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[326] Am 4. August 1942 erließ Keitel einen Befehl, daß Fallschirmspringer dem SD überantwortet werden sollten. Am 18. Oktober erließ Hitler den in mehreren Fällen ausgeführten Kommandobefehl. Nach der alliierten Landung in der Normandie bestätigte Keitel diesen Befehl und dehnte ihn späterhin auf die mit den Partisanen kämpfenden alliierten Verbände aus. Er gibt zu, nicht an die Rechtmäßigkeit des Befehles geglaubt zu haben, behauptet jedoch, er hätte Hitler von der Herausgabe nicht zurückhalten können.
Als das OKW am 8. September 1941 seine unbarmherzigen Richtlinien für sowjetische Kriegsgefangene erließ, schrieb Canaris an Keitel, daß auf Grund des Völkerrechts der SD nichts damit zu tun haben dürfe. Auf dieser Denkschrift findet sich – in Keitels Handschrift mit dem Datum des 23. September und von ihm signiert – folgende Anmerkung: »Die Bedenken entspringen den soldatischen Auffassungen von ritterlichem Krieg. Hier handelt es sich um die Vernichtung einer Weltanschauung. Deshalb billige ich die Maßnahme und decke sie.« Keitel hat ausgesagt, daß er in Wirklichkeit Canaris' Auffassung teilte, mit Hitler jedoch erfolglos gestritten habe. Der Chef des OKW befahl den Militärbehörden, mit dem Einsatzstab Rosenberg zwecks Plünderung von Kulturgütern in den besetzten Gebieten zusammenzuarbeiten.
[326] Lahousen hat bekundet, Keitel habe ihm am 12. September 1939 in Hitlers Hauptquartier – Führerzug – erklärt, die polnische Intelligenz, der polnische Adel und die Juden sollten ausgerottet werden. Am 20. Oktober sagte Hitler zu Keitel, die polnische Intelligenz müsse daran gehindert werden, eine beherrschende Klasse zu bilden, der Lebensstandard müsse niedrig bleiben und Polen könne nur als Quelle für Arbeitskräfte gebraucht werden. Keitel erinnert sich nicht an dieses Gespräch mit Lahousen, gibt jedoch zu, daß eine solche Politik tatsächlich getrieben worden sei und er habe in dieser Hinsicht ohne Erfolg bei Hitler protestiert.
Am 16. September 1941 befahl Keitel, um Überfällen auf Soldaten im Osten zu begegnen, daß für einen deutschen Soldaten 50 bis 100 Kommunisten umzubringen seien, er fügte hinzu, im Osten gelte ein Menschenleben nichts. Am 1. Oktober befahl er den militärischen Kommandeuren, stets Geiseln in Bereitschaft zu halten, damit sie bei Überfällen auf Soldaten hingerichtet werden könnten. Als Terboven, der Reichskommissar für Norwegen, an Hitler schrieb, Keitels Vorschlag, die Angehörigen von Arbeitern für Sabotagehandlungen verantwortlich zu machen, könne nur dann Erfolg haben, wenn Erschießungskommandos zugelassen würden, schrieb Keitel auf dieses Schreiben: »Ja, das ist das beste.«
Am 12. Mai 1941, fünf Wochen vor der Invasion der Sowjetunion, drängte das OKW bei Hitler darauf, einen Befehl an das OKH zu geben, wonach politische Kommissare durch das Heer zu erledigen seien. Keitel gab zu, diesen Befehl an die Befehlshaber im Felde weitergeleitet zu haben. Am 13. Mai unterzeichnete Keitel einen Befehl, daß Zivilpersonen, welche Vergehen gegenüber der Truppe verdächtig seien, ohne Gerichtsverfahren erschossen werden sollten, und eine Strafverfolgung deutscher Soldaten wegen gegen Zivilisten begangener Vergehen unnötig sei. Am 27. Juli wurden alle Exemplare dieser Anordnung auf Befehl vernichtet, ohne daß die Anordnung ihre Gültigkeit verlor. Vier Tage zuvor hatte er einen Befehl unterzeichnet, eine gesetzliche Bestrafung sei unzulänglich und die Truppe habe Terrormethoden anzuwenden.
Am 7. Dezember 1941 bestimmte – wie bereits in diesem Urteil besprochen – der sogenannte »Nacht-und Nebel-Erlaß«, der Keitels Unterschrift trug, daß in besetzten Gebieten gegen Zivilpersonen, die des Verbrechens des Widerstands gegen die Besatzungsmacht beschuldigt waren, nur dann verhandelt werden sollte, falls ein Todesurteil zu erwarten sei; im anderen Falle sollten sie der Gestapo zur Verschickung nach Deutschland ausgeliefert werden.
Keitel hat angeordnet, russische Kriegsgefangene in der deutschen Kriegsindustrie einzusetzen. Am 8. September 1942 befahl er, daß französische, niederländische und belgische Staatsbürger beim Bau des Atlantikwalls zu arbeiten hätten. Als Hitler am 4. Januar [327] 1944 Sauckel befahl, aus den besetzten Gebieten 4 Millionen neue Arbeitskräfte herauszupressen, war Keitel anwesend.
Angesichts dieser Urkunden leugnet Keitel seihe Beziehungen zu diesen Handlungen nicht. Seine Verteidigung stützt sich vielmehr auf die Tatsache, er sei Soldat, und auf den Grundsatz des »Befehls von oben«, welcher aber auf Grund von Artikel 8 des Statuts nicht als Entschuldigung zugelassen ist.
Mildernde Umstände liegen nicht vor. Befehle von oben, auch wenn einer Militärperson erteilt, können nicht als mildernder Umstand betrachtet werden, wenn derart empörende und weitverbreitete Verbrechen bewußt, rücksichtslos und ohne militärische Notwendigkeit oder Rechtfertigung begangen worden sind.