[489] OBERST TAYLOR: Hoher Gerichtshof! Als sich der Gerichtshof am Freitag vertagte, hatte ich gerade meine Darlegungen zu Punkt 1 und 2 beendet. Ich wende mich nun jenem Teil der Anklageschrift zu, der behauptet, daß die Gruppe Generalstab und Oberkommando eine besondere Verantwortung für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit trägt, wie sie in der Ausführung des gemeinsamen Planes oder der Verschwörung enthalten sind, und wie es in den Punkten 3 und 4 der Anklageschrift dargetan ist. Aus Gründen der Zeitersparnis werde ich diese Verbrechen einfach als Kriegsverbrechen bezeichnen.
Die Vorlage der Schriftstücke, die diesen Teil des Prozesses betreffen, wird den größten Teil der Vormittagssitzung in Anspruch nehmen. Gegen Ende derselben beabsichtige ich, einen einzigen Zeugen zu vernehmen, und zwar Erich von dem Bach-Zelewski, dessen Aussage bei direkter Befragung nur 25 oder 30 Minuten in Anspruch nehmen wird. Danach benötige ich ungefähr 10 Minuten, um meine Schlußfolgerungen zu ziehen, und damit wird meine gesamte Darlegung beendet sein.
Ich beabsichtige, in diesem Teil der Anklage zu beweisen, daß Mitglieder der Gruppe Generalstab und Oberkommando einschließlich der Angeklagten, die Mitglieder dieser Gruppe sind, die Begehung von Kriegsverbrechen angeordnet und geleitet und dadurch an der Begehung von Kriegsverbrechen in ihrer amtlichen Eigenschaft als Mitglieder dieser Gruppe Anteil haben. Ich gedenke weiterhin zu zeigen, daß in gewissen Fällen die tatsächliche Begehung von Kriegsverbrechen durch Mitglieder der deutschen Wehrmacht die Folge dieser Befehle oder anderer Anordnungen der Gruppe Generalstab und Oberkommando waren, die die deutsche Wehrmacht führte. Ich habe jedoch nicht die Absicht, Ihnen ein vollständiges Bild der von der deutschen Wehrmacht begangenen Kriegsverbrechen zu geben. Die volle Vorlage der Beweise zu Anklagepunkt 3 und 4 wird gemäß dem Übereinkommen zwischen den Hauptanklagevertretern durch die Vertreter der französischen und sowjetrussischen Delegation erfolgen, und ein wesentlicher Teil des von ihnen vorzulegenden Beweismaterials wird für die Anklagen gegen die Gruppe Generalstab und Oberkommando von Bedeutung sein.
In diesem Augenblick wollen wir dem Gerichtshof zeigen, daß der Generalstab und das Oberkommando einer Terrorpolitik ergeben [489] waren. In einigen Fällen wird der Beweis für diese Politik durch Vorlage von Schriftstücken erfolgen. Wir werden die in Frage kommenden Dokumente, die von den Mitgliedern dieser Gruppe veranlaßt, unterzeichnet und von ihnen verbreitet wurden, überreichen. In anderen Fällen, in denen die in Frage kommenden Verbrechen durch andere Gruppen, die nicht Mitglieder der deutschen Wehrmacht waren, begangen wurden, zum Beispiel, wenn Kriegsgefangene der SS oder dem SD übergeben und von ihnen mißhandelt wurden, werden wir zeigen, daß in solchen Fällen Mitglieder dieser Gruppe sehr wohl darüber unterrichtet waren, daß sie Beihilfe bei der Begehung von Kriegsverbrechen leisteten. Wir werden beweisen, daß viele der von der SS und dem SD begangenen Verbrechen in Kenntnis und mit der notwendigen Unterstützung des Generalstabs und des Oberkommandos durchgeführt wurden.
Der erste Fall, den ich aufnehmen will, bezieht sich auf die Tötung von alliierten Kommandos, Fallschirmjägern und Mitgliedern militärischer Missionen unter Verletzung des Völkerrechts und der Kriegsregeln.
Das erste Schriftstück, auf das ich mich beziehe, ist 498-PS, Beweisstück US-501.
Es beginnt mit einem in diesem Schriftstück enthaltenen Befehl Hitlers vom 18. Oktober 1942, auf den Oberst Storey bereits in der Darlegung der Anklagen gegen den Sicherheitsdienst, SD, Bezug genommen hat. Der Befehl beginnt mit einem Bericht, daß alliierte Kommandos Kriegsmethoden anwendeten, die angeblich außerhalb der Bestimmungen der Genfer Konvention stünden, und zählt dann im einzelnen die Methoden auf, die deutsche Truppen gegen alliierte Kommandos anwenden sollten, und wie mit den in Gefangenschaft geratenen alliierten Kommandos verfahren werden sollte. Dieser Befehl ist eines der beiden grundsätzlichen Schriftstücke meiner Darstellung. Ich werde ihn ganz verlesen:
»1. Schon seit längerer Zeit bedienen sich unsere Gegner in ihrer Kriegführung Methoden, die außerhalb der internationalen Abmachungen von Genf stehen. Besonders brutal und hinterhältig benehmen sich die Angehörigen der sogenannten Kommandos, die sich selbst, wie feststeht, teilweise sogar aus Kreisen von in den Feindländern freigelassenen kriminellen Verbrechern rekrutieren. Aus erbeuteten Befehlen geht hervor, daß sie beauftragt sind, nicht nur Gefangene zu fesseln, sondern auch wehrlose Gefangene kurzerhand zu töten im Moment, in dem sie glauben, daß diese bei der weiteren Verfolgung ihrer Zwecke als Gefangene einen Ballast darstellen oder sonst ein Hindernis sein könnten. [490] Es sind endlich Befehle gefunden worden, in denen grundsätzlich die Tötung der Gefangenen verlangt worden ist.
2. Aus diesem Anlaß wurde in einem Zusatz zum Wehrmachtbericht vom 7. 10. 1942 bereits angekündigt, daß in Zukunft Deutschland gegenüber diesen Sabotagetrupps der Briten und ihren Helfershelfern zum gleichen Verfahren greifen wird, d.h.: daß sie durch die deutschen Truppen, wo immer sie auch auftreten, rücksichtslos im Kampf niedergemacht werden.
3. Ich befehle daher:
Von jetzt ab sind alle bei sogenannten Kommandounternehmungen in Europa oder in Afrika von deutschen Truppen gestellte Gegner, auch wenn es sich äußerlich um Soldaten in Uniform oder Zerstörertrupps mit und ohne Waffen handelt, im Kampf oder auf der Flucht bis auf den letzten Mann niederzumachen. Es ist dabei ganz gleich, ob sie zu ihren Aktionen durch Schiffe und Flugzeuge angelandet werden oder mittels Fallschirmen abspringen. Selbst wenn diese Subjekte bei ihrer Auffindung scheinbar Anstalten machen sollten, sich gefangen zu geben, ist ihnen grundsätzlich jeder Pardon zu verweigern. Hierüber ist in jedem Einzelfall zur Bekanntgabe im Wehrmachtbericht eine eingehende Meldung an das OKW zu erstatten.
4. Gelangen einzelne Angehörige derartiger Kommandos als Agenten, Saboteure usw. auf einem anderen Weg – z.B. durch die Polizei in den von uns besetzten Ländern – der Wehrmacht in die Hände, so sind sie unverzüglich dem SD zu über geben. Jede Verwahrung unter militärischer Obhut, zum Beispiel in Kriegsgefangenenlagern usw. ist, wenn auch nur für vorübergehend gedacht, strengstens verboten.
5. Diese Anordnung gilt nicht für die Behandlung derjenigen feindlichen Soldaten, die im Rahmen normaler Kampfhandlungen (Großangriffe, Großlandungsoperationen und Großluftlandeunternehmen) im offenen Kampf gefangengenommen werden oder sich ergeben. Ebensowenig gilt diese Anordnung gegenüber den nach Kämpfen auf See in unsere Hand gefallenen oder nach Kämpfen in der Luft durch Fallschirmabsprung ihr Leben zu retten versuchenden feindlichen Soldaten.
6. Ich werde für die Nichtdurchführung dieses Befehls alle Kommandeure und Offiziere kriegsgerichtlich verantwortlich machen, die entweder ihre Pflicht der Belehrung der Truppe über diesen Befehl versäumt haben, oder die in der Durchführung entgegen diesem Befehl handeln.«
[491] Dieser Befehl ist von Adolf Hitler unterzeichnet, und ich bitte den Gerichtshof zur Kenntnis zu nehmen, daß dieser Befehl vom OKW in zwölf Ausfertigungen erlassen wurde, und die auf der zweiten Seite angegebene Verteilungsliste schließt die drei Oberkommandos: Heer, Marine und Luft und die hauptsächlichen Kommandos ein.
Hitler erließ am gleichen Tage einen Ergänzungsbefehl, unser Dokument 503-PS, Beweisstück US- 542. Er wurde zur Erläuterung des grundlegenden Befehls herausgegeben. In dieser Erläuterung gab Hitler eine wesentlich andere Darstellung der Gründe für den Erlaß des Befehls und wies darauf hin, daß alliierte Kommando-Operationen außerordentlich erfolgreich in der Zerstörung von Verbindungen im Hinterland, in der Einschüchterung der Arbeiterschaft und in der Zerstörung wichtiger Kriegsbetriebe in besetzten Gebieten gewesen wären.
Dies ist das andere grundlegende Schriftstück; und wenn ich es auch nicht ganz verlesen will, so möchte ich doch die wesentlichen Teile vorbringen. Ich beginne mit dem ersten Absatz zu Beginn der Seite:
»Im Anschluß an den Erlaß über die Vernichtung von Terror- und Sabotagetrupps« – dann in Klammern eine Bezugnahme auf die von mir soeben verlesene Weisung – »wird anliegend ein zusätzlicher Befehl des Führers übersandt.
Dieser Befehl ist nur für die Kommandeure bestimmt und darf unter keinen Umständen in Feindeshand fallen.
Die weitere Verteilung ist von den empfangenden Dienststellen dementsprechend zu begrenzen.
Die im Verteiler genannten Dienststellen sind dafür verantwortlich, daß sämtliche ausgegebenen Stücke des Befehls einschließlich aller angefertigten Abschriften wieder eingezogen und zusammen mit dieser Ausfertigung vernichtet werden.
Der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht. Im Auftrage: Jodl.«
Es folgt nun eine Verteilungsliste und dann der von Hitler unterzeichnete Ergänzungsbefehl selbst. Ich will die ersten zwei Absätze des Ergänzungsbefehls vorlesen, die am Ende der ersten Seite der Übersetzung erscheinen:
»Ich habe mich gezwungen gesehen, einen scharfen Befehl zur Vernichtung feindlicher Sabotagetrupps zu erlassen und seine Nichtbefolgung unter schwere Strafe zu stellen. Ich halte es für nötig, den zuständigen Befehlshabern und Kommandeuren die Gründe für die Anordnung bekanntzugeben.
[492] Wie noch in keinem Kriege vorher entwickelte sich in diesem eine Methode der Störung rückwärtiger Verbindungen, der Einschüchterung der für Deutschland arbeitenden Bevölkerungskreise sowie der Vernichtung kriegswichtiger Industrieanlagen in den von uns besetzten Gebieten.«
Ich gehe zum Ende der zweiten Seite über, auf die letzten zwei Absätze der zweiten Seite der Übersetzung, Seite 3 des deutschen Textes:
»Die Folgen dieser Tätigkeit sind außerordentlich schwere. Ich weiß nicht, ob sich jeder Kommandeur und Offizier dessen bewußt ist, daß die Zerstörung eines einzigen Elektrizitätswerkes z.B. die Luftwaffe um viele tausend Tonnen Aluminium bringen kann, und daß damit der Bau zahlreicher Flugzeuge ausfällt, die der Front in ihrem Kampfe fehlen und somit zu schwersten Schädigungen der Heimat und zu blutigen Verlusten der kämpfenden Soldaten führen.
Dabei ist diese Art von Krieg für den Gegner gänzlich gefahrlos. Denn indem er seine Sabotagetrupps in Uniform absetzt und andererseits aber auch Zivilkleidung mitgibt, können sie je nach Bedarf als Soldaten oder als Zivilisten in Erscheinung treten. Während sie selbst den Auftrag besitzen, ihnen hinderliche deutsche Soldaten oder sogar Landeseinwohner rücksichtslos zu beseitigen, laufen sie keinerlei Gefahr, bei ihrem Treiben wirklich ernsthafte Verluste zu erleiden, da sie ja schlimmstenfalls gestellt, sich augenblicklich ergeben und damit theoretisch unter die Bestimmungen der Genfer Konvention zu fallen glauben. Es gibt keinen Zweifel, daß dies aber einen Mißbrauch der Genfer Abmachungen schlimmster Art darstellt, umsomehr, als es sich bei diesen Elementen zu einem Teil sogar um Verbrecher handelt, die, aus Gefängnissen befreit, durch solche Aktionen ihre Rehabilitierung erreichen können.
England und Amerika werden für diese Kampfführung deshalb auch immer wieder solange Freiwillige finden, als diesen mit Recht gesagt werden kann, daß irgendeine Lebensgefahr für sie nicht besteht. Im schlimmsten Falle brauchen sie nur ihre Attentate gegen Menschen, Verkehrseinrichtungen oder Sachanlagen glücklich zu vollbringen, um sich dann, vom Feinde gestellt, einfach zu er geben.
Wenn nun die deutsche Kriegführung nicht durch ein solches Verfahren schwersten Schaden erleiden soll, dann muß dem Gegner klargemacht werden, daß jeder Sabotagetrupp ausnahmslos bis zum letzten Mann niedergemacht [493] wird. Das heißt, daß die Aussicht, hier mit dem Leben davonzukommen, gleich Null ist. Es kann also unter keinen Umständen gestattet werden, daß ein Spreng-, Sabotage- oder Terroristentrupp sich einfach stellt und gefangengenommen wird, um nach den Regeln der Genfer Konvention behandelt zu werden, sondern er ist unter allen Umständen restlos auszurotten.
Die Meldung, die darüber im Wehrmachtbericht erscheinen soll, wird ganz kurz und lakonisch lauten, daß ein Sabotage-, Terror- oder Zerstörungstrupp gestellt und bis zum letzten Mann niedergemacht wurde.
Ich erwarte deshalb, daß sowohl die Befehlshaber der ihnen unterstellten Armeen als auch die einzelnen Kommandeure nicht nur die Notwendigkeit eines solchen Handelns begreifen, sondern daß sie sich mit aller Energie für die Durchführung dieses Befehls einsetzen. Offiziere oder Unteroffiziere, die aus irgendeiner Schwäche versagen, sind unnachsichtlich zu melden oder unter Umständen – wenn Gefahr im Verzug ist – selbst sofort zur schärfsten Verantwortung zu ziehen. Sowohl die Heimat als auch der kämpfende Soldat an der Front haben ein Recht darauf, zu erwarten, daß hinter ihrem Rücken die Basis der Ernährung sowie die Versorgung mit kriegswichtigen Waffen und Munition sichergestellt bleibt.
Dies sind die Gründe für den von mir erlassenen Befehl.
Sollte sich die Zweckmäßigkeit ergeben, aus Vernehmungsgründen einen oder zwei Mann zunächst noch auszusparen, so sind diese nach ihrer Vernehmung sofort zu erschießen.«
Hoher Gerichtshof! Das nächste Dokument ist C-179, Beweisstück US-543. Wie dieses Dokument zeigt, übermittelte die Seekriegsleitung in Berlin zehn Tage später, am 28. Oktober 1942, zu einer Zeit, da der Angeklagte Raeder Oberbefehlshaber der Kriegsmarine war, eine Kopie des grundlegenden Befehls vom 18. Oktober an die unteren Marinekommandostellen. Die von der Marine verteilte Abschrift sowie die Deckblattnotiz der Seekriegsleitung zeigen deutlich, wie geheim die Verbreitung dieses Befehls behandelt wurde. Ich lese nur die erste Seite, das Deckblatt, dieses Schriftstücks:
»Anliegend wird ein Erlaß des Führers über die Vernichtung von Terror- und Sabotagetrupps übersandt.
Dieser Befehl darf schriftlich nicht über Flottillenchefs bezw. Abteilungs-Kommandeuren gleichgestellte Offiziere hinaus verteilt werden. Er ist von diesen, nach mündlicher Bekanntgabe an, die unterstellten Einheiten, an die nächsthöhere Dienststelle, die für die Einziehung verantwortlich ist, zur Vernichtung zurückzugeben.«
[494] Wenn wir auf Seite 3 des Schriftstücks übergehen, so finden wir ganz am Schluß der Seite eine ähnliche ermahnende Bemerkung bezüglich der Verteilung. Ich zitiere:
»Dieser Befehl ist nicht über die Batls.- und gleichgestellte Stäbe der anderen Wehrmachtteile hinaus zu verteilen. Nach Bekanntgabe sind die über die Rgt.- und gleichgestellten Stäbe der anderen Wehrmachtteile hinaus ausgegebenen Stücke wieder einzuziehen und zu vernichten.«
Das nächste Dokument, Hoher Gerichtshof, ist C-178, Beweisstück US-544. Dieses Dokument trägt das Datum des 11. Februar 1943; zwölf Tage vorher war der Angeklagte Dönitz Oberbefehlshaber der deutschen Kriegsmarine geworden. An diesem Tage wurde diese Denkschrift innerhalb der Seekriegsleitung verteilt, um gewisse Mißverständnisse aufzuklären, die sich über den grundlegenden Befehl vom 18. Oktober 1942 ergeben hatten. Dieses Dokument, von dem ich die ersten vier Paragraphen verlesen werde, erklärt, warum der frühere Befehl als so streng geheim behandelt wurde, und ordnet weiterhin an, daß alle Marinekommandanten und -offiziere, die es unterließen, den Befehl auszuführen oder ihren Abteilungen über den Befehl Instruktionen zu geben, sich der Gefahr einer schweren kriegsgerichtlichen Bestrafung aussetzten. Ich will nur die ersten vier Absätze verlesen:
»Die Notiz der 3. Skl. vom 1. 2. 43 läßt erkennen, daß sowohl bei den sachbearbeitenden Stellen des Generalstabs des Heeres wie auch beim Luftwaffenführungsstab unrichtige Auffassungen über die Behandlung von Saboteuren bestehen. Eine fernmündliche Rückfrage bei der 3. Skl. ergab, daß auch diese Marinestelle nicht richtig unterrichtet ist. Demgegenüber wird in Ziffer 6) des Führerbefehls vom 18. Oktober-1942« – und hier folgt Hinweis – »allen Kommandeuren und Offizieren kriegsgerichtliche Bestrafung angedroht, die ihre Pflicht der Belehrung der Truppe über den Befehl betreffend Behandlung der Saboteure verabsäumt haben. Den Schutz als Chefsache genießt ds.E. die Begründung des ersten diesbezüglichen Führerbefehls vom 18. 10.... nur deshalb, weil darin ausgesprochen ist,
1. daß nach Ansicht des Führers das Überhandnehmen des militärischen Sabotagewesens im Osten und im Westen zu verhängnisvollen Folgen für unsere ganze Kriegsführung führen kann, und
2. daß die Erschießung uniformierter, auf militärischen Befehl handelnder Gefangenen auch noch hinterher zu erfolgen hat, wenn diese sich freiwillig ergeben und um Gnade gebeten haben.
[495] Dagegen soll die Vernichtung der Sabotagetrupps im Kampf gar nicht geheimgehalten, son dern sogar laufend im OKW-Bericht veröffentlicht werden. Der Zweck der Maßnahme, abschreckend zu wirken, würde nämlich nicht erreicht werden, wenn die Beteiligten an den gegnerischen ›Kommandounternehmungen‹ nicht erführen, daß ihrer der sichere Tod und nicht eine für sie gefahrlose Gefangennahme wartet. Da die Saboteure sofort zu vernichten sind, es sei denn, daß zunächst ihre Aussage aus militärischen Gründen benötigt wird, ist es ds.E. nicht nur notwendig, daß alle Wehrmachtangehörigen an der Front davon Kenntnis erhalten, daß Saboteure dieser Art auch in Uniform zu vernichten sind, sondern daß auch alle mit der Behandlung von Fragen dieser Art befaßten Stellen des Heimatstabes Kenntnis von der befohlenen Behandlungsweise erhalten.«
Ich möchte nun die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf die beiden Punkte des Zitats lenken, die zeigen, daß die Tatsache, daß uniformierte Gefangene auch dann erschossen würden, nachdem sie sich ergeben und um Gnade gebeten hätten, von der Öffentlichkeit ferngehalten werden sollte. Dies zeigt deutlich, daß man sich völlig darüber im klaren war, daß dieses Vorgehen eine unmittelbare Verletzung der Haager und Genfer Konventionen war.
VORSITZENDER: Oberst Taylor, haben Sie den Absatz, der mit den Worten »Praktische Schwierigkeiten...« beginnt, verlesen?
OBERST TAYLOR: Nein, ich werde ihn verlesen.
VORSITZENDER: Ich glaube, das wird gut sein.
»Praktische Schwierigkeiten können sich aus der Abgrenzung des Sabotagetruppbegriffs ergeben. Auf die Beteiligten an Großlandungsoperationen und Großluftlandeunternehmungen soll die Vernichtungsanweisung gemäß Ziffer 5 des Führerbefehls vom 18. Oktober 1942 nicht gelten. Das Kriterium ist darin zu finden, daß es sich letzteren Falles um einen offenen Kampf handelt, während z.B. 10 oder mehr Leute, die durch Schiffe und Flugzeuge anlanden oder mittels Fallschirm abspringen, nicht um einen offenen Kampf zu führen, sondern um eine Fabrik, eine Brücke oder eine Bahnhofsanlage zu zerstören, unter die zu vernichtende Kategorie fallen würden.«
Das nächste Dokument, Hoher Gerichtshof, ist 508-PS, Beweisstück US-545. Der Befehl Hitlers vom 18. Oktober 1942 ist nun in einer Reihe von Fällen tatsächlich ausgeführt worden; wir haben urkundliche Beweise für einige Fälle. Urkunde 508-PS beweist, daß während der Nacht vom 19. zum 20. November 1942 ein britischer Schleppsegler nahe von Egersund in Norwegen abstürzte. Das [496] Flugzeug beförderte eine britische Kommandoeinheit von siebzehn Mann; drei von diesen wurden offensichtlich beim Absturz getötet. Alle waren in englischer Uniform. Vierzehn Überlebende wurden in Übereinstimmung mit dem Befehl Hitlers am Abend des 20. November hingerichtet. Zum Beweis werde ich einige Auszüge aus der Urkunde 508-PS verlesen, und zwar beginne ich auf Seite 1 der Übersetzung mit Absatz 1:
»1. Zur Landung eines britischen Lastenschleppers bei Egersund in der Nacht zum...«
in der Übersetzung heißt es 11. November, aber ich glaube, im Original wurde der 20. November genannt »wird ergänzend gemeldet:
a) Kein Beschuß durch deutsche Abwehr.
b) Schleppflugzeug (Wellington) nach Bodenberührung abgestürzt, 7köpfige Besatzung tot. Anhängender Lastensegler ebenfalls zu Bruch gegangen, von 17köpfiger Besatzung 14 lebend. Einwandfrei Sabotagetrupp. Führerbefehl durchgeführt.«
Ich gehe zur Seite 3 der Übersetzung über, auf der zwei Fernschreiben erscheinen. Ich möchte die ersten zwei Absätze oben auf der Seite lesen:
»Am 20. November 1942 um 5.50 Uhr wurde feindl. Flugzeug 15 km nordöstlich Egersund aufgefunden. Handelt sich um engl. Maschine (Schleppsegler) ohne Motor aus Holz. Von den 17 Insassen sind 3 tot, 6 schwer verletzt, die übrigen leicht verletzt. Alle trugen engl. Khakiuniformen ohne Abzeichen am Ärmel. Ferner wurden gefunden: 8 Rucksäcke, Zelte, Schneebretter und Sender, nähere Menge noch unbekannt. Maschine hatte an Bord Gewehre, leichte MG und MP. An zahl unbekannt. Die Gefangenen befinden sich z. Zt. bei dem Batl. in Egersund.«
Ich wende mich nun dem zweiten Fernschreiben zu und lese den ersten Abschnitt:
»Außer den 17 Insassen wurden umfangreiches Sabotagematerial und Werkausrüstung gefunden. Daher Sabotagezweck eindeutig erwiesen. 280. I. D. verfügte Vollzug der Handlung gemäß Führerbefehl. Vollzug wurde gegen Abend des 20. November ausgeführt. Unter ihrer Khakiuniform ohne Abzeichen am Ärmel trugen die Gefangenen teilweise blaue Skianzüge. Die Überlebenden haben bei kurzer Vernehmung lediglich Dienstgrad, Namen und Erkennungsmarke angegeben.«
Ich wende mich nun dem letzten Absatz auf Seite 3 der Übersetzung zu:
[497] »WBN hat auf Grund der Erschießungen der 17 Insassen einen Befehl an die Territorialbefehlshaber herausgegeben, wonach vor Durchführung des Führerbefehls Vernehmung durch I C und BDS wichtig, bei Zutreffen Ziffer 4 Führerbefehl Gefangene an BDS abzugeben sind.«
Hoher Gerichtshof, das nächste Dokument ist 512-PS, Beweisstück US-546. Dieses Dokument berichtet drei Sonderfälle, in denen der Hitler-Befehl in Norwegen durchgeführt wurde und betont insbesondere, daß es wünschenswert wäre, einzelne Kommandos zum Zwecke der Vernehmung gefangenzunehmen. Ich lese aus Dokument 512-PS vom 13. Dezember 1942:
»Gem. Schlußsatz Führerbefehl vom 18. Oktober (Chefs) können einzelne Saboteure aus Vernehmungsgründen zunächst ausgespart werden. Wichtigkeit dieser Maßnahme ergab sich in Fällen Glomfjord, Zweimann-Torpedo Drontheim und Segelflugzeug Stavanger, wo Vernehmungen wertvolle Erkenntnisse über Feindabsichten brachten. Da im Fall Egersund Saboteur sofort liquidiert und so keine Anhaltspunkte gewonnen wurden, wies WB auf oa Schlußsatzführerbefehl hin. (Liquidierung erst nach kurzer Vernehmung.)«
Ein letztes Dokument vom norwegischen Kriegsschauplatz ist von Bedeutung.
VORSITZENDER: Oberst Taylor, was bedeutet RK, das erste Wort im letzten Absatz?
OBERST TAYLOR: Das bedeutet »Rotes Kreuz«.
VORSITZENDER: Es war also schon ein Protest vom Roten Kreuz bei ihnen eingezogen?
OBERST TAYLOR: Ja, das stimmt.
VORSITZENDER: Und was ist BDS?
OBERST TAYLOR: »Befehlshaber der Sicherheitspolizei«, Sipo.
Nun kommen wir zu Dokument 526-PS, Beweisstück US-502. Dieses Dokument trägt das Datum des 10. Mai 1943. Oberst Storey hat es schon dem Gerichtshof vorgelegt, und zwar als Material gegen den SD. Ich werde zunächst den ersten Absatz dieses Dokuments verlesen:
»Am 30. III. 1943 wurde im Toftefjord (70. Breitengrad) feindlicher Kutter gestellt. Kutter wurde vom Feind gesprengt, Besatzung: 2 Mann tot, 10 Gefangene.
Kutter war entsandt von der Norw. Mar. von Scalloway (Shetlands).«
Ich überspringe nun bis zu dem Wort »Absicht«:
»Absicht war Aufbau einer Organisation für Sabotagehandlungen gegen Stützpunkte, Batteriestellungen, Stab- und [498] Truppen-Unterkünfte, Brücken. Auftraggeber in London: Norw. Major Munthe. Führerbefehl durch SD vollzogen. Wehrmachtbericht vom 6. April gibt darüber folgendes bekannt:
In Nordnorwegen wurde ein feindl. Sabotagetrupp bei der Annäherung an die Küste zum Kampf gestellt und vernichtet.«
Indem wir uns nunmehr dem italienischen Kriegsschauplatz zuwenden, möchte ich die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf Dokument 509-PS, Beweisstück US-547, lenken. Dieses Dokument ist vom 7. November 1943 datiert und stellt ein Telegramm des Oberbefehlshabers in Italien an das OKW dar, in dem mitgeteilt wird, daß am 2. November 1943 drei britische Kommandos, die in der Nähe von Pescara, Italien, gefangengenommen waren, der »Sonderbehandlung« unterworfen worden sind, was, wie der Gerichtshof aus der früheren Beweisaufnahme in diesem Prozeß weiß, den Tod bedeutete. Was aus den übrigen neun Kriegsgefangenen im Krankenhaus wurde, wissen wir nicht.
Ich habe noch ein Dokument vom italienischen Kriegsschauplatz, Dokument 2610-PS, Beweisstück US-548. Dies zeigt im einzelnen, wie die Hitler-Befehle ausgeführt wurden. Es besteht aus einer eidesstattlichen Erklärung vom 7. November 1945, von Friedrich W. Koche, Major in der Armee der Vereinigten Staaten. Major Roche war Kriegsgerichtsrat einer amerikanischen Militärkommission, die über General Anton Dostler, dem früheren Kommandeur des LXXV. deutschen Armeekorps wegen der ungesetzlichen Exekution von fünfzehn Angehörigen der amerikanischen Armee zu Gericht saß.
Ich verlese aus dieser eidesstattlichen Erklärung:
»Friedrich W. Roche bezeugt und sagt nach ordnungsmäßiger Vereidigung aus:
Ich bin Major in der Armee der Vereinigten Staaten. Ich war Kriegsgerichtsrat in der Militärkommission, die gegen Anton Dostler verhandelte wegen des Befehls zur Hinrichtung von 15 Angehörigen der Armee der Vereinigten Staaten, bekannt als ›Ginny Mission‹. Diese Militärkommission, die aus 5 Offizieren bestand, war auf Befehl von General McNarney, laut Sonderverfügung Nr. 269, vom 26. September 1945, Hauptquartier des Mittelländischen Operationsraumes, Feldpostnummer 512, eingesetzt worden.
Die Militärkommission trat in Rom, Italien, am 8. Oktober 1945 zusammen und eröffnete das Verfahren der Vereinigten Staaten gegen Anton Dostler. Die Verhandlung dieses Falles nahm vier Tage in Anspruch. Die Schuldigsprechung sowie [499] das Urteil wurden am Morgen des 12. Oktober 1945 bekanntgegeben. Die Anklage und Einzelheiten des hier vorliegenden Falles sind die folgenden:
Anklage: Vergehen gegen die Kriegsgesetze.
Tatbestand: Anton Dostler, zu jener Zeit General, dessen Kommando militärische Einheiten des Deutschen Reiches, einer kriegführenden feindlichen Nation, unterstanden – nämlich das 75. Armeekorps – gab am oder ungefähr am 24. März 1944, in der Umgebung von La Spezia, Italien, unter Mißachtung der Kriegsgesetze den Befehl, daß eine Gruppe Angehöriger der US-Armee – bestehend aus 2 Offizieren und 13 Soldaten im Mannschaftsgrad –, die kurz zuvor durch Truppen, die General Dostler unterstanden, gefangengenommen worden war, ohne Umstände erschossen werden sollte, welcher Befehl am oder ungefähr am 26. März 1944 zur Ausführung gebracht wurde und den Tod der genannten 15 Mitglieder der US- Armee zur Folge hatte...«
Es folgt eine Liste von Namen.
»Ich nahm an dem gesamten Verfahren teil. Ich hörte alle Aussagen und bin mit dem Protokoll die ses Falles wohl vertraut. Der Sachverhalt ist der folgende:
In der Nacht des 22. März 1944 wurden 2 Offiziere und 13 Soldaten des 2677. Sonderaufklärungsbataillons der Armee der Vereinigten Staaten von einigen Booten der Marine der Vereinigten Staaten ausgeschifft und an der italienischen Küste in der Nähe von Stazione di Framura gelandet. Alle fünfzehn Mann waren Angehörige der Armee der Vereinigten Staaten. Als sie an der italienischen Küste landeten, trugen sie alle die Felduniform der Armee der Vereinigten Staaten und hatten keine Zivilkleidung bei sich. Ihre Aufgabe bestand darin, einen Eisenbahntunnel auf der Hauptlinie zwischen La Spezia und Genua zu zerstören. Diese Eisenbahnlinie wurde von den deutschen Streitkräften benützt, um den Anzio-Brückenkopf und die Cassino-Front zu versorgen. Die gesamte Gruppe wurde am Morgen des 24. März 1944 von einer Patrouille, die aus faschistischen Soldaten und einer Gruppe von Angehörigen der deutschen Armee bestand, gefangengenommen. Alle 15 Mann wurden in La Spezia vernommen und bis zum Morgen des 26. März 1944 in Haft behalten, an welchem Tage sie alle von einem Exekutionskommando erschossen wurden. Gegen diese Leute ist niemals ein Verfahren eröffnet worden, noch wurden sie vor ein Gericht gestellt, noch auch wurde ihnen die Möglichkeit der Verteidigung gegeben. Sie wurden auf Befehl von Anton Dostler [500] erschossen, der damals kommandierender General des 75. Armeekorps war.
Anton Dostler sagte als Zeuge in eigener Sache aus, daß er die Erschießung der 15 amerikanischen Soldaten angeordnet habe auf Grund des Hitler- Befehls vom 18. Oktober 1942 betreffend Kommando-Unternehmungen, durch den bestimmt wurde, daß Kommandos erschossen und selbst nach ihrer Vernehmung nicht zu Kriegsgefangenen gemacht werden sollten.
Er sagte weiterhin aus, daß er vor das Kriegsgericht gestellt worden wäre, falls er den Hitler-Befehl nicht befolgt hätte.«
Das Folgende ist eine echte Abschrift des Urteils und des Strafausspruchs in dem Strafprozeß der Vereinigten Staaten gegen Anton Dostler, so wie dieses Urteil und der Strafausspruch in dem Original-Protokoll erscheinen und wie sie in der offenen Gerichtsverhandlung in Rom, Italien, am 12. Oktober 1945 bekanntgegeben wurden:
»Urteil: General Dostler, als Präsident dieses Gerichts ist es meine Pflicht, Ihnen mitzuteilen, daß das Gericht in geheimer Sitzung und nach geheimer schriftlicher Abstimmung, in der sich mindestens zwei Drittel der Mitglieder des Gerichts für einen Schuldspruch zusammenfinden müssen, Sie im Sinne des Sachverhalts und der Anklage für schuldig befunden hat.«
»Strafausspruch: Und abermals in geheimer Sitzung und nach geheimer Abstimmung verurteilt Sie das Gericht mit Zweidrittelmehrheit: Zum Tode durch Erschießen.«
Der Befehl vom 18. Oktober 1942 blieb, soweit wir wissen, bis Ende des Krieges in Kraft. Ich mochte nunmehr Dokument 506-PS, Beweisstück US-549, vorlegen. Dieses Dokument datiert vom 22. Juni 1944 und trägt die Initialen Warlimonts. Darin macht das OKW klar, daß der Hitler-Befehl auch dann angewendet werden sollte, wenn die Kommandounternehmung nur von einer einzigen Person ausgeführt würde. Ich verlese den einzigen Absatz dieses Befehls:
»WFSt stimmt der im Schreiben des Heeresgruppenrichters beim Ob. Südwest vom 20. 5. 1944 vertretenen Ansicht zu. Der Führerbefehl ist auch dann anzuwenden, wenn von der Gegenseite nur eine Person mit einem Auftrag angesetzt worden ist. Es kommt mithin nicht darauf an, ob an einem Kommandounternehmen mehrere oder nur ein einzelner beteiligt sind. Der Grund für die besondere Behandlung von Angehörigen einer Kommandounternehmung liegt darin, daß solche Unternehmen nach deutscher Auffassung nicht dem Kriegsbrauch entsprechen.«
[501] Die alliierte Landung in der Normandie in den ersten Tagen des Juni 1944, in deren Verlauf Großluftlandeoperationen stattfanden, ließ unter den Deutschen die Frage entstehen, inwieweit der Hitler-Befehl in der Normandie und in Frankreich hinter den deutschen Linien angewendet werden sollte. Ich möchte die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf Dokument 531-PS, Beweisstück US-550, lenken. Es ist dies eine Denkschrift vom 23. Juni 1944, die von Warlimont unterzeichnet ist. Sie beginnt mit dem Zitat eines Fernschreibens von Oberbefehlshaber West, in dem angefragt wird, was bezüglich der Anwendung des Hitler-Befehls auf Luftlandetruppen und Kommandos geschehen sollte.
Ich möchte einen kleinen Teil dieses Fernschreibens verlesen, und zwar beginne ich gleich am Anfang:
»Ob. West meldet mit Fernschreiben Nr. 1750/44 g. K. vom 23. Juni 1944:
Die Behandlung feindlicher Kommandotrupps wurde bisher nach Bezugsbefehl durchgeführt.« – Darf ich hier einfügen, der Befehl auf den man sich hier bezieht, ist der Hitler-Befehl vom 18. Oktober 1942. – »Mit der erfolgten Großlandung ist eine neue Lage entstanden. Der Bezugsbefehl bestimmt in Ziffer 5, daß feindl. Soldaten, die im Rahmen normaler Kampfhandlungen (Großlandungsoperationen und Großlandeunternehmen) im offenen Kampf gefangengenommen werden oder sich ergeben, nicht nach Ziffer 3. und 4. zu behandeln sind.
In einer der Truppe leicht verständlichen Form muß festgelegt werden, wie weit der Begriff ›im Rahmen normaler Kampfhandlungen, usw.‹, zu ziehen ist.«
Nun lese ich Unterabsatz D und bringe den ersten Satz dieses Unterabsatzes:
VORSITZENDER: Ich bin der Meinung, Sie sollten auch den letzteren Teil von C lesen.
OBERST TAYLOR: Ich glaube, es ist alles in dem einen Satz enthalten.
VORSITZENDER: Den letzten Satz meine ich gerade.
OBERST TAYLOR: »Erhebliche Rückwirkungen auf, die eigenen Gefangenen müssen bei Bekanntwerden seines Inhalts erwartet werden.« Dann fahren wir weiter fort mit »D«:
»Die Anwendung Ziffer 5 für alle von außen her in die besetzten Westgebiete eindringenden feindlichen Soldaten in Uniform hält Ob. West dafür für die richtigste und klarste Lösung.«
[502] Demgemäß hat Oberbefehlshaber West vorgeschlagen, daß im Westen Ziffer 5 angewandt werden sollte, nach der der Exekutionsbefehl nicht zum Zuge kommen sollte.
Unten auf der Seite finden wir dann die Stellungnahme des Wehrmachtführungsstabes:
»1. Auch nach der feindlichen Landung im Westen bleibt der Kommandobefehl grundsätzlich aufrechterhalten.
2. Ziffer 5 des Befehls ist dahin zu erläutern, daß der Befehl nicht für die feindlichen Soldaten in Uniform gilt, die im unmittelbaren Kampfgebiet des Landekopfes durch die dort eingesetzten eigenen Truppen im offenen Kampf gefangengenommen werden oder sich ergeben. Als im unmittelbaren Kampfgebiet eingesetzte eigene Truppen gelten die in vorderer Linie kämpfenden Divisionen sowie die Reserven bis einschließlich Gen. Kdos.
3. Im übrigen sind in Zweifelsfällen lebend in unsere Hand gefallene Feindesangehörige dem SD zu überstellen, dem die Prüfung obliegt, ob der Kommandobefehl anzuwenden ist oder nicht.
4. Ob. West trägt dafür Sorge, daß sämtlichen in seinem Bereich eingesetzten Truppenteilen der Befehl über die Behandlung von Angehörigen von Kommandounternehmen vom 18. 10. 1942 nebst vorstehender Erläuterung in geeigneter Weise mündlich bekanntgemacht wird.«
Das endgültige Dokument zu dieser Episode, oder Ermittlung, ist Dokument 551-PS, das als Beweisstück US-551 vorgelegt wird. Dies ist der tatsächliche Befehl vom 25. Juni 1944, der die Antwort des OKW's auf die Anfrage von Oberbefehlshaber West darstellt. Es ist unterschrieben von Keitel und trägt die Initialen von Warlimont und Jodl. Ich lese:
»Betr. Behandlung Kommandoangehöriger.
1. Auch nach der Landung der Anglo-Amerikaner in Frankreich bleibt der Befehl des Führers über die Vernichtung von Terror- und Sabotage trupps vom 18. Oktober 1942 voll aufrechterhalten.
Ausgenommen bleiben feindliche Soldaten in Uniform im unmittelbaren Kampfgebiet des Landekopfes, das heißt, im Bereich der in vorderer Linie kämpfenden Divisionen sowie der Reserven bis einschließlich Gen. Kdos. gemäß Ziffer 5 des grundlegenden Befehls vom 18. 10. 1942.
2. Alle außerhalb des unmittelbaren Kampfgebietes angetroffenen Angehörigen von Terror- und Sabotagetrupps, zu denen grundsätzlich alle Fallschirmspringer rechnen, sind im Kampf niederzumachen. In Sonderfällen sind sie dem SD zu übergeben.
[503] 3. Sämtliche außerhalb des Kampfgebietes der Normandie eingesetzten Truppen sind über die Pflicht der Vernichtung feindlicher Terror- und Sabotagetrupps kurz und bündig nach den hierfür erlassenen Bestimmungen zu unterrichten.
4. Ob. West meldet ab sofort täglich wieviele Saboteure auf diese Weise liquidiert sind. Das gilt vor allem auch für die Unternehmen der Militärbefehlshaber. Die Zahl soll täglich im Wehrmachtbericht bekanntgegeben werden, um damit eine abschreckende Wirkung auszuüben, wie sie schon gegenüber den früheren Kommandounternehmen auf gleiche Weise erreicht ist.«
Eure Lordschaft! Hier liegt noch eine weitere Entwicklung in Verbindung mit diesem Befehl, mit diesem grundsätzlichen Befehl, vor; und das war im Juli 1944. Es wurde im deutschen Oberkommando die Frage aufgeworfen, ob der Befehl auf Angehörige fremder Militärmissionen angewendet werden sollte, besonders auf die englischen amerikanischen und sowjetischen Militärmissionen, die mit alliierten Streitkräften in Südosteuropa zusammenarbeiteten, besonders in Jugoslawien. Es ist ein langes von Warlimont unterzeichnetes Dokument, 1279-PS, Beweisstück US-552, und enthält die Unterredungen, die zu dieser Zeit im OKW stattfanden. Ich glaube nicht, daß ich dieses Dokument verlesen muß. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß der Wehrmachtführungsstab vorschlug, den Befehl auf diese militärischen Missionen anzuwenden. Zu diesem Zweck wurde der Entwurf eines Befehls aufgestellt. Ich möchte jedoch Dokument 537-PS, Beweisstück US-553, verlesen. Es ist dies der Befehl, der dann tatsächlich das Ergebnis dieser Besprechungen war. Er trägt das Datum vom 30. Juli 1944, und ich möchte ihn vollständig verlesen:
»Betrifft: Behandlung der bei Banden gefangenen Angehörigen ausländischer ›Militärmissionen‹.
Auf die bei der Bandenbekämpfung im Bereich der Ob. Südost und Südwest ergriffenen Angehörigen ausländischer sogenannter ›Militärmissionen‹ (angloamerikanische wie sowjetrussische) finden die für die Behandlung ergriffener Bandenangehöriger gegebenen Sonderbefehle keine Anwendung. Sie sind mithin nicht wie Kriegsgefangene, son dern nach dem Befehl des Führers über die Vernichtung von Terror- und Sabotagetrupps vom 18. Oktober 1942 zu behandeln.
Dieser Befehl ist nicht über die Generalkommandos und gleichgestellten Stäbe der anderen Wehrmachtteile hinaus zu verteilen und nach Bekanntgeben zu vernichten.
Der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht Keitel.«
Auf Grund dieses Befehls wurden ungefähr 15 Angehörige einer Militärmission in der Slowakei im Januar 1945 hingerichtet, wie [504] Dokument L-51 zeigt, das schon als Beweisstück US-521 enthalten ist, und das schon vollständig von Herrn KORVETTENKAPITÄN HARRIS verlesen wurde. Ich werde es nicht noch einmal verlesen.
Damit beende ich die Vorlage von Dokumenten, die den Befehl vom 18. Oktober 1942, seine spätere Durchführung und Anwendung betreffen und wende mich einem anderen Gegenstand zu.
VORSITZENDER: Wir lassen eine Verhandlungspause von zehn Minuten eintreten.
[Pause von 10 Minuten.]
OBERST TAYLOR: Hoher Gerichtshof! Der Befehl, den wir gerade besprochen haben, wurde hauptsächlich auf dem westlichen Kriegsschauplatz angewandt. Dies war natürlich, da ja Deutschland fast die ganze Westküste Europas von 1940 bis zum letzten Kriegsjahr besetzt hielt, und während dieser Zeitspanne die Landkämpfe in Westeuropa sich im allgemeinen auf Kommando-Operationen beschränkten.
Ich gehe nun zur Ostfront über, wo vom Jahre 1941 an in Polen und Rußland schwere Landkämpfe stattfanden. Dort kämpften die deutschen Streitkräfte inmitten einer feindlich eingestellten Bevölkerung und mußten viele Partisanenangriffe hinter der Front abwehren. Meine Beweisführung soll darlegen, daß die Tätigkeit der deutschen Streitkräfte gegen die Partisanen und andere Elemente der Bevölkerung nichts weiter waren, als ein Mittel zur Durchführung der Nazi-und Rassenpolitik und weiterhin als Deckmantel diente für die Massaker von Juden und zahlreichen Teilen der slawischen Bevölkerung, die von den Nazis als unerwünscht betrachtet wurden. Ich will ferner beweisen, daß es die Politik der Wehrmacht war, mit größter Strenge gegen die Zivilbevölkerung der besetzten Gebiete vorzugehen und ihre militärischen Operationen, besonders gegen die Partisanen, so durchzuführen, wie es der Verwirklichung der Nazi-Politik am dienlichsten war.
Ich will ferner beweisen, daß die deutsche Wehrmacht die SS-Gruppen unterstützte, ihnen beistand und mit ihnen zusammenarbeitete, wie es von Major Farr und Oberst Storey bereits dargestellt wurde.
Ich habe nicht die Absicht, eine vollständige oder selbst teilweise Darstellung der Kriegsverbrechen an der Ostfront zu geben. Das wird durch die Sowjetdelegation geschehen. Ich habe auch nicht vor, die Beweisführung, die bereits Oberst Storey und Major Farr gegen die SS, den SD und die Gestapo vorgebracht haben, nochmals zu durchlaufen. Ich will diese Dinge nur insoweit behandeln, als sie notwendig sind, um die Beziehungen zwischen diesen Organisationen[505] und der deutschen Wehrmacht zu klären und deren enge Zusammenarbeit in den besetzten Ostgebieten nachzuweisen.
Das erste Dokument, auf das ich mich beziehe, ist Dokument C-50, Beweisstück US-554.
Dieses Dokument wird beweisen, daß diese Gewaltpolitik offiziell schon vor Beginn des Rußlandfeldzugs festgelegt wurde. Dieses Dokument besteht aus einem Erlaß Hitlers vom 13. Mai 1941 und zwei weiteren Begleitbriefen späteren Datums. Ich bitte den Gerichtshof, auf Seite 4 der Übersetzung besonders darauf zu achten, daß der Befehl von Keitel, dem Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, unterzeichnet ist, und sich außerdem die Verteilung der Ausfertigung zu merken, die unten auf dem zweiten Blatt steht, und die die Verteilung an die Hauptabteilungen des Stabes zeigt. Der Erlaß selbst beginnt auf der dritten Seite, und ich will nun von dort verlesen. Das Dokument trägt den Titel »Erlaß über die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit im Gebiete ›Barbarossa‹ und über besondere Maßnahmen der Truppe«:
»Die Wehrmachtgerichtsbarkeit dient in erster Linie der Erhaltung der Manneszucht.
Die weite Ausdehnung der Operationsräume im Osten, die Form der dadurch gebotenen Kampfesführung und die Besonderheit des Gegners stellen die Wehrmachtgerichte vor Aufgaben, die sie während des Verlaufs der Kampfhandlungen und bis zur ersten Befriedung des eroberten Gebietes bei ihrem geringen Personalstand nur zu lösen vermögen, wenn sich die Gerichtsbarkeit zunächst auf ihre Hauptaufgabe beschränkt.
Das ist nur möglich, wenn die Truppe selbst sich gegen jede Bedrohung durch die feindliche Zivilbevölkerung schonungslos zur Wehr setzt.
Demgemäß wird für den Raum ›Barbarossa‹ (Operationsgebiet, rückwärtiges Heeresgebiet und Gebiet der politischen Verwaltung) folgendes bestimmt:
Behandlung von Straftaten feindlicher Zivilpersonen.
1. Straftaten feindlicher Zivilpersonen sind der Zuständigkeit der Kriegsgerichte und der Standgerichte bis auf weiteres entzogen.
2. Freischärler sind durch die Truppe im Kampf oder auf der Flucht schonungslos zu erledigen.
3. Auch alle anderen Angriffe feindlicher Zivilpersonen gegen die Wehrmacht, ihre Angehörigen und das Gefolge, sind von der Truppe auf der Stelle mit den äußersten Mitteln bis zur Vernichtung des Angreifers niederzukämpfen.
[506] 4. Wo Maßnahmen dieser Art versäumt wurden oder zunächst nicht möglich waren, werden tatverdächtige Elemente sogleich einem Offizier vorgeführt. Dieser entscheidet, ob sie zu erschießen sind.
Gegen Ortschaften, aus denen die Wehrmacht hinterlistig oder heimtückisch angegriffen wurde, werden unverzüglich auf Anordnung eines Offiziers in der Dienststellung mindestens eines Bataillons- usw. Kommandeurs, kollektive Gewaltmaßnahmen durchgeführt, wenn die Umstände eine rasche Feststellung einzelner Täter nicht gestatten.
5. Es wird ausdrücklich verboten, verdächtige Täter zu verwahren, um sie bei Wiedereinführung der Gerichtsbarkeit über Landeseinwohner an die Gerichte abzugeben.
6. Die Oberbefehlshaber der Heeresgruppen können im Einvernehmen mit den zuständigen Befehlshabern der Luftwaffe und der Kriegsmarine die Wehrmachtgerichtsbarkeit über Zivilpersonen dort wieder einführen, wo das Gebiet ausreichend befriedet ist.
Für das Gebiet der politischen Verwaltung ergeht diese Anordnung durch den Chef des Oberkommandos der Wehrmacht.
Behandlung der Straftaten von Angehörigen der Wehrmacht und des Gefolges gegen Landeseinwohner.
1. Für Handlungen, die Angehörige der Wehrmacht und des Gefolges gegen feindliche Zivilpersonen begehen, besteht kein Verfolgungszwang, auch dann nicht, wenn die Tat zugleich ein militärisches Verbrechen oder Vergehen ist.
2. Bei der Beurteilung solcher Taten ist in jeder Verfahrenslage zu berücksichtigen, daß der Zusammenbruch im Jahre 1918, die spätere Leidenszeit des deutschen Volkes und der Kampf gegen den Nationalsozialismus mit den zahllosen Blutopfern der Bewegung entscheidend auf bolschewistischen Einfluß zurückzuführen war, und, daß kein Deutscher dies vergessen hat.
3. Der Gerichtsherr prüft daher, ob in solchen Fällen eine disziplinare Ahndung angezeigt oder, ob ein gerichtliches Einschreiten notwendig ist. Der Gerichtsherr ordnet die Verfolgung von Taten gegen Landeseinwohner im kriegsgerichtlichen Verfahren nur dann an, wenn es die Aufrechterhaltung der Mannszucht oder die Sicherung der Truppe erfordert. Das gilt z.B. für schwere Taten, die auf geschlechtlicher Hemmungslosigkeit beruhen, einer verbrecherischen Veranlagung entspringen oder ein Anzeichen dafür sind, daß die Truppe [507] zu verwildern droht. Nicht milder sind in der Regel zu beurteilen Straftaten, durch die sinnlos Unterkünfte sowie Vorräte oder anderes Beutegut zum Nachteil der eigenen Truppe vernichtet wurden.
Die Anordnung des Ermittlungsverfahrens bedarf in jedem einzelnen Fall der Unterschrift der Gerichtsherrn.
4. Bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Aussagen feindlicher Zivilpersonen ist äußerste Vorsicht geboten.
Verantwortung der Truppenbefehlshaber.
Die Truppenbefehlshaber sind im Rahmen ihrer Zuständigkeit persönlich dafür verantwortlich,
1. daß sämtliche Offiziere der ihnen unterstellten Einheiten über die Grundsätze zu I. rechtzeitig in der eindringlichsten Form belehrt werden,
2. daß ihre Rechtsberater von diesen Weisungen und von den mündlichen Mitteilungen, in denen den Oberbefehlshabern die politischen Absichten der Führung erläutert worden sind, rechtzeitig Kenntnis erhalten,
3. daß nur solche Urteile bestätigt werden, die den politischen Absichten der Führung entsprechen.
Geheimschutz.
Mit der Enttarnung genießt dieser Erlaß nur noch Geheimschutz als geheime Kommandosache.«
Hoher Gerichtshof! Das nächste Dokument ist C-148, Beweisstück US-555. Kaum drei Monate nach Beginn des Rußlandfeldzugs wurde der gerade verlesene Befehl noch erweitert und verschärft. Das Dokument C-148 ist ein Erlaß vom 16. September 1941, der von Keitel unterschrieben ist und allgemein verteilt wurde, wie man auf dem zweiten Blatt, wo der Verteiler angegeben ist, erkennen kann. Dieser Erlaß findet allgemein Anwendung auf allen Kriegsschauplätzen, aber aus seinem Inhalt ist klar zu erkennen, daß er von besonderer Bedeutung für die Ostfront ist.
Ich zitiere vom Anfang des Erlasses:
»Betrifft: Kommunistische Aufstandsbewegung in den besetzten Gebieten.
1. Seit Beginn des Feldzugs gegen Sowjetrußland sind in den von Deutschland besetzten Gebieten allenthalben kommunistische Aufstandsbewegungen ausgebrochen. Die Formen des Vorgehens steigern sich von propagandistischen Maßnahmen und Anschlägen gegen einzelne Wehrmachtangehörige bis zu offenem Aufruhr und verbreitetem Bandenkrieg.
[508] Es ist festzustellen, daß es sich hierbei um eine von Moskau einheitlich geleitete Massenbewegung handelt, der auch die geringfügig erscheinenden Einzelvorfälle in bisher sonst ruhigen Gebieten zur Last zu legen sind.
Angesichts der vielfachen politischen und wirtschaftlichen Spannungen in den besetzten Gebieten muß außerdem damit gerechnet werden, daß nationalistische und andere Kreise diese Gelegenheit ausnutzen, um durch Anschluß an den kommunistischen Aufruhr Schwierigkeiten für die deutsche Besatzungsmacht hervorzurufen.
Auf diese Weise entsteht in zunehmendem Maße eine Gefahr für die deutsche Kriegführung, die sich zunächst in einer allgemeinen Unsicherheit für die Besatzungstruppe zeigt und auch bereits zum Abzug von Kräften nach den hauptsächlichen Unruheherden geführt hat.
2. Die bisherigen Maßnahmen, um dieser allgemeinen kommunistischen Aufstandsbewegung zu begegnen, hat sich als unzureichend erwiesen.
Der Führer hat nunmehr angeordnet, daß überall mit den schärfsten Mitteln einzugreifen ist, um die Bewegung in kürzester Zeit niederzuschlagen.
Nur auf diese Weise, die in der Geschichte der Machterweiterung großer Völker immer mit Erfolg angewandt worden ist, kann die Ruhe wiederhergestellt werden.
3. Hierbei ist nach folgenden Richtlinien zu verfahren:
a) Bei jedem Vorfall der Auflehnung gegen die deutsche Besatzungsmacht, gleichgültig wie die Umstände im einzelnen liegen mögen, muß auf kommunistische Ursprünge geschlossen werden.
b) Um die Umtriebe im Keime zu ersticken, sind beim ersten Anlaß unverzüglich die schärfsten Mittel anzuwenden, um die Autorität der Besatzungsmacht durchzusetzen und einem weiteren Umsichgreifen vorzubeugen. Dabei ist zu bedenken, daß ein Menschenleben in den betroffenen Ländern vielfach nichts gilt und eine abschreckende Wirkung nur durch ungewöhnliche Härte erreicht werden kann. Als Sühne für ein deutsches Soldatenleben muß in diesen Fällen im allgemeinen die Todesstrafe für 50 bis 100 Kommunisten als angemessen gelten. Die Art der Vollstreckung muß die abschreckende Wirkung noch erhöhen.
Das umgekehrte Verfahren, zunächst mit verhältnismäßig milden Strafen vorzugehen und zur Abschreckung sich mit Androhung verschärfter Maßnahmen zu begnügen, entspricht diesen Grundsätzen nicht und ist daher nicht anzuwenden.«
[509] Mit Erlaubnis des Gerichtshofs gehe ich zum vierten Absatz, Seite 2, ganz am Ende des Dokuments über, worin steht:
»4. Die Befehlshaber in den besetzten Gebieten sorgen dafür, daß diese Grundsätze allen militärischen Dienststellen, die mit der Behandlung kommunistischer Aufruhrmaßnahmen befaßt werden, unverzüglich bekanntgegeben werden.
gez. Keitel.«
Hoher Gerichtshof! Das nächste Dokument mit der Nummer D-411 führe ich als Beweisstück US-556 ein. Es hat daneben noch die Bezeichnung UK-81. Es ist das letzte Dokument im Dokumentenbuch 2. Es handelt sich hier um eine Gruppe von Urkunden, in der sich auch eine Anordnung vom 10. Oktober 1941 befindet, die von Generalfeldmarschall von Reichenau stammt, dem Oberbefehlshaber der 6. deutschen Armee, die damals an der Ostfront kämpfte. Reichenau, der im Jahre 1942 starb, war daher ein Mitglied der in der Anklageschrift näher bezeichneten Gruppe, und ich verlese jetzt, was er zu sagen hatte, wobei ich auf Seite 5 der Übersetzung beginne:
»Betrifft: Verhalten der Truppe im Ostraum.
Hinsichtlich des Verhaltens der Truppe gegenüber dem bolschewistischen System bestehen vielfach noch unklare Vorstellungen.
Das wesentlichste Ziel des Feldzuges gegen das jüdisch-bolschewistische System ist die völlige Zerschlagung der Machtmittel und die Ausrottung des asiatischen Einflusses im europäischen Kulturkreis.
Hierdurch entstehen auch für die Truppe Aufgaben, die über das hergebrachte einseitige Soldatentum hinausgehen. Der Soldat ist im Ostraum nicht nur ein Kämpfer nach den Regeln der Kriegskunst, sondern auch Träger einer unerbittlichen völki schen Idee und der Rächer für alle Bestialitäten, die deutschem und artverwandtem Volkstum zugefügt wurden.
Deshalb muß der Soldat für die Notwendigkeit der harten, aber gerechten Sühne am jüdischen Untermenschentum volles Verständnis haben. Sie hat den weiteren Zweck, Erhebungen im Rücken der Wehrmacht, die erfahrungsgemäß stets von Juden angezettelt wurden, im Keime zu ersticken.
Der Kampf gegen den Feind hinter der Front wird noch nicht ernst genug genommen. Immer noch werden heimtückische, grausame Partisanen und entartete Weiber zu Kriegsgefangenen gemacht, immer noch werden halb uniformierte oder in Zivil gekleidete Heckenschützen und Herumtreiber wie anständige Soldaten behandelt und in die[510] Gefangenenlager abgeführt. Ja, die gefangenen russischen Offiziere erzählen hohnlächelnd, daß die Agenten der Sowjets sich unbehelligt auf den Straßen bewegen und häufig an den deutschen Feldküchen mitessen. Ein solches Verhalten der Truppe ist nur noch durch völlige Gedankenlosigkeit zu erklären.
Dann ist es aber für die Vorgesetzten Zeit, den Sinn für den gegenwärtigen Kampf wachzurufen.
Das Verpflegen von Landeseinwohnern und Kriegsgefangenen, die nicht im Dienst der Wehrmacht stehen, an Truppenküchen ist eine ebenso mißverstandene Menschlichkeit wie das Verschenken von Zigaretten und Brot. Was die Heimat unter großer Entsagung entbehrt, was die Führung unter größten Schwierigkeiten nach vorne bringt, hat nicht der Soldat an den Feind zu verschenken, auch nicht, wenn es aus der Beute stammt. Sie ist ein notwendiger Teil unserer Versorgung.
Die Sowjets haben bei ihrem Rückzug häufig Gebäude in Brand gesteckt. Die Truppe hat nur soweit ein Interesse an Löscharbeiten, als notwendige Truppenunterkünfte erhalten werden müssen. Im übrigen liegt das Verschwinden der Symbole einstiger Bolschewistenherrschaft, auch in Gestalt von Gebäuden, im Rahmen des Vernichtungskampfes. Weder geschichtliche noch künstlerische Rücksichten spielen hierbei im Ostraum eine Rolle. Für die Erhaltung der wehrwirtschaftlich wichtigen Rohstoffe und Produktionsstätten gibt die Führung die notwendigen Weisungen.
Die restlose Entwaffnung der Bevölkerung im Rücken der fechtenden Truppe ist mit Rücksicht auf die langen, empfindlichen Nachschubwege vordringlich, wo möglich, sind Beutewaffen und Munition zu bergen und zu bewachen. Erlaubt dies die Kampflage nicht, so sind Waffen und Munition unbrauchbar zu machen. Wird im Rücken der Armee Waffengebrauch einzelner Partisanen festgestellt, so ist mit drakonischen Maßnahmen durchzugreifen. Diese sind auch auf die männliche Bevölkerung auszudehnen, die in der Lage gewesen wäre, Anschläge zu verhindern oder zu melden. Die Teilnahmslosigkeit zahlreicher angeblich sowjetfeindlicher Elemente, die einer abwartenden Haltung entspricht, muß einer klaren Entscheidung zur aktiven Mitarbeit gegen den Bolschewismus weichen. Wenn nicht, kann sich niemand beklagen, als Angehöriger des Sowjet-Systems gewertet und behandelt zu werden. Der Schrecken vor den deutschen Gegenmaßnahmen muß stärker sein als die Drohung der umherirrenden bolschewistischen Restteile. Fern von allen [511] politischen Erwägungen der Zukunft hat der Soldat zweierlei zu erfüllen:
1.) die völlige Vernichtung der bolschewistischen Irrlehre, des Sowjet-Staates und seiner Wehrmacht,
2.) die erbarmungslose Ausrottung artfremder Heimtücke und Grausamkeit und damit die Sicherung des Lebens der deutschen Wehrmacht in Rußland.
Nur so werden wir unserer geschichtlichen Aufgabe gerecht, das deutsche Volk von der asiatisch- jüdischen Gefahr ein für allemal zu befreien.
Der Oberbefehlshaber gez. von Reichenau.«
Ich möchte die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf das Blatt lenken, das unmittelbar vor Reichenaus Befehl im Buch eingeordnet ist. Es ist dies Blatt 4 der Übersetzung, und zwar ein Memorandum vom 28. Oktober 1941, aus dessen Inhalt ersichtlich ist, daß Reichenaus Befehl mit Hitlers Einverständnis ergangen ist und demgemäß auf Befehl des Oberbefehlshabers des Heeres in Umlauf gesetzt wurde.
Der Gerichtshof wird ferner feststellen, und zwar auf Blatt 1, daß Reichenaus Befehl auch bis zu den Divisions-Kommandeuren herunter verteilt wurde und am 27. November 1941 bei der 12. Infanterie-Division einging.
Wenn dies schon die Richtlinien und die Politik darstellt, die von den deutschen militärischen Führern vorgeschrieben wurde, dann darf man sich nicht darüber wundem, daß die Wehrmacht sich an dem unmenschlichen Verhalten und der Tätigkeit der SS und des SD an der Ostfront beteiligte.
Oberst Storey hat dem Gerichtshof bereits die Bildung der Einheiten durch die Sipo und den SD beschrieben, die als »Einsatzgruppen« bekannt sind. Sie wurden in und hinter den Operationsgebieten der Ostfront zur Bandenbekämpfung und zur Säuberung und Befriedung der Zivilbevölkerung eingesetzt, Major Farr und Oberst Storey haben dem Gerichtshof bereits viele Beweise dafür vorgelegt, aus denen ersichtlich ist, in welcher Art diese Einsatzgruppen arbeiteten.
Ich will nur kurz auf einige dieser Dokumente zurückkommen, um die Teilnahme der Wehrmacht an diesen Verhältnissen zu veranschaulichen.
Oberst Storey hat ausführlich aus der Urkunde 3012-PS, Beweisstück US-190, vom 19. März 1943, vorgetragen, die eine Anweisung eines zu dieser Gruppe gehörenden Befehlshabers darstellt. Diese Anweisung lobte und rechtfertigte solche Maßnahmen, die Erschießung ungarischer Juden, die Erschießung von Kindern und die vollkommene Niederbrennung von Dörfern und ordnete im [512] übrigen an, daß »keine weiteren Kinder zu erschießen seien«, um die Erfassung von Arbeitskräften für die deutsche Rüstungsindustrie nicht zu behindern.
Major Farr verlas ebenfalls aus Urkunde R-102, Beweisstück US-470, einen Bericht über die Tätigkeit der Einsatzgruppen in den von Deutschland besetzten Gebieten Sowjet-Rußlands während des Monats Oktober 1941.
In diesem Bericht wird auf Seite 7 in zynischer Weise erklärt:
»Spontane Kundgebungen gegen das Judentum mit anschließenden Pogromen seitens der Bevölkerung gegen die zurückgebliebenen Juden waren nicht zu verzeichnen, da es an einer entsprechenden Aufklärung fehlte.«
Man kann hier sehr deutlich erkennen, daß »Befriedung« und »Maßnahmen zur Bandenbekämpfung« nichts weiter waren als Decknamen für die Ausrottung der Juden, gerade so wie »Weserübung« nur der Deckname war für die Invasion Norwegens und Dänemarks.
Wir haben in dem soeben verlesenen Dokument gesehen, daß die deutsche Wehrmacht ähnliche Weisungen und Richtlinien erhalten hatte. Es bleibt nur zu zeigen, daß Wehrmacht und SS im Felde Hand in Hand zusammenarbeiteten.
Der Gerichtshof wird sich des Dokuments erinnern, das Major Walsh verlesen hat, und das als Dokument 1061-PS, Beweisstück US-275, bereits vorgelegt wurde. Dieses Dokument beschreibt die Zerstörung des Warschauer Ghettos; ich möchte im Augenblick nur auf einen Absatz hinweisen, und zwar auf Seite 6 der Übersetzung, der dritte Absatz von unten, in dem der Verfasser des Dokuments die enge Zusammenarbeit zwischen der SS und der Wehrmacht betont. Ich werde diesen einen Absatz verlesen:
»Je länger der Widerstand andauerte, desto härter wurden die Männer der Waffen-SS, der Polizei und der Wehrmacht, die auch hier in treuer Waffenbrüderschaft unermüdlich an die Erfüllung ihrer Aufgaben herangingen und stets beispielhaft und vorbildlich ihren Mann standen. Der Einsatz ging oft vom frühen Morgen bis in die späten Nachtstunden. Nächtliche Spähtrupps, mit Lappen um die Füße gewickelt, blieben den Juden auf den Fersen und hielten sie ohne Unterbrechung unter Druck. Nicht selten wurden Juden, welche die Nacht benutzten, um aus verlassenen Bunkern ihre Lebensmittelvorräte zu ergänzen oder mit Nachbargruppen Verbindung aufnehmen bezw. Nachrichten auszutauschen, gestellt und erledigt.«
Ähnlichen Inhalt hat auch das Dokument R-135, Beweisstück US-289, ein Bericht des deutschen Generalkommissars von Minsk vom 5. Juni 1943. Major Farr hat bereits Teile aus diesem Dokument [513] verlesen, in dem eine Operation zur Bandenbekämpfung beschrieben wird, bei der 4500 Feindangehörige, 5000 bandenverdächtige und 59 deutsche Tote gezählt wurden. Die Beteiligung der deutschen Armee bei der Operation ersieht man aus dem folgenden Auszug, der sich unten auf Seite 3 der Übersetzung befindet und den ich nunmehr verlese:
»Die genannten Zahlen zeigen, daß auch hier wieder mit einer sehr starken Vernichtung der Bevölkerung zu rechnen ist. Wenn bei 4500 Feindtoten nur 492 Gewehre erbeutet wurden, dann zeigt dieser Unterschied, daß sich auch unter diesen Feindtoten zahlreiche Bauern des Landes befinden. Besonders das Bataillon Dirlewanger ist dafür bekannt, daß es zahlreiche Menschenleben vernichtet. Unter den 5000 Bandenverdächtigen, die erschossen wurden, befinden sich zahlreiche Frauen und Kinder.
Auf Anordnung des Chefs der Bandenbekämpfung, SS-Obergruppenführer von dem Bach, haben auch Einheiten der Wehrmannschaften an dem Unternehmen teilgenommen. SA-Standartenführer Kunze hat die Wehrmannschaften geführt, zu denen auch 90 Angehörige meiner Behörde und des Gebietskommissariats Minsk-Stadt gehörten. Unsere Männer sind gestern ohne Verluste von dem Unternehmen zurückgekehrt.«
Ich erachte es nicht für notwendig, den Rest zu verlesen. Der nächste Absatz zeigt wiederum die Teilnahme der Wehrmacht.
Der SS-Obergruppenführer von dem Bach, der hier genannt wurde, wird später als Zeuge vernommen werden. Ich möchte den Gerichtshof in diesem Zusammenhang auf das Dokument 1919-PS, Beweisstück US-170, aufmerksam machen, das Himmlers Rede vom 4. Oktober 1943 enthält, die er vor einer Gruppe von SS-Generalen in Posen gehalten hat. In dieser Rede sprach Himmler von der Ernennung von dem Bachs zum Chef der Bandenkampfverbände. Ich verlese nur einen Absatz auf Seite 3 des Dokuments, und zwar lediglich zur Identifizierung des Zeugen:
»Chef der Bandenkampf-Verbände:
Inzwischen habe ich in dieser Zeit auch noch die Dienststelle des Chefs der Bandenkampf-Verbände eingerichtet. Chef der Bandenkampf-Verbände ist unser Kamerad SS-Obergruppenführer von dem Bach. Ich habe es für notwendig gehalten, daß der Reichsführer-SS der maßgebliche Befehlshaber für alle diese Kämpfe ist, da ich die Überzeugung habe, daß wir am besten gegen diesen ausgesprochen politischen Kampf unserer Gegner anzugehen in der Lage sind. Wir haben, soweit uns die dafür bereitgestellten und von uns aufgestellten Verbände nicht immer wieder zum Stopfen von[514] Lücken an der Front weggenommen wurden, sehr gute Erfolge gehabt.«
Und nun habe ich noch eine Urkunde, die ebenfalls schon als Beweismaterial vorliegt, und zwar L-180, Beweisstück US-276. Es ist dies der Bericht der Einsatzgruppe A für die Zeitspanne bis zum 15. Oktober 1941. Meiner Ansicht nach ergibt sich aus den Auszügen, die ich verlesen werde, einwandfrei, daß die deutschen militärischen Führer und die Wehrmacht an der Tätigkeit dieser Einsatzgruppen beteiligt waren. Ich lese zuerst auf Seite 2 der Übersetzung oben:
»Die Einsatzgruppe A marschierte befehlsgemäß am 23. Juni 1941, dem zweiten Tage des Ostfeldzuges, nachdem die Fahrzeuge in einsatzfähigen Zustand versetzt worden waren, in den Bereitstellungsraum ab. Die Heeresgruppe Nord mit der 16. und 18. Armee und der Panzergruppe 4 hatte tags zuvor den Vormarsch angetreten. Es handelt sich nun darum, in aller Eile persönlich mit den Armeeführern wie auch mit dem Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes Fühlung aufzunehmen. Von vornherein kann betont werden, daß die Zusammenarbeit mit der Wehrmacht im allgemeinen gut, in Einzelfällen, wie z.B. mit der Panzergruppe 4 unter Generaloberst Hoeppner, sehr eng, ja fast herzlich war. Mißverständnisse, die in den ersten Tagen mit einzelnen Stellen entstanden waren, wurden durch persönliche Aussprachen im wesentlichen erledigt.«
Damit endet dieser besondere Auszug. Ich verlese nun eine Reihe weiterer Auszüge, zunächst den Schluß von Seite 2:
»Ebenso wurden schon in den ersten Stunden nach dem Einmarsch, wenn auch unter erheblichen Schwierigkeiten, einheimische antisemitische Kräfte zu Pogromen gegen die Juden veranlaßt. Befehlsgemäß war die Sicherheitspolizei entschlossen, die Judenfrage mit allen Mitteln und aller Entschiedenheit zu lösen. Es war aber nicht unerwünscht, wenn sie zumindest nicht sofort bei den doch ungewöhnlich harten Maßnahmen, die auch in deutschen Kreisen Aufsehen erregen mußten, in Erscheinung trat. Es mußte nach außen gezeigt werden, daß die einheimische Bevölkerung selbst als natürliche Reaktion gegen jahrzehntelange Unterdrückung durch die Juden und gegen den Terror durch die Kommunisten in der vorangegangenen Zeit die ersten Maßnahmen von sich aus getroffen hat.«
Ich gehe dann auf Seite 4 der Übersetzung über, ungefähr auf der Mitte der Seite:
»Nachdem die rein militärische Bekämpfung durch Gestellung von Wachen oder durch Einsatz auch ganzer Divisionen zum Durchkämmen der neubesetzten Gebiete versagt hatte, mußte [515] auch die Wehrmacht sich nach neuen Methoden umsehen. Gerade die Suche nach Methoden machte sich aber die Einsatzgruppe, zur wesentlichen Aufgabe. Die Wehrmacht hat sich daher auch bald die Erfahrungen der Sicherheitspolizei und ihre Methoden der Bekämpfung der Partisanen zu eigen gemacht. Im einzelnen verweise ich hierbei auf die zahlreichen Berichte über die Bekämpfung der Partisanen.«
Ich gehe dann auf Seite 6 über zu dem Kapitel: »Auslösung von Selbstreinigungsaktionen«.
»Auf Grund der Erwägung, daß die Bevölkerung der Baltischen Länder während der Zeit ihrer Eingliederung in die USSR unter der Herrschaft des Bolschewismus und des Judentums aufs schwerste gelitten hatte, war anzunehmen, daß sie nach der Befreiung von dieser Fremdherrschaft die nach dem Rückzug der Roten Armee im Lande verbliebenen Gegner in weitgehendem Maße selbst unschädlich machen würde. Aufgabe der Sicherheitspolizei mußte es sein, die Selbstreinigungsbestrebungen in Gang zu setzen und in die richtigen Bahnen zu lenken, um das gesteckte Säuberungsziel so schnell wie möglich zu erreichen. Nicht minder wesentlich war es, für die spätere Zeit die feststehende und beweisbare Tatsache zu schaffen, daß die befreite Bevölkerung aus sich selbst heraus zu den härtesten Maßnahmen gegen den bolschewistischen und jüdischen Gegner gegriffen hat, ohne daß eine Anweisung deutscher Stellen erkennbar ist.
In Litauen gelang dies zum erstenmal in Kauen durch den Einsatz der Partisanen. Es war überraschenderweise zunächst nicht einfach, dort ein Judenpogrom größeren Ausmaßes in Gang zu setzen. Dem Führer der oben bereits erwähnten Partisanengruppe, Klimatis, der hierbei in erster Linie herangezogen wurde, gelang es, auf Grund der ihm von dem in Kauen eingesetzten kleinen Vorkommando gegebenen Hinweise ein Pogrom einzuleiten, ohne daß nach außen irgendein deutscher Auftrag oder eine deutsche Anregung erkennbar wurde. Im Verlauf des ersten Pogroms in der Nacht vom 25. zum 26. Juni wurden über 1500 Juden von den litauischen Partisanen beseitigt, mehrere Synagogen angezündet oder anderweitig zerstört und ein jüdisches Wohnviertel mit rund 60 Häusern niedergebrannt. In den folgenden Nächten wurden in derselben Weise 2300 Juden unschädlich gemacht. In anderen Teilen Litauens fanden nach dem in Kauen gegebenen Beispiel ähnliche Aktionen, wenn auch in kleinerem Umfange, statt, die sich auch auf zurückgebliebene Kommunisten erstreckten.
[516] Durch Unterrichtung der Wehrmachtsstellen, bei denen für dieses Vorgehen durchweg Verständnis vorhanden war, liefen die Selbstreinigungsaktionen reibungslos ab. Dabei war es von vornherein selbstverständlich, daß nur die ersten Tage nach der Besetzung die Möglichkeit zur Durchführung von Pogromen boten. Nach der Entwaffnung der Partisanen hörten die Selbstreinigungsaktionen zwangsläufig auf.«
Und nun weiter auf Seite 10 der Übersetzung, unten auf der Seite unter der Überschrift: »Sonstige sicherheitspolizeiliche Arbeiten«.
»Gelegentlich machten die Zustände in den Irren anstalten sicherheitspolizeiliche Maßnahmen erforderlich.«
Ich gehe dann zum nächsten Absatz über:
»In einigen Fällen baten Wehrmachtsdienststellen, auch andere Anstalten, die für Quartierzwecke benötigt wurden, in der gleichen Weise zu säubern. Da hier jedoch sicherheitspolizeiliche Belange ein Eingreifen nicht erforderlich machten, wurde den Wehrmachtsstellen anheimgestellt, mit eigenen Kräften die für notwendig erachteten Maßnahmen zu treffen.«
Und dann auf Seite 17 der Übersetzung der Absatz oben auf der Seite: »Nachdem die Entscheidung...«
VORSITZENDER: Oberst Taylor, haben Sie Absatz 5 (1) auf Seite 10 gelesen?
OBERST TAYLOR: Fünfter Abschnitt, erster Unterabschnitt, auf Seite 10? Ich habe den ersten Teil verlesen, Herr Vorsitzender! Falls der Gerichtshof wünscht, daß ich den ganzen Absatz verlese...
VORSITZENDER: Vielleicht können Sie ihn ganz verlesen.
OBERST TAYLOR:
»Gelegentlich machten die Zustände in den Irrenanstalten sicherheitspolizeiliche Maßnahmen erforderlich. Zahlreiche Anstalten waren von den Russen beim Rückzug aller Verpflegungsvorräte beraubt worden. Das Bewachungs- und Pflegeperso nal war vielfach geflüchtet. Da die Insassen aus verschiedenen Anstalten ausbrachen und zu einer Gefahr für die Sicherheit wurden, wurden in Aglona (Litauen) 544 Geisteskranke, in Mariampol (Litauen) 109 Geisteskranke und in Mogutowo (bei Luga) 95 Geisteskranke liquidiert.«
Ich kehre nun zu Seite 17, dem ersten Absatz, zurück:
»Nachdem die Entscheidung ergangen war, daß Petersburg in den Bereich der deutschen Operationen hineingenommen wird, und der Einsatz der Gruppe A sich zusätzlich auf diese Stadt zu erstrecken hat, habe ich am 18. Juli 1941 Teile der EK 2 und 3 und des Gruppenstabes nach Novosselje vorgezogen, um diesen Einsatz vorzubereiten und möglichst [517] frühzeitig in den Raum um Petersburg und in diese Stadt vorstoßen zu können. Das Vorziehen der für Petersburg vorgesehenen Kräfte der Einsatzgruppe A erfolgte gemäß Vereinbarung und auf ausdrücklichen Wunsch der Panzergruppe 4.«
Und nun das letzte Zitat aus diesem Dokument auf Seite 18, letzter Absatz:
»Die Einsatzkommandos der Einsatzgruppe A der Sicherheitspolizei haben sich von Anfang an an der Bekämpfung des Partisanenunwesens beteiligt. Eine enge Zusammenarbeit mit der Wehrmacht und der Austausch der bei der Partisanenbekämpfung gesammelten Erfahrungen brachte im Laufe der Zeit eine genaue Kenntnis über die Entste hung, Organisation, Stärke, Ausrüstung und Arbeitsweise der roten Partisanen.«
In Anbetracht der Bedeutsamkeit dieser Dokumente möchte ich noch auf einige der restlichen eidesstattlichen Erklärungen hinweisen, die dem Gerichtshof bereits in dem Dokumentenbuch I vorgelegt worden sind. Sie sind von verantwortlichen, offiziellen Vertretern sowohl der Wehrmacht als auch der SS abgegeben worden und stellen die Dokumente in das richtige Licht.
Die eidesstattliche Erklärung Nummer 12 ist von Schellenberg abgegeben worden. Da ihr Inhalt bereits in Schellenbergs und Ohlendorfs Vernehmung gebracht wurde, möchte ich sie nicht verlesen. Sie bezieht sich im wesentlichen auf die gleichen Dinge, und ich sehe keine Notwendigkeit, die Zeit des Gerichtshofs für eine nochmalige Verlesung in Anspruch zu nehmen. Ich möchte sie gern als vorgebracht betrachtet sehen, entsprechend der allgemeinen Regel, daß Schellenberg über die Fragen seitens der Verteidigung vernommen werden kann. Diese eidesstattliche Erklärung ist in französischer und russischer sowohl als auch in englischer Sprache vorhanden und natürlich auch in deutscher für die Verteidigung; somit werde ich dieser ein Exemplar übergeben:
Ich wende mich nun der eidesstattlichen Erklärung Nummer 13 zu, Dokument 3711-PS, US-558. Schellenbergs Erklärung ist Dokument 3710-PS, US-557; Nummer 13 ist US-558.
Diese Erklärung stammt von Wilhelm Scheidt, einem früheren Hauptmann des deutschen Heeres, der in der kriegsgeschichtlichen Abteilung des OKW von 1941 bis 1945 arbeitete. Sie wirft ein beträchtliches Licht auf die Beziehungen zwischen den führenden Stellen der Wehrmacht und der SS bei der Partisanenbekämpfung. Ich werde diese Erklärung jetzt verlesen:
»Ich, Wilhelm Scheidt, gehörte vom Jahre 1941 bis 1945 der Kriegsgeschichtlichen Abteilung des Oberkommandos der Wehrmacht an.
[518] Zur Frage des Partisanenkrieges erkläre ich, daß mir folgendes aus meiner Kenntnis der Akten des Wehrmachtführungsstabes sowie aus meinen Gesprächen mit Generalmajor Walter Scherff, dem Beauftragten des Führers für die militärische Geschichtschreibung, im Führerhauptquartier erinnerlich ist:
Die Bekämpfung der Partisanen war ursprünglich eine Aufgabe des Reichsführers-SS Heinrich Himmler gewesen, zu deren Lösung Polizeikräfte eingesetzt waren. Im Jahre 1942 und 1943 nahm jedoch der Kampf mit den Partisanen einen solchen Umfang an, daß ihm auch die Wehrmachtführung besondere Aufmerksamkeit schenken mußte. In der Operationsabteilung des Heeres innerhalb des Wehrmachtführungsstabes erhielt ein besonderer Offizier die Bearbeitung des Kampfes gegen die Partisanen als Spezialaufgabe. Es erwies sich als nötig, daß auch mit Kräften der Wehrmacht sowohl im russischen wie im jugoslawischen Raum großangelegte Operationen zur Bekämpfung der Partisanen durchgeführt wurden. Die Tätigkeit der Partisanen drohte lange Zeit hindurch die lebenswichtigen Verbindungs- und Transportlinien der deutschen Wehrmacht abzuschneiden. Über die Anschläge auf die Eisenbahnlinien im besetzten Rußland wurde deshalb zum Beispiel eine monatliche Zusammenstellung herausgegeben, aus der hervorging, daß es sich allein im russischen Raum monatlich um jeweils 800 bis 1000 Anschläge handelte, denen unter anderem monatlich 200 bis 300 Lokomotiven zum Opfer fielen.
Es war eine allgemein bekannte Tatsache, daß der Partisanenkrieg von beiden Seiten mit Grausamkeit geführt wurde. Auch war es bekannt, daß Repressalien gegen Geiseln und Ansiedlungen, deren Bewohner verdächtig waren, Partisanen zu sein oder solche unterstützt zu haben, angewandt wurden. Es steht außer Frage, daß diese Tatsachen den führenden Offizieren im WFSt und im Generalstab des Heeres bekannt gewesen sein müssen. Es war weiterhin bekannt, daß Hitler der Ansicht war, daß im Kampf gegen die Partisanen nur die Anwendung von grausamen Abschreckungsstrafen erfolgreich sein könne.
Ich erinnere mich, daß der SS-Gruppenführer Fegelein anläßlich des polnischen Aufstands in Warschau den Generalobersten Guderian und Jodl Einzelheiten über die Grausamkeiten der russischen SS-Brigade Kaminski berichtete, welche auf deutscher Seite kämpfte.«
[519] Diese soeben verlesenen Dokumente sowie die Zeugenaussage von Ohlendorf und Schellenberg beziehen sich auf die Vereinbarungen, die zwischen dem OKW, dem OKH und Himmlers Hauptquartier wegen der Bekämpfung des Partisanenwesens getroffen wurden. Sie zeigen deutlich, daß die Vereinbarungen gemeinsam erfolgten, und daß das Oberkommando der Wehrmacht nicht nur von diesen Plänen wußte, sondern sich an ihnen auch aktiv beteiligte.
Indem ich mich nunmehr der Front zuwende, möchte ich drei Aussagen des Generals Hans Röttiger verlesen; es sind dies die eidesstattlichen Erklärungen Nummer 15 und 16, Dokument 3713-PS, US-559, und Dokument 3714-PS, US-560. General Röttiger war General der Panzertruppen, was einem »Lieutenant-General« in der amerikanischen Armee entspricht. Er war während der Zeit, über die er aussagt, Chef der 4. Armee und später der Heeresgruppe Mitte an der Ostfront.
Die erste Aussage lautet wie folgt:
»Als Chef des Genst. der 4. Armee vom Mai 1942 bis Juni 1943, zu der auch späterhin das Gebiet der 9. Armee trat, hatte ich mehrfach Gelegenheit, mich mit der Bandenbekämpfung dienstlich zu befassen.
Für die Durchführung dieser Kampfhandlungen war für die Truppe von höchster Stelle, wie z.B. auch vom Oberkommando des Heeres angeordnet, mit schärfsten Mitteln durchzugreifen. Diese Kampfhandlungen wurden mit Truppen der Heeresgruppe und der Armee, wie z.B. Sicherungsbataillonen durchgeführt.
Anfangs wurden gemäß den auf dem Dienstwege gegebenen Befehlen nur wenige Gefangene gemacht. Gemäß Befehl wurden Juden, politische Kommissare und Agenten dem SD übergeben.
Die in den offiziellen Berichten erwähnten Gefallenen des Feindes waren sehr groß gegenüber unseren eigenen Gefallenen.
Ich bin erst jetzt auf Grund der mir vorgelegten Dokumente zu der Erkenntnis gekommen, daß mit der Anordnung zur schärfsten Durchführung des Bandenkampfes von höchster Stelle möglicherweise im Endziel der Zweck verfolgt wurde, den militärischen Bandenkampf des Heeres auch dazu auszunutzen, die rücksichtslose Liquidierung des Judentums und anderer unerwünschter Elemente zu ermöglichen.«
Die zweite Aussage:
»In Ergänzung meiner ersten Erklärung vom 8. Dezember 1945 erkläre ich:
[520] Wie ich auch in meiner mündlichen Aussage am 28. November 1945 betont habe, hat mein damaliger Oberbefehlshaber der 4. Armee die Truppe mehrfach darauf hingewiesen, den Bandenkampf nicht härter zu führen, als es die jeweilige Lage tatsächlich erforderte. Der Kampf sollte nur dann bis zur Vernichtung des Gegners geführt werden, wenn alle Versuche, ihn zur Übergabe zu veranlassen, fehl schlügen. Abgesehen von humanen Gründen, hatten wir selbst ein Interesse daran, Gefangene zu machen, da sehr viele von diesen sehr gut als Angehörige von freiwilligen landeseigenen Bandenbekämpfungstruppen zu verwenden waren.
Neben der notwendigen aktiven Bandenbekämpfung wurde immerfort propagandistisch auf die Banden und auch auf die Bevölkerung eingewirkt, um diese mit gütlichen Mitteln dazu zu veranlassen, von dem Bandenunwesen abzulassen. So wurden z.B. auch die Frauen immer wieder aufgefordert, ihre Männer aus dem Busch zu holen oder sie sonstwie von dem Eintritt in die Banden abzuhalten. Diese Propagandaarbeit hatte auch gute Erfolge. So war das Gebiet der 4. Armee im Frühjahr 1943 fast so gut wie bandenfrei. Lediglich an den Grenzen machten sich damals vorübergehend Banden bemerkbar, als diese aus Nachbargebieten in das Gebiet der 4. Armee hinüberwechselten. Die Armee mußte daher auch Sicherungskräfte an die südliche Nachbararmee auf Befehl der Heeresgruppe Mitte abgeben.«
Die dritte Aussage Röttigers, Nummer 16:
»Während meiner Dienstzeit vom Mai 1942 bis Juni 1943 als Chef der 4. Armee der Heeresgruppe Mitte, waren SD-Einheiten am Anfang zugeteilt, um angeblich Abwehrdienste im Operationsgebiet der Armee zu leisten. Es stellte sich später heraus, daß diese SD-Einheiten unter der ansässigen Bevölkerung große Aufregung verursachten, die zur Folge hatte, daß mein Vorgesetzter den Oberbefehlshaber der Heeresgruppe, Generalfeldmarschall von Kluge, darum bat, die SD-Einheiten aus dem Frontgebiet zurückzukommandieren, was dann unmittelbar geschah. Der Grund dafür lag vor allen Dingen darin, daß die Ausschweifungen der SD- Einheiten durch Exekutionen von Juden und anderen Personen Ausmaße annahmen, daß eine Bedrohung für die Sicherheit der Armee in ihrem Kampfgebiet durch die empörte Zivilbevölkerung bestand. Obwohl man allgemein über die Sonderaufgaben der SD-Einheiten Bescheid wüßte und dies ja auch anscheinend mit Wissen der obersten Wehrmachtführung geschah, traten wir deren Methoden weitmöglichst entgegen, da die soeben erwähnte Gefährdung der eigenen Truppe bestand.«
[521] Ich möchte nun ein letztes Dokument vorlegen, 1786-PS, Beweisstück US-561. Es handelt sich hierbei um einen Auszug aus dem Kriegstagebuch des stellvertretenden Chefs der Wehrmacht, Operationsstab, vom 14. März 1943. Ich möchte die beiden letzten Abschnitte verlesen, die das Problem der Verschickung verdächtiger Partisanen in Konzentrationslager nach Deutschland behandeln.
Der Gerichtshof kann aus dem Auszug, den ich verlesen will, ersehen, daß das Heer darauf bedacht war, verdächtige Partisanen möglichst streng zu behandeln, ohne jedoch gleichzeitig die Beschaffung von Arbeitskräften in den besetzten Gebieten zu behindern.
Ich zitiere die beiden letzten Absätze:
»Der Generalquartiermeister hat zusammen mit dem Wirtschafts-Stab Ost vorgeschlagen, die zu verschickenden Personen entweder den Gefangenenlagern oder der ›Arbeitserziehung im eigenen Bezirk‹ zuzuführen und Verschickung ins Reich nur bei Bewährung und in leichteren Fällen vorzunehmen. Nach Auffassung des WFSt trägt dieser Vorschlag der erforderlichen Härte nicht genügend Rechnung und führt zu einer Gleichstellung mit der zu Arbeiten herangezogenen ›friedlichen Bevölkerung‹; er empfiehlt daher die Überführung in Konzentrationslager des Reiches, die der Reichsführer-SS für seinen Bereich bereits eingeführt hat und im Falle der Ausdehnung auf den Bereich der Wehrmacht auch diese durchzuführen bereit ist. Das OKW befiehlt daher die Übergabe der nicht zu exekutierenden Bandenhelfer und -verdächtigen an den zuständigen Höh. SS- und Polizeiführer und ordnet an, daß gegenüber der Bevölkerung der Unterschied zwischen ›Strafarbeit‹ und dem ›Arbeitseinsatz im Reich‹ klar herauszustellen ist.«
Schließlich möchte ich vier eidesstattliche Erklärungen vorlegen, die zeigen, daß die Bekämpfung der Partisanen an der Ostfront unter dem Befehl der Wehrmacht stand, und von ihr unterstützt wurde, und daß die Natur der Maßnahmen der Wehrmacht völlig bekannt war.
Zunächst die Erklärung 17, Dokument 3715-PS, US-562, von Ernst Rode, SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei und Mitglied des persönlichen Befehlsstabs Himmler von 1943 bis 1945:
»Ich, Ernst Rode, war früher der Chef des Kommandostabs RFSS und übernahm diesen Posten im Frühjahr 1943 als Nachfolger des früheren SS- Obergruppenführers Kurt Knoblauch. Mein letzter Dienstgrad war Generalmajor der Polizei und Waffen-SS. Meine Aufgabe war, den jeweiligen Höheren SS- und Polizeiführern in der Bandenbekämpfung die erforderlichen Kräfte zuzuführen und die Unterstützung durch [522] Kräfte des Heeres sicherzustellen. Dies geschah in unmittelbaren Besprechungen mit den führenden Offizieren des WFSt im OKW und OKH, also mit den Generalen Warlimont, v. Buttlar, mit den Generalobersten Guderian und Zeitzler, General Heusinger, später General Wenk, Oberst Graf Kielmannsegg, später Oberst von Bonin.
Da im Operationsgebiet auch die Bandenbekämpfung unter dem ausschließlichen Befehl des betreffenden Oberbefehlshabers der Heeresgruppe stand (wie z.B. in der HGr. Mitte bei Feldmarschall Kluge, später Busch) und die Polizeitruppen meist in den Reichskommissariaten unabkömmlich waren, lag die Kampfführung fast immer gänzlich in den Händen des Heeres. Entsprechend geschah auch die Befehlsgebung nicht etwa durch Himmler, sondern durch das OKH. Derselben Befehlsgebung waren auch die SS- und Polizeitruppen unterworfen, die zur Unterstützung der Heeresgruppen aus den Reichskommissariaten in das Operationsgebiet abgestellt waren. Diese Abstellung geschah zum Nachteile der Bandenbekämpfung in den Reichskommissariaten sehr oft. Die Führung in den einzelnen Unternehmungen lag gemäß einer ausdrücklichen Vereinbarung Himmlers mit OKW und OKH immer in Händen desjenigen Truppenführers, der über das größte Truppenkontingent verfügte. Es konnte also passieren, daß ein General des Heeres SS und Polizei unterstellt bekam, umgekehrt aber auch, daß einem SS- und Polizeigeneral Truppen des Heeres unterstellt wurden. Bandenbekämpfung im Operationsgebiet konnte von Himmler niemals befohlen werden. Dieses konnte nur durch mich beim OKH angeregt werden, meist auf Veranlassung des Generalquartiermeisters Wagner bis 1944, oder des Staatssekretärs Ganzenmüller. Das OKH gab dann der in Frage kommenden Heeresgruppe die entsprechenden Befehle zur Durchführung.
Die Härte und Grausamkeiten, mit der der an sich heimtückische Bandenkampf vom Russen geführt wurde, hatte bereits im Jahre 1942 zu drako nischen Befehlen für die Kampfführung seitens Hitlers geführt. Diese Befehle, die durch OKW und OKH der Truppe bekanntgegeben wurden, galten selbstverständlich genau so für die Truppen des Heeres als wie diejenigen der SS und Polizei. Ihre Kampfführung hat sich in der Form bestimmt in nichts unterschieden. Der Soldat des Heeres war genau so verbittert gegen den Feind wie der Soldat der SS und Polizei. Infolge dieser Verbitterung wurden die Befehle rücksichtslos von beiden Seiten durchgeführt, was dem Wunsche oder Absichten Hitlers ja auch entsprach. Als Beweis kann man ja den Befehl des OKW und OKH anführen, der bestimmte, daß alle gefangenen Bandenangehörigen, wie [523] z.B. Juden, Agenten und politische Kommissare, von der Truppe unverzüglich dem SD zwecks Sonderbehandlung zu übergeben sind. Außerdem enthielt dieser Befehl damals die Anordnung, daß im Bandenkampf keinerlei Gefangene, außer den obengenannten zu machen sind. Daß der Bandenkampf auch von den Truppen des Heeres gnadenlos bis aufs Messer geführt wurde, weiß ich aus Unterhaltungen mit Truppenführern des Heeres, z.B. General Herzog, Kommandeur des XXXVIII. AK. und seines Chefs, Oberst i. G. Pamberg, die mir meine Auffassung bestätigten. Heute ist es mir klar, daß der Bandenkampf allmählich der Vorwand wurde, das Judentum und Slawentum systematisch auszurotten.«
Herr Vorsitzender, mir wurde gesagt, daß ich irrtümlicherweise »Hitler« anstatt »Himmler« gelesen hatte.
Ich möchte nun eine weitere und kürzere Aussage von Rode verlesen, die beweist, daß die SD-Einsatzgruppen unter dem Befehl der Wehrmacht standen.
Es ist Nummer 18, Dokument 3716-PS, US-563:
»Soweit mir bekannt ist, waren die SD-Einsatzgruppen bei den einzelnen Heeresgruppen diesen voll unterstellt, d.h. taktisch sowohl als auch in jeder anderen Weise. Den Oberbefehlshabern waren deshalb die Aufgaben und Arbeitsmethoden dieser Einheiten völlig bekannt. Sie haben die Aufgaben und Arbeitsmethoden gebilligt, da sie ja anscheinend niemals dagegen Front gemacht haben. Daß also dem SD übergebene Gefangene, wie Juden, Agenten, Kommissare, genau so dem grausamen Tode geweiht waren wie Opfer sogenannter ›Säuberungsaktionen‹, ist ein Beweis dafür, daß die Exekutionen ihr Einverständnis gehabt hatten, außerdem war ja auch dies im Sinne der politischen und militärischen höchsten Führung. Über diese Methoden, die von der Masse der SS- und Polizeioffiziere genau so abgelehnt wurden wie wohl von der Masse der Heeresoffiziere, ist bei Besprechungen im OKW und OKH natürlich des öfteren die Rede in meinem Beisein gewesen. Ich habe bei solchen Gelegenheiten immer darauf hingewiesen, daß es ja in der Befehlsgewalt der Oberfehlshaber der Heeresgruppen gelegen hätte, dagegen sich aufzulehnen. Ich bin der festen Überzeu gung, daß ein energischer einheitlicher Protest aller Feldmarschälle eine Änderung der Aufgaben und Methoden mit sich gebracht hätte. Die Ansicht, daß noch rigorosere Oberbefehlshaber ihnen bei ihrer Abberufung dann gefolgt wären, ist meines Erachtens, falls dies geltend gemacht werden sollte, eine törichte, sogar feige Ausrede.«
[524] Ich möchte nunmehr die letzte Erklärung Nummer 24 verlesen, die im Dokumentenbuch 1 enthalten ist.
VORSITZENDER: Oberst Taylor, ich glaube, daß wir jetzt eine Pause eintreten lassen sollten, es sei denn, daß Sie diesen Fall jetzt beenden können.
OBERST TAYLOR: Ich will mit zwei eidesstattlichen Erklärungen abschließen, für die ich ungefähr noch zehn Minuten brauche.
VORSITZENDER: Gut, wenn Sie damit zu Ende kommen, dann fahren Sie, bitte, fort.
OBERST TAYLOR: Ich werde dann fertig sein. Zuerst Erklärung Nummer 24, Dokument 3718-PS, US-565. Es stammt von Oberst Bogislav von Bonin, der zu Beginn des russischen Feldzugs Stabsoffizier in der 17. Panzer-Division war:
»Ich war zu Beginn des russischen Feldzuges erster Generalstabsoffizier der 17. Panzer-Division, die nördlich Brest-Litowsk über den Bug anzugreifen hatte. Ganz kurz vor Beginn des Angriffs er hielt meine Division einen schriftlichen Führerbefehl vom OKW auf dem Dienstwege. In diesem Befehl war angeordnet, daß russische Kommissare bei Gefangennahme ohne gerichtliches Verfahren sofort und rücksichtslos zu erschießen waren. Dieser Befehl galt für alle Einheiten des Ostheeres. Obwohl der Befehl bis herunter zu den Kompanien bekanntgegeben werden sollte, hat der Kommandierende General des XXXVII. Panzerkorps (General der Panzertruppen Lemelsen) die Bekanntgabe an die Truppe verboten, weil dieser Befehl nach seiner Auffassung in militärischer und moralischer Hinsicht untragbar schien.«
Und damit kommen wir nunmehr zur letzten eidesstattlichen Erklärung Nummer 20, Dokument 3717-PS, US-564, von Adolf Heusinger, einem Generalleutnant im deutschen Heer und von 1940 bis 1944 Chef der Operationsleitung im OKH.
Ich zitiere:
»1. Von Beginn des Krieges 1939 bis Herbst 1940 war ich I a der Operationsabteilung im OKH, vom Herbst 1940 bis 20. Juli 1944 Chef der Operationsabteilung im OKH.
Mit der Übernahme des Oberbefehls über das Heer übertrug Hitler dem Chef des Generalstabs des Heeres die Beratung in alle Führungsfragen des russischen Kriegsschauplatzes.
Damit war für alle Fragen innerhalb des Operationsgebiets im Osten der Chef des Generalstabs des Heeres zuständig, für alle Fragen außerhalb des Operationsgebiets das OKW, zum Beispiel im allgemeinen für alle Truppen, die [525] in den Reichskommissariaten lagen (Sicherungsverbände, SS- Einheiten, Polizei).
Alle Polizei- und SS-Verbände in den Reichskommissariaten unterstanden außerdem dem Reichsführer-SS. Wenn es erforderlich wurde, solche Verbände in das Operationsgebiet zu verlegen, bedurfte es dazu eines Befehls des Chefs OKW. Im umgekehrten Falle wurde, nach Einverständnis des Chefs des Generalstabs des Heeres, eine entsprechende Verlegung von vorn nach hinten durch das OKW angeordnet.
Im allgemeinen führten bei Bandenunternehmungen die höheren SS- und Polizeiführer das Kommando. Waren in einzelnen Fällen stärkere Heereseinheiten innerhalb des Operationsgebietes neben den SS- und Polizeiverbänden eingesetzt, so konnte in solchen Fällen ein höherer Befehlshaber des Heeres als Führer des Unternehmens bestimmt werden.
Bei Bandenunternehmungen innerhalb des Operationsgebiets waren die zu dem Unternehmen eingesetzten gesamten Kräfte dem Oberbefehlshaber der betr. Heeresgruppe unterstellt.
2. Die Befehle über die Art der Durchführung der Bandenbekämpfung (Methoden) wurden auf Anordnung Hitlers, wohl nach Besprechungen mit Himmler, durch das OKW (Keitel) dem OKH gegeben; das OKH war nur für die Weitergabe dieser Befehle an die Heeresgruppen verantwortlich, wie z.B. die Befehle über die Behandlung von Kommissaren, Kommunisten; die Anweisung über die Art der kriegsgerichtlichen Ahndung von Vergehen Heeresangehöriger gegen die Bevölkerung sowie die Richtlinien über Vergeltungsmaßnahmen gegen die Einwohner.
3. Die Bearbeitung aller Fragen der Behandlung der Bevölkerung sowie der Bandenbekämpfung im Operationsgebiet, in Ausführung der Befehle des OKW, lag im OKH im Arbeitsbereich des Generalquartiermeisters.
4. Es war schon immer meine persönliche Ansicht, daß die Behandlung der Zivilbevölkerung im Operationsgebiet und die Methoden der Bandenbekämpfung im Operationsgebiet der obersten politischen und militärischen Führung eine willkommene Gelegenheit bot, ihre Ziele durchzuführen, nämlich die systematische Reduzierung des Slawen- und Judentums. Ganz abgesehen davon habe ich immer diese grausamen Methoden als eine militärische Torheit angesehen, [526] da sie dazu beitrugen, den Kampf der Truppe gegen den Feind unnötig zu erschweren.«
VORSITZENDER: Wir lassen nunmehr eine Verhandlungspause bis 14.15 Uhr eintreten.
[Das Gericht vertagt sich bis 14.15 Uhr.]
Buchempfehlung
Der junge Vagabund Florin kann dem Grafen Schwarzenberg während einer Jagd das Leben retten und begleitet ihn als Gast auf sein Schloß. Dort lernt er Juliane, die Tochter des Grafen, kennen, die aber ist mit Eduard von Usingen verlobt. Ob das gut geht?
134 Seiten, 7.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro