durch tückische List die Wunde (J. 2 n. Chr.), an der er nach monatelangem Siechen hinstarb. Die Verschlingung der Reichs- und der dynastischen Politik bestrafte sich aufs neue. Der Tod eines jungen Mannes änderte den Gang der großen Politik; die so zuversichtlich dem Publicum angekündigte arabische Expedition fiel weg, nachdem ihr Gelingen dem Sohn des Kaisers nicht mehr den Weg zur Nachfolge ebnen konnte. Auch an weitere Unternehmungen am Euphrat wurde nicht mehr gedacht; das Nächste, die Besetzung Armeniens und die Wiederherstellung der Beziehungen zu den Parthern war erreicht, wie trübe Schatten auch durch den Tod des Kronprinzen auf diesen Erfolg fielen.
[374] Bestand hatte derselbe so wenig wie der der glänzenderen Expedition des J. 734. Die von Rom eingesetzten Herrscher Armeniens wurden bald von denen der Gegenpartei unter versteckter oder offener Betheiligung der Parther bedrängt und verdrängt. Als der in Rom erzogene parthische Prinz Vonones auf den erledigten parthischen Thron berufen ward, hofften die Römer an ihm eine Stütze zu finden; allein eben deßwegen mußte er bald ihn räumen, und an seine Stelle kam König Artabanos von Medien, ein mütterlicher Seits den Arsakiden entsproßener, aber dem skythischen Volke der Daker angehöriger und in einheimischer Sitte aufgewachsener thatkräftiger Mann (um 10 n. Chr.). Vonones ward damals von den Armeniern als Herrscher aufgenommen und damit diese unter römischem Einfluß gehalten. Aber um so weniger konnte Artabanos seinen verdrängten Nebenbuhler als Nachbarfürsten dulden; die römische Regierung hätte, um den für seine Stellung in jeder Hinsicht ungeeigneten Mann zu halten, Waffengewalt gegen die Parther wie gegen seine eigenen Unterthanen anwenden müssen. Tiberius, der inzwischen zur Regierung gekommen war, ließ nicht sofort einrücken und für den Augenblick siegte in Armenien die antirömische Partei; aber es war nicht seine Absicht auf das wichtige Grenzland zu verzichten. Im Gegentheil wurde die wahrscheinlich längst beschlossene Einziehung des Königreichs Kappadokien im J. 17 zur Ausführung gebracht: der alte Archelaos, der dort seit dem J. 718, vor Chr. 36, den Thron einnahm, ward nach Rom berufen und ihm hier angekündigt, daß er aufgehört habe zu regieren. Ebenso kam das kleine, aber wegen der Euphratübergänge wichtige Königreich Kommagene damals unter unmittelbare kaiserliche Verwaltung. Damit war die unmittelbare Reichsgrenze bis an den mittleren Euphrat vorgeschoben. Zugleich ging der Kronprinz Germanicus, der so eben am Rhein mit großer Auszeichnung commandirt hatte, mit ausgedehnter Machtvollkommenheit nach dem Osten, um die neue Provinz Kappadokien zu ordnen und das gesunkene Ansehen der Reichsgewalt wieder herzustellen. Auch diese Sendung kam bald und leicht zum Ziel. Germanicus, obwohl von dem Statthalter Syriens Gnaeus Piso nicht mit derjenigen Truppenmacht unterstützt, die er fordern durfte und gefordert hatte, ging nichts destoweniger nach Armenien und brachte durch das bloße Gewicht seiner Persönlichkeit und seiner Stellung das Land zum Gehorsam zurück. Den unfähigen Vonones ließ er fallen und setzte den Armeniern, den Wünschen der römischgesinnten Vornehmen entsprechend, [375] zum Herrscher einen Sohn jenes Polemon, den Antonius zum König im Pontus gemacht hatte, den Zenon oder, wie er als König von Armenien heißt, Artaxias; dieser war einerseits dem kaiserlichen Hause verbunden durch seine Mutter, die Königin Pythodoris, eine Enkelin des Triumvir Antonius, andererseits nach Landesart erzogen, ein tüchtiger Waidmann und bei dem Gelag ein tapferer Zecher. Auch der Großkönig Artabanos kam dem römischen Prinzen in freundschaftlicher Weise entgegen und bat nur um Entfernung seines Vorgängers Vonones aus Syrien, um den zwischen diesem und den unzufriedenen Parthern sich anspinnenden Zettelungen zu steuern. Da Germanicus dieser Bitte entsprach und den unbequemen Flüchtling nach Kilikien schickte, wo er bald darauf bei einem Fluchtversuch umkam, stellten zwischen den beiden Großstaaten die besten Beziehungen sich her. Artabanos wünschte sogar mit Germanicus am Euphrat persönlich zusammenzukommen, wie dies auch Phraatakes und Gaius gethan hatten; dies aber lehnte Germanicus ab, wohl mit Rücksicht auf Tiberius leicht erregten Argwohn. Freilich fiel auf diese orientalische Expedition derselbe trübe Schatten wie auf die letztvorhergehende; auch von dieser kam der Kronprinz des römischen Reiches nicht lebend heim.
Eine Zeitlang thaten die getroffenen Einrichtungen ihren Dienst. So lange Tiberius mit sicherer Hand die Herrschaft führte und so lange König Artaxias von Armenien lebte, blieb im Orient Ruhe; aber in den letzten Jahren des alten Kaisers, als derselbe von seiner einsamen Insel aus die Dinge gehen ließ und vor jedem Eingreifen zurückscheute, und insbesondere nach dem Tode des Artaxias (um 34) begann das alte Spiel abermals. König Artabanos, gehoben durch sein langes und glückliches Regiment und durch vielfache gegen die Grenzvölker Irans erstrittene Erfolge und überzeugt, daß der alte Kaiser keine Neigung haben werde einen schweren Krieg im Orient zu beginnen, bewog die Armenier, seinen eigenen ältesten Sohn, den Arsakes, zum Herrscher auszurufen, das heißt die römische Oberherrlichkeit mit der parthischen zu vertauschen. Ja er schien es geradezu auf den Krieg mit Rom anzulegen; er forderte die Verlassenschaft seines in Kilikien umgekomnen Vorgängers und Rivalen Vonones von der römischen Regierung und seine Schreiben an diese sprachen ebenso unverhüllt aus, daß der Orient den Orientalen gehöre, wie sie die Greuel am kaiserlichen Hofe, die man in Rom sich nur im vertrautesten Kreise zuzuflüstern wagte, bei ihrem rechten Namen nannten. Er soll sogar einen Versuch gemacht [376] haben, sich in Besitz von Kappadokien zu setzen. Aber in dem alten Löwen hatte er sich verrechnet. Tiberius war auch auf Capreae nicht bloß den Hofleuten furchtbar und nicht der Mann, sich und in sich Rom ungestraft verhöhnen zu lassen. Er sandte den Lucius Vitellius, den Vater des spätern Kaisers, einen entschlossenen Offizier und geschickten Diplomaten, nach dem Orient mit ähnlicher Machtvollkommenheit, wie sie früher Gaius Caesar und Germanicus gehabt hatten, und mit dem Auftrag nöthigenfalls die syrischen Legionen über den Euphrat zu führen. Zugleich wandte er das oft erprobte Mittel an den Herrschern des Ostens durch Insurrectionen und Prätendenten in ihrem eigenen Lande zu schaffen zu machen. Dem Partherprinzen, den die armenischen Nationalen zum Herrscher ausgerufen hatten, stellte er einen Fürsten aus dem Königshaus der Iberer entgegen, den Mithradates, des Ibererkönigs Pharasmanes Bruder und wies diesen so wie den Fürsten der Albaner an den römischen Prätendenten für Armenien mit Heeresmacht zu unterstützen. Von den streitbaren und für jeden Werber leicht zugänglichen transkaukasischen Sarmaten wurden große Schaaren mit römischem Golde für den Einfall in Armenien gedungen. Es gelang auch dem römischen Prätendenten seinen Nebenbuhler durch bestochene Hofleute zu vergiften und sich des Landes und der Hauptstadt Artaxata zu bemächtigen. Artabanos sandte an des Ermordeten Stelle einen anderen Sohn Orodes nach Armenien und versuchte auch seinerseits transkaukasische Hülfstruppen zu beschaffen; aber nur wenige kamen nach Armenien durch und die parthischen Reiterschaaren waren der guten Infanterie der Kaukasusvölker und den gefürchteten sarmatischen berittenen Schützen nicht gewachsen. Orodes wurde in harter Feldschlacht überwunden und selbst im Zweikampf mit seinem Rivalen schwer verwundet. Da brach Artabanos selber nach Armenien auf. Nun aber setzte auch Vitellius die syrischen Legionen in Bewegung, um den Euphrat zu überschreiten und in Mesopotamien einzufallen; und dies brachte die lange gährende Insurrection im Partherreiche zum Ausbruch. Das energische und mit den Erfolgen selbst immer schroffere Auftreten des skythischen Herrschers hatte viele Personen und Interessen verletzt, insbesondere die mesopotamischen Griechen und die mächtige Stadtgemeinde von Seleukeia, welcher er ihre nach griechischer Art demokratische Gemeindeverfassung genommen hatte, ihm abwendig gemacht. Das römische Gold nährte die sich vorbereitende Bewegung. Unzufriedene Adliche hatten schon früher sich mit der römischen Regierung in Verbindung gesetzt und [377] einen echten Arsakiden von dieser erbeten. Tiberius hatte des Phraates einzigen überlebenden dem Vater gleichnamigen Sohn und, nachdem der alte römisch gewöhnte Mann den Anstrengungen noch in Syrien erlegen war, an dessen Stelle einen ebenfalls in Rom lebenden Enkel des Phraates Namens Tiridates geschickt. Der parthische Fürst Sinnakes, der Führer dieser Zettelungen, kündigte jetzt dem Skythen den Gehorsam und pflanzte das Banner der Arsakiden auf. Vitellius überschritt mit den Legionen den Euphrat und in seinem Gefolge der neue Großkönig von römischen Gnaden. Der parthische Statthalter von Mesopotamien Ornospades, der einst als Verbannter unter Tiberius den pannonischen Krieg mitgemacht hatte, stellte sich und seine Truppen sofort dem neuen Herrn zur Verfügung; des Sinnakes Vater Abdagaeses lieferte den Reichsschatz aus; in kürzester Zeit sah sich Artabanos von dem ganzen Lande verlassen und gezwungen in seine skythische Heimath zu flüchten, wo er als unsteter Mann in den Wäldern herumirrte und mit seinem Bogen sich das Leben fristete, während dem Tiridates von den nach parthischer Staatsordnung zur Krönung des Herrschers berufenen Fürsten in Ktesiphon feierlich die Tiara aufs Haupt gesetzt ward. Indeß die Herrschaft des von dem Reichsfeind geschickten neuen Großkönigs währte nicht lange. Das Regiment, welches weniger er führte, ein junger unerfahrener und untüchtiger Mann, als die ihn zum König gemacht hatten, vornehmlich Abdagaeses, rief bald Opposition hervor. Einige der vornehmsten Satrapen waren schon bei der Krönungsfeier ausgeblieben und zogen den vertriebenen Herrscher wieder aus der Verbannung hervor; mit ihrem Beistand und den von seinen skythischen Landsleuten gestellten Mannschaften kehrte Artabanos zurück und schon im folgenden Jahre (36) war das ganze Reich mit Ausnahme von Seleukeia wieder in seiner Gewalt, Tiridates ein flüchtiger Mann und genöthigt, bei seinen römischen Beschützern die Zuflucht zu heischen, die ihm nicht versagt werden konnte. Vitellius führte die Legionen abermals an den Euphrat; aber da der Großkönig persönlich erschien und sich zu allem Verlangten bereit erklärte, falls die römische Regierung von Tiridates abstehe, war der Friede bald geschlossen. Artabanos erkannte nicht bloß den Mithradates als König von Armenien an, sondern brachte auch dem Bildniß des römischen Kaisers die Huldigung dar, die von den Lehnsmannen gefordert zu werden pflegte und stellte seinen Sohn Dareios den Römern als Geißel. Darüber war der alte Kaiser gestorben; aber diesen [378] so unblutigen wie vollständigen Sieg seiner Politik über die Auflehnung des Orients hat er noch erlebt.
Was die Klugheit des Greises erreicht hatte, verdarb sofort der Unverstand des Nachfolgers. Abgesehen davon, daß er verständige Einrichtungen des Tiberius rückgängig machte, zum Beispiel das eingezogene Königreich Kommagene wiederherstellte, gönnte sein thörichter Neid dem todten Kaiser den erreichten Erfolg nicht; den tüchtigen Statthalter von Syrien wie den neuen König von Armenien lud er zur Verantwortung nach Rom vor, setzte den letzteren ab und schickte ihn, nachdem er ihn eine Zeitlang gefangen gehalten hatte, ins Exil. Selbstverständlich griff die parthische Regierung zu und nahm das herrenlose Armenien wiederum in Besitz285. Claudius hatte, als er im J. 41 zur Regierung kam, die gethane Arbeit von neuem zu beginnen. Er verfuhr nach dem Beispiel des Tiberius. Mithradates, aus dem Exil zurückgerufen, wurde wieder eingesetzt und angewiesen mit Hülfe seines Bruders sich Armeniens zu bemächtigen. Der damals zwischen den drei Söhnen des Königs Artabanos III geführte Bruderkrieg im Partherreich ebnete den Römern den Weg. Nach der Ermordung des ältesten Sohnes stritten Jahre lang Gotarzes und Vardanes um den Thron; Seleukeia, das schon dem Vater den Gehorsam aufgekündigt hatte, trotzte sieben Jahre hindurch ihm und nachher den Söhnen; die Völker Turans griffen wie immer auch in diesen Hader der Fürsten Irans ein. Mithradates vermochte mit Hülfe der Truppen seines Bruders und der Garnisonen der benachbarten römischen Provinzen die parthisch Gesinnten in Armenien zu überwältigen und sich wieder zum Herrn daselbst zu machen286; das [379] Land erhielt römische Besatzung. Nachdem Vardanes sich mit dem Bruder verglichen und endlich Seleukeia wieder eingenommen hatte, machte er Miene in Armenien einzurücken; aber die drohende Haltung des römischen Legaten von Syrien hielt ihn ab und sehr bald brach der Bruder den Vergleich und begann der Bürgerkrieg aufs Neue. Nicht einmal die Ermordung des tapferen und im Kampf mit den Völkern Turans siegreichen Vardanes setzte demselben ein Ziel; die Gegenpartei wendete sich nun nach Rom und erbat sich von der dortigen Regierung den dort lebenden Sohn des Vonones, den Prinzen Meherdates, welcher denn auch vom Kaiser Claudius vor dem versammelten Senat den Seinigen zur Verfügung gestellt und nach Syrien entlassen ward mit der Ermahnung sein neues Reich gut und gerecht zu verwalten und der römischen Schutzfreundschaft eingedenk zu bleiben (J. 49). Er kam nicht in die Lage von diesen Ermahnungen Anwendung zu machen. Die römischen Legionen, die ihm bis zum Euphrat das Geleit gaben, übergaben ihn dort denen, die ihn gerufen hatten, dem Haupt des mächtigen Fürstengeschlechts der Karên und den Königen Abgaros von Edessa und Izates von Adiabene. Der unerfahrene und unkriegerische Jüngling war der Aufgabe so wenig gewachsen wie alle anderen von den Römern aufgestellten parthischen Herrscher; eine Anzahl seiner namhaftesten Anhänger verließen ihn, so wie sie ihn kennen lernten und gingen zu Gotarzes; in der entscheidenden Schlacht gab der Fall des tapferen Karên den Ausschlag. Meherdates wurde gefangen und nicht einmal hingerichtet, sondern nur nach orientalischer Sitte durch Verstümmelung der Ohren regierungsunfähig gemacht.
Trotz dieser Niederlage der römischen Politik im Partherreich blieb Armenien den Römern, so lange der schwache Gotarzes über die Parther herrschte. Aber so wie eine kräftigere Hand die Zügel der Herrschaft faßte und die inneren Kämpfe ruhten, ward auch der Kampf um jenes Land wieder aufgenommen. König Vologasos, der nach dem Tode des Gotarzes und dem kurzen Regiment Vonones II diesem seinem Vater im J. 51 succedirte287, bestieg den Thron ausnahmsweise in [380] vollem Einverständniß mit seinen beiden Brüdern Pakoros und Tiridates. Er war ein fähiger und umsichtiger Regent – auch als Städtegründer finden wir ihn und mit Erfolg bemüht den Handel von Palmyra nach seiner neuen Stadt Vologasias am unteren Euphrat zu lenken –, raschen und extremen Entschlüssen abgeneigt und bemüht mit dem mächtigen Nachbar wo möglich Frieden zu halten. Aber die Rückgewinnung Armeniens war der leitende politische Gedanke der Dynastie und auch er bereit jede Gelegenheit zu seiner Verwirklichung zu benutzen. Diese Gelegenheit schien jetzt sich zu bieten. Der armenische Hof war der Schauplatz einer der entsetzlichsten Familientragödien geworden, die die Geschichte verzeichnet. Der alte König der Iberer Pharasmanes unternahm es seinen Bruder, den König von Armenien Mithradates vom Thron zu stoßen und seinen eigenen Sohn Rhadamistos an dessen Stelle zu setzen. Unter dem Vorwande eines Zerwürfnisses mit dem Vater erschien Rhadamistos bei seinem Oheim und Schwiegervater und knüpfte mit angesehenen Armeniern Verhandlungen in jenem Sinne an. Nachdem er sich eines Anhangs versichert hatte, überzog Pharasmanes im J. 52 unter nichtigen Vorwänden den Bruder mit Krieg und brachte auch das Land in seine oder vielmehr seines Sohnes Gewalt. Mithradates stellte sich unter den Schutz der römischen Besatzung des Castells Gorneae288. Diese anzugreifen wagte Rhadamistos nicht; aber der Commandant Caelius Pollio war als nichtswürdig und feil bekannt. Der unter ihm den Befehl führende Centurio begab sich zu Pharasmanes, um ihn zur Zurückrufung seiner Truppen zu bestimmen, was dieser wohl versprach, aber nicht hielt. Während der Abwesenheit des Zweitcommandirenden nöthigte Pollio den König, der wohl ahnte, was ihm bevorstand, durch die Drohung ihn im Stiche zu lassen, sich dem Rhadamistos in die Hände zu liefern. Von diesem wurde er umgebracht, mit ihm seine Gattin, des Rhadamistos Schwester und die Kinder derselben, weil sie im Anblick der Leichen ihrer Aeltern in Jammergeschrei ausbrachen. Auf diese Weise gelangte Rhadamistos zur Herrschaft von [381] Armenien. Die römische Regierung durfte weder solchen von ihren Offizieren mitverschuldeten Gräueln zusehen noch dulden, daß einer ihrer Lehnsträger den andern mit Krieg überzog. Nichts desto weniger er kannte der Statthalter von Kappadokien Iulius Paelignus den neuen König von Armenien an. Auch im Rath des Statthalters von Syrien Ummidius Quadratus überwog die Meinung, daß es den Römern gleichgültig sein könne, ob der Oheim oder der Neffe über Armenien herrsche; der nach Armenien mit einer Legion gesendete Legat erhielt nur den Auftrag den Status quo bis auf weiteres aufrecht zu halten. Da hielt der Partherkönig, in der Voraussetzung, daß die römische Regierung sich nicht beeifern werde für den König Rhadamistos einzutreten, den Moment für geeignet seine alten Ansprüche auf Armenien wieder aufzunehmen. Er belehnte mit Armenien seinen Bruder Tiridates und die einrückenden parthischen Truppen bemächtigten sich fast ohne Schwertstreich der beiden Hauptstädte Tigranokerta und Artaxata und des ganzen Landes. Als Rhadamistos einen Versuch machte den Preis seiner Blutthaten festzuhalten, schlugen die Armenier selbst ihn zum Lande hinaus. Die römische Besatzung scheint nach der Uebergabe von Gorneae Armenien verlassen zu haben; die aus Syrien in Marsch gesetzte Legion zog der Statthalter zurück, um nicht mit den Parthern in Conflict zu gerathen.
Als diese Kunde nach Rom kam (Ende 54), war Kaiser Claudius eben gestorben und regierten für den jungen siebzehnjährigen Nachfolger thatsächlich die Minister Burrus und Seneca. Das Vorgehen des Volo gasos konnte nur mit der Kriegserklärung beantwortet werden. In der That sandte die römische Regierung nach Kappadokien, das sonst Statthalterschaft zweiten Ranges und nicht mit Legionen belegt war, ausnahmsweise den consularischen Legaten Gnaeus Domitius Corbulo. Er war als Schwager des Kaisers Gaius rasch vorwärts gekommen, dann unter Claudius im J. 47 Legat von Untergermanien gewesen (S. 114) und galt seitdem als einer der damals nicht zahlreichen tüchtigen die vielfach verfallende Disciplin energisch handhabenden Heerführer, selbst eine herculische Gestalt, jeder Strapaze gewachsen und nicht bloß dem Feind, sondern auch seinen eigenen Soldaten gegenüber von rücksichtslosem Muth. Es schien ein Zeichen des Besserwerdens der Dinge, daß die neronische Regierung das erste von ihr zu besetzende wichtige Commando an ihn vergab. Der unfähige syrische Legat von Syrien Quadratus wurde nicht abgerufen, aber angewiesen [382] zwei von seinen vier Legionen dem Statthalter der Nachbarprovinz zur Verfügung zu stellen. Die Legionen alle wurden an den Euphrat herangezogen und die sofortige Schlagung der Brücken über den Fluß angeordnet. Die beiden westlich zunächst an Armenien grenzenden Landschaften Klein-Armenien und Sophene wurden zwei zuverlässigen syrischen Fürsten, dem Aristobulos aus einem Seitenzweig des herodischen Hauses und dem Sohaemos aus der Herrscherfamilie von Hemesa zugetheilt und beide unter Corbulos Befehle gestellt. Der König des damals noch übrigen Restes des Judenstaats Agrippa und der König von Kommagene Antiochos erhielten ebenfalls Marschbefehl. Indeß zunächst kam es nicht zum Schlagen. Die Ursache lag zum Theil in dem Zustand der syrischen Legionen; es war ein schlimmes Armuthszeugniß für die bisherige Verwaltung, daß Corbulo die ihm überwiesenen Truppen geradezu als unbrauchbar bezeichnen mußte. Die in den griechischen Provinzen ausgehobenen und garnisonirenden Legionen waren immer geringer gewesen als die occidentalischen; jetzt hatte die entnervende Gewalt des Orients bei dem langen Friedensstand und der schlaffen Heereszucht dieselben völlig demoralisirt. Die Soldaten hielten mehr in den Städten sich auf als in den Lagern; nicht wenige derselben waren des Waffentragens entwöhnt und wußten nichts von Lagerschlagen und Wachdienst; die Regimenter waren lange nicht ergänzt und enthielten zahlreiche alte unbrauchbare Leute; Corbulo hatte zunächst eine große Anzahl von Soldaten zu entlassen und in noch viel größerer Zahl Rekruten auszuheben und auszubilden. Der Wechsel der bequemen Winterquartiere am Orontes mit denen in den rauhen armenischen Bergen, die plötzliche Einführung unerbittlich strenger Lagerzucht führte vielfach Erkrankungen herbei und veranlaßte zahlreiche Desertionen. Trotz allem dem sah sich der Feldherr, als es Ernst ward, genöthigt um Zusendung einer der besseren Legionen des Occidents zu bitten. Unter diesen Umständen beeilte er sich nicht seine Soldaten an den Feind zu bringen; indeß waren doch dabei überwiegend politische Rücksichten maßgebend.
Wäre es die Absicht der römischen Regierung gewesen den parthischen Herrscher sofort aus Armenien zu vertreiben und zwar nicht den Rhadamistos, mit dessen Blutschuld die Römer keine Veranlassung hatten sich zu beflecken, aber irgend einen anderen Fürsten ihrer Wahl an dessen Stelle zu setzen, so hätten dazu die Streitkräfle Corbulos wohl sofort ausgereicht, da König Vologasos, wieder einmal durch innere [383] Unruhen abgezogen, seine Truppen aus Armenien weggeführt hatte. Aber dies lag nicht im Plane der Römer; man wollte dort vielmehr das Regiment des Tiridates sich gefallen lassen und ihn nur zur Anerkennung der römischen Oberherrlichkeit bestimmen und nöthigenfalls zwingen; nur zu diesem Zweck sollten äußersten Falls die Legionen marschiren. Es kam dies der Sache nach der Abtretung Armeniens an die Parther sehr nahe. Was für diese sprach und was sie verhinderte, ist früher (S. 370) entwickelt worden. Wurde jetzt Armenien als parthische Secundogenitur geordnet, so war die Anerkennung des römischen Lehnsrechts wenig mehr als eine Formalität, genau genommen nichts als eine Deckung der militärischen und politischen Ehre. Also hat die Regierung der früheren neronischen Zeit, der notorisch an Einsicht und Energie wenige gleich kamen, beabsichtigt sich Armeniens in schicklicher Weise zu entledigen; und es kann das nicht verwundern. Man schöpfte hier in der That in das Sieb. Der Besitz Armeniens war wohl im J. 20 v. Chr. durch Tiberius, dann durch Gaius im J. 2, durch Germanicus im J. 18, durch Vitellius im J. 36 im Lande selbst wie bei den Parthern zur Geltung und Anerkennung gebracht worden. Aber eben diese regelmäßig sich wiederholenden und regelmäßig von Erfolg gekrönten und doch niemals zu dauernder Wirkung gelangenden außerordentlichen Expeditionen gaben den Parthern Recht, wenn sie in den Verhandlungen unter Nero behaupteten, daß die römische Oberherrschaft über Armenien ein leerer Name, das Land nun einmal parthisch sei und sein wolle. Zur Geltendmachung der römischen Obergewalt bedurfte es immer wenn nicht der Kriegführung, doch der Kriegdrohung und die dadurch bedingte stetige Reibung machte den dauernden Friedensstand zwischen den beiden benachbarten Großmächten unmöglich. Die Römer hatten, wenn sie folgerichtig verfuhren, nur die Wahl Armenien und das linke Euphratufer überhaupt entweder durch Beseitigung der bloß mittelbaren Herrschaft effectiv in ihre Gewalt zu bringen oder es so weit den Parthern zu überlassen, als dies mit dem obersten Grundsatz des römischen Regiments keine gleichberechtigte Grenzmacht anzuerkennen sich vertrug. Augustus und die bisherigen Regenten hatten die erstere Alternative entschieden abgelehnt und sie hätten also den zweiten Weg einschlagen sollen; aber auch diesen abzulehnen hatten sie wenigstens versucht und das parthische Königshaus von der Herrschaft über Armenien ausschließen wollen, ohne es zu können. Dies müssen die leitenden Staatsmänner der [384] früheren neronischen Zeit als einen Fehler betrachtet haben, da sie Armenien den Arsakiden überließen und sich auf das denkbar geringste Maß von Rechten daran beschränkten. Wenn die Gefahren und die Nachtheile, welche das Festhalten dieser nur äußerlich dem Reich anhaftenden Landschaft dem Staate brachte, gegen diejenigen abgewogen wurden, welche die Partherherrschaft über Armenien für die Römer nach sich zog, so konnte, zumal bei der geringen Offensivkraft des parthischen Reiches, die Entscheidung wohl in dem letzteren Sinne gefunden werden. Unter allen Umständen aber war diese Politik consequent und suchte das auch von Augustus verfolgte Ziel in klarerer und verständigerer Weise zu erreichen.
Von diesem Standpunkt aus versteht man, weshalb Corbulo und Quadratus, statt den Euphrat zu überschreiten, mit Vologasos Verhandlungen anknüpften und nicht minder, daß dieser, ohne Zweifel von den wirklichen Absichten der Römer unterrichtet, sich dazu verstand in ähnlicher Weise wie sein Vorgänger den Römern sich zu beugen und ihnen als Friedenspfand eine Anzahl dem königlichen Hause nahe stehender Geiseln zu überliefern. Die stillschweigend vereinbarte Gegenleistung dafür war die Duldung der Herrschaft des Tiridates über Armenien und die Nichtaufstellung eines römischen Prätendenten. So gingen einige Jahre in factischem Friedensstand hin. Aber da Vologasos und Tiridates sich nicht dazu verstanden um die Belehnung des letzteren mit Armenien bei der römischen Regierung einzukommen289, ergriff Corbulo im J. 58 gegen Tiridates die Offensive. Eben die Politik des Zurückweichens und Nachgebens bedurfte, wenn sie bei Freund und Feind nicht als Schwäche erscheinen sollte, der Folie, also entweder der förmlichen und feierlichen Anerkennung der römischen Obergewalt oder besser noch des mit den Waffen gewonnenen Sieges.
Im Sommer des J. 58 führte Corbulo eine leidlich schlagfähige Armee von mindestens 30000 Mann über den Euphrat. Die Reorganisation und die Abhärtung der Truppen wurde durch die Campagne selbst vollendet und das erste Winterquartier auf armenischem Boden genommen. [385] Im Frühjahr 59290 begann er den Vormarsch in der Richtung auf Artaxata. Zugleich brachen in Armenien von Norden her die Iberer ein, deren König Pharasmanes, um seine eigenen Frevel zu bedecken, seinen Sohn Rhadamistos hatte hinrichten lassen und nun weiter bemüht war durch gute Dienste seine Verschuldung in Vergessenheit zu bringen; nicht minder ihre nordwestlichen Nachbaren, die tapferen Moscher, von Süden König Antiochos von Kommagene. König Vologasos war durch den Aufstand der Hyrkaner an der entgegengesetzten Seite des Reiches fest gehalten und konnte oder wollte in den Kampf nicht unmittelbar eingreifen. Tiridates leistete muthigen Widerstand; aber er vermochte nichts gegen die erdrückende Uebermacht. Vergeblich versuchte er sich auf die Verbindungslinien der Römer zu werfen, die ihre Bedürfnisse über das schwarze Meer und den Hafen von Trapezus bezogen. Die Burgen Armeniens fielen unter den Angriffen der stürmenden Römer und die Besatzungen wurden bis auf den letzten Mann niedergemacht. In einer Feldschlacht unter den Mauern von Artaxata geschlagen gab Tiridates den ungleichen Kampf auf und ging zu den Parthern. Artaxata ergab sich und hier, im Herzen von Armenien überwinterte das römische Heer. Im Frühjahr 60 brach Corbulo von dort auf, nachdem er die Stadt niedergebrannt hatte, und marschirte quer durch das Land auf dessen zweite Hauptstadt Tigranokerta oberhalb Nisibis im Tigrisgebiet. Der Schrecken über die Zerstörung Artaxatas ging ihm voraus; ernstlicher Widerstand wurde nirgends geleistet; auch Tigranokerta öffnete dem Sieger freiwillig die Thore, der [386] hier in wohlberechneter Weise die Gnade walten ließ. Tiridates machte noch einen Versuch zurückzukehren und den Kampf wieder aufzunehmen, wurde aber ohne besondere Anstrengung abgewiesen. Am Ausgang des Sommers 60 war ganz Armenien unterworfen und stand zur Verfügung der römischen Regierung.
Es ist begreiflich, daß man in Rom jetzt von Tiridates absah. Der Prinz Tigranes, ein Urenkel von väterlicher Seite Herodes des Großen, von mütterlicher des Königs Archelaos von Kappadokien, auch dem alten armenischen Königshause von weiblicher Seite verwandt und ein Neffe eines der ephemeren Herrscher Armeniens aus den letzten Jahren des Augustus, in Rom erzogen und durchaus ein Werkzeug der römischen Regierung, wurde jetzt (J. 60) von Nero mit dem Königreich Armenien belehnt und auf des Kaisers Befehl von Corbulo in die Herrschaft eingesetzt. Im Lande blieb römische Besatzung, 1000 Legionarier und drei- bis viertausend Reiter und Infanterie der Auxilien. Ein Theil der Grenzlandschaften ward von Armenien abgetrennt und vertheilt unter die benachbarten Könige Polemon von Pontus und Trapezus, Aristobulos von Klein-Armenien, Pharasmanes von Iberien und Antiochos von Kommagene. Dagegen rückte der neue Herr von Armenien, natürlich mit Einwilligung der Römer, in die angrenzende parthische Provinz Adiabene ein, schlug den dortigen Statthalter Monobazos und schien auch diese Landschaft vom parthischen Staat abreißen zu wollen.
Diese Wendung der Dinge nöthigte die parthische Regierung aus ihrer Passivität herauszutreten; es handelte sich nun nicht mehr um die Wiedergewinnung Armeniens, sondern um die Integrität des parthischen Reiches. Die lange drohende Collision zwischen den beiden Großstaaten schien unvermeidlich. Vologasos bestätigte in einer Versammlung der Großen des Reiches den Tiridates wiederholt als König von Armenien und sandte mit ihm den Feldherrn Monaeses gegen den römischen Usurpator des Landes, der in Tigranokerta, welches die römischen Truppen besetzt hielten, von den Parthern belagert ward. Vologasos selbst zog die parthische Hauptmacht in Mesopotamien zusammen und bedrohte (Anf. 61) Syrien. Corbulo, der nach Quadratus Tode zur Zeit in Kappadokien wie in Syrien das Commando führte, aber von der Regierung die Ernennung eines anderen Statthalters für Kappadokien und Armenien erbeten hatte, sandte vorläufig zwei Legionen nach Armenien, um Tigranes Beistand zu leisten, während er selbst an den Euphrat rückte, um den Partherkönig [387] zu empfangen. Indeß es kam wieder nicht zum Schlagen, sondern zum Vertrag. Vologasos, wohl wissend, wie gefährlich das beginnende Spiel sei, erklärte sich jetzt bereit auf die vor dem Ausbruch des armenischen Krieges von den Römern vergeblich angebotenen Bedingungen einzugehen und die Belehnung des Bruders durch den römischen Kaiser zu gestatten. Corbulo ging auf den Vorschlag ein. Er ließ den Tigranes fallen, zog die römischen Truppen aus Armenien zurück und ließ es geschehen, daß Tiridates daselbst sich festsetzte, während die parthischen Hülfstruppen ebenfalls abzogen; dagegen schickte Vologasos eine Gesandtschaft an die römische Regierung und erklärte die Bereitwilligkeit seines Bruders, das Land von Rom zu Lehen zu nehmen.
Diese Maßnahmen Corbulos waren bedenklicher Art291 und führten zu einer üblen Verwickelung. Der römische Feldherr mag wohl mehr noch als die Staatsmänner in Rom von der Nutzlosigkeit des Festhaltens von Armenien durchdrungen gewesen sein; aber nachdem die römische Regierung den Tigranes als König von Armenien eingesetzt hatte, durfte er nicht von sich aus auf die früher gestellten Bedingungen zurückgreifen, am wenigsten seine eigenen Eroberungen preisgeben und die römischen Truppen aus Armenien zurückziehen. Er war dazu um so weniger berechtigt, als er Kappadokien und Armenien nur interimistisch verwaltete und selbst der Regierung erklärt hatte, daß er nicht im Stande sei zugleich dort und in Syrien das Commando zu führen; worauf hin der Consular Lucius Caesennius Paetus zum Statthalter von Kappadokien ernannt und auch dorthin bereits unterwegs war. Der Verdacht ist kaum abzuweisen, daß Corbulo diesem die Ehre der schließlichen Unterwerfung Armeniens nicht gönnte und durch den factischen Friedensschluß mit den Parthern vor seinem Eintreffen ein Definitivum herzustellen wünschte. Die römische Regierung lehnte denn auch die Anträge des Vologasos ab und bestand auf der Festhaltung Armeniens, das, wie der neue im Laufe des Sommers 61 in Kappadokien eingetroffene Statthalter erklärte, sogar in unmittelbare römische Verwaltung genommen werden sollte. Ob die römische Regierung in der That sich entschlossen hatte so weit zu gehen, ist nicht auszumachen; aber es lag dies allerdings in der Consequenz ihrer Politik. Die Einsetzung eines von Rom abhängigen [388] Königs war nur die Verlängerung des bisherigen unhaltbaren Zustandes; wer die Abtretung Armeniens an die Parther nicht wollte, mußte die Umwandlung des Königreichs in eine römische Provinz ins Auge fassen. Der Krieg hatte also seinen Fortgang; es wurde darum auch eine der moesischen Legionen dem kappadokischen Heer zugesandt. Als Paetus eintraf, lagerten die beiden von Corbulo ihm zugewiesenen Legionen diesseit des Euphrat in Kappadokien; Armenien war geräumt und mußte wieder erobert werden. Paetus ging sofort an das Werk, überschritt bei Melitene (Malatia) den Euphrat, rückte in Armenien ein und bezwang die nächsten Burgen an der Grenze. Indeß die vorgerückte Jahreszeit nöthigte ihn bald die Operationen einzustellen und auf die beabsichtigte Wiederbesetzung Tigranokertas für dies Jahr zu verzichten; doch nahm er, um im nächsten Frühjahr den Marsch sogleich wieder aufzunehmen, nach Corbulos Beispiel, die Winterquartiere in Feindesland bei Rhandeia, an einem Nebenfluß des Euphrat, dem Arsanias unweit des heutigen Charput, während der Troß und die Weiber und Kinder unweit davon in dem festen Castell Arsamosata untergebracht wurden. Aber er hatte die Schwierigkeit des Unternehmens unterschätzt. Die eine und die beste seiner Legionen, die moesische, war noch auf dem Marsch und überwinterte diesseits des Euphrat im pontischen Gebiet; die beiden anderen waren nicht diejenigen, welche Corbulo kriegen und siegen gelehrt hatte, sondern die früheren syrischen des Quadratus, unvollzählig und ohne durchgreifende Reorganisation kaum brauchbar. Dabei stand er nicht wie Corbulo den Armeniern allein, sondern der Hauptmasse der Parther gegenüber; Vologasos hatte, als es mit dem Kriege Ernst ward, den Kern seiner Truppen aus Mesopotamien nach Armenien geführt und den strategischen Vortheil, daß er die inneren und kürzeren Linien beherrschte, verständig zur Geltung gebracht. Corbulo hätte, zumal da er den Euphrat überbrückt und am anderen Ufer Brückenköpfe angelegt hatte, diesen Abmarsch durch einen rechtzeitigen Einfall in Mesopotamien wenigstens erschweren oder doch wettmachen können; aber er rührte sich nicht aus seinen Stellungen und überließ es Paetus sich der Gesammtmacht der Feinde zu erwehren, wie er konnte. Dieser war weder selber Militär noch bereit militärischen Rath anzunehmen und zu befolgen, nicht einmal ein Mann von entschlossenem Character, übermüthig und ruhmredig im Anlauf, verzagt und kleinmüthig gegenüber dem Mißerfolg. Also kam, was kommen mußte. Im Frühling 62 griff [389] nicht Paetus an, sondern Vologasos; die vorgeschobenen Truppen, welche den Parthern den Weg verlegen sollten, wurden von der Uebermacht erdrückt; der Angriff verwandelte sich rasch in eine Belagerung der römischen weit auseinander gezogenen Stellungen in dem Winterlager und dem Castell. Die Legionen konnten weder vorwärts noch zurück; die Soldaten desertirten massenweise; die einzige Hoffnung ruhte auf Corbulos fern im nördlichen Syrien, ohne Zweifel bei Zeugma, unthätig lagernden Legionen. In die Schuld der Katastrophe theilten sich beide Generale, Corbulo wegen des verspäteten Aufbruchs zur Hülfe292, obwohl er dann, als er den ganzen Umfang der Gefahr erkannte, den Marsch nach Möglichkeit beschleunigte, Paetus, weil er den kühnen Entschluß lieber unterzugehen als zu capituliren nicht zu fassen vermochte und damit die nahe Rettung verscherzte; noch drei Tage länger und die 5000 Mann, welche Corbulo heranführte, hätten die ersehnte Hülfe gebracht. Die Bedingungen der Capitulation waren freier Abzug für die Römer und Räumung Armeniens unter Auslieferung aller von ihnen besetzten Castelle und aller in ihren Händen befindlichen Vorräthe, deren die Parther dringend benöthigt waren. Dagegen erklärte Vologasos sich bereit trotz dieses militärischen Erfolges Armenien als römisches Lehen für den Bruder von der kaiserlichen Regierung zu erbitten und deßwegen Gesandte an Nero zu senden293. Die Mäßigung des Siegers kann darauf beruhen, daß er von Corbulos Annähern bessere Kunde hatte als die eingeschlossene Armee; aber wahrscheinlicher lag dem vorsichtigen Mann gar nichts daran die [390] Katastrophe des Crassus zu erneuern und wiederum römische Adler nach Ktesiphon zu bringen. Die Niederlage einer römischen Armee, das wußte er, war nicht die Ueberwältigung Roms und die reale Concession, welche in der Anerkennung des Tiridates lag, ward durch die Nachgiebigkeit in der Form nicht allzu theuer erkauft.
Die römische Regierung lehnte das Anerbieten des Partherkönigs abermals ab und befahl die Fortsetzung des Krieges. Sie konnte nicht wohl anders; war die Anerkennung des Tiridates vor dem Wiederbeginn des Krieges bedenklich und nach der parthischen Kriegserklärung kaum annehmbar, so erschien sie jetzt, als Consequenz der Capitulation von Rhandeia, geradezu als deren Ratification. Von Rom aus wurde die Wiederaufnahme des Kampfes gegen die Parther in energischer Weise betrieben. Paetus wurde abberufen; Corbulo, in dem die durch die schimpfliche Capitulation erregte öffentliche Meinung nur den Besieger Armeniens sah und den auch die, welche die Sachlage genau kannten und scharf beurltheilten, nicht umhin konnten als den fähigsten und für diesen Krieg einzig geeigneten Feldherrn zu bezeichnen, übernahm wieder die Statthalterschaft von Kappadokien, aber zugleich das Commando über sämmtliche für diesen Feldzug verwendbare Truppen, welche noch weiter durch eine siebente aus Pannonien herbeigerufene Legion verstärkt wurden; demnach wurden alle Statthalter und Fürsten des Orients angewiesen in militärischen Angelegenheiten seinen Anordnungen Folge zu leisten, so daß seine Amtsgewalt derjenigen, welche den Kronprinzen Gaius und Germanicus für ihre Sendungen in den Orient beigelegt worden war, ziemlich gleich kam. Wenn diese Maßregeln eine ernste Reparation der römischen Waffenehre herbeiführen sollten, so verfehlten sie ihren Zweck. Wie Corbulo die Sachlage ansah, zeigte schon das Abkommen, das er nicht lange nach der Katastrophe von Rhandeia mit dem Partherkönig traf: dieser zog die parthischen Besatzungen aus Armenien zurück, die Römer räumten die auf mesopotamischem Gebiet zum Schutz der Brücken angelegten Castelle. Für die römische Offensive waren die parthischen Besatzungen in Armenien ebenso gleichgültig wie die Euphratbrücken wichtig; sollte dagegen Tiridates als römischer Lehnskönig in Armenien anerkannt werden, so waren allerdings die letzteren überflüssig und parthische Besatzungen in Armenien unmöglich. Im nächsten Frühjahr 63 schritt Corbulo allerdings zu der ihm anbefohlenen Offensive und führte die vier besten seiner Legionen bei Melitene über den Euphrat gegen die in der Gegend [391] von Arsamosata stehende parthisch-armenische Hauptmacht. Aber aus dem Schlagen ward nicht viel; nur einige Schlösser armenischer antirömisch gesinnter Adlicher wurden zerstört. Dagegen führte auch diese Begegnung zum Vertragen. Corbulo nahm die früher von seiner Regierung zurückgewiesenen parthischen Anträge an und zwar, wie der weitere Verlauf der Dinge zeigte, in dem Sinne, daß Armenien ein für alle Mal eine parthische Secundogenitur ward und die römische Regierung, wenigstens nach dem Geiste des Abkommens, darauf einging diese Krone in Zukunft nur an einen Arsakiden zu verleihen. Hinzugefügt wurde nur, daß Tiridates sich verpflichten solle in Rhandeia, eben da wo die Capitulation geschlossen worden war, öffentlich unter den Augen der beiden Armeen das königliche Diadem vom Haupte zu nehmen und es vor dem Bildniß des Kaisers niederzulegen, gelobend, es nicht wieder aufzusetzen, bevor er es aus seiner Hand und zwar in Rom selbst empfangen haben werde. So geschah es (63). Durch diese Demüthigung wurde daran nichts geändert, daß der römische Feldherr, statt den ihm aufgetragenen Krieg zu führen, auf die von seiner Regierung verworfenen Bedingungen Frieden schloß294. Aber die früher leitenden Staatsmänner waren inzwischen gestorben oder zurückgetreten und das persönliche Regiment des Kaisers dafür installirt, und auf das Publicum und vor allem auf den Kaiser persönlich verfehlte der feierliche Act in Rhandeia und das in Aussicht gestellte Schaugepränge der Belehnung des parthischen Fürsten mit der Krone von Armenien in der Reichshauptstadt seine Wirkung nicht. Der Friede wurde ratificirt und erfüllt. Im J. 66 erschien der parthische Fürst versprochener Maßen in Rom, geleitet von 3000 parthischen Reitern, als Geiseln die Kinder der drei Brüder so wie die des Monobazos von Adiabene heranführend. Er begrüßte kniefällig seinen auf dem Markte [392] der Hauptstadt auf dem Kaiserstuhl sitzenden Lehnsherrn und hier knüpfte dieser ihm vor allem Volke die königliche Binde um die Stirn.
Die von beiden Seiten zurückhaltende, man möchte sagen friedliche Führung des letzten nominell zehnjährigen Krieges und der entsprechende Abschluß desselben durch den factischen Uebergang Armeniens an die Parther unter Schonung der Susceptibilitäten des mächtigeren Westreiches trug gute Frucht. Armenien war unter der nationalen von den Römern anerkannten Dynastie mehr von ihnen abhängig als früher unter den dem Lande aufgedrungenen Herrschern. Wenigstens in der zunächst an den Euphrat grenzenden Landschaft Sophene blieb römische Besatzung295. Für die Wiederherstellung von Artaxata wurde die Erlaubniß des Kaisers erbeten und gewährt, und der Bau von Kaiser Nero mit Geld und Arbeitern gefördert. Zwischen den beiden mächtigen Staaten, die der Euphrat von einander schied, hat zu keiner Zeit ein gleich gutes Verhältniß bestanden wie nach dem Abschluß des Vertrages von Rhandeia in den letzten Jahren Neros und weiter unter den drei Herrschern des flavischen Hauses. Noch andere Umstände trugen dazu bei. Die transkaukasischen Völkermassen, vielleicht gelockt durch ihre Betheiligung an den letzten Kriegen, während welcher sie als Söldner theils der Iberer, theils der Parther den Weg nach Armenien gefunden hatten, fingen damals an vor allem die westlichen parthischen Provinzen, aber zugleich die östlichen des römischen Reiches zu bedrohen. Wahrscheinlich um ihnen zu wehren wurde unmittelbar nach dem armenischen Kriege im J. 63 die Einziehung des sogenannten pontischen Königreichs verfügt, das heißt der Südostecke der Küste des schwarzen Meeres mit der Stadt Trapezus und dem Phasisgebiet. Die große orientalische Expedition, welche Kaiser Nero eben anzutreten im Begriff war, als ihn die Katastrophe ereilte (68), und für welche er bereits die Kerntruppen des Westens theils nach Aegypten, theils an die Donau in Marsch gesetzt hatte, sollte freilich auch nach anderen Seiten hin die Reichsgrenze vorschieben296; aber der eigentliche Zielpunkt waren die Kaukasuspässe oberhalb Tiflis und die am Nordabhang ansässigen skythischen [393] Stämme, zunächst die Alanen297. Eben diese berannten einerseits Armenien, andererseits Medien. Jene neronische Expedition richtete sich so wenig gegen die Parther, daß sie vielmehr aufgefaßt werden konnte als diesen zur Hülfe unternommen; den wilden Horden des Nordens gegenüber war für die beiden Culturstaaten des Westens und des Ostens gemeinsame Abwehr allerdings angezeigt. Vologasos lehnte freilich die freundschaftliche Aufforderung seines römischen Collegen ihn ebenso wie der Bruder in Rom zu besuchen, in gleicher Freundschaftlichkeit ab, da ihn keineswegs gelüstete auch seinerseits als Lehnsträger des römischen Herrschers auf dem römischen Markt zu figuriren; aber er erklärte sich bereit dem Kaiser sich vorzustellen, wenn dieser im Orient eintreffen werde, und nicht die Römer, aber wohl die Orientalen haben Nero aufrichtig betrauert. König Vologasos richtete an den Senat officiell das Ersuchen Neros Gedächtniß in Ehren zu halten und als späterhin ein Pseudo-Nero auftrat, fand er vor allem im Partherstaat Sympathien.
Indeß war es dem Parther nicht so sehr um die Freundschaft Neros zu thun, als um die des römischen Staates. Nicht bloß enthielt er sich während der Krisen des Vierkaiserjahres jedes Uebergriffes298, [394] sondern er bot Vespasian, den wahrscheinlichen Ausgang des schwebenden Entscheidungskampfes richtig schätzend, noch in Alexandreia 40000 berittene Schützen zum Kampfe gegen Vitellius an, was natürlich dankend abgelehnt ward. Vor allem aber fügte er sich ohne weiteres den Anordnungen, welche die neue Regierung für den Schutz der Ostgrenze traf. Vespasian hatte selbst als Statthalter von Judaea die Unzulänglichkeit der dort ständig verwendeten Streitkräfte kennen gelernt; und als er diese Statthalterschaft mit der Kaisergewalt vertauschte, wurde nicht nur Kommagene wieder nach dem Vorgang des Tiberius aus einem Königreich eine Provinz, sondern es ward auch die Zahl der ständigen Legionen im römischen Asien von vier auf sieben erhöht, auf welche Zahl sie vorübergehend für den parthischen und wieder für den jüdischen Krieg gebracht worden waren. Während ferner es bis dahin in Asien nur ein einziges größeres Militärcommando, das des Statthalters von Syrien gegeben hatte, wurden jetzt drei derartige Oberbefehlshaberstellen daselbst eingerichtet. Syrien, zu dem Kommagene hinzutrat, behielt wie bisher vier Legionen; die beiden bisher nur mit Truppen zweiter Ordnung besetzten Provinzen Palaestina und Kappadokien wurden die erste mit einer, die zweite mit zwei Legionen belegt299. Armenien blieb römisches Lehnfürstenthum im Besitz der Arsakiden; aber unter Vespasian stand römische Besatzung jenseit der armenischen Grenze in dem iberischen Castell Harmozika bei Tiflis300 und danach muß in dieser [395] Zeit auch Armenien militärisch in römischer Gewalt gewesen sein. Alle diese Maßregeln, so wenig sie auch nur eine Kriegsdrohung enthielten, richteten die Spitze gegen den östlichen Nachbar. Dennoch war Vologasos nach dem Fall Jerusalems der erste, der dem römischen Kronprinzen seinen Glückwunsch zu der Befestigung der römischen Herrschaft in Syrien darbrachte, und die Einrichtung der Legionslager in Kommagene, Kappadokien und Klein-Armenien nahm er ohne Widerrede hin. Ja er regte sogar bei Vespasian jene transkaukasische Expedition wieder an und erbat die Sendung einer römischen Armee gegen die Alanen unter Führung eines der kaiserlichen Prinzen; obwohl Vespasian auf diesen weitaussehenden Plan nicht einging, so kann doch jene römische Truppe in der Gegend von Tiflis kaum zu anderem Zweck hingeschickt worden sein als zur Sperrung des Kaukasuspaßes und vertrat insofern dort auch die Interessen der Parther. Trotz der Verstärkung der militärischen Stellung Roms am Euphrat oder auch vielleicht in Folge derselben – denn dem Nachbar Respect einzuflößen ist auch ein Mittel den Frieden zu erhalten – blieb der Friedensstand während der gesammten Herrschaft der Flavier wesentlich ungestört. Wenn, wie das zumal bei dem steten Wechsel der parthischen Dynasten nicht befremden kann, ab und zu Collisionen eintraten und selbst Kriegswolken sich zeigten, so verschwanden sie wieder ebenso rasch301. Das Auftreten eines falschen Nero in den letzten Jahren Vespasians – es ist derjenige, der zu der Offenbarung Johannis den Anstoß gegeben hat – hätte fast zu einer solchen Collision geführt. Der Prätendent, in Wirklichkeit ein gewisser Terentius Maximus aus Kleinasien, aber in Antlitz und Stimme und Künsten dem Sängerkaiser täuschend ähnlich, fand nicht bloß Zulauf in dem römischen Gebiet am Euphrat, sondern auch Unterstützung bei den Parthern. Bei diesen scheinen damals, wie so oft, mehrere Herrscher mit einander im Kampfe gelegen und der eine von ihnen, Artabanos, [396] weil Kaiser Titus sich gegen ihn erklärte, die Sache des römischen Prätendenten aufgenommen zu haben. Indeß es hatte dies keine Folgen; vielmehr lieferte bald darauf die parthische Regierung den Prätendenten an Kaiser Domitianus aus302. Der für beide Theile vortheilhafte Handelsverkehr von Syrien nach dem unteren Euphrat, wo eben damals König Vologasos nicht weit von Ktesiphon das neue Emporium Vologasias oder Vologasocerta ins Leben rief, wird das Seinige dazu beigetragen haben den Friedenstand zu fördern.
Zu einem Conflict kam es unter Traianus. In den früheren Jahren seiner Regierung hatte er in den östlichen Verhältnissen nichts Wesentliches geändert, abgesehen von der Verwandlung der an der Grenze der syrischen Wüste bis dahin bestehenden beiden Clientelstaaten, des nabataeischen von Petra und des jüdischen von Caesarea Paneas, in unmittelbar römische Verwaltungsbezirke (J. 106). Die Beziehungen zu dem damaligen Herrscher des Partherreichs, dem König Pakoros waren nicht die freundlichsten303, aber erst unter dessen Bruder und Nachfolger Chosroes kam es zum Bruch, und zwar wiederum über Armenien. Die Schuld davon trugen die Parther. Indem Traianus den erledigten armenischen Königsthron dem Sohn des Pakoros Axidares verlieh, hielt er sich innerhalb der Grenzen seines Rechts; aber König Chosroes bezeichnete diese Persönlichkeit als unfähig zu regieren und setzte eigenmächtig einen anderen Sohn des Pakoros, den Parthomasiris an dessen Stelle zum König ein304. Die Antwort darauf war die römische [397] Kriegserklärung. Gegen Ausgang des J. 114305 verließ Traianus die Hauptstadt, um sich an die Spitze der römischen Truppen des Ostens zu stellen, die allerdings wieder in dem tiefsten Verfall sich befanden, aber von dem Kaiser schleunigst reorganisirt und außerdem durch bessere aus Pannonien herbeigezogene Legionen verstärkt wurden306. [398] In Athen trafen ihn Gesandte des Partherkönigs; aber sie halten nichts zu bieten als die Anzeige, daß Parthomasiris bereit sei Armenien als römisches Lehen entgegenzunehmen, und wurden abgewiesen. Der Krieg begann. In den ersten Gefechten am Euphrat zogen die Römer den kürzeren307; aber als der alte schlagfertige und sieggewohnte Kaiser im Frühjahr des J. 115 selbst sich an die Spitze der Truppen stellte, unterwarfen sich ihm die Orientalen fast ohne Gegenwehr. Es kam hinzu, daß bei den Parthern wieder einmal der Bürgerkrieg im Gange und gegen Chosroes ein Prätendent Manisaros aufgetreten war. Von Antiocheia ausmarschirte der Kaiser an den Euphrat und weiter nordwärts bis zu dem nördlichsten Legionslager Satala in Klein-Armenien, von wo aus er in Armenien einrückte und die Richtung auf Artaxata nahm. Unterwegs in Elegeia erschien Parthomasiris und nahm das Diadem vom Haupte, in der Hoffnung, durch diese Demüthigung, wie einst Tiridates, die Belehnung zu erwirken. Allein Traianus war entschlossen auch diesen Lehnstaat zur Provinz zu machen und überhaupt die östliche Reichsgrenze zu verlegen. Dies erklärte er dem Partherfürsten vor dem versammelten Heer und wies ihn an mit seinem Gefolge sofort das Lager und das Reich zu räumen; es kam darüber zu einem Auflauf, bei welchem der Prätendent das Leben verlor. Armenien ergab sich in sein Schicksal und wurde römische Statthalterschaft. Auch die Fürsten der Kaukasusvölker, der Albaner, der Iberer, weiter gegen das schwarze Meer der Apsiler, der Kolcher, der Heniocher, der Lazen und anderer mehr, selbst die der transkaukasischen Sarmaten wurden in dem Lehnsverhältniß bestätigt oder jetzt demselben unterworfen. Traianus rückte darauf in das Gebiet der Parther ein und besetzte [399] Mesopotamien. Auch hier fügte sich alles ohne Schwertstreich; Batnae, Nisibis, Singara kamen in die Gewalt der Römer; in Edessa nahm der Kaiser nicht bloß die Unterwerfung des Landesherrn Abgaros entgegen, sondern auch die der übrigen Dynasten und gleich Armenien wurde Mesopotamien römische Provinz. Die Winterquartiere nahm Traianus abermals in Antiocheia, wo ein gewaltiges Erdbeben mehr Opfer forderte als der Feldzug des Sommers. Im nächsten Frühjahr (116) ging Traian, ›der Parthersieger‹, wie der Senat ihn jetzt begrüßte, von Nisibis aus über den Tigris und besetzte, nicht ohne bei dem Uebergang und nachher Widerstand zu finden, die Landschaft Adiabene; dies wurde die dritte neue römische Provinz, Assyria genannt. Weiter ging der Marsch den Tigris abwärts nach Babylonien; Seleukeia und Ktesiphon fielen in die Hände der Römer und mit ihnen der goldene Thronsitz des Königs und dessen Tochter; Traianus gelangte bis nach der persischen Satrapie Mesene und der großen Kaufstadt an der Tigrismündung Charax Spasinu. Auch dieses Gebiet scheint dem Reich in der Weise einverleibt worden zu sein, daß die neue Provinz Mesopotamien das gesammte von den beiden Flüssen umschlossene Gebiet umfaßte. Mit sehnsüchtigen Gedanken soll Traianus hier sich die Jugend Alexanders gewünscht haben, um von dem Ufersaum des persischen Meeres aus seine Waffen in das indische Wunderland zu tragen. Indeß er erfuhr bald, daß er sie für nähere Gegner brauchte. Das große Partherreich hatte bisher dem Angriff kaum ernstlich die Stirn geboten und oftmals vergeblich um Frieden gebeten. Jetzt aber auf dem Rückweg in Babylon trafen den Kaiser die Botschaften von dem Abfall Babyloniens und Mesopotamiens; während er an der Tigrismündung verweilte, hatte gegen ihn die gesammte Bevölkerung dieser neuen Provinzen sich erhoben308; die Bürger von Seleukeia am Tigris, von Nisibis, ja von Edessa selbst [400] machten die römischen Besatzungen nieder oder verjagten sie und schlossen ihre Thore. Der Kaiser sah sich genöthigt seine Truppen zu theilen und gegen die verschiedenen Heerde des Aufstandes einzelne Corps zu schicken; eine dieser Legionen unter Maximus wurde mit ihrem Feldherrn in Mesopotamien umzingelt und niedergehauen. Doch ward der Kaiser der Insurgenten Herr, namentlich durch den schon im dacischen Kriege erprobten Feldherrn Lusius Quietus, einen geborenen Maurenscheich. Seleukeia und Edessa wurden belagert und niedergebrannt. Traianus ging so weit Parthien zum römischen Vasallenstaat zu erklären und belehnte damit in Ktesiphon einen Parteigänger Roms, den Parther Parthamaspates, obwohl die römischen Soldaten nicht mehr als den westlichen Saum des großen Reiches betreten hatten. Alsdann schlug er den Rückweg nach Syrien ein auf dem Wege, den er gekommen war, unterwegs aufgehalten durch einen vergeblichen Angriff auf die Araber in Hatra, der Residenz des Königs der tapferen Stämme der mesopotamischen Wüste, deren gewaltige Festungswerke und prachtvolle Bauten noch heute in ihren Ruinen imponiren. Er beabsichtigte den Krieg im nächsten Jahre fortzusetzen, also die Unterwerfung der Parther zur Wahrheit zu machen. Aber das Gefecht in der Wüste von Hatra, in welchem der sechzigjährige Kaiser tapfer mit den arabischen Reitern sich herumgeschlagen hatte, sollte sein letztes sein. Er erkrankte und starb auf der Heimreise (8. August 117), ohne seinen Sieg vollenden und die Siegesfeier in Rom abhalten zu können; es war in seinem Sinn, daß ihm noch nach dem Tode die Ehre des Triumphs zu Theil ward und er daher der einzige der vergötterten römischen Kaiser ist, welcher auch als Gott noch den Siegestitel führt.
Traianus hatte den Krieg mit den Parthern nicht gesucht, sondern er war ihm aufgenöthigt worden; nicht er, sondern Chosroes hatte das Abkommen über Armenien gebrochen, welches die letzten vierzig Jahre hindurch die Grundlage des Friedensstandes im Euphratgebiet gewesen war. Wenn es begreiflich ist, daß die Parther sich dabei nicht beruhigten, da die fortdauernde Lehnsherrschaft der Römer über Armenien den Stachel zur Auflehnung in sich trug, so muß man auch andererseits anerkennen, daß auf dem bisherigen Wege nicht weiter gegangen werden konnte, als Corbulo gegangen war; der unbedingte Verzicht auf [401] Armenien und, was davon die nothwendige Folge war, die Anerkennung des Partherstaats in voller Gleichberechtigung liegen nun einmal außer dem Horizont der römischen Politik, so gut wie die Aufhebung der Sklaverei und ähnliche zu jener Zeit undenkbare Ge danken. Wenn aber mit dieser Alternative nicht zu dauerhaftem Frieden gelangt werden konnte, so blieb in dem großen Dilemma der römischen Orientpolitik nur die andere übrig, die Erstreckung der unmittelbaren römischen Herrschaft auf das linke Ufer des Euphrat. Darum ward Armenien jetzt römische Provinz und nicht minder Mesopotamien. Es war das nur sachgemäß. Die Verwandlung Armeniens aus einem römischen Lehnsstaat mit römischer Besatzung in eine römische Statthalterschaft änderte nach außen hin nicht viel; die Parther konnten aus Armenien wirksam nur ausgewiesen werden, indem sie den Besitz der benachbarten Landschaft verloren; und vor allem fand die römische Herrschaft wie die römische Provinzialverfassung in dem halb griechischen Mesopotamien einen weit günstigeren Boden als in dem durchaus orientalischen Armenien. Andere Erwägungen kamen hinzu. Die römische Zollgrenze in Syrien war übel beschaffen und den internationalen Verkehr von den großen Handelsplätzen Syriens nach dem Euphrat und dem Tigris ganz in die Gewalt zu bekommen für den römischen Staat ein wesentlicher Gewinn, wie denn auch Traianus sofort daran ging die neuen Euphrat- und Tigriszölle einzurichten309. Auch militärisch war die Tigrisgrenze leichter zu vertheidigen als die bisherige an der syrischen Wüste und weiter am Euphrat hinlaufende Grenzlinie. Die Umwandlung der Landschaft Adiabene jenseits des Tigris in eine römische Provinz, wodurch Armenien Binnenprovinz ward, und die Umgestaltung des parthischen Reiches selbst in einen römischen Lehnsstaat sind Corollarien desselben Gedankens. Es soll in keiner Weise geleugnet werden, daß bei der Eroberungspolitik die Consequenz ein bedenkliches Lob ist und daß Traianus nach seiner Art bei diesen Unternehmungen dem Streben nach äußerlichem Erfolg mehr als billig nachgegeben und über das verständige Ziel hinausgegriffen hat310; aber [402] es geschieht ihm Unrecht, wenn sein Auftreten im Osten auf blinde Eroberungslust zurückgeführt wird. Er that, was Caesar, wenn er gelebt hätte, auch gethan haben würde. Seine Politik ist nur die andere Seite derjenigen der Staatsmänner Neros und beide sind so entgegengesetzt wie gleich folgerichtig und gleich berechtigt. Die Folgezeit hat mehr der erobernden Politik Recht gegeben als derjenigen der Nachgiebigkeit.
Für den Augenblick freilich kam es anders. Die orientalischen Eroberungen Traians durchleuchtenden trüben Abend des Römerreiches wie die Blitzstrahlen die dunkle Nacht, aber wie diese bringen sie keinen neuen Morgen. Der Nachfolger fand sich vor die Wahl gestellt, das unfertige Werk der Unterwerfung der Parther zu vollenden oder fallen zu lassen. Ohne bedeutende Steigerung der Armee wie des Budgets konnte die Grenzerweiterung überall nicht durchgeführt werden; und die damit unvermeidlich gegebene Verschiebung des Schwerpunktes nach Osten war eine bedenkliche Stärkung des Reiches. Hadrian und Pius lenkten also völlig wieder ein in die Bahnen der früheren Kaiserzeit. Den römischen Lehnskönig von Parthien, den Parthamaspates ließ Hadrian fallen und fand ihn in anderer Weise ab. Er räumte Assyrien und Mesopotamien und gab diese Provinzen freiwillig dem früheren Herrn zurück. Nicht minder sandte er diesem die gefangene Tochter; das bleibende Zeichen des gewonnenen Sieges, den goldenen Thron von Ktesiphon, weigerte selbst der friedfertige Pius sich den Parthern wieder auszuliefern. Hadrianus sowohl wie Pius waren ernstlich bemüht mit dem Nachbar in Frieden und Freundschaft zu leben und zu keiner Zeit scheinen die Handelsbeziehungen zwischen den römischen Entrepots an der syrischen Ostgrenze und den Kaufstädten am Euphrat reger gewesen zu sein als in dieser Epoche. – Armenien hörte ebenfalls auf römische Provinz zu sein und trat in seine frühere Stellung zurück als römischer Lehnsstaat und parthische Secundogenitur311. Abhängig blieben gleichfalls die Fürsten der Albaner und [403] iberer am Kaukasus und die zahlreichen kleinen Dynasten in dem südöstlichen Winkel des schwarzen Meeres312. Römische Besatzungen standen nicht bloß an der Küste in Apsa ros313 und am Phasis, sondern nachweislich unter Commodus in Armenien selbst unweit Artaxata; militärisch gehörten alle diese Staaten zum Sprengel des Commandanten von Kappadokien314. Indeß scheint diese ihrem Wesen nach sehr unbestimmte Oberhoheit überhaupt, und namentlich von Hadrian315, in [404] einer Weise gehandhabt zu sein, daß sie mehr als ein Schutzrecht erschien denn als eigentliche Unterthänigkeit, und wenigstens die mächtigeren unter diesen Fürstenthaten und ließen im wesentlichen, was ihnen gefiel. Das schon früher hervorgehobene gemeinsame Interesse der Abwehr der wilden transkaukasischen Stämme trat in dieser Epoche noch bestimmter hervor und hat offenbar namentlich zwischen Römern und Parthern als ein Band gedient. Gegen das Ende der Regierung Hadrians fielen die Alanen, im Einverständniß wie es scheint mit dem damaligen König von Iberien Pharasmanes II., dem es zunächst oblag ihnen den Kaukasuspaß zu sperren, in die südlichen Landschaften ein und plünderten nicht bloß das Gebiet der Albaner und der Armenier, sondern auch die parthische Provinz Medien und die römische Provinz Kappadokien; wenn es auch nicht zu gemeinschaftlicher Kriegführung kam, sondern das Gold des damals in Parthien regierenden Herrschers Vologasos III. und die Mobilmachung der kappadokischen Armee von Seiten der Römer316 die Barbaren zur Umkehr bestimmten, so gingen die Interessen doch zusammen und die Beschwerde, welche die Parther in Rom über Pharasmanes von Iberien führten, zeigt das Zusammenhalten der beiden Großmächte317.
Die Störungen des Statusquo kamen wieder von parthischer Seite. Die Oberherrlichkeit der Römer über Armenien hat in der Geschichte eine ähnliche Rolle gespielt wie die des deutschen Kaiserreiches über Italien; wesenlos wie sie war, wurde sie doch stets als Uebergriff empfunden und trug die Kriegsgefahr im Schoße. Schon unter Hadrian drohte der Conflict; es gelang dem Kaiser in einer persönlichen Zusammenkunft mit dem Partherfürsten den Friedensstand zu wahren. Unter Pius schien abermals die parthische Invasion Armeniens bevorzustehen; seine ernste Abmahnung war zunächst von Erfolg. Aber selbst dieser friedfertigste aller Kaiser, dem es mehr am Herzen lag das Leben eines Bürgers zu sparen als tausend Feinde zu tödten, mußte in der [405] letzten Zeit seiner Regierung sich auf den Angriff gefaßt machen und die Heere des Orients verstärken. Kaum hatte er die Augen geschlossen (J. 161), als sich das lange drohende Gewitter entlud. Auf Befehl des Königs Vologasos IV rückte der persische Feldherr Chosroes318 in Armenien ein und setzte den Arsakidenprinzen Pakoros auf den Thron. Der Statthalter von Kappadokien Severianus that, was seine Pflicht war, und führte seinerseits die römischen Truppen über den Euphrat. Bei Elegeia, eben da wo ein Menschenalter zuvor der ebenfalls von den Parthern auf den armenischen Thron gesetzte König Parthomasiris sich vor Traian vergeblich gedemüthigt hatte, stießen die Heere auf einander; das römische wurde nicht bloß geschlagen, sondern in dreitägigem Kampfe vernichtet; der unglückliche Feldherr gab, wie einst Varus, sich selber den Tod. Die siegreichen Orientalen begnügten sich nicht mit der Einnahme Armeniens, sondern überschritten den Euphrat und brachen in Syrien ein; auch das dort stehende Heer wurde geschlagen und man fürchtete für die Treue der Syrer. Die römische Regierung hatte keine Wahl. Da die Truppen des Orients auch bei dieser Gelegenheit ihre geringe Schlagfähigkeit bewiesen und überdies durch die erlittene Niederlage geschwächt und demoralisirt waren, wurden aus dem Westen, selbst vom Rhein her weitere Legionen nach dem Osten gesandt und in Italien selbst Aushebungen angeordnet. Der eine der beiden kurz vorher zur Regierung gelangten Kaiser Lucius Verus ging selbst nach dem Orient (J. 162), um den Oberbefehl zu übernehmen; und wenn er, weder kriegerisch noch auch nur pflichttreu, sich der Aufgabe nicht gewachsen zeigte und von seinen Thaten im Orient kaum etwas anderes zu berichten ist, als daß er mit seiner Nichte daselbst Hochzeit machte und wegen seines Theaterenthusiasmus selbst von den Antiochenern ausgelacht ward, so führten die Statthalter von Kappadokien und von Syrien, dort zuerst Statius Priscus, dann Martius Verus, hier Avidius Cassius319, die besten Generale dieser Epoche, die Sache Roms besser als der Träger der Krone. Noch einmal, bevor die Heere an einander [406] kamen, boten die Römer den Frieden; gern hätte Marcus den schweren Krieg vermieden. Aber Vologasos wies die billigen Vorschläge schroff zurück; und diesmal war der friedfertige Nachbar auch der stärkere. Armenien wurde sofort wieder gewonnen; schon im J. 163 nahm Priscus die Hauptstadt Artaxata ein und zerstörte sie. Nicht weit davon wurde die neue Landeshauptstadt, Kainepolis, armenisch Nor-Khalakh oder Valarschapat (Etschmiazin), von den Römern erbaut und mit starker Besatzung belegt320. Im Jahre darauf wurde an Pakoros Stelle Sohaemos, der Abstammung nach auch ein Arsakide, aber römischer Unterthan und römischer Senator, zum König von Groß-Armenien ernannt321. Rechtlich also änderte in Armenien sich nichts; doch wurden die Bande, die es an Rom knüpften, [407] straffer angezogen. – Ernster waren die Kämpfe in Syrien und Mesopotamien. Die Euphratlinie wurde von den Parthern hartnäckig vertheidigt; nach einem lebhaften Gefecht am rechten Ufer bei Sura wurde die Festung Nikephorion (Rakka) auf dem linken von den Römern erstürmt. Noch heftiger wurde um den Uebergang bei Zeugma gestritten; aber auch hier blieb in der entscheidenden Schlacht bei Europos (Djerabis südlich von Biredjik) den Römern der Sieg. Sie rückten nun ihrerseits in Mesopotamien ein. Edessa wurde belagert, Dausara unweit davon erstürmt; die Römer erschienen vor Nisibis; der parthische Feldherr rettete sich schwimmend über den Tigris. Die Römer konnten von Mesopotamien aus den Marsch nach Babylon antreten. Die Satrapen verließen theilweise die Fahnen des geschlagenen Großkönigs; Seleukeia, die große Capitale der Hellenen am Euphrat, öffnete den Römern freiwillig die Thore, wurde aber später, weil die Bürgerschaft mit Recht oder mit Unrecht des Einverständnisses mit dem Feinde beschuldigt ward, von den Römern niedergebrannt. Auch die parthische Hauptstadt Ktesiphon wurde genommen und zerstört; mit gutem Grund konnte zu Anfang des J. 165 der Senat die beiden Herrscher als die parthischen Großsieger begrüßen. In dem Feldzug dieses Jahres drang Cassius sogar in Medien ein; indeß namentlich die in diesen Gegenden ausbrechende Pest decimirte die Truppen und nöthigte zur Umkehr, beschleunigte vielleicht auch den Friedensschluß. Das Ergebniß des Krieges war die Abtretung des westlichen Strichs von Mesopotamien: die Fürsten von Edessa oder von Osrhoene traten in den römischen Lehnsverband und die Stadt Karrhae, seit langem gut griechisch gesinnt, wurde Freistadt unter römischem Schutz322. Dem Umfang nach war, zumal dem vollständigen Kriegserfolg gegenüber, der Gebietszuwachs mäßig, dennoch aber von Bedeutung, insofern damit die Römer Fuß faßten am linken Ufer des Euphrat. Im Uebrigen wurden die besetzten Gebiete den Parthern zurückgegeben und der Statusquo wiederhergestellt. Im Ganzen also gab man die [408] zurückhaltende von Hadrian aufgenommene Politik jetzt wieder auf und lenkte ein in die Bahn des Traianus. Es ist dies um so bemerkenswerther, als der Regierung des Marcus gewiß nicht Ehrgeiz und Vergrößerungsstreben zum Vorwurf gemacht werden kann; was sie that, that sie nothgedrungen und in bescheidenen Grenzen.
Den gleichen Weg ging weiter und entschiedener Kaiser Severus. Das Dreikaiserjahr 193 hatte zum Kriege zwischen den Legionen des Westens und denen des Ostens geführt und mit Pescennius Niger waren diese unterlegen. Die römischen Lehnfürsten des Ostens und nicht minder der Beherrscher der Parther, Vologasos V des Sanatrukios Sohn, hatten, wie begreiflich, den Niger anerkannt und ihm sogar ihre Truppen zur Verfügung gestellt; dieser hatte erst dankend abgelehnt, dann, als seine Sache eine üble Wendung nahm, ihre Hülfe angerufen. Die übrigen römischen Lehnsträger, vor allem der von Armenien, hielten sich vorsichtig zurück; nur der Fürst von Edessa Abgaros sandte den verlangten Zuzug. Die Parther versprachen Hülfe, und sie kam auch wenigstens aus den nächsten Districten, von dem Fürsten Barsemias von Hatra in der mesopotamischen Wüste und von jenseit des Tigris von dem Satrapen der Adiabener. Auch nach Nigers Tod (J. 194) blieben diese Fremden nicht bloß in dem römischen Mesopotamien, sondern forderten sogar das Herausziehen der daselbst stehenden römischen Besatzungen und die Rückgabe dieses Gebiets323. Darauf rückte Severus in Mesopotamien ein und nahm die ganze ausgedehnte und wichtige Landschaft in Besitz. Von Nisibis aus wurde eine Expedition gegen den Araberfürsten von Hatra geführt, der es [409] indeß nicht gelang die feste Stadt zu nehmen; auch jenseit des Tigris gegen den Satrapen von Adiabene richteten die Generale des Severus nichts Bedeutendes aus324. Aber Mesopotamien, das heißt das ganze Gebiet zwischen Euphrat und Tigris bis zum Chaboras wurde römische Provinz und mit zwei dieser Gebietserweiterung wegen neu geschaffenen Legionen belegt. Das Fürstenthum Edessa blieb als römische Lehnsherrschaft bestehen, war aber jetzt nicht mehr Grenzgebiet, sondern von unmittelbarem Reichsland umschlossen. Hauptstadt der neuen Provinz und Sitz des Statthalters wurde die ansehnliche und feste Stadt Nisibis, seitdem nach dem Namen des Kaisers genannt und als römische Colonie geordnet. Nachdem also von dem parthischen Reiche ein wichtiger Gebietstheil abgerissen und gegen zwei von ihm abhängige Satrapen Waffengewalt gebraucht worden war, machte sich der Großkönig mit den Truppen auf, um den Römern entgegen zu treten. Severus bot die Hand zum Frieden und trat für Mesopotamien einen Theil von Armenien ab. Indeß war damit die Waffenentscheidung nur vertagt. So wie Severus nach dem Westen aufgebrochen war, wohin die Verwickelung mit seinem Mitherrscher in Gallien ihn abrief, brachen die Parther den Frieden325 und rückten in Mesopotamien ein; der Fürst von Osrhoene ward vertrieben, das Land besetzt und der Statthalter Laetus, einer der vorzüglichsten Kriegsmänner der Zeit, in Nisibis belagert. Er schwebte in großer Gefahr, als Severus, nachdem Albinus unterlegen war, im J. 198 abermals im Orient eintraf. Damit wendete sich das Kriegsglück. Die Parther wichen zurück und nun ergriff Severus die Offensive. Er rückte in Babylonien ein und gewann Seleukeia und Ktesiphon; der [410] Partherkönig rettete sich mit wenigen Reitern durch die Flucht, der Kronschatz wurde die Beute der Sieger, die parthische Hauptstadt den römischen Soldaten zur Plünderung preisgegeben und über 100000 Gefangene auf den römischen Sclavenmarkt gebracht. Besser freilich als der Partherstaat selbst wehrten sich die Araber in Hatra; vergeblich versuchte Severus in zwiefacher schwerer Belagerung die Wüstenburg zu bezwingen. Aber im Wesentlichen war der Erfolg der beiden Feldzüge der J. 198 und 199 ein vollständiger. Durch die Einrichtung der Provinz Mesopotamien und des großen Commandos daselbst verlor Armenien die Zwischenstellung, welche es bisher gehabt hatte; es konnte in den bisherigen Verhältnissen verbleiben und von der förmlichen Einverleibung abgesehen werden. Das Land behielt also seine eigenen Truppen und die Reichsregierung hat sogar für dieselben späterhin einen Zuschuß aus der Reichskasse gezahlt326.
Die weitere Entwickelung dieser Nachbarverhältnisse ist bedingt durch die Verschiebung der inneren Ordnung in den beiden Reichen. Wenn unter der Dynastie Nervas und nicht minder unter Severus dem oft von Bürgerkrieg und Thronfehde zerrissenen Partherstaat die relativ stabile römische Monarchie überlegen gegenüber gestanden hatte, so brach diese Ordnung nach Severus Tode zusammen und fast ein Jahrhundert lang folgten sich in dem Westreich meist elende und durchaus ephemere Regenten, die dem Ausland gegenüber stetig schwankten zwischen Uebermuth und Schwäche. Während also die Schale des Westens sank, stieg diejenige des Ostens. Wenige Jahre nach dem Tode des Severus (211) trat in Iran eine Umwälzung ein, welche nicht bloß, wie so viele frühere Krisen, den herrschenden Regenten stürzte, nicht einmal bloß eine andere Dynastie an die Stelle der verkommenen Arsakiden ans Regiment rief, sondern die nationalen und religiösen [411] Elemente zu gewaltigem Aufschwung entfesselnd an die Stelle der vom Hellenismus durchdrungenen Bastardcivilisation des Partherstaats die Staatsordnung, den Glauben, die Sitte und die Fürsten derjenigen Landschaft setzte, welche das alte Perserreich geschaffen hatte und seit dessen Uebergang an die parthische Dynastie wie die Gräber des Dareios und des Xerxes, so auch die Keime der Wiedergeburt des Volkes in sich bewahrte. Es erfolgte die Wiederherstellung des von Alexander niedergeworfenen Großkönigthums der Perser durch das Eintreten der Dynastie der Sassaniden. Werfen wir auf diese neue Gestaltung der Dinge einen Blick, bevor wir den Verlauf der römisch-parthischen Beziehungen im Orient weiter verfolgen.
Es ist schon ausgesprochen worden, daß die parthische Dynastie, obwohl in der That sie Iran dem Hellenismus entrissen hatte, doch der Nation so zu sagen als illegitim galt. Artahschatr oder neupersisch Ardaschir, so berichtet die officielle Historiographie der Sassaniden, trat auf, um das Blut des von Alexander ermordeten Dara zu rächen und um die Herrschaft an die legitime Familie zurückzubringen und sie so wieder herzustellen, wie sie zur Zeit seiner Vorfahren, vor den Theilkönigen gewesen war. In dieser Legende steckt ein gutes Stück Wirklichkeit. Die Dynastie, welche von dem Großvater Ardaschirs Sasan den Namen führt, ist keine andere als die königliche der persischen Landschaft; Ardaschirs Vater Papak oder Pabek327 und eine lange Reihe seiner Ahnen hatten unter der Obergewalt der Arsakiden in diesem Stammlande der iranischen Nation das Scepter geführt328, in Istachr unweit des alten Persepolis residirt und ihre Münzen mit iranischer Sprache und iranischer Schrift und mit den heiligen Emblemen des persischen Landesglaubens bezeichnet, während die Großkönige in dem halb griechischen Grenzland ihren Sitz hatten und ihre Münzen in griechischer Sprache und griechischer Weise prägen ließen. Die Grundordnung [412] des iranischen Staatensystems, das den Theilkönigen übergeordnete Großkönigthum, ist unter den beiden Dynastien ebenso wenig eine verschiedene gewesen, wie die des Reiches deutscher Nation unter den sächsischen und den schwäbischen Kaisern. Nur darum wird in jener officiellen Version die Arsakidenzeit als die der Theilkönige und Ardaschir als das erste gemeinsame Haupt von ganz Iran nach dem letzten Dareios bezeichnet, weil im alten persischen Reich die persische Landschaft wie zu den übrigen, so auch zu den Parthern sich verhält wie im römischen Staat Italien zu den Provinzen und der Perser dem Parther die Legitimation für das von Rechtswegen mit seiner Landschaft verbundene Großkönigthum bestritt329.
Wie dem Umfange nach das Sassanidenreich sich zu dem der Arsakiden verhielt, ist eine Frage, auf die die Ueberlieferung keine genügende Antwort giebt. Die Provinzen des Westens sind, seit die neue Dynastie fest im Sattel saß, sämmtlich derselben unterthänig geblieben und die Ansprüche, die die letztere gegen die Römer erhob, gingen, wie wir sehen werden, weit hinaus über die Prätensionen der Arsakiden. Aber wie weit die Herrschaft der Sassaniden gegen den Osten gereicht hat und wann sie bis zum Oxos vorgedrungen ist, der später als die [413] legitime Grenze zwischen Iran und Turan gilt, entzieht sich unseren Blicken330.
Das Staatssystem Irans hat in Folge des Eintritts der neuen Dynastie sich nicht gerade principiell umgestaltet. Die officielle Titulatur des ersten Sassanidenherrschers, wie sie unter dem Felsrelief von Nakschi-Rustam in drei Sprachen gleichmäßig angegeben ist: ›der Mazda-Diener Gott Artaxares, König der Könige der Arianer, göttlicher Abstammung‹331, ist im Wesentlichen die der Arsakiden, nur daß die iranische Nation, wie schon in der alteinheimischen Königstitulatur, und der einheimische Gott jetzt ausdrücklich genannt werden. Daß eine in der Persis heimische Dynastie an die Stelle einer ursprünglich stammfremden und nur nationalisirten trat, war ein Werk und ein Sieg nationaler Reaction; aber den daraus sich ergebenden Consequenzen setzte die Macht der Verhältnisse vielfach unübersteigliche Schranken. Persepolis oder, wie es jetzt heißt, Istachr wird wieder dem Namen nach die Hauptstadt des Reiches und neben den gleichartigen des Dareios verkünden dort auf derselben Felsenwand die merkwürdigen Bildwerke und noch merkwürdigeren eben erwähnten Inschriften den [414] Ruhm Ardaschirs und Schapurs; aber die Verwaltung konnte von dieser entlegenen Oertlichkeit, aus nicht wohl geführt werden und ihr Mittelpunkt blieb auch ferner Ktesiphon. Den rechtlichen Vorzug der Perser, wie er unter den Achämeniden bestanden hatte, nahm die neupersische Regierung nicht wieder auf; wenn Dareios sich ›einen Perser, Sohn eines Persers, einen Arier aus arischem Stamm‹ nannte, so nannte Ardaschir sich, wie wir sahen, lediglich den König der Arianer. Ob in die großen Geschlechter, abgesehen von dem königlichen, persische Elemente neu eingeführt worden sind, wissen wir nicht; auf jeden Fall sind mehrere von ihnen geblieben, wie die Surên und die Karên; nur unter den Achaemeniden, nicht unter den Sassaniden sind dieselben ausschließlich persisch gewesen.
Auch in religiöser Beziehung trat ein eigentlicher Wechsel nicht ein; wohl aber gewann der Glaube und gewannen die Priester unter den persischen Großkönigen einen Einfluß und eine Macht, wie sie sie unter den parthischen niemals besessen hatten. Es mag wohl sein, daß die zwiefache Propaganda fremder Culte gegen Iran, des Buddhathums vom Osten her und des jüdisch-christlichen Glaubens aus dem Westen, der alten Mazda-Religion eben durch die Fehde eine Regeneration brachten. Der Stifter der neuen Dynastie Ardaschir war, wie glaubhaft berichtet wird, ein eifriger Feueranbeter und nahm selbst die Weihen des Priesterthums; darum, heißt es weiter, wurde von da an der Stand der Magier einflußreich und anmaßend, während er bis dahin keineswegs solche Ehre und solche Freiheit gehabt, sondern bei den Machthabern nicht eben viel gegolten hatte. Seitdem ehren und verehren die Perser alle die Priester; die öffentlichen Angelegenheiten werden nach ihren Rathschlägen und Orakeln geordnet; jeder Vertrag und jeder Rechtsstreit unterliegt ihrer Aufsicht und ihrem Urtheil und nichts erscheint den Persern recht und gesetzlich, was nicht von einem Priester bestätigt worden ist. Dem entsprechend begegnen wir einer Ordnung der geistlichen Verwaltung, die an die Stellung des Papstes und der Bischöfe neben dem Kaiser und den Fürsten erinnert. Jeder Kreis steht unter einem Obermagier (Magupat, Magierherr, neupersisch Mobedh) und diese alle wie der unter dem Obersten der Obermagier (Mobedhan-Mobedh), dem Abbild des ›Königs der Könige‹, und er ist es jetzt, der den König krönt. Die Folgen dieser Priesterherrschaft blieben nicht aus: das starre Ritual, die beengenden Vorschriften über Schuld und Sühne, die in wüstes Orakelwesen und Zauberkunst sich auflösende Wissenschaft [415] haften zwar dem Parsenthum von jeher an, sind aber doch vermuthlich erst in dieser Epoche zu voller Entwickelung gelangt.
Auch in dem Gebrauch der Landessprache und den Landesgebräuchen zeigen sich die Spuren der nationalen Reaction. Die größte Griechenstadt des Partherreiches, die alte Seleukeia, blieb bestehen, aber sie heißt seitdem nicht nach dem Namen des griechischen Marschalls, sondern nach dem ihres neuen Herrn Beh, das heißt gut, Ardaschir. Die griechische Sprache, bisher, wenn auch zerrüttet und nicht mehr alleinherrschend, doch immer noch in Gebrauch, verschwindet mit dem Eintritt der neuen Dynastie mit einem Schlag von den Münzen, und nur auf den Inschriften der ersten Sassaniden begegnet sie noch neben und hinter der eigentlichen Landessprache. Die ›Partherschrift‹, das Pahlavî, behauptet sich, aber neben sie tritt eine zweite wenig verschiedene und zwar, wie die Münzen beweisen, als eigentlich officielle, wahrscheinlich die bis dahin in der persischen Provinz gebrauchte, so daß die ältesten Denkmäler der Sassaniden, ähnlich wie die der Achämeniden, dreisprachig sind, etwa wie im deutschen Mittelalter lateinisch, sächsisch und fränkisch neben einander Anwendung gefunden haben. Nach König Sapor I († 272) verschwindet die Zwiesprachigkeit und behauptet die zweite Schreibweise allein den Platz, den Namen Pahlavî erbend. Das Jahr der Seleukiden und die dazu gehörigen Monatsnamen verschwinden mit dem Wechsel der Dynastie; dafür treten nach altem persischen Herkommen die Regentenjahre ein und die einheimischen persischen Monatsnamen332. Selbst die altpersische Legende wird auf das neue Persien übertragen. Die noch vorhandene ›Geschichte von Ardaschir Papaks Sohn‹, welche diesen Sohn eines persischen Hirten an den medischen Hof gerathen, dort Knechtsdienste thun und dann den Befreier seines Volkes werden läßt, ist nichts als das alte Märchen vom Kyros auf die neuen Namen umgeschrieben. Ein anderes Fabelbuch der indischen Parsen weiß zu berichten, wie König Iskander Rumi, das heißt ›Alexander der Römer‹, die heiligen Bücher Zarathustras habe verbrennen lassen, dann aber sie hergestellt worden seien von dem frommen Ardaviraf, als König Ardaschir den Thron bestiegen habe. [416] Hier steht der Römer-Hellene gegen den Perser; den arsakidischen Bastard hat die Sage, wie billig, vergessen.
Im Uebrigen werden die Zustände wesentlich die alten geblieben sein. In militärischer Beziehung namentlich sind die Heere auch der Sassaniden sicher keine stehenden und geschulten Truppen gewesen, sondern das Aufgebot der wehrfähigen Mannschaften, in das mit der nationalen Bewegung wohl ein neuer Geist gefahren sein mag, aber das nach wie vor im Wesentlichen auf dem adlichen Roßdienst ruhte. Auch die Verwaltung blieb wie sie war: der tüchtige Herrscher schritt mit unerbittlicher Strenge ein gegen den Straßenräuber wie gegen den erpressenden Beamten und, verglichen wenigstens mit der späteren arabischen und der türkischen Herrschaft, befanden sich die Unterthanen des Sassanidenreiches im Wohlstand und der Staatsschatz in Fülle.
Bedeutsam aber ist die Verschiebung der Stellung des neuen Reiches gegenüber dem römischen. Die Arsakiden haben den Caesaren sich nie völlig ebenbürtig gefühlt. Wie oft auch beide Staaten in Krieg und Frieden als gleichgewogene Mächte sich einander entgegentraten, wie entschieden die Anschauung der doppelten Großmacht auch den römischen Orient beherrscht (S. 339), es bleibt der römischen Macht ein ähnlicher Vorrang, wie ihn das heilige römische Reich deutscher Nation lange Jahrhunderte sehr zu seinem Schaden besessen hat. Unterwerfungsacte, wie sie gegenüber Tiberius (S. 378) und Nero (S. 385) die parthischen Großkönige auf sich nahmen, ohne durch die äußerste Nothwendigkeit dazu gezwungen zu sein, lassen sich umgekehrt nicht einmal denken. Deutlicher noch spricht die Unterlassung der Goldprägung. Es kann nicht Zufall sein, daß nie unter dem Regiment der Arsakiden eine Goldmünze geschlagen worden ist und gleich der erste Sassanidenherrscher die Goldprägung geübt hat; es ist dieselbe das greifbarste Zeichen der durch keine Vasallenpflichten beschränkten Souveränetät. Dem Anspruch des Caesarenreiches allein die Weltmünze schlagen zu können, hatten die Arsakiden ohne Ausnahme sich wenigstens insoweit gefügt, daß sie selber überhaupt sich der Prägung enthielten und diese in Silber und Kupfer den Städten oder den Satrapen überließen; die Sassaniden schlugen wieder Goldstücke, auch wie König Dareios. Das Großkönigthum des Ostens fordert endlich sein volles Recht; die Welt gehört nicht ferner den Römern allein. Mit der Unterwürfigkeit der Orientalen und der Oberherrlichkeit der Occidentalen ist es vorbei. Dem entsprechend tritt an die Stelle der bis dahin immer wieder zum Frieden [417] zurückwendenden Beziehungen zwischen Römern und Parthern durch Generationen die erbitterte Fehde.
Nachdem die neue Staatsordnung dargestellt worden ist, mit der das sinkende Rom bald zu ringen haben sollte, nehmen wir den Faden der Erzählung wieder auf. Severus Sohn und Nachfolger Antoninus, kein Krieger und Staatsmann wie sein Vater, aber von beidem eine wüste Caricatur, muß die Absicht gehabt haben, so weit bei solchen Persönlichkeiten überhaupt von Absicht geredet werden kann, den Osten ganz in römische Gewalt zu bringen. Es hielt nicht schwer die Fürsten von Osrhoene und von Armenien, nachdem sie an den kaiserlichen Hof entboten worden waren, gefangen zu setzen und diese Lehen für eingezogen zu erklären. Aber schon auf die Kunde hin brach in Armenien ein Aufstand aus. Der Arsakidenprinz Tiridates wurde zum König ausgerufen und rief den Schutz der Parther an. Darauf stellte sich Antoninus an die Spitze einer großen Truppenmacht und erschien im J. 216 im Osten, um die Armenier und nöthigenfalls auch die Parther niederzuwerfen. Tiridates selbst gab sogleich seine Sache verloren, obwohl die nach Armenien gesandte Abtheilung dort nachher noch auf heftige Gegenwehr stieß, und flüchtete zu den Parthern. Die Römer forderten die Auslieferung. Die Parther waren nicht geneigt sich seinetwegen auf einen Krieg einzulassen, um so weniger als eben damals die beiden Söhne des Königs Vologasos V., Vologasos VI. und Artabanos, in erbitterter Thronfehde lagen. Der erstere fügte sich, als die römische Forderung gebieterisch wiederholt ward und lieferte den Tiridates aus. Darauf begehrte der Kaiser von dem inzwischen zur Anerkennung gelangten Artabanos die Hand seiner Tochter, zu dem ausgesprochenen Zwecke damit das Reich zu erheirathen und Orient und Occident unter eine Herrschaft zu bringen. Die Zurückweisung dieses wüsten Vorschlags333 war das Signal zum Krieg; die Römer erklärten ihn und überschritten den Tigris. Die Parther waren unvorbereitet; ohne Widerstand zu finden brannten die Römer die Städte und Dörfer in Adiabene nieder und zerstörten mit ruchloser Hand sogar die alten Königsgräber bei Arbela334. Aber für den nächsten Feldzug machte [418] Artabanos die äußersten Anstrengungen und stellte im Frühjahr 217 eine gewaltige Heeresmacht in das Feld. Antoninus, der den Winter in Edessa zugebracht hatte, wurde eben als er zu dieser zweiten Campagne aufbrach, von seinen Offizieren ermordet. Sein Nachfolger Macrinus, unbefestigt im Regiment und wenig angesehen, dazu an der Spitze einer der Zucht und Haltung entbehrenden und durch den Kaisermord erschütterten Armee, hätte gern des muthwillig angezettelten und sehr ernsthafte Verhältnisse annehmenden Krieges sich entledigt. Er schickte dem Partherkönig die Gefangenen zurück und warf die Schuld für die begangenen Frevel auf den Vorgänger. Aber Artabanos war damit nicht zufrieden; er forderte Ersatz für alle begangene Verwüstung und die Räumung Mesopotamiens. So kam es bei Nisibis zur Schlacht, in der die Römer den Kürzeren zogen. Dennoch gewährten, die Parther, zum Theil weil ihr Aufgebot sich aufzulösen Miene machte, vielleicht auch unter dem Einfluß des römischen Goldes, den Frieden (218) auf verhältnißmäßig günstige Bedingungen: Rom zahlte eine ansehnliche Kriegsentschädigung (50 Mill. Denare), behielt aber Mesopotamien; Armenien blieb dem Tiridates, aber dieser nahm es von den Römern zum Lehen. Auch in Osrhoene wurde das alte Fürstenhaus wieder eingesetzt.
Es ist dies der letzte Friedensvertrag, den die Arsakidendynastie mit Rom geschlossen hat. Fast unmittelbar nachher und vielleicht mit in Folge dieses Pacts, der allerdings, wie die Verhältnisse lagen, von den Orientalen als eine Preisgebung der erfochtenen Siege durch die eigene Regierung angesehen werden konnte, begann die Insurrection, welche den Staat der Parther in einen Staat der Perser umwandelte. Ihr Führer König Ardaschir oder Artaxares (J. 224-241), stritt manches Jahr mit den Anhängern der alten Dynastie, bevor er vollen Erfolg hatte335; nach drei großen Schlachten, in deren letzter König Artabanos [419] fiel, war er im eigentlichen Partherreich Herr und konnte in die mesopotamische Wüste einrücken, um die Araber von Hatra zu unterwerfen und von da aus gegen das römische Mesopotamien vorzugehen. Aber die tapferen und unabhängigen Araber wehrten sich, wie früher gegen die römische Invasion, so jetzt gegen die Perser in ihren gewaltigen Mauern mit gutem Erfolg und Artaxares fand sich veranlaßt zunächst gegen Medien und Armenien zu operiren, wo die Arsakiden sich noch behaupteten und auch die Söhne des Artabanos eine Zuflucht gefunden hatten. Erst um das J. 230 wandte er sich gegen die Römer und erklärte ihnen nicht bloß den Krieg, sondern forderte alle Provinzen zurück, die einst zum Reich seiner Vorgänger, des Dareios und des Xerxes gehört hatten, das heißt die Abtretung von ganz Asien. Den drohenden Worten Nachdruck zu geben führte er ein gewaltiges Heer über den Euphrat; Mesopotamien wurde besetzt und Nisibis belagert; die feindlichen Reiter zeigten sich in Kappadokien und in Syrien. Den römischen Thron nahm damals Severus Alexander ein, ein Herrscher, an dem nichts kriegerisch war als der Name und für den in der That die Mutter Mamaea das Regiment führte. Dringende, fast demüthige Friedensvorschläge der römischen Regierung blieben ohne Wirkung; es blieb nichts übrig als der Gebrauch der Waffen. Die aus dem ganzen Reiche zusammengezogenen römischen Heeresmassen wurden getheilt: der linke Flügel nahm die Richtung auf Armenien und Medien, der rechte auf Mesene an der Euphrat- und Tigrismündung, vielleicht in der Berechnung dort wie hier auf den Anhang der Arsakiden sich stützen zu können; die Hauptarmee ging gegen Mesopotamien vor. Die Truppen waren zahlreich genug, aber ohne Zucht und Haltung; ein hochgestellter römischer Offizier dieser Zeit bezeugt es selbst, daß sie verwöhnt und unbotmäßig waren, sich weigerten zu kämpfen, ihre Offiziere erschlugen und haufenweise desertirten. Die Hauptmacht kam gar nicht über den Euphrat336, da die Mutter dem Kaiser vorstellte, daß es nicht seine Sache sei sich für seine Unterthanen, sondern dieser sich für ihn zu schlagen. Der rechte Flügel, im Flachland von der persischen Hauptmacht angegriffen und von dem Kaiser in Stich gelassen, wurde aufgerieben. Als darauf der Kaiser dem nach Medien vorgedrungenen [420] Flügel Befehl ertheilte sich zurückzuziehen, litt auch dieser stark bei dem winterlichen Rückmarsch durch Armenien. Wenn es bei diesem üblen Rückzug der großen orientalischen Armee nach Antiocheia blieb und zu keiner vollständigen Katastrophe kam, sogar Mesopotamien in römischer Gewalt blieb, so scheint das nicht das Verdienst der römischen Truppen oder ihrer Führer zu sein, sondern darauf zu beruhen, daß das persische Aufgebot des Kampfes müde ward und nach Hause ging337. Aber sie gingen nicht auf lange, um so mehr als bald darauf nach der Ermordung des letzten Sprossen der severischen Dynastie die einzelnen Heerführer und die Regierung in Rom um die Besetzung des römischen Thrones zu schlagen begannen und somit darin einig waren die Geschäfte der auswärtigen Feinde zu besorgen. Unter Maximinus (235-238) gerieth das römische Mesopotamien in Ardaschirs Gewalt, und schickten die Perser abermals sich an den Euphrat zu überschreiten338. Nachdem die inneren Wirren einiger maßen sich beruhigt hatten und Gordian III., fast noch ein Knabe, unter dem Schutz des Commandanten von Rom und bald seines Schwiegervaters Furius Timesitheus unbestritten im ganzen Reiche gebot, wurde in feierlicher Weise den Persern der Krieg erklärt und im J. 242 rückte eine große römische Armee unter persönlicher Führung des Kaisers oder vielmehr seines Schwiegervaters in Mesopotamien ein. Sie hatte vollständigen Erfolg; Karrhae wurde wieder gewonnen, bei Resaina zwischen Karrhae und Nisibis das Heer des Perserkönigs [421] Schahpuhr oder Sapor (reg. 241-272), welcher kurz vorher seinem Vater Ardaschir gefolgt war, auf das Haupt geschlagen, in Folge dieses Sieges auch Nisibis besetzt. Ganz Mesopotamien war zurückerobert; es wurde beschlossen zum Euphrat zurück und von da stromabwärts gegen die feindliche Hauptstadt Ktesiphon zu marschiren. Unglücklicher Weise starb Timesitheus und sein Nachfolger, Marcus Julius Philippus, ein geborener Araber aus der Trachonitis, benutzte die Gelegenheit den jungen Herrscher zu beseitigen. Als das Heer den schwierigen Marsch durch das Thal des Chaboras nach dem Euphrat zurückgelegt hatte, fanden, angeblich in Folge der von Philippus getroffenen Anordnungen, die Soldaten in Kirkesion am Einfluß des Chaboras in den Euphrat die erwarteten Lebensmittel und Vorräthe nicht vor und legten dies dem Kaiser zur Last. Nichts desto weniger wurde der Marsch in der Richtung auf Ktesiphon angetreten; aber schon auf der ersten Station bei Zaitha (etwas unterhalb Mejadîn) erschlugen eine Anzahl aufständischer Gardisten den Kaiser (Frühling oder Sommer 244) und riefen ihren Commandanten Philippus an seiner Stelle zum Augustus aus. Der neue Herrscherthat, was der Soldat oder wenigstens der Gardist begehrte, und gab nicht bloß die beabsichtigte Expedition gegen Ktesiphon auf, sondern führte auch die Truppen sogleich nach Italien zurück. Die Erlaubniß dazu erkaufte er sich von dem überwundenen Feind durch die Abtretung von Mesopotamien und Armenien, also der Euphratgrenze. Indeß erregte dieser Friedensschluß eine solche Erbitterung, daß der Kaiser es nicht wagte denselben zur Ausführung zu bringen und in den abgetretenen Provinzen die Besatzungen stehen ließ339. Daß die Perser sich dies wenigstens vorläufig gefallen ließen, giebt das Maß dessen, was sie damals vermochten. Nicht die Orientalen, sondern die Gothen, die fünfzehn Jahre hindurch wüthende Pest und die Zwietracht der mit einander um die Krone hadernden Corpsführer brachen die letzte Kraft des Reiches.
Es wird hier, wo der römische Orient im Ringen mit dem persischen auf sich selber angewiesen ist, am Platz sein eines merkwürdigen Staates zu gedenken, der durch und für den Wüstenhandel geschaffen [422] jetzt für kurze Zeit in der politischen Geschichte eine führende Rolle übernimmt. Die Oase Palmyra, in der einheimischen Sprache Thadmor, liegt auf halbem Wege zwischen Damaskos und dem Euphrat. Von Bedeutung ist sie lediglich als Zwischenstation zwischen dem Euphratgebiet und dem Mittelmeer, und hat auch diese Bedeutung erst spät gewonnen und früh wieder verloren, so daß Palmyras Blüthezeit ungefähr mit derjenigen Periode zusammenfällt, die wir hier schildern. Ueber das Emporkommen der Stadt fehlt es an jeder Ueberlieferung340. Erwähnt wird sie zuerst bei Gelegenheit des Aufenthaltes des Antonius in Syrien im J. 713 [41], wo dieser einen vergeblichen Versuch machte sich ihrer Reichthümer zu bemächtigen; auch die dort gefundenen Denkmäler – die älteste datirte palmyrenische Inschrift ist vom J. 745 – [9] reichen schwerlich viel weiter zurück. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß ihr Aufblühen mit der Festsetzung der Römer im syrischen Küstenland zusammenhängt. So lange die Nabataeer und die Städte der Osrhoene nicht unmittelbar römisch waren, hatten die Römer ein Interesse daran eine andere directe Verbindung mit dem Euphrat herzustellen, und diese führte dann nothwendig über Palmyra. Eine römische Gründung ist Palmyra nicht; als Veranlassung für jenen Raubzug nahm Antonius die Neutralität der zwischen den beiden Großstaaten den Verkehr vermittelnden Kaufleute, und die römischen Reiter kehrten unverrichteter Sache um vor der Schützenkette, die die Palmyrener dem Angriff entgegenstellten. Aber schon in der ersten Kaiserzeit muß die Stadt zum Reiche gerechnet worden sein, da die für Syrien ergangenen Steuerverordnungen des Germanicus und des Corbulo auch für Palmyra zur Anwendung kamen; in einer Inschrift vom J. 80 begegnet eine claudische Phyle daselbst; seit Hadrian nennt sich die Stadt Hadriana Palmyra und im dritten Jahrhundert bezeichnet sie sich sogar als Colonie.
Indeß war die Reichsunterthänigkeit der Palmyrener anderer Art als die gewöhnliche und einigermaßen dem Clientelverhältniß der abhängigen Königreiche ähnlich. Noch in Vespasians Zeit heißt Palmyra ein Zwischengebiet zwischen den beiden Großmächten, und wurde bei [423] jedem Zusammenstoß der Römer und der Parther gefragt, welche Politik die Palmyrener einhalten würden. Den Schlüssel für die Sonderstellung müssen wir in den Grenzverhältnissen und den für den Grenzschutz getroffenen Ordnungen suchen. Die syrischen Truppen, so weit sie am Euphrat selbst standen, haben ihre Hauptstellung bei Zeugma, Biredjik gegenüber an der großen Euphratpassage gehabt. Weiter stromabwärts schiebt sich zwischen das unmittelbar römische und das parthische Gebiet das von Palmyra, das bis zum Euphrat reicht und die nächste bedeutende Uebergangsstelle bei Sura gegenüber der mesopotamischen Stadt Nikephorion (später Kallinikon, heute er-Rakka) einschließt. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß die Hut dieser wichtigen Grenzfestung so wie die Sicherung der Wüstenstraße zwischen dem Euphrat und Palmyra, auch wohl eines Theils der Straße von Palmyra nach Damaskos der Gemeinde Palmyra überlassen ward und daß sie also berechtigt und verpflichtet war die für diese nicht geringe Aufgabe erforderlichen militärischen Einrichtungen zu treffen341. Späterhin sind wohl die Reichstruppen näher [424] an Palmyra herangezogen und ist eine der syrischen Legionen nach Danava zwischen Palmyra und Damaskos, die arabische nach Bostra gelegt worden; seit Severus Mesopotamien mit dem Reich vereinigt hatte, waren sogar hier beide Ufer des Euphrat in römischer Gewalt und endigte das römische Gebiet am Euphrat nicht mehr bei Sura, sondern bei Kirkesion an der Mündung des Chaboras in den Euphrat oberhalb Mejâdîn. Auch wurde damals Mesopotamien stark mit Reichstruppen belegt. Aber die mesopotamischen Legionen standen an der großen Straße im Norden bei Resaina und Nisibis, und auch die syrischen und die arabischen Truppen machten die Mitwirkung der palmyrenischen nicht entbehrlich. Es mag sogar die Hut von Kirkesion und dieses Theils des Euphratufers eben den Palmyrenern anvertraut worden sein. Erst nach dem Untergang Palmyras und vielleicht in Ersatz desselben ist Kirkesion342 von Diocletian zu der starken Festung gemacht worden, die seitdem hier der Stützpunct der Grenzvertheidigung gewesen ist.
Die Spuren dieser Sonderstellung Palmyras sind auch in den Institutionen nachweisbar. Das Fehlen des Kaisernamens auf den palmyrenischen Münzen ist wohl nicht aus ihr zu erklären, sondern daraus, daß die Gemeinde fast nur kleine Scheidemünze ausgegeben hat. Deutlich aber spricht die Behandlung der Sprache. Von der sonst bei den Römern fast ausnahmslos befolgten Regel in dem unmittelbaren Gebiet nur den Gebrauch der beiden Reichssprachen zu gestatten, ist Palmyra ausgenommen. Hier hat diejenige Sprache, welche [425] im übrigen Syrien und nicht minder seit dem Exil in Judaea die gewöhnliche im privaten Verkehr, aber auf diesen beschränkt war, sich im öffentlichen Gebrauch behauptet, so lange die Stadt überhaupt bestanden hat. Wesentliche Verschiedenheiten des palmyrenischen Syrisch von dem der übrigen oben genannten Gegenden lassen sich nicht nach weisen; die nicht selten arabisch oder jüdisch, auch persisch geformten Eigennamen zeigen die starke Völkermischung, und zahlreiche griechisch-römische Lehnwörter die Einwirkung der Occidentalen. Es wird späterhin Regel dem syrischen Text einen griechischen beizufügen, welcher in einem Beschluß des palmyrenischen Gemeinderaths vom J. 137 dem palmyrenischen nach, später gewöhnlich voransteht; aber bloß griechische Inschriften eingeborener Palmyrener sind seltene Ausnahmen. Sogar in Weihinschriften, welche Palmyrener ihren heimischen Gottheiten in Rom gesetzt haben343, und in Grabschriften der in Africa oder Britannien verstorbenen palmyrenischen Soldaten ist die palmyrenische Fassung zugefügt. Ebenso wurde in Palmyra zwar das römische Jahr wie im übrigen Reiche der Datirung zu Grunde gelegt, aber die Monatnamen sind nicht die im römischen Syrien officiell recipirten makedonischen, sondern diejenigen, welche in demselben wenigstens bei den Juden im gemeinen Verkehr galten und außerdem bei den unter assyrischer und später persischer Herrschaft lebenden aramäischen Stämmen in Gebrauch waren344. [426] Die municipale Ordnung ist im Wesentlichen nach dem Muster der griechischen des Römerreichs gestaltet; die Bezeichnungen für Beamte und Rath345 und selbst diejenige der Colonie werden in den palmyrenischen Texten meistentheils aus den Reichssprachen beibehalten. Aber auch in der Verwaltung behielt der District eine größere Selbständigkeit, als sie sonst den Stadtgemeinden zukommt. Neben den städtischen Beamten finden wir wenigstens im dritten Jahrhundert die Stadt Palmyra mit ihrem Gebiet unter einem besonderen ›Hauptmann‹ senatorischen Ranges und römischer Bestellung, aber gewählt aus dem angesehensten Geschlecht des Ortes; Septimios Hairanes des Odaenathos Sohn ist der Sache nach ein Fürst der Palmyrener346, der von dem Legaten von Syrien wohl nicht anders abhängig war als die Clientelfürsten von den benachbarten Reichstatthaltern überhaupt. Wenige Jahre später begegnen wir seinem Sohn347 Septimios Odaenathos in der gleichen, ja im Rang noch gesteigerten erbfürstlichen Stellung348. – Nicht minder bildete Palmyra einen abgeschlossenen[427] Zollbezirk, in welchem die Zölle nicht von Staats-, sondern von Gemeindewegen verpachtet wurden349.
Die Bedeutung Palmyras ruht auf dem Karawanenverkehr. Die Häupter der Karawanen (συνοδιάρχαι), welche von Palmyra nach den großen Entrepots am Euphrat gingen, nach Vologasias, der schon erwähnten parthischen Gründung unweit der Stätte des alten Babylon, und nach Forath oder Charax Spasinu, Zwillingsstädten an der Mündung nahe am persischen Meerbusen, erscheinen in den Inschriften als die angesehensten Stadtbürger350, und bekleiden nicht bloß die [428] Aemter ihrer Heimath, sondern zum Theil Reichsämter, auch die Großhändler (ἀρχέμποροι) und die Zunft der Gold- und Silberarbeiter zeugen von der Bedeutung der Stadt für den Handel und die Fabrication, nicht minder für ihren Wohlstand die noch heute stehenden Tempel der Stadt und die langen Säulenreihen der städtischen Hallen so wie die massenhaften reich verzierten Grabmäler. Dem Feldbau ist das Klima wenig günstig – der Ort liegt nahe an der Nordgrenze der Dattelpalme und führt nicht von dieser seinen griechischen Namen; aber es finden sich in der Umgegend die Reste großer unterirdischer Wasserleitungen und ungeheurer künstlich aus Quadern angelegter Wasserreservoirs, mit deren Hülfe der jetzt aller Vegetation baare Boden einst eine reiche Cultur künstlich entwickelt haben muß. Dieser Reichthum und diese auch in der Römerherrschaft nicht ganz beseitigte nationale Eigenart und administrative Selbständigkeit erklären einigermaßen Palmyras Rolle um die Mitte des dritten Jahrhunderts in der großen Krise, zu deren Darlegung wir jetzt uns zurückwenden.
Nachdem Kaiser Decius im J. 251 gegen die Gothen in Europa gefallen war, überließ die Regierung des Reiches, wenn es überhaupt damals ein Reich und eine Regierung noch gab, den Osten völlig seinem Schicksal. Während die Piraten vom schwarzen Meer her weit und breit die Küsten und selbst das Binnenland verheerten, ging auch der Perserkönig Sapor wieder angriffsweise vor. Wenn sein Vater sich damit begnügt hatte sich den Herrn von Iran zu nennen, so hat er zuerst wie nach ihm die folgenden Herrscher sich bezeichnet als den Großkönig von Iran und Nicht-Iran (S. 414 A. 2), und damit gleichsam das Programm seiner [429] Eroberungspolitik hingestellt. Im J. 252 oder 253 besetzte er Armenien, oder es unterwarf sich ihm freiwillig, ohne Zweifel mit ergriffen von jenem Aufflammen des alten Perserglaubens und Perserwesens; der rechtmäßige König Tiridates suchte Zuflucht bei den Römern, die übrigen Glieder des königlichen Hauses stellten sich unter die Fahnen des Persers351. Nachdem also Armenien persisch geworden war, überschwemmten die Schaaren der Orientalen Mesopotamien, Syrien und Kappadokien; sie verwüsteten weit und breit das platte Land, aber die Bewohner der größeren Städte wiesen den Angriff der auf Belagerung wenig eingerichteten Feinde ab, voran die tapferen Edessener. Im Occident war inzwischen wenigstens eine anerkannte Regierung hergestellt worden. Der Kaiser Publius Licinius Valerianus, ein rechtschaffener und wohlgesinnter Herrscher, aber kein entschlossener und schwierigen Verhältnissen gewachsener Charakter, erschien endlich im Osten und begab sich nach Antiocheia. Von da aus ging er nach Kappadokien, das die persischen Streifschaaren räumten. Aber die Pest decimirte sein Heer und er zögerte lange den entscheidenden Kampf in Mesopotamien aufzunehmen. Endlich entschloß er sich dem schwer bedrängten Edessa Hülfe zu bringen und überschritt mit seinen Schaaren den Euphrat. Hier unweit Edessa trat die Katastrophe ein, welche für den römischen Orient ungefähr das zu bedeuten hat, was für den Occident der Sieg der Gothen an der Donaumündung und der Fall des Decius: die Gefangennahme des Kaisers Valerianus durch die Perser (Ende 259 oder Anfang 260)352. Ueber die näheren Umstände gehen die Berichte auseinander. Nach der einen Version wurde er, als er mit einer schwachen Schaar versuchte nach Edessa zu gelangen, von den weit überlegenen Persern umzingelt und gefangen. Nach einer andern gelangte er, wenn auch geschlagen, in die belagerte Stadt, fürchtete [430] aber, da er keine ausreichende Hülfe brachte und die Lebensmittel nur um so rascher zu Ende gingen, den Ausbruch einer Militärinsurrection und lieferte sich darum freiwillig dem Feind in die Hände. Nach einer dritten knüpfte er, aufs Aeußerste bedrängt, Verhandlungen wegen der Uebergabe Edessas mit Sapor an; da der Perserkönig es ablehnte mit Gesandten zu verhandeln, erschien er persönlich im feindlichen Lager und ward wortbrüchiger Weise zum Gefangenen gemacht.
Welche immer von diesen Erzählungen der Wahrheit am nächsten kommen mag, der Kaiser ist in feindlicher Gefangenschaft gestorben353, und die Folge dieser Katastrophe war der Verlust des Orients an die Perser. Vor allem Antiocheia, die größte und reichste Stadt des Ostens, gerieth zum ersten Mal, seit sie römisch war, in die Gewalt des Landesfeindes, und zum guten Theil durch die Schuld der eigenen Bürger. Ein vornehmer Antiochener Mareades, den wegen unterschlagener öffentlicher Gelder der Rath ausgestoßen hatte, führte die persische Armee nach seiner Vaterstadt; mag es auch Fabel sein, daß die Bürgerschaft im Theater selbst von den anrückenden Feinden überrascht ward, daran ist kein Zweifel, daß sie nicht bloß keinen Widerstand leistete, sondern ein großer Theil der niederen Bevölkerung, theils mit Rücksicht auf Mareades, theils in der Hoffnung auf Anarchie und Raub das Eindringen der Perser gern sah. So wurde die Stadt mit allen ihren Schätzen die Beute des Feindes, und entsetzlich in derselben gehaust, freilich auch Mareades, wir wissen nicht warum, von König Sapor zum Feuertode verurtheilt354. Das gleiche Schicksal erlitten außer zahllosen kleineren Ortschaften die Hauptstädte von Kilikien und Kappadokien, Tarsos und Caesarea, letztere angeblich eine Stadt von 400000 Einwohnern. Die endlosen Züge der Gefangenen, die wie das Vieh einmal am Tage zur Tränke geführt wurden, bedeckten die Wüstenstraßen [431] des Ostens. Auf der Heimkehr sollen die Perser, um eine Schlucht rascher zu überschreiten, sie mit den Leibern der mitgeführten Gefangenen ausgefüllt haben. Glaublicher ist es, daß der große ›Kaiserdamm‹ (Bend-i-Kaiser) bei Sostra (Schuschter) in Susiana, durch welchen noch heute das Wasser des Pasitigris den höher gelegenen Gegenden zugeführt wird, von diesen Gefangenen gebaut ward; wie ja auch Kaiser Neros Architekten die Hauptstadt von Armenien bauen geholfen und überhaupt auf diesem Gebiet die Occidentalen stets ihre Ueberlegenheit behauptet haben. Auf eine Gegenwehr des Reiches stießen die Perser nirgends; aber Edessa hielt sich noch immer und auch Caesarea hatte sich tapfer vertheidigt und war nur durch Verrath gefallen. Die örtliche Gegenwehr ging allmählich hinaus über die Abwehr hinter den städtischen Wällen, und die durch die weite Ausdehnung des eroberten Gebiets herbeigeführte Auflösung der persischen Haufen war dem kühnen Parteigänger günstig. Einem selbstbestellten römischen Führer Kallistos355 gelang ein glücklicher Handstreich: mit den Schiffen, die er in den kilikischen Häfen zusammengebracht hatte, fuhr er nach Pompeiupolis, das die Perser eben belagerten, während sie gleichzeitig Lykaonien brandschatzten, erschlug mehrere Tausend Mann und bemächtigte sich des königlichen Harems. Dies bestimmte den König unter dem Vorwand einer nicht aufzuschiebenden Festfeier sofort nach Hause zu gehen, in solcher Eile, daß er, um nicht aufgehalten zu werden, von den Edessenern freien Durchzug durch ihr Gebiet gegen alles von ihm erbeutete römische Goldgeld erkaufte. Den von Antiocheia heimkehrenden Schaaren brachte der Fürst von Palmyra Odaenathos, bevor sie den Euphrat überschritten, empfindliche Verluste bei. Aber kaum war die dringendste Persergefahr beseitigt, als unter den sich selbst überlassenen Heerführern des Ostens zwei der namhaftesten, der die Kasse und das Depot der Armee in Samosata verwaltende Offizier Fulvius Macrianus356 und der oben genannte Kallistos dem Sohne und Mitregenten [432] und jetzt alleinigen Herrscher Gallienus, für den freilich der Osten und die Perser nicht da waren, den Gehorsam aufkündigten und, selbst die Annahme des Purpurs verweigernd, die beiden Söhne des ersteren Fulvius Macrianus und Fulvius Quietus zu Kaisern ausriefen (261). Dies Auftreten der beiden angesehenen Feldherren bewirkte, daß in Aegypten und im ganzen Osten, mit Ausnahme von Palmyra, dessen Fürst für Gallienus eintrat, die beiden jungen Kaiser zur Anerkennung gelangten. Der eine von ihnen, Macrianus, ging mit seinem Vater nach dem Westen ab, um auch hier dies neue Regiment einzusetzen. Aber bald wandte sich das Glück: in Illyricum verlor Macrianus, nicht gegen Gallienus, sondern gegen einen anderen Prätendenten Schlacht und Leben. Gegen den in Syrien zurückgebliebenen Bruder wandte sich Odaenathos; bei Hemesa, wo die Heere aufeinander trafen, antworteten die Soldaten des Quietus auf die Aufforderung sich zu ergeben, daß sie alles eher über sich ergehen lassen würden, als einem Barbaren sich in die Hände zu liefern. Nichtsdestoweniger verrieth der Feldherr des Quietus Kallistos seinen Herrn an den Palmyrener357 und also endete auch dessen kurzes Regiment.
Damit tritt Palmyra im Orient an den ersten Platz. Gallienus, durch die Barbaren des Westens und die überall dort ausbrechenden Militärinsurrectionen mehr als ausreichend beschäftigt, gab dem Fürsten von Palmyra, der in der eben erzählten Krise allein ihm die Treue bewahrt hatte, eine beispiellose, indeß unter den obwaltenden Umständen wohl erklärliche Ausnahmestellung: er wurde als Erbfürst oder, wie er jetzt heißt, König von Palmyra zugleich zwar nicht Mitherrscher, aber selbständiger Statthalter des Kaisers für den Osten358. Die örtliche Verwaltung von Palmyra führte unter ihm ein anderer Palmyrener, zugleich [433] als kaiserlicher Procurator und als sein Stellvertreter359. Somit lag die gesammte Reichsgewalt, so weit sie überhaupt im Osten noch bestand, in der Hand des ›Barbaren‹, und so rasch wie glänzend stellte dieser mit seinen Palmyrenern, welche durch die Trümmer der römischen Heerkörper und das Aufgebot des Landes verstärkt wurden, die Herrschaft Roms wieder her. Asien und Syrien waren schon vom Feinde geräumt. Odaenathos ging über den Euphrat, machte endlich den tapferen Edessenern Luft und nahm den Persern die eroberten Städte Nisibis und Karrhae wieder ab (264). Wahrscheinlich ist auch [434] Armenien damals wieder unter römische Botmäßigkeit zurückgebracht worden360. Sodann ergriff er, zuerst wieder seit Gordianus, die Offensive gegen die Perser und marschirte auf Ktesiphon. In zwei verschiedenen Feldzügen wurde die Hauptstadt des persischen Reiches von ihm umstellt und die Umgegend verheert, mit den Persern unter den Mauern derselben glücklich gefochten361. Selbst die Gothen, deren Raubzüge bis in das Binnenland sich erstreckten, wichen zurück, als er nach Kappadokien aufbrach. Eine Machtentwickelung dieser Art war ein Segen für das bedrängte Reich und zugleich eine ernste Gefahr. Odaenathos beobachtete freilich gegen den römischen Oberherrn alle schuldigen Formen und sandte die gefangenen feindlichen Offiziere und die Beutestücke nach Rom an den Kaiser, der es nicht verschmähte darauf hin zu triumphiren; aber in der That war der Orient unter Odaenathos nicht viel weniger selbständig als der Westen unter Postumus, und es begreift, sich, daß die römischgesinnten Offiziere dem palmyrenischen Vicekaiser Opposition machten362, und einerseits [435] die Rede ist von Versuchen des Odaenathos sich den Persern anzuschließen, die nur an Sapors Uebermuth gescheitert sein sollen363, andererseits Odaenathos Ermordung in Hemesa im J. 266/7 auf Anstiften der römischen Regierung zurückgeführt ward364. Indeß der eigentliche Mörder war ein Brudersohn des Odaenathos und Beweise für die Betheiligung der Regierung liegen nicht vor. Auf jeden Fall änderte das Verbrechen in der Lage der Dinge nichts. Die Gattin des Verstorbenen, die Königin Bat Zabbai oder griechisch Zenobia, eine schöne und kluge Frau von männlicher Thatkraft365, nahm kraft des erblichen Fürstenrechts für ihren und Odaenathos noch im Knabenalter stehenden Sohn Vaballathos oder Athenodoros366 – der ältere, Herodes war mit dem Vater umgekommen – die Stellung des Verstorbenen in Anspruch und drang in der That damit sowohl in Rom wie im Orient durch; die Regierungsjahre des Sohnes werden gezählt vom Tode des Vaters. Für den nicht regierungsfähigen Sohn trat die [436] Mutter in Rath und That ein367 und sie beschränkte sich auch nicht darauf, den Besitzstand zu wahren, sondern ihr Muth oder ihr Uebermuth strebte nach der Herrschaft über das gesammte Reichsgebiet griechischer Zunge. In dem Commando über den Orient, welches dem Odaenathos übertragen und von ihm auf seinen Sohn vererbt war, mag wohl dem Rechte nach die Obergewalt über Kleinasien und Aegypten mit begriffen gewesen sein; aber thatsächlich hatte Odaenathos nur Syrien und Arabien und etwa noch Armenien, Kilikien, Kappadokien in der Gewalt gehabt. Jetzt forderte ein einflußreicher Aegypter Timagenes die Königin auf Aegypten zu besetzen; dem entsprechend entsandte sie ihren Oberfeldherrn Zabdas mit einem Heer, angeblich 70000 Mann, an den Nil. Das Land widersetzte sich energisch; aber die Palmyrener schlugen das ägyptische Aufgebot und bemächtigten sich Aegyptens. Ein römischer Admiral Probus versuchte sie wieder zu vertreiben und überwand sie auch, so daß sie nach Syrien aufbrachen; aber als er ihnen bei dem ägyptischen Babylon unweit Memphis den Weg zu verlegen suchte, wurde er durch die bessere Ortskunde des palmyrenischen Feldherrn Timagenes geschlagen und gab sich selber den Tod368. Als um die Mitte des J. 270 nach Kaiser Claudius Tode Aurelianus an seine Stelle trat, geboten [437] die Palmyrener über Alexandreia. Auch in Kleinasien machten sie Anstalt sich festzusetzen; ihre Besatzungen waren bis nach Ankyra in Galatien vorgeschoben und selbst in Kalchedon, Byzanz gegenüber hatten sie versucht die Herrschaft ihrer Königin zur Geltung zu bringen. Alles dies geschah, ohne daß die Palmyrener der römischen Regierung absagten, ja wahrscheinlich in der Weise, daß das von der römischen Regierung dem Fürsten von Palmyra übertragene Regiment des Ostens auf diese Weise verwirklicht ward und man die römischen Offiziere, die sich der Ausdehnung der palmyrenischen Herrschaft widersetzten, der Auflehnung gegen die kaiserlichen Anordnungen zieh; die in Alexandreia geschlagenen Münzen nennen Aurelianus und Vaballathos neben einander und geben nur dem ersteren den Augustustitel. Der Sache nach löste freilich hier der Osten sich vom Reiche ab und in Ausführung einer dem elenden Gallienus durch die Noth abgezwungenen Anordnung wurde dasselbe gehälftet.
Der kräftige und umsichtige Kaiser, dem jetzt die Herrschaft zugefallen war, brach sofort mit der palmyrenischen Nebenregierung, was dann zur Folge haben mußte und hatte, daß Vaballathos von den Seinen selber zum Kaiser ausgerufen ward. Aegypten wurde schon im Ausgang des J. 270 durch den tapferen Feldherrn Probus, den späteren Nachfolger Aurelians, nach harten Kämpfen wieder zum Reiche gebracht369. Freilich zahlte diesen Sieg die zweite Stadt des Reiches Alexandreia fast mit ihrer Existenz, wie dies in einem folgenden Abschnitt dargelegt werden soll. Schwieriger war die Bezwingung der entlegenen syrischen Oase. Alle anderen orientalischen Kriege der Kaiserzeit sind hauptsächlich von dort heimischen Reichstruppen geführt worden; hier, wo der Occident den abgefallenen Osten abermals zu unterwerfen [438] hatte, schlugen wieder einmal, wie in der Zeit der freien Republik, Occidentalen gegen Orientalen370, die Soldaten vom Rhein und der Donau mit denen der syrischen Wüste. Gegen den Ausgang des J. 271, wie es scheint, begann die gewaltige Expedition. Ohne auf Gegenwehr zu treffen, gelangte das römische Heer bis an die Grenze von Kappadokien; hier leistete die Stadt Tyana, die die kilikischen Pässe sperrte, ernstlichen Widerstand. Nachdem sie gefallen war und Aurelian durch milde Behandlung der Bewohner sich den Weg zu weiteren Erfolgen geebnet hatte, überschritt er den Taurus und gelangte durch Kilikien nach Syrien. Wenn Zenobia, wie nicht zu bezweifeln ist, auf thätige Unterstützung von Seiten des Perserkönigs gerechnet hatte, so fand sie sich getäuscht. Der hochbetagte König Schapur griff nicht in diesen Krieg ein und die Herrscherin des römischen Ostens blieb auf ihre eigenen Streitkräfte angewiesen, von denen vielleicht auch noch ein Theil auf die Seite des legitimen Augustus trat. In Antiocheia vertrat die palmyrenische Hauptmacht unter dem Feldherrn Zabdas dem Kaiser den Weg; auch Zenobia selbst war anwesend. Ein glückliches Gefecht gegen die überlegene palmyrenische Reiterei am Orontes lieferte Aurelian die Stadt in die Hände, welche nicht minder wie Tyana volle Verzeihung empfing – gerechter Weise erkannte er an, daß die Reichsunterthanen kaum eine Schuld traf, wenn sie dem von der römischen Regierung selbst zum Obercommandanten bestellten palmyrenischen Fürsten sich gefügt hatten. Die Palmyrener zogen ab, nachdem sie bei der Vorstadt von Antiocheia Daphne ein Rückzugsgefecht geliefert hatten und schlugen die große Straße ein, die von der Hauptstadt Syriens nach Hemesa und von da durch die Wüste nach Palmyra führt. Aurelianus forderte die Königin auf sich zu unterwerfen, hinweisend auf die namhaften in den Kämpfen am Orontes erlittenen Verluste. Es seien das ja nur Römer, antwortete die Königin; noch gaben die Orientalen sich nicht [439] überwunden. Bei Hemesa371 stellte sie sich zu der entscheidenden Schlacht. Sie war lang und blutig; die römische Reiterei unterlag und löste flüchtend sich auf; aber die Legionen entschieden und der Sieg blieb den Römern. Schwieriger als der Kampf war der Marsch. Die Entfernung von Hemesa nach Palmyra beträgt in gerader Richtung 18 deutsche Meilen, und wenn auch in jener Epoche der hochgesteigerten syrischen Civilisation die Gegend nicht in dem Grade wüst war wie heutzutage, so bleibt der Zug Aurelians dennoch eine bedeutende Leistung, zumal da die leichten Reiter des Feindes das römische Heer auf allen Seiten umschwärmten. Indeß Aurelian gelangte zum Ziel und begann die Belagerung der festen und wohl verproviantirten Stadt; schwieriger als diese selbst war die Herbeiführung der Lebensmittel für das belagernde Heer. Endlich sank der Fürstin der Muth und sie entwich aus der Stadt, um Hülfe bei den Persern zu suchen. Doch das Glück stand dem Kaiser weiter bei. Die nachsetzenden römischen Reiter nahmen sie mit ihrem Sohne gefangen, als sie eben am Euphrat angelangt das rettende Boot besteigen wollte, und die durch ihre Flucht entmuthigte Stadt capitulirte (272). Aurelianus gewährte auch hier, wie in diesem ganzen Feldzug, den unterworfenen Bürgerschaften volle Verzeihung. Aber über die Königin und ihre Beamten und Offiziere erging ein strenges Strafgericht. Zenobia verschmähte es nicht, nachdem sie mit männlicher Thatkraft Jahre lang die Herrschaft geführt hatte, jetzt die Frauenprivilegien anzurufen und die Verantwortung auf ihre Berather zu werfen, von denen nicht wenige, unter ihnen der gefeierte Gelehrte Cassius Longinus, unter dem Henkerbeil endigten. Sie selbst durfte in dem Triumphzug des Kaisers nicht fehlen, und sie ging nicht den Weg Kleopatras, sondern zog in goldenen Ketten zur Schau der römischen Menge vor dem Wagen des Siegers auf das römische Capitol. Aber bevor Aurelianus seinen Sieg feiern konnte, hatte er ihn zu wiederholen. Wenige Monate nach der Uebergabe erhoben sich die Palmyrener abermals, erschlugen die kleine [440] dort garnisonirende römische Besatzung und riefen einen gewissen Antiochos372 zum Herrscher aus, indem sie zugleich versuchten den Statthalter von Mesopotamien Marcellinus zur Auflehnung zu bestimmen. Die Kunde erreichte den Kaiser, als er eben den Hellespont überschritten hatte. Er kehrte sofort um und stand, früher als es Freund oder Feind geahnt hatte, abermals vor den Mauern der insurgirten Stadt. Die Empörer waren darauf nicht gefaßt gewesen; es gab diesmal keine Gegenwehr, aber auch keine Gnade. Palmyra wurde zerstört, das Gemeinwesen aufgelöst, die Mauern geschleift, die Prunkstücke des herrlichen Sonnentempels in den Tempel übertragen, den in Erinnerung an diesen Sieg der Kaiser dem Sonnengott des Ostens in Rom erbaute. Nur die verlassenen Hallen und Mauern blieben, wie sie zum Theil noch heute stehen. Das geschah im J. 273373. Die Blüthe Palmyras war eine künstliche, erzeugt durch die dem Handel gewiesenen Straßen und die großen dadurch bedingten öffentlichen Bauten. Jetzt zog die Regierung von der unglücklichen Stadt ihre Hand ab. Der Handel suchte und fand andere Bahnen; da Mesopotamien damals als römische Provinz betrachtet ward und bald auch wieder zum Reich kam, ebenfalls das Nabataeergebiet bis zu dem Hafen von Aelana in römischer Hand war, so konnte diese Zwischenstation entbehrt werden und mag der Verkehr sich dafür nach Bostra oder Beroea (Aleppo) gezogen haben. Dem kurzen meteorartigen Aufleuchten Palmyras und seiner Fürsten folgte unmittelbar [441] die Oede und Stille, die seither bis auf den heutigen Tag über dem kümmerlichen Wüstendorf und seinen Colonnadenruinen lagert. Das ephemere Reich von Palmyra ist in seinem Entstehen wie in seinem Fall eng mit den Beziehungen der Römer zu dem nicht römischen Osten verwachsen, aber nicht minder ein Stück der allgemeinen Reichsgeschichte. Denn wie das Westreich des Postumus, so ist das Ostreich der Zenobia eine jener Massen, in die damals das gewaltige Ganze sich schien auflösen zu sollen. Wenn während seines Bestehens seine Leiter dem Ansturm der Perser ernstlich Schranken zu setzen versuchten, ja ihre Machtentwickelung eben darauf beruhte, so hat es bei seinem Zusammenbrechen nicht bloß bei denselben Persern Rettung gesucht, sondern wahrscheinlich sind in Folge des Abfalls der Zenobia Armenien und Mesopotamien den Römern verloren gegangen und hat auch nach der Unterwerfung Palmyras der Euphrat wieder eine Zeitlang die Grenze gemacht. An ihm angelangt hoffte die Königin Aufnahme bei den Persern zu finden; und über ihn hinüber die Legionen zu führen unterließ Aurelianus, da Gallien nebst Britannien und Spanien damals noch der Regierung die Anerkennung verweigerten. Er und sein Nachfolger Probus kamen nicht dazu diesen Kampf aufzunehmen. Aber als im J. 282 nach dem vorzeitigen Ende des letzteren die Truppen den nächst höchsten Befehlshaber Marcus Aurelius Carus zum Kaiser ausriefen, war es das erste Wort des neuen Herrschers, daß die Perser dieser Wahl gedenken sollten, und er hat es gehalten. Sogleich rückte er mit dem Heere in Armenien ein und stellte dort die frühere Ordnung wieder her. An der Landesgrenze kamen ihm persische Gesandte entgegen, die sich bereit erklärten alles Billige zu gewähren374; aber sie wurden kaum angehört und der Marsch [442] ging unaufhaltsam weiter. Auch Mesopotamien wurde abermals römisch und die parthischen Residenzstädte Seleukeia und Ktesiphon einmal mehr von den Römern besetzt, ohne daß diese auf nachhaltigen Widerstand getroffen wären, wozu der damals im persischen Reiche wüthende Bruderkrieg des Seinige beitrug375. Der Kaiser war eben über den Tigris gegangen und im Begriff in das Herz des feindlichen Landes einzudringen, als er auf gewaltsame Weise, vermuthlich durch Mörderhand, den Tod und damit auch der Feldzug sein Ende fand. Sein Nachfolger aber erlangte im Frieden die Abtretung von Armenien und Mesopotamien376; obwohl Carus wenig über ein Jahr den Purpur trug, wurde die Reichsgrenze des Severus durch ihn wieder hergestellt.
Einige Jahre darauf (J. 293) bestieg ein neuer Herrscher Narseh, des Königs Schapur Sohn, den Thron von Ktesiphon und erklärte im J. 296 wegen des Besitzes von Mesopotamien und Armenien den Römern den Krieg377. Diocletianus, der damals die oberste Leitung wie [443] des Reiches überhaupt, so namentlich des Orients hatte, beauftragte mit der Führung desselben seinen Reichsgehülfen Galerius Maximianus, einen rohen, aber tapferen Feldherrn. Der Anfang war ungünstig. Die Perser fielen in Mesopotamien ein und gelangten bis nach Karrhae; gegen sie führte der Caesar die syrischen Legionen bei Nikephorion über den Euphrat; zwischen diesen beiden Positionen stießen die Armeen auf einander und die weit schwächere römische unterlag. Es war ein harter Schlag und der junge Feldherr mußte schwere Vorwürfe über sich ergehen lassen; aber er verzagte nicht. Für den nächsten Feldzug wurden aus dem ganzen Reich Verstärkungen herangezogen und beide Regenten rückten persönlich in das Feld; Diocletian nahm Stellung in Mesopotamien mit der Hauptmacht, während Galerius, verstärkt durch die inzwischen herangezogenen illyrischen Kerntruppen, mit einem Heer von 25000 Mann in Armenien dem Feind entgegentrat und ihm eine entscheidende Niederlage beibrachte. Das Lager und der Schatz, ja selbst der Harem des Großkönigs fielen den Kriegern in die Hände und mit Noth entging Narseh selbst der Gefangenschaft. Um nur die Frauen und die Kinder wieder zu erlangen, erklärte der König sich bereit auf jede Bedingung Frieden zu schließen; sein Abgesandter Apharban beschwor den Römer des Persers zu schonen: die beiden Reiche, das römische und das persische, seien gleichsam die beiden Augen der Welt und keines könne des anderen entbehren. Es hätte in der Macht der Römer gestanden ihren orientalischen Provinzen eine mehr hinzuzufügen; der vorsichtige Herrscher begnügte sich mit der Regulirung der Besitzverhältniße im Nordosten. Mesopotamien blieb selbstverständlich im römischen Besitz; der wichtige Handelsverkehr mit dem benachbarten Ausland wurde unter strenge staatliche Controle gestellt und wesentlich nach der festen Stadt Nisibis gewiesen, dem Stützpunkt der römischen Grenzwacht im östlichen Mesopotamien. Als Grenze der unmittelbaren römischen Herrschaft wurde der Tigris anerkannt, jedoch in der Ausdehnung, daß das ganze südliche Armenien bis zum See Thospitis (Wansee) und zum Euphrat, also das gesammte obere Tigristhal zum römischen Reich gehören solle. Eigentliche Provinz ward dies Vorland von Mesopotamien nicht, sondern nach der bisherigen [444] Weise als römische Satrapie Sophene verwaltet. Einige Decennien später ward hier die starke Festung Amida (Diarbekr) angelegt, seitdem die Hauptburg der Römer im Gebiet des oberen Tigris. Zugleich ward die Grenze zwischen Armenien und Medien neu regulirt und die Lehnsherrlichkeit Roms über jenes Land wie über Iberien abermals bestätigt. Bedeutende Gebietsabtretungen legte der Friede den Besiegten nicht auf, aber er stellte eine den Römern günstige Grenze her, welche auf längere Zeit hinaus in diesen vielumstrittenen Gebieten die beiden Reiche schied378. Die Politik Traians erhielt damit ihre vollständige Durchführung; allerdings verschob sich auch eben damals der Schwerpunct der römischen Herrschaft aus dem Westen nach dem Osten.
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