[185] VORSITZENDER: Wollen Sie jetzt Ihren Zeugen rufen, Herr Dr. Pannenbecker?
DR. PANNENBECKER: Ja, Herr Vorsitzender, ich bitte darum. Ich bitte nunmehr den Zeugen Gisevius rufen zu dürfen. Er ist der einzige Zeuge im Rahmen des Beweisverfahrens für Frick. Und ich habe gerade deshalb den Zeugen Gisevius ausgewählt für die Klärung der polizeilichen Machtverhältnisse in Deutschland, weil er von Anfang an auf der Seite der Opposition gestanden hat und weil durch ihn meines Erachtens am besten ein Bild der damaligen polizeilichen Machtverhältnisse gewonnen werden kann.
[Der Zeuge Gisevius betritt den Zeugenstand.]
VORSITZENDER: Wie heißen Sie?
ZEUGE HANS BERND GISEVIUS: Hans Bernd Gisevius.
VORSITZENDER: Wiederholen Sie bitte folgenden Eid:
Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.
[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]
Sie können sich setzen.
DR. PANNENBECKER: Herr Zeuge! Sind Sie ein Mitglied der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen gewesen?
GISEVIUS: Nein.
DR. PANNENBECKER: Ist es richtig, daß Sie persönlich zu den Beteiligten der Ereignisse des 20. Juli 1944 gehört haben und damals auch im OKW zugegen gewesen sind?
GISEVIUS: Jawohl.
DR. PANNENBECKER: Wie sind Sie in den Polizeidienst gekommen?
GISEVIUS: Im Juli 1933 machte ich mein juristisches Staatsexamen. Als Sproß einer alten Beamtenfamilie meldete ich mich zum Staatsdienst in der preußischen Verwaltung. Ich gehörte damals der Deutschnationalen Volkspartei an und dem »Stahlhelm« und galt nach den damaligen Begriffen als politisch zuverlässig. So wurde ich als erste Station in meiner Ausbildung als Beamter der Politischen Polizei zugewiesen, das bedeutete meinen Eintritt in die damals gerade neu gegründete Geheime Staatspolizei. Ich war damals sehr glücklich, ausgerechnet zum Polizeidienst überwiesen zu werden. Schon damals hatte ich gehört, daß allerhand Abscheulichkeiten sich in Deutschland abspielten. Ich war geneigt [185] zu glauben, es handle sich um letzte Ausläufer jener bürgerkriegsähnlichen Situationen, die wir von Ende 1932 und Anfang 1933 her kannten. So hoffte ich, meinen Tribut dabei leisten zu können, daß nun wieder eine ordentliche Staatsgewalt für Recht, Anstand und Ordnung sorgte. Aber diese Freude sollte von sehr kurzer Dauer sein.
Ich war noch nicht zwei Tage in dieser neuen Polizeibehörde, da hatte ich bereits entdeckt, daß dort ungeheuerliche Zustände herrschten. Da war keine Polizei, die gegen Ausschreitungen, gegen Mord, Freiheitsberaubung und Raub eintrat. Dort war eine Polizei, die diejenigen schützte, die sich solcher Exzesse schuldig machten. Verhaftet wurden nicht diejenigen, die sich dieser Schandtaten schuldig machten, verhaftet wurden diejenigen, die ihre Hilferufe zur Polizei sandten. Es war keine Polizei, die einschritt, sondern eine Polizei, deren Aufgabe es zu sein schien, zu vertuschen, noch mehr Verbrechen direkt zu fördern; denn jene SA- und SS-Kommandos, die privat Polizei spielten, wurden von dieser sogenannten Geheimen Staatspolizei ermuntert, und es wurde ihnen alle erdenkliche Hilfestellung gegeben. Am erschreckendsten und auch für einen Neuling am sichtbarsten war es, wie ein System der Freiheitsberaubung einriß, das schlimmer und furchtbarer nicht gedacht werden konnte.
Die Räume der neuen Staatspolizei, ein Riesengebäude, reichten nicht aus, um die Gefangenen zu bergen. Es wurde ein Sonderkonzentrationslager für die Geheime Staatspolizei eingerichtet, und die Namen bleiben als Schandfleck in der Geschichte bestehen. Es war Oranienburg und das Privatgefängnis der Gestapo in der Papestraße, das Columbiahaus, oder wie es zynisch genannt wurde, die »Columbia-Diele«.
Ich möchte kein Mißverständnis aufkommenlassen; im Verhältnis zu dem, was wir alle später erlebt haben, war das gewiß nur anfängerhaft, aber so fing es an, und ich kann nur meinen persönlichen Eindruck vielleicht in einer kurzen Erinnerung wiedergeben. Bereits nach zwei Tagen fragte ich einen meiner Kollegen, es war auch ein Berufsbeamter, er war von der alten Politischen Polizei in die neue übernommen worden. Er gehörte zu den Beamten, die geradezu verurteilt waren, dieser Behörde anzugehören, und so fragte ich ihn: »Sagen Sie einmal, bin ich hier in einer Polizeibehörde oder in einer Räuberhöhle?« Ich erhielt die Antwort: »Sie sind in einer Räuberhöhle, und machen Sie sich gefaßt, Sie werden noch viel mehr erleben.«
DR. PANNENBECKER: Herr Zeuge! Wem unterstand damals die Politische Polizei, und wer war Ihr unmittelbarer Chef?
GISEVIUS: Die Politische Polizei unterstand einem gewissen Rudolf Diels. Auch er kam von der alten preußischen Politischen [186] Polizei her. Er war ein gelernter Berufsbeamter. Man hätte denken sollen, er kannte noch die Begriffe von Recht und Anstand, aber brutal, zynisch, zum letzten entschlossen, war er gewillt, seine frühere politische Vergangenheit als Demokrat vor den neuen Machthabern vergessen zu machen und sich bei seinem weiteren Chef, dem preußischen Ministerpräsidenten und Innenminister Göring, einzukaufen. Diels war es, der dieses Geheime Staatspolizeiamt erfand. Er inspirierte Göring zu dem ersten Erlaß, diese Behörde zu verselbständigen. Diels war es, der die SA und SS in diese Behörde hineinließ. Er legitimierte die Aktionen dieser Zivilkommandos. Aber bald war mir klar, so viel Unrecht konnte ein solcher bürgerlicher Renegat für sich allein nicht begehen. Er mußte einen sehr gewichtigen Hintermann haben, und sehr schnell sah ich auch, daß einer sich tagtäglich um alles bekümmerte, was in dieser Behörde geschah. Es wurden Berichte geschrieben. Es kamen telephonische Anfragen. Diels ging mehrfach am Tag zum Vortrag, und es war der preußische Innenminister Göring, der sich diese Geheime Staatspolizei als sein besonderes Reservat vorbehalten hatte. Nichts geschah in diesen Monaten in dieser Behörde, was Göring nicht persönlich wußte oder anordnete. Ich lege Wert auf diese Feststellung, weil mit den Jahren in der Öffentlichkeit sich ein anderes Bild von Göring herausgestellt hat, weil er sich zusehends von seinen Amtsgeschäften zurückzog. Damals war es noch nicht jener Göring, der zuletzt in seinem Karinhaller Marasmus erstickte. Damals war es der Göring, der persönlich sich um alles kümmerte, der auch noch nicht sich damit beschäftigte, Karinhall zu bauen oder allerhand Uniformen und Orden umzuhängen. Es war noch der Göring in Zivil, der wirklich Chef einer Behörde war und sie inspirierte und Wert darauf legte, der »eiserne« Göring zu sein.
DR. PANNENBECKER: Herr Zeuge! Ich glaube, daß Sie einige Dinge etwas knapper fassen können. Das was Sie nun eben sagten, wissen Sie das aus eigener Erfahrung, oder woher haben Sie das entnommen?
GISEVIUS: Ich habe es nicht nur aus eigener Erfahrung gehört und gesehen, sondern ich habe auch sehr viel gehört von einem Manne, der damals ebenfalls in der Geheimen Staatspolizei war und dessen Bekundungen im weiteren Verlauf meiner Aussage eine große Rolle spielen werden. Damals war in die Geheime Staatspolizei ein Kriminalist berufen worden, vielleicht der bekannteste Kriminalist der preußischen Polizei, ein gewisser Oberregierungsrat Nebe. Nebe war Nationalsozialist. Er hatte in Opposition zu der früheren preußischen Polizei gestanden und sich der Nationalsozialistischen Partei angeschlossen. Er war ein Mann, der ehrlich an die Sauberkeit und die Reinheit der nationalsozialistischen Ziele [187] glaubte. So kam es, daß ich miterlebte, wie dieser Mann nun an Ort und Stelle sah, was gespielt wurde, und einen inneren Umschwung erlebte. Ich kann auch hier sagen, weil es wichtig ist, aus welchen Gründen Nebe zu einem scharfen Opponenten wurde, der dann den Weg der Opposition bis zum 20. Juli gegangen ist und später am Galgen den Tod erleiden mußte.
Nebe erhielt damals im August 1933 von dem Angeklagten Göring den Auftrag, das frühere führende Mitglied der Nationalsozialistischen Partei, Gregor Strasser, durch einen Autounfall oder Jagdunfall zu ermorden. Dieser Auftrag erschütterte Nebe so sehr, daß er sich weigerte, ihn auszuführen und eine Rückfrage in der Reichskanzlei hielt. Aus der Reichskanzlei kam die Antwort, daß dem Führer dieser Auftrag unbekannt sei. Nebe wurde daraufhin zu Göring zitiert, erhielt bitterste Vorwürfe, daß er eine Rückfrage gestellt habe. Aber der Angeklagte Göring zog es vor, ihn am Ende dieser Vorwürfe zu befördern, weil er dachte, ihn dadurch schweigen zu machen.
Das zweite, was sich damals ereignete und auch sehr wichtig ist, war, daß der Angeklagte Göring sogenannte Blankovollmachten für Morde an die Politische Polizei ausstellte. Es gab damals nicht nur sogenannte Amnestiegesetze, die die Schandtaten hinterher amnestierten, sondern es gab auch ein besonderes Gesetz, demzufolge bereits die Untersuchungen durch Polizeibehörden und die Staatsanwaltschaft niedergeschlagen werden konnten, allerdings unter der Bedingung, daß in diesen besonderen Fällen der Reichskanzler oder Göring persönlich mit ihrer Unterschrift dieses anordneten.
Dieses Gesetz benutzte Göring, um Blankovollmachten an den Chef der Geheimen Staatspolizei auszustellen, wo lediglich die Namen der noch zu Ermordenden offengelassen wurden. Dieses Erlebnis erschütterte Nebe so sehr, daß er von diesem Augenblick an seine Pflicht tat im Kampfe gegen diese Gestapo. Er blieb auf unsere Bitten in ihr und hernach in der Kriminalpolizei, weil wir einen Mann wenigstens brauchten, der uns auf dem laufenden halten konnte über die polizeilichen Verhältnisse, für den Fall, daß unsere Wünsche eines Umsturzes in Erfüllung gehen sollten.
DR. PANNENBECKER: Herr Zeuge! Was haben Sie nun selbst getan, als Sie diese Dinge sahen.
GISEVIUS: Ich meinerseits versuchte, diejenigen bürgerlichen Kreise zu erreichen, die mir auf Grund meiner Verbindungen offenstanden. Ich ging in die verschiedensten Ministerien, in das preußische Innenministerium, zum Staatssekretär Grauert und mehreren Ministerialdirektoren und Ministerialräten. Ich ging in das Reichsinnenministerium, ich ging in das Justizministerium [188] ich ging in das Außenministerium, und ich ging in das Kriegsministerium. Ich sprach wiederholt mit dem damaligen Chef der Heeresleitung, dem Generaloberst von Hammerstein, Von all den Beziehungen, die ich damals anknüpfte, ist eine wiederum für meine Zeugenaussage besonders wichtig.
Damals lernte ich in der neugegründeten Abwehrabteilung des OKW einen Major Oster kennen. Ich gab ihm alles jenes Material, das bereits damals anfiel. Wir begannen mit einer Sammlung, die wir bis zum 20. Juli fortgesetzt haben, von allen Dokumenten, deren wir habhaft werden konnten. Und Oster ist derjenige Mann, der von nun an im Kriegsministerium nichts unterließ, jeden Offizier, den er dienstlich und außerdienstlich erreichen konnte, zu unterrichten. Oster wurde im Laufe der Zeit durch die Protektion des Admirals Canaris Stabschef der Abwehr. Als er den Tod am Galgen erleiden mußte, war er General. Aber es liegt mir daran, bereits hier Zeugnis abzulegen, daß nach allem, was dieser Mann getan hat an unvergeßlichem Einsatz gegen die Gestapo, gegen alle Verbrechen gegen die Menschlichkeit und den Frieden, ich berechtigt bin, zu sagen, da war unter der Inflation der deutschen Feldmarschälle und Generale wirklich ein deutscher General.
DR. PANNENBECKER: Wie verlief nun die Arbeit weiter, die Sie beobachten konnten in der Geheimen Staatspolizei?
GISEVIUS: Damals waren die Zustände in Deutschland noch so, daß man in den verschiedensten Ministerien hellhörig war. Es gab noch eine Fronde in den bürgerlichen Ministerien, es gab noch den Reichspräsidenten von Hindenburg, und so kam es, daß Ende Oktober 1933 der Angeklagte Göring gezwungen wurde, den Chef der Staatspolizei Diels zu entlassen. Gleichzeitig wurde eine Säuberungskommission eingesetzt, dieses Institut von Grund auf zu restaurieren. Ihr gehörten laut dem Ministerialerlaß Nebe und auch ich an. Aber diese Säuberungskommission trat niemals zusammen. Der Angeklagte Göring wußte diese Maßnahme zu vereiteln. Er ernannte zum Chef und Nachfolger von Diels einen noch schlimmeren Nazi, einen gewissen Hinkler, der früher in einem Gerichtsverfahren wegen Unzurechnungsfähigkeit freigesprochen war, und dieser Hinkler brachte es so weit, daß kaum 30 Tage verstrichen, daß er wieder abgesetzt wurde, und nunmehr konnte der Angeklagte Göring seinen Diels wieder zurück in die Behörde bringen.
DR. PANNENBECKER: Wissen Sie etwas über die Vorgänge, die zu dem preußischen Gesetz vom 30. November 1933 führten, durch das die Aufgaben der Geheimen Staatspolizei vom Amt des preußischen Innenministers weggenommen und auf die Behörde des preußischen Ministerpräsidenten übertragen wurden?
[189] GISEVIUS: Das war genau der Augenblick, von dem ich spreche. Göring erkannte, daß es unzweckmäßig sei, wenn andere Ministerien sich zu sehr um seine Geheime Staatspolizei bekümmerten. Trotzdem er selber preußischer Innenminister war, störte es ihn, daß die Polizeiabteilung des preußischen Innenministeriums in die Geschäfte seiner Privatdomäne hineinleuchtete, und so nahm er die Geheime Staatspolizei aus der übrigen Polizei heraus und unterstellte sie sich – ihm persönlich – unter Ausschaltung aller übrigen polizeilichen Instanzen. Das war vom Standpunkt jeder geordneten Polizei ein glatter Nonsens, denn man kann keine geordnete politische Polizei machen, wenn man sie trennt von der Kriminalpolizei und der Ordnungspolizei. Aber Göring wußte, weshalb er keine andere Polizeiinstanz in die Geschäfte der Staatspolizei hineinschauen lassen wollte.
DR. PANNENBECKER: Herr Zeuge, blieben Sie nun selbst weiter im Polizeidienst?
GISEVIUS: An diesem Tage, wo Göring seinen, ich kann es nicht anders nennen, Staatsstreich – kleinen Staatsstreich – beging, daß er sich seine eigene Staatspolizei zulegte, wurde von dieser Geheimen Staatspolizei gegen mich ein Haftbefehl ausgestellt. Ich hatte damit gerechnet, hatte mich verborgen. Am nächsten Morgen ging ich zum Chef der Polizeiabteilung des preußischen Innenministeriums, dem Ministerialdirektor Daluege, einem hohen SS-General, und meinte, es sei ja wohl nicht ganz recht, einen Haftbefehl gegen mich auszustellen. Es kam ein Kriminalkommissar der Geheimen Staatspolizei, um mich bei diesem Chef der preußischen Polizei in seinem Dienstzimmer zu verhaften. Daluege war so freundlich, mich durch eine Hintertür zu dem Staatssekretär Grauert fliehen zu lassen, und Grauert intervenierte bei Göring. Wie immer in solchen Fällen, war Göring aufs äußerste überrascht und ordnete eine strenge Untersuchung an. Das war der Fachausdruck dafür, daß solche Zwischenfälle zu den Akten gelegt wurden. Ich wurde daraufhin nicht mehr in die Geheime Staatspolizei hineingelassen, sondern als Beobachter an den gerade zu Ende gehenden Reichstagsbrandprozeß nach Leipzig geschickt. Ich konnte die letzten Novembertage einen Blick in dieses dunkle Geschäft werfen, und da ich bereits mit Nebe mich um die Aufklärung dieses Verbrechens bemüht hatte, konnte ich dort meine Wissenschaft ein wenig bereichern.
Ich nehme an, daß ich über diesen Punkt noch befragt werde und beschränke mich deswegen hier nur darauf, zu sagen, daß ich notfalls bereit bin, dem Angeklagten Göring sein Gedächtnis über seine Mitbeteiligung und Mitwisserschaft an diesem ersten braunen Staatsstreich und an der Beseitigung der Mittäter durch Mord aufzufrischen.
[190] DR. PANNENBECKER: Herr Zeuge! Am 1. Mai 1934 ist Frick dann preußischer Minister des Innern geworden. Sind Sie dadurch irgendwie mit Frick selbst oder mit seinem Ministerium in Berührung gekommen?
GISEVIUS: Jawohl, ich wurde sofort nach Beendigung des Reichstagsbrandprozesses, also Ende 1933, aus dem Polizeidienst entlassen und nach Ostpreußen an ein Landratsamt versetzt. Ich beschwerte mich aber über diese offensichtliche Maßregelung bei dem Staatssekretär Grauert. Da dieser und der Ministerialdirektor Daluege von meinem Streit mit der Geheimen Staatspolizei wußten, holten sie mich ins Innenministerium und gaben mir die Aufgabe, alle diejenigen Berichte, die noch fälschlicherweise an die Adresse des Innenministeriums kamen, zu sammeln und zuständigkeitshalber an den preußischen Ministerpräsidenten – Geheime Staatspolizei – weiterzugeben. Sobald Göring dieses hörte, intervenierte er wiederholt gegen meine Anwesenheit im Innenministerium. Aber der Innenminister Frick stand vor der Tür, und es gelang mir, mich in diesem Posten zu halten.
Als Frick kam, kam ich nicht sofort mit ihm in Berührung, dazu war ich ein viel zu untergeordneter Beamter. Aber ich nehme an, daß der Angeklagte Frick von meiner Tätigkeit und von meinen Anschauungen gewußt hat, denn ich wurde nunmehr ermuntert, weiterhin alle jene Hilferufe, die fälschlich zum Innenministerium kamen, zu sammeln, und ich habe ein Gutteil dieser Berichte dann auf dem Dienstwege Daluege, Grauert und Frick vorgelegt. Es war allerdings die Schwierigkeit, daß Göring in seiner Eigenschaft als preußischer Ministerpräsident Frick als seinem Innenminister verboten hatte, solche Berichte zur Kenntnis zu nehmen. Frick hatte sie kommentarlos der Gestapo weiterzureichen. Ich sah keinen Hinderungsgrund, sie trotzdem Frick vorzulegen, und da Frick gleichzeitig Reichsinnenminister war und in dieser Eigenschaft den Ländern, also auch Göring, Anweisungen geben konnte, nahm Frick diese Berichte im Reichsinnenministerium zur Kenntnis und duldete es, daß sie von mir mit dem Ersuchen um Bericht an Göring gesandt wurden. Göring intervenierte mehrfach, und ich weiß, daß es zu scharfen Auseinandersetzungen zwischen ihm und Frick deswegen kam.
DR. PANNENBECKER: Ist Ihnen etwas bekannt darüber, daß damals von seiten des Reichsministers des Innern bestimmte Anordnungen ergingen, die das Recht der Schutzhaft einschränken sollten?
GISEVIUS: Es ist richtig, daß damals eine ganze Menge solcher Anordnungen erging. Aber wenn ich sage, daß eine Menge solcher Anordnungen ergingen, liegt darin bereits enthalten, daß sie grundsätzlich von den nachgeordneten Behörden nicht befolgt wurden. Der Reichsinnenminister war ein Minister, der keine persönliche [191] Exekutive hatte, und es wird mir als Eindruck für meine Erziehung als Beamter unvergeßlich sein, daß damals in der Geheimen Staatspolizei wir Beamte angewiesen wurden, grundsätzlich keine Anfragen aus dem Reichsinnenministerium zu beantworten. Natürlich kam in gemessenen Abständen eine Mahnung aus dem Reichsinnenministerium. Die Tüchtigkeit eines Dezernenten in der Geheimen Staatspolizei wurde nach dem Stoß solcher Mahnzettel bemessen, die er seinem Chef Diels vorlegen konnte, um zu zeigen, daß er sich um solche Sachen nicht kümmerte.
DR. PANNENBECKER: Es kam dann ja am 30. Juni 1934 zum sogenannten Röhm-Putsch. Können Sie eine kurze Schilderung über die Situation geben, die diesem sogenannten Putsch voranging?
GISEVIUS: Ich muß zunächst sagen, daß es niemals einen Röhm-Putsch gegeben hat. Am 30. Juni hat es nur einen Göring-Himmler-Putsch gegeben. Ich bin in der Lage, über dieses düstere Kapitel einigermaßen Auskunft geben zu können, weil ich in der Polizeiabteilung des Innenministeriums diesen Fall bearbeitete und miterlebte, wie wenigstens die Funksprüche, die an diesen Tagen von Göring und Himmler an die Polizeibehörden des Reiches gesandt wurden, in meinen Besitz kamen. Der letzte dieser Funksprüche lautete, auf Anordnung von Göring seien alle Unterlagen über den 30. Juni sofort zu verbrennen.
Ich habe mir damals erlaubt, diese Papiere in meinen Panzerschrank zu nehmen. Ich weiß noch heute nicht, inwieweit sie das Geschick oder Ungeschick des Angeklagten Kaltenbrunner überlebt haben. Ich hoffe immer noch, diese Papiere zu finden. Aber danach kann ich bezeugen, daß an diesem ganzen 30. Juni nicht ein Schuß von der SA gefallen ist. Die SA hat nicht geputscht, womit ich keineswegs ein Wort der Entschuldigung für die SA-Führer aussprechen will. Es ist am 30. Juni nicht ein SA-Führer gestorben, der nicht hundertfach den Tod verdient hätte, aber in einem ordentlichen Gerichtsverfahren.
Nur war die Lage, die Bürgerkriegssituation, an diesem 30. Juni so, daß sich schroff auf der einen Seite die SA mit Röhm an der Spitze, auf der anderen Seite Göring und Himmler gegenüberstanden. Es war dafür gesorgt, daß die SA ein paar Tage vor dem 30. Juni auf Urlaub geschickt wurde. Die SA-Führer wurden ausgerechnet zu diesem 30. Juni von Hitler zu einer Besprechung nach Wiessee geladen. An sich ist es nicht üblich, daß Putschisten, die marschieren wollen, im Schlafwagen zu einer Sitzung fahren. Und sie wurden dann auch am Bahnhof überrascht und sofort zur Exekution gefahren.
Der sogenannte Münchener Putsch spielte sich so ab, daß die Münchener SA überhaupt nicht antrat und daß eine Autostunde von München die sogenannten Hochverräter Röhm und Heines in ihren [192] tödlichen Schlaf hineinschliefen, ohne überhaupt zu ahnen, daß nach den Schilderungen von Hitler und Göring am Abend zuvor in München sich ein Putsch abgespielt haben sollte.
Der Putsch in Berlin konnte von mir sehr genau beobachtet werden. Er spielte sich absolut unter Ausschluß jeglicher Öffentlichkeit und der SA ab. Wir in der Polizei haben von ihm nichts gemerkt. Dagegen ist richtig, daß einer der angeblichen Hauptputschisten, der Berliner SA-Gruppenführer Karl Ernst, vier Tage vor dem 30. Juni sehr besorgt zu dem Ministerialdirektor Daluege kam, es schwirrten in Berlin Gerüchte herum, die SA wolle putschen. Er bäte um eine Unterredung bei dem Innenminister Frick, damit er diesem versichern könne, es sei kein Putsch geplant. Daluege schickte mich mit diesem Auftrag zu dem Angeklagten Frick, und ich habe diese originelle Unterredung, wo ein SA-Führer dem Innenminister des Reiches versicherte, nicht putschen zu wollen, selber vermittelt.
Karl Ernst fuhr dann auf eine Erholungsreise nach Madeira. Er wurde am 30, Juni von diesem Ozeandampfer weg nach Berlin zur Exekution gebracht. Ich habe seine Ankunft auf dem Flughafen Tempelhof selber erlebt, was mir deshalb besonders interessant erschien, weil ich wenige Stunden zuvor die amtliche Meldung seiner Hinrichtung in den Zeitungen gelesen hatte.
Das war also der sogenannte SA- und Röhm-Putsch, und weil ich nichts zu verschweigen habe, habe ich höchstens noch hinzuzufügen, daß ich zugegen war, wie der Angeklagte Göring die Presse am 30. Juni über diesen Vorfall unterrichtete. Bei dieser Gelegenheit fiel das böse Wort, er, der Angeklagte Göring, habe seit Tagen auf ein mit Hitler verabredetes Stichwort gewartet. Er habe dann zugeschlagen, natürlich blitzschnell, aber er habe auch seinen Auftrag erweitert. Diese Auftragserweiterung kostete einer großen Anzahl unschuldiger Menschen das Leben. Ich erinnere nur an die Generale von Schleicher, der sofort mit seiner Frau ermordet wurde, von Bredow, den Ministerialdirektor Klausner, Edgar Jung und viele andere.
DR. PANNENBECKER: Herr Zeuge! Sie sind ja selbst damals im Ministerium gewesen. In welcher Weise hat Frick von diesen Maßnahmen erfahren, und ist er selbst irgendwie eingeschaltet worden in die Niederschlagung dieses sogenannten Putsches?
GISEVIUS: Ich habe persönlich miterlebt, wie gegen einhalb zehn Uhr der Ministerialdirektor Daluege bleich von Göring zurückkam und ihm gerade mitgeteilt worden war, was sich abgespielt hatte. Daluege und ich gingen zu Grauert, und wir fuhren hinüber ins Reichsinnenministerium zu Frick. Frick stürzte aus dem Zimmer, es mag gegen zehn Uhr gewesen sein, um zu Göring zu fahren und dort zu erfahren, was sich inzwischen abgespielt hatte, und zugleich [193] in Erfahrung zu bringen, daß er als Polizeiminister des Reiches nun nach Hause zu gehen habe und sich über den weiteren Ablauf der Dinge nicht kümmern solle. In der Tat fuhr Frick nach Hause und hat in beiden dramatischen Tagen das Ministerium nicht betreten Einmal fuhr Daluege mit mir zu ihm. Im übrigen blieb es mir, als dem jüngsten Assessor des Reichsinnenministeriums, an diesem blutigen Sonnabend und Sonntag vorbehalten, dem Innenminister des Reiches mitzuteilen, was für entsetzliche Dinge sich inzwischen in Deutschland abgespielt hatten.
DR. PANNENBECKER: Herr Zeuge! Sie sprachen gerade von einer Weisung, die Frick erhalten habe, sich nicht in die Dinge einzumischen. Von wem hat er diese Weisung bekommen?
GISEVIUS: Soviel ich weiß, hat ihm Göring eine Weisung Hitlers übergeben oder ausgesprochen. Ich weiß nicht, ob eine schriftliche Weisung vorlag, weiß auch nicht, ob Frick danach gefragt hat. Ich könnte mir denken, daß Frickan diesem Tage dachte, daß es sich nicht empfahl, gar zu viele neugierige Fragen zu stellen.
DR. PANNENBECKER: Hat nun, nachdem die Dinge abgeschlossen waren, Frick sich eingeschaltet, um die eingetretenen Folgen in irgendeiner Weise zu mildern?
GISEVIUS: Um diese Frage richtig beantworten zu können, muß ich zunächst sagen, daß am Sonnabend, den 30. Juni, wir im Innenministerium sehr wenig wußten, was sich abgespielt hatte. Am Sonntag, den 1. Juli, erfuhren wir sehr viel mehr, und zweifellos hat Frick, als die blutigen Tage vorüber waren, schon im großen ganzen ein klares Bild gehabt, was sich abgespielt hatte. Er hat mir auch in diesen Tagen aus seiner Entrüstung kein Hehl gemacht, daß offensichtliche Morde und Freiheitsberaubung vorgelegen hatten. Um bei der Wahrheit zu bleiben, muß ich also Ihre Frage zunächst dahin beantworten, daß die erste Reaktion des Angeklagten Frick, die mir zugänglich wurde, jenes Reichsgesetz war, in dem die Herren Reichsminister beschlossen, daß die Ereignisse des 30. Juni rechtens seien.
Dieses Gesetz ist von einer unerhörten psychologischen Folgewirkung für die kommenden Dinge in Deutschland gewesen. Es ist aus der Geschichte des deutschen Terrors nicht hinwegzudenken. Andererseits geschah sehr viel im Dritten Reich, was ein normaler Sterblicher nicht verstehen konnte und was man nur in den Regionen der Minister und Staatssekretäre begreifen konnte, und so muß ich dem Angeklagten Frick zugeben, daß er nach diesem Gesetz sich eine große Mühe gab, die offensichtlichsten Mißstände wieder gutzumachen. Vielleicht hat er gedacht, daß im Reichskabinett andere Minister eher den Mund aufmachen mußten, ich erinnere an den Reichskriegsminister von Blomberg, dem zwei Generale erschossen [194] wurden und der trotzdem dieses Gesetz unterzeichnete. Ich nenne den Namen Blomberg hier bewußt und bitte, einen Augenblick mich unterbrechen zu dürfen und von einem Zwischenfall Mitteilung machen zu dürfen, der sich heute morgen abgespielt hat. Ich befand mich im Anwaltszimmer im Gespräch mit dem Rechtsanwalt Dr. Dix. Herr Dix wurde unterbrochen von Herrn Rechtsanwalt Stahmer, dem Verteidiger des Angeklagten Göring. Ich hörte, was Herr Stahmer Herrn Dix sagte...
DR. OTTO STAHMER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN GÖRING: Ich weiß nicht, ob das Gegenstand der Beweisaufnahme ist – ein persönliches Gespräch, das ich mit Herrn Dr. Dix geführt habe.
GISEVIUS: Es ist nicht... ich spreche nicht...
VORSITZENDER: Herr Zeuge! Sagen Sie bitte nicht weiter aus, solange über den Einspruch nicht entschieden ist. Bitte, Dr. Stahmer!
GISEVIUS: Ich habe das nicht verstanden.
DR. STAHMER: Ich weiß nicht, ob das Gegenstand der Beweisaufnahme ist, hier ein Gespräch zu offenbaren, das ich im Anwaltszimmer mit Herrn Dr. Dix persönlich geführt habe.
GISEVIUS: Darf ich dazu etwas sagen?
VORSITZENDER: Wollen Sie bitte nichts weiter sagen.
GISEVIUS: Darf ich meine Mitteilung beenden?
VORSITZENDER: Bitte sprechen Sie nicht, mein Herr.
DR. STAHMER: Ich habe heute morgen im Anwaltszimmer ein persönliches Gespräch mit Herrn Dr. Dix geführt, das den Fall Blomberg betrifft. Dieses Gespräch war nicht für den Zeugen bestimmt. Ich kenne den Zeugen gar nicht, habe den Zeugen auch gar nicht gesehen, jedenfalls meines Wissens nicht gesehen, und ich weiß nicht, ob es Gegenstand der Beweiserhebung ist, wenn hier ein solches Gespräch der Öffentlichkeit mitgeteilt wird.
JUSTICE JACKSON: Über diesen Zwischenfall ist mir berichtet worden, und ich bin der Ansicht, daß es für den Gerichtshof wichtig ist, von den Drohungen zu erfahren, die gegen diesen Zeugen im Gerichtsgebäude erhoben wurden, während er auf seine Vernehmung wartete. Die Drohungen richteten sich nicht nur gegen ihn, sondern auch gegen den Angeklagten Schacht. Die Sache ist mir berichtet worden, und ich halte es für wichtig, daß der Gerichtshof davon erfährt. Ich glaube, es ist wichtig, daß das heraus kommt. Ich hätte versucht, es im Kreuzverhör herauszubringen, wenn letzt nicht darüber gesprochen worden wäre, und ich glaube, daß die Aussage des Zeugen darüber zugelassen werden sollte. Die Gegenpartei hat sich hier viel Freiheit herausgenommen; wenn ich recht verstanden habe, sind gegen den Zeugen Drohungen ausgesprochen [195] worden in seiner Gegenwart, gleich, ob sie gegen ihn beabsichtigt waren oder nicht. Ich bitte den Gerichtshof, Dr. Gisevius, der der einzige Stellvertreter der demokratischen Kräfte in Deutschland ist, die Möglichkeit zu geben, als Zeuge seine Geschichte zu erzählen.
VORSITZENDER: Dr. Stahmer! Der Gerichtshof möchte zuerst hören, was Sie weiter über diese Angelegenheit zu sagen haben Dann werden wir hören, was Dr. Dix zu sagen hat, wenn er etwas dazu erklären will, und dann wird der Gerichtshof hören, ob der Zeuge etwas darauf zu antworten hat.
DR. STAHMER: Ich habe gar keine Bedenken, dem Gericht Klarheit darüber zu geben, was ich gesagt habe. Ich habe gestern abend mit dem Angeklagten Göring den Fall besprochen und habe ihm mitgeteilt, daß der Zeuge Gisevius voraussichtlich...
VORSITZENDER: Wir wollen nicht hören, welche Unterredung Sie mit dem Angeklagten Göring gehabt haben, sondern nur, was Sie jetzt zur Begründung Ihres Einwandes gegen diese Aussage des Zeugen zu sagen haben.
DR. STAHMER: Herr Präsident! Es gehört nur ganz kurz dazu; Göring hat mir gesagt: Ob der Zeuge Gisevius ihn belaste, interessiere ihn gar nicht, aber er möchte nicht, daß der erst kürzlich verstorbene Blomberg, und zwar handelt es sich da, soviel wie ich angenommen habe, nur um die Ehe des Herrn Blomberg, daß dieser Vorgang, der die Ehe des Blomberg beträfe, hier vor aller Öffentlichkeit zur Sprache käme. Wenn das nicht verhindert werden könne, dann würde allerdings Göring auch seinerseits, und zwar handelt es sich nur um Schacht, weil Schacht diese Dinge, soweit wie mir gesagt war, zur Sprache bringen würde, dann würde er allerdings auch jede Rücksicht auf Schacht fallen lassen.
Das ist das, was ich dann heute morgen dem Rechtsanwalt Dix mitgeteilt habe. Ich glaube, das wird mir Rechtsanwalt Dix bestätigen, und zwar habe ich das, wenn ich das noch sagen darf...
VORSITZENDER: Sie werden gleich zu Wort kommen, Dr. Dix.
DR. STAHMER:... und zwar habe ich gesagt, ich möchte lediglich – das war weder für Schacht noch war es für den Zeugen bestimmt, noch war es hier für Herrn Pannenbecker, sondern ich habe gesagt, aus kollegialen Gründen möchte ich es Herrn Dr. Dix mitteilen. Das ist das, was ich gesagt und getan habe. Daß der Zeuge Gisevius da war, habe ich in dem Moment jedenfalls nicht gewußt, es war jedenfalls in keiner Weise für ihn bestimmt. Ich habe, wenn ich weiß, auch abseits mit Herrn Dr. Dix gesprochen.
VORSITZENDER: Damit ich Sie recht verstehe, Sie sagen, daß Sie Dr. Dix den wesentlichen Inhalt Ihrer Unterredung mit Göring mitgeteilt haben und erklärten, daß Göring seine Einwendung gegen [196] eine Wiedergabe der Tatsachen zurückziehen würde, wenn der Angeklagte Schacht wünschte, daß über sie ausgesagt werde. Stimmt das?
DR. STAHMER: Nein. Göring wäre es gleich, was über ihn gesagt würde. Er möchte nur den toten Blomberg geschont wissen, und er möchte nicht, daß Dinge, die die Ehe des Blomberg beträfen, zur Sprache kämen. Wenn Schacht das nicht verhinderte – ich habe nur von Schacht gesprochen –, dann wolle er seinerseits auch die Rücksicht gegen Schacht fallen lassen, keine Rücksicht mehr auf Schacht nehmen, und das ist das, was ich Herrn Dr. Dix aus kollegialen Gründen mitgeteilt habe.
VORSITZENDER: Warten Sie einen Augenblick bitte, ich kann Sie nicht hören. Nun?
DR. STAHMER: Ja, wie gesagt, ist das das, was ich Dr. Dix, und zwar lediglich aus kollegialen Gründen mitgeteilt habe. Damit war das Gespräch beendet, und ich habe Dr. Dix gegenüber ausdrücklich hervorgehoben, ich sage ihm das nur aus kollegialen Gründen.
VORSITZENDER: Weiteres haben Sie dazu nicht vorzubringen?
DR. STAHMER: Nein.
DR. RUDOLF DIX, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SCHACHT: Den Vorgang habe ich – und, wie ich glaube, gut und zuverlässig – wie folgt in Erinnerung:
Ich stand heute früh im Anwaltszimmer im Gespräch mit dem Zeugen Dr. Gisevius, und ich glaube, auch mein Kollege Professor Kraus war mit in diesem Gespräch. Hierauf trat der Kollege Stahmer an mich heran und sagte, er müsse mich sprechen. Darauf sagte ich, ich wäre im Moment in einer wichtigen und eiligen Besprechung mit Gisevius, ob es nicht Zeit hätte. Darauf sagte mir der Kollege Stahmer, nein, er müßte mich sofort sprechen.
Ich trat darauf vielleicht fünf oder sechs Schritte seitlich von meiner bisherigen Gesprächsgruppe mit dem Kollegen Stahmer. Kollege Stahmer sagte mir folgendes: Es ist durchaus möglich – ich weiß nicht mehr genau, daß er die Worte, was er mir sagte, eingeleitet hat mit den Worten, er sage mir das aus kollegialen Gründen. Wenn er das sagt, so wird es sicher so gewesen sein, ich weiß es nicht mehr. Er sagte mir: »Hören Sie mal, der Göring steht auf dem Standpunkt, daß ihn der Gisevius soviel angreifen kann, wie er will, wenn er aber den Blomberg, den toten Blomberg angreift, dann wird Göring auspacken, und zwar gegen Schacht, denn er weiß eine ganze Menge von Schacht, was Schacht unangenehm sein würde. Er, Göring, habe bei seiner Aussage zurückgehalten; aber wenn, wie gesagt, Blomberg, der tote Blomberg angegriffen werden würde, dann würde er gegen Schacht auspacken.« Das war das – oder dem Sinne nach, würde er Dinge gegen Schacht vorbringen; das war das Gespräch. Ich kann nicht [197] mit völliger Bestimmtheit – oder ich kann nicht mit Bestimmtheit sagen, daß der Kollege mir gesagt hat, ich möge Gisevius darauf aufmerksam machen. Wenn er sagt, er habe es nicht gesagt, dann ist es sicher wahr, und ich glaube ihm. Ich konnte aber diese Mitteilung gar nicht anders auffassen, als daß ich dem Gisevius diese von Göring vorausgesagte Entwicklung mitteilte, ich glaubte – ich hatte nicht den geringsten Zweifel – damit im Sinne und im Auftrage von Göring beziehungsweise des Kollegen Stahmer zu handeln, daß das der Zweck der ganzen Übung war; denn wozu sollte denn sonst Herr Stahmer mir in dem Moment, das war unmittelbar vor der Aussprache mit Gisevius, wo ich mit Gisevius im Gespräch stehe, wo er mir sagte, er hätte keine Zeit, ich müßte das Gespräch unterbrechen; wozu sollte er es mir, dann mitteilen, als daß eben dieses von Göring gemeinte und in Aussicht gestellte Unheil eventuell vermieden würde, beziehungsweise daß eben der Zeuge Gisevius, auf den es ankam, sich den Umfang seiner Aussage diesbezüglich überlegen solle. Also ich habe gar keinen Zweifel gehabt, daß es der Zweck der Mitteilung des Herrn Stahmer an mich war, von dieser Mitteilung Gisevius Mitteilung zu machen. Wie gesagt, wenn Herr Stahmer mir nicht gesagt hätte – und er hat sicher die Wahrheit gesagt, wenn er sagt, er hätte mir es nicht ausdrücklich gesagt –, so hätte ich, wenn ich zuerst gefragt worden wäre, wahrscheinlich mit genau demselben guten Gewissen gesagt, er hätte gesagt, sagen Sie es dem Gisevius. Aber auf dies, nein, nein... Auf diesen Wortlaut will ich mich in keiner Weise festlegen. Jedenfalls, daran ist kein Zweifel, so hat die Unterhaltung stattgefunden, und ich habe sofort geglaubt, im Sinne von Dr. Stahmer und Göring zu handeln, wenn ich nun unmittelbar – denn ich trat ja wieder zu Gisevius zurück, er stand ja fünf oder sechs Schritte von mir entfernt, oder noch weniger. Ich habe ihn sogar vorher einleitend verstanden, er hätte Teile davon gehört. Ich weiß nicht, ob ich ihn richtig verstanden habe – ich habe ihm von dem Inhalt dieses Gespräches Mitteilung gemacht. Das ist der Vorgang, wie er sich heute früh abgespielt hat.
DR. STAHMER: Darf ich nochmals folgendes erklären: Ich habe selbstverständlich weder Dr. Dix den Auftrag gegeben, das Gisevius mitzuteilen, noch habe ich damit gerechnet, sondern ich bin von folgendem ausgegangen, daß Gisevius heute vormittag noch vernommen würde, und daß der Zeuge von Herrn Dr. Dix nach den Eheverhältnissen von Blomberg gefragt würde. So war es mir nämlich mitgeteilt worden vorher, daß Herr Dr. Dix diese Frage an den Zeugen stellen würde, und deswegen habe ich Herrn Dr. Dix darauf hingewiesen, in der Annahme, daß er dann von einer solchen Frage, die die Eheverhältnisse Blombergs betraf, Abstand nehmen würde. Irgendwie für den Zeugen war das gar nicht bestimmt, und ich weiß mit aller Bestimmtheit, daß ich Herrn Dr. Dix gesagt habe. [198] ich mache aus kollegialen Gründen diese Mitteilung und daß er sich dabei noch bei mir bedankt hat dafür. Er hat noch gesagt: »Ich danke Ihnen sehr.« Jedenfalls, wenn er mir gesagt hätte: »Ich werde das dem Zeugen mitteilen«, dann hätte ich sofort gesagt: »Um Gottes willen, das ist ja nur eine Mitteilung, die für Sie persönlich bestimmt ist.« Und ich bin wirklich etwas überrascht, daß hier Herr Dr. Dix das Vertrauen, das ich ihm entgegengebracht habe, in dieser Weise...
VORSITZENDER: Herr Dr. Stahmer! Wir haben jetzt gehört, wie sich die Sache abgespielt hat; ich glaube, wir brauchen nicht mehr darüber zu hören, als was wir zur Prüfung der Frage brauchen, ob wir den Zeugen seine Aussage fortsetzen lassen sollen.
[Zum Zeugen gewandt:]
Herr Zeuge! Hat die eben von Dr. Dix und Dr. Stahmer gegebene Erklärung die Dinge, die Sie in Bezug auf Feldmarschall von Blomberg aussagen wollten, genügend klargestellt? Wollen Sie noch etwas hinzufügen?
GISEVIUS: Ich bitte um Entschuldigung, ich habe vielleicht die Frage nicht richtig verstanden.
Zu Blomberg, in diesem Punkte wollte ich nicht mehr aussagen; ich wollte nur bei der ersten Gelegenheit, wo der Name Blomberg fiel, bekanntgeben, daß ich mich den ganzen Umständen nach unter Druck gesetzt fühlte, so wie ich die Dinge erlebte; denn ich stand bei der Szene so nahe, daß ich hören mußte, was Dr. Stahmer sagte, und die Form, wie Dr. Dix mir dieses mitteilte, was ich mindestens zur Hälfte gehört hatte, konnte nicht anders aufgefaßt werden, als daß Dr. Dix loyalerweise mich als Zeugen des Angeklagten Schacht unterrichtete, in einem von mir sehr wichtig gehaltenen Punkte mit meiner Aussage zurückzuhalten. Dieser Punkt kommt erst später und bezieht sich keineswegs auf die Ehe des Herrn von Blomberg. Er bezieht sich auf die Rolle, die der Angeklagte Göring dabei gespielt hat, und ich weiß sehr genau, weswegen Göring nicht wünscht, daß ich über diese Sache spreche; denn sie ist das schlimmste Stück, was Göring sich geleistet hat – nach meinem Dafürhalten –, und Göring hängt sich hier nur einen Mantel der Ritterlichkeit um, mit dem er angeblich einen Toten schützen will, in Wirklichkeit aber mich hindern wollte, zu einem wichtigen Punkt, nämlich der Fritsch-Krise, umfassende Aussagen zu machen.
VORSITZENDER: [zu Dr. Pannenbecker gewandt] Dann wird der. Gerichtshof die Aussage anhören, und zwar jede Aussage, die Sie von dem Zeugen wünschen.
GISEVIUS: Ich bitte um Entschuldigung. Was ich in diesem Zusammenhang zum Fall Blomberg zu sagen habe, ist erledigt; ich [199] wollte nur das erstemal, wo der Name fiel, bereits mich dagegen verwahrt haben, oder durchzusetzen...
VORSITZENDER: Dann wird der Verteidiger das Verhör fortsetzen. Sie werden die Dinge, die erheblich sind, aussagen, wenn Sie von Dr. Dix für den Angeklagten Schacht ins Kreuzverhör genommen werden.
DR. PANNENBECKER: Herr Zeuge! War nun nach den Ereignissen des 30. Juni 1934 die Stellung der Gestapo eine so starke geworden, daß irgendwelche Maßnahmen dagegen keinen Erfolg mehr versprachen?
GISEVIUS: Ich muß diese Frage verneinen. Die Staatspolizei gewann durch den 30. Juni zweifellos an Macht, aber durch die vielen Ausschreitungen des 30. Juni war auch die Opposition in den verschiedensten Ministerien gegen die Geheime Staatspolizei so groß, daß bei einer zusammengefaßten Aktion die Mehrheit der Minister diesen Anlaß des 30. Juni zur Eliminierung der Staatspolizei hätte benützen können. Ich persönlich habe mich mehrfach in dieser Hinsicht bemüht. Ich bin mit Wissen des Angeklagten Frick bei dem Justizminister Gürtner gewesen und habe mehrfach ihn beschworen, man möge die Anzahl der illegalen Morde als Anlaß zum Einschreiten gegen die Geheime Staatspolizei wählen. Ich bin persönlich bei dem damaligen Chef des Wehrmachtsamtes, von Reichenau, gewesen und habe ihm dasselbe gesagt. Ich weiß, daß mein Freund Oster Akten in dieser Hinsicht Blomberg zur Kenntnis brachte; und so möchte ich hier bezeugen, daß trotz der Exzesse des 30. Juni es sehr wohl möglich gewesen war, damals noch zu Recht und Ordnung zurückzukehren.
DR. PANNENBECKER: Was ist nun von der Seite des Reichsministers des Innern, also von der Seite Fricks aus danach noch geschehen, um die Geheime Staatspolizei in legale, gesetzmäßige Bahnen zu bekommen?
GISEVIUS: Es begann ein Kampf gegen die Geheime Staatspolizei, in dem wir versuchten, wenigstens Himmler den Weg zu versperren in das Reichsinnenministerium. Kurz bevor Göring das Innenministerium an Frick abgetreten hatte, hatte er Himmler zum Chef der Geheimen Staatspolizei in Preußen gemacht. Himmler hatte versucht, von dieser Machtbasis die Polizeigewalt in den übrigen Ländern zu erhalten. Frick versuchte, dieses zu verhindern, indem er sich auf den Standpunkt stellte, als Reichsinnenminister habe er ein Mitspracherecht bei der Ernennung von Polizeifunktionären im Reich. Desgleichen versuchten wir ein Anwachsen der Geheimen Staatspolizei zu verhindern, indem wir die Anträge der Gestapo auf Vermehrung des Beamtenkörpers systematisch verweigerten. Leider wußte Himmler, wie immer, auch hier einen [200] Umweg. Er ging zu den Finanzministern der Länder und erzählte ihnen, er brauche für die Wachmannschaften der Konzentrationslager, für die sogenannten Totenkopfverbände, Geldmittel, und er rechnete sich einen Schlüssel aus, wonach auf jeden Häftling fünf SS-Männer zur Bewachung gehörten. Mit diesen Mitteln finanzierte Himmler seine Geheime Staatspolizei, da es natürlich in seinem Belieben stand, wieviel Menschen er inhaftieren wollte.
Auch sonst haben wir versucht, vom Reichsinnenministerium aus mit allen möglichen Mitteln der Gestapo den Weg zu verlegen. Aber leider blieben alle die vielen Ersuchen, die wir zur Gestapo schickten unbeantwortet. Wiederum war es Göring, der Himmler verbot, zu antworten, und Himmler deckte, wenn dieser sich weigerte, auf unsere Anfragen Bericht zu erstatten.
Schließlich kam es zu einem letzten Versuch, der während meiner Amtszeit im Reichsinnenministerium gemacht wurde. Wir versuchten, die Geheime Staatspolizei dadurch wenigstens in großen Zügen lahmzulegen, daß wir ein Beschwerde- und Aufsichtsrecht für die Schutzhaft einführen wollten. Wenn es uns gelungen wäre, ein gesetzliches Nachprüferecht für alle Schutzhaftfälle zu erreichen, dann hätten wir die Möglichkeit gehabt, auch in die einzelnen Aktionen der Gestapo hineinzuleuchten.
Es wurde ein Gesetz gemacht, und dieses Gesetz wurde zunächst dem Ministerrat des größten Landes, Preußen, vorgelegt. Wiederum war es der Angeklagte Göring, der mit allen Mitteln der Beschlußfassung eines solchen Gesetzes widersprach. Am Ende einer erregten Kabinettssitzung über dieses Thema stand lediglich das Verlangen, daß ich aus dem Innenministerium auszuscheiden hätte.
DR. PANNENBECKER: Herr Zeuge! Ich habe Ihnen ein Memorandum gezeigt...
VORSITZENDER: Das dürfte ein günstiger Augenblick für eine Unterbrechung sein.
[Pause von 10 Minuten.]
VORSITZENDER: Herr Justice Jackson! Der Gerichtshof hat mich gebeten, zu erklären, daß er erwartet, daß Sie alle Fragen, die Sie wegen der angeblichen Einschüchterung des Zeugen für notwendig halten, stellen werden, wenn Sie ihn ins Kreuzverhör nehmen.
JUSTICE JACKSON: Ja, Herr Vorsitzender, ich danke Ihnen.
DR. PANNENBECKER: Herr Zeuge, ich möchte noch auf die Versuche zu sprechen kommen, die seitens des Reichsministeriums des Innern gemacht worden sind, um der willkürlichen Handhabung der Praxis der Gestapo, und insbesondere in Bezug auf die Konzentrationslager Einhalt zu gebieten, und ich bitte Sie deshalb, sich [201] ein Memorandum anzusehen, das im Reichs- und Preußischen Ministerium des Innern gemacht worden ist. Es handelt sich um das Dokument 775-PS, das ich heute morgen im Rahmen des Beweisvortrages für Frick als Frick-Exhibit Nummer 9 vorgelegt habe; es ist hier Nummer 34 des Dokumentenbuches. Herr Zeuge, kennen Sie dieses Memorandum?
GISEVIUS: Nein, ich kenne es nicht. Augenscheinlich ist das Memorandum nach meinem Ausscheiden aus dem Innenministerium verfaßt worden. Ich schließe das daraus, daß in diesem Memorandum eigentlich der Reichsinnenminister bereits den Kampf aufgibt, denn er schreibt, es solle grundsätzlich geklärt werden, wer die Verantwortung trage, und notfalls müsse die Verantwortung nunmehr... ich zitiere: »... in allen Konsequenzen der Reichsführer-SS« übernehmen, »der ja bereits faktisch die Führung der politischen Polizei... für sich in Anspruch nimmt.«
Zu dem Zeitpunkt, zu dem ich im Reichsinnenministerium war, versuchten wir ja gerade diese letzte Möglichkeit, daß Himmler die politische Polizei übernehmen sollte, auszuschließen. Es ist also augenscheinlich ein halbes Jahr später, nachdem die Dinge weiterhin in den Terror abgerutscht waren. Die Tatbestände, die hier zitiert werden, sind mir bekannt.
DR. PANNENBECKER: Können Sie darüber etwas sagen? Es handelt sich um einen Fall Pünder und um einen Fall Esterwege, Oldenburg.
GISEVIUS: Der am kürzesten zu schildernde Fall ist der Fall Esterwege. Es ist einer von vielen. Es wurde meiner Erinnerung nach ein SA-Führer oder Ortsgruppenführer von der Gestapo verhaftet, weil er sich über die Zustände in dem Konzentrationslager Papenburg erregt hatte. Auch das war nicht das erstemal. Ich weiß nicht, wieso der Angeklagte Frick diesen Fall besonders aufgegriffen hat. Jedenfalls zeigte mir Daluege eines Tages einen der üblichen handgeschriebenen Zettel von Frick, die er Himmler gesandt hatte. Frick hatte mit grünem Strich in großen Marginalien Himmler geschrieben, hier sei ein SA-Mann oder Ortsgruppenleiter, oder was es war, unrechtmäßig in Haft genommen, dieser Mann müsse sofort entlassen werden, und wenn Himmler noch einmal so etwas täte, würde er, Frick, gegen Himmler ein Strafverfahren wegen Freiheitsberaubung einleiten.
Ich entsinne mich dieser Geschichte noch sehr genau, weil es ein bißchen merkwürdig angesichts unserer damaligen polizeilichen Zustände war, daß Himmler von Frick mit einem Strafantrag bedroht wurde, und Daluege machte diesbezügliche Äußerungen höhnischer Art über das Verhalten Fricks zu mir.
Das ist der eine Fall.
[202] VORSITZENDER: Um welches Datum handelt es sich da?
GISEVIUS: Das muß sich abgespielt haben im Frühjahr 1935, ich schätze im März oder April.
DR. PANNENBECKER: Herr Zeuge, wissen Sie, wie Himmler auf diese Strafandrohung reagiert hat?
GISEVIUS: Ja. Es kam noch ein zweites hinzu. Das ist diese Angelegenheit Pünder, die hier steht. Er hat auf beide gleichermaßen reagiert, und deswegen ist es wohl besser, ich erzähle in diesem Zusammenhang zunächst die Angelegenheit Pünder.
Bei der Angelegenheit Pünder handelte es sich um einen Berliner Rechtsanwalt, einen sehr angesehenen Anwalt, Vertrauensanwalt der Schwedischen Gesandtschaft. Herr Pünder wurde von der Witwe des am 30. Juni ermordeten Ministerialdirektors Klausner angegangen, zu klagen, damit die Lebensversicherungsgesellschaften ihre Rente auszahlen. Da aber Herr Klausner an diesem Tage angeblich Selbstmord verübt hatte, traute sich kein Versicherungsdirektor, der Witwe das Geld auszuzahlen. Der Rechtsanwalt mußte also klagen. Nun war von den Nazis ein Gesetz gemacht worden, auf Grund dessen alle solche peinlichen, für die Nazis peinlichen Fälle vom Gericht nicht behandelt werden durften. Sie mußten an eine sogenannte Spruchkammer im Reichsministerium des Innern eingereicht werden. Wenn ich nicht irre, lautete das Gesetz: »Gesetz für den Ausgleich zivilrechtlicher Ansprüche«. Um gute Namen, Formulierungen, war man damals nie verlegen. Der Anwalt wurde durch dieses Gesetz gezwungen, seine Klage bei Gericht einzureichen Ihm ahnte Böses. Er ging ins Reichsinnenministerium zu dem Staatssekretär und sagte: »Wenn ich den Forderungen des Gesetzes genüge und klage, dann wird man mich verhaften.« Der Staatssekretär des Innenministeriums zwang ihn, zu klagen. Daraufhin ging der sehr lebenskluge Anwalt ins Justizministerium zum Staatssekretär Freisler und sagte ihm, er wolle nicht klagen, denn er würde bestimmt von der Gestapo verhaftet werden. Der Staatssekretär im Justizministerium belehrte ihn, er habe auf jeden Fall Klage einzureichen; es könne ja auch nichts passieren, weil das Gericht angewiesen sei, die Klage kommentarlos an die Spruchkammer des Innenministeriums weiterzugeben. Nunmehr klagte der Anwalt, und er wurde sofort von der Gestapo wegen Verleumdung verhaftet, weil er behauptet hatte, daß der Ministerialdirektor Klausner nicht durch Selbstmord geendet sei. Dieses war für uns geradezu ein klassisches Schulbeispiel, wohin wir in Deutschland mit dem System der Schutzhaft gekommen waren.
Ich habe mir erlaubt, diesen Fall nicht unter Hunderten, ich möchte hier sagen, mindestens unter Tausenden herauszugreifen und Frick vorzuschlagen, diese Angelegenheit zu einem besonderen Schritt nicht nur bei Göring, sondern diesmal auch bei Hitler zu [203] machen. Ich habe damals mich hingesetzt und habe einen Brief oder Bericht Fricks an Hitler entworfen, der auch an das Justizministerium ging. Es waren mehr als fünf Seiten, und ich habe nach allen erdenkbaren Aspekten den Selbstmord des Ministerialdirektors Klausner unter Assistenz der SS-Leute und die nunmehrige Klage beleuchtet. Dieser Bericht an Hitler endete damit, daß Frick schrieb, es sei nunmehr an der Zeit, das Problem der Schutzhaft von Reichs wegen und gesetzlich aufzugreifen.
Jetzt beantworte ich Ihre Frage, was darauf geschah. Es war nämlich ungefähr dieselbe Zeit mit dem Schreiben Fricks an Himmler wegen der Freiheitsberaubung. Himmler ging mit diesen beiden Schriftstücken in eine Sitzung der Reichsleiter, das waren die sogenannten Minister der Bewegung, und legte diesen die Frage vor, ob es angemessen sei, daß ein Reichsleiter, also Frick, einem anderen Reichsleiter, also Himmler, solche Schreiben schriebe. Das hohe Gremium verneinte diese Frage und wies Frick zurecht. Dann ging Himmler in die Sitzung des preußischen Kabinetts, in der das von mir erwähnte Schutzhaftgesetz zur Diskussion stand.
Ich darf darauf aufmerksam machen, daß es zu diesem Zeitpunkt eine Seltenheit war, daß Himmler in eine preußische Ministersitzung gehen durfte. Es hat nämlich einmal in Deutschland eine Zeit gegeben, und sie währte ziemlich lange, wo Himmler nicht der mächtige Mann war, der er später durch die Feigheit und das Zurückweichen der bürgerlichen Minister und der Generale wurde. So war es eine Seltenheit, daß Himmler überhaupt in eine preußische Ministerratssitzung gehen durfte, und am Ende dieser Sitzung stand meine Entlassung aus dem Reichsinnenministerium.
DR. PANNENBECKER: Herr Zeuge! Ich möchte Ihnen aus dem Memorandum, das ich Ihnen eben zeigte, also 775-PS, zwei Sätze vorlesen und bitte Sie, mir zu sagen, ob der Sachverhalt insoweit richtig geschildert ist. Ich zitiere:
»Ich weise auch in diesem Zusammenhang auf den Fall des Rechtsanwalts Pünder hin, der nur deswegen mit seinen Kollegen in Schutzhaft genommen worden ist, weil er nach Erkundigung im Reichsjustizministerium und unserem Ministerium eine Klage eingereicht hat, zu der ihn ein Reichsgesetz zwingt.«
GISEVIUS: Dieser Satz ist richtig.
DR. PANNENBECKER: Und der andere Satz. Ich zitiere:
»Ich führe hier nur den Fall eines Lehrers und Kreisleiters in Esterwege an, der acht Tage in Schutzhaft saß,...«
VORSITZENDER: Dr. Pannenbecker! Wo ist der Satz, den Sie gerade verlesen haben?
[204] DR. PANNENBECKER: In dem Dokument Frick-Dokumentenbuch Nummer 34, der zweite Satz.
VORSITZENDER: Welche Seite?
DR. PANNENBECKER: Es ist in meinem Dokumentenbuch auf Seite 80.
VORSITZENDER: Sprechen Sie vom Paragraph 3 auf Seite 70?
DR. PANNENBECKER: Nein, Herr Präsident, ich sehe, daß gerade dieser Satz nicht übersetzt worden ist aus dem Dokument. Ich darf dann noch einen weiteren Satz verlesen, der aber anscheinend übersetzt ist, und zwar unter Ziffer 3 des gleichen Dokuments.
»Ich führe hier nur den Fall eines Lehrers und Kreisleiters in Esterwege an, der acht Tage in Schutzhaft saß, weil er, wie sich nachher herausgestellt hatte, seinem Landrat einen richtigen Bericht über Mißhandlungen seitens der SS übergeben hatte.«
GISEVIUS: Ja, das entspricht den Tatsachen.
DR. PANNENBECKER: Herr Zeuge, haben Sie persönlich Unterstützung durch Frick erfahren – hinsichtlich Ihres persönlichen Schutzes?
GISEVIUS: Ja. Damals war ich bei der Geheimen Staatspolizei natürlich so suspekt, daß allerhand böse Dinge gegen mich geplant wurden. Frick ordnete daher an, daß ich in meiner Wohnung von dem zuständigen Polizeirevier geschützt wurde. Es wurde auch ein direkter Telephonapparat von meiner Wohnung zum Polizeirevier gelegt, damit ich nur den Hörer abnehmen brauchte, um bei plötzlichen Besuchen wenigstens eine Seele unterrichten zu können Weiterhin wurde von der Gestapo die übliche Methode angewandt, gegen mich mit kriminellen Vorwürfen vorzugehen. Diese Akten wurden scheinbar Hitler in die Reichskanzlei gebracht, Frick intervenierte. Es stellte sich sehr schnell heraus, daß es sich um einen Namensvetter handelte, und Frick machte am offenen Telephon darüber kein Hehl, daß diese Kerle, wie er sich ausdrückte, einmal wieder Hitler belogen hätten. Das war für die Gestapo, die dieses Telephongespräch abhörte, ein gewisses Signal, nicht mehr mit solchen Mitteln zu arbeiten.
Dann kamen wir durch Heydrich einen Schritt weiter. Er hatte die Güte, mir durchs Telephon mitzuteilen, ich hätte wohl vergessen, daß er seine persönlichen und politischen Gegner bis ins Grab verfolgen könne. Ich machte von dieser Bedrohung Trick dienstlich Mitteilung, und Frick hat entweder persönlich oder auf dem Wege über Daluege bei Heydrich interveniert, und zweifellos ist er mir dadurch sehr behilflich gewesen, denn Heydrich schätzte es nie, auf seine mörderischen Absichten offen angesprochen zu werden.
[205] DR. PANNENBECKER: Herr Zeuge, konnte denn wenigstens ein Reichsminister hinsichtlich seiner persönlichen Sicherheit beruhigt sein, wenn er versuchte, gegen den Terror der Gestapo und Himmlers anzugehen?
GISEVIUS: Wenn Sie mich hinterher fragen, muß ich feststellen, daß lediglich Schacht ins Konzentrationslager gekommen ist. Ich muß aber wahrheitsgemäß bekunden, daß wir uns alle die Frage vorgelegt haben, wie schnell auch ein Reichsminister ins Konzentrationslager wandern könnte. Was Frick betrifft, so hat er bereits im Jahre 1934 mich vertraulich angegangen, ihm sei von dem Reichsstatthalter in Bayern die zuverlässige Nachricht zugekommen, er solle gelegentlich eines Landaufenthaltes in Bayern ermordet werden, und er bat mich, ob ich nicht Näheres eruieren könnte. Ich bin damals mit meinem Freunde Nebe im Auto persönlich nach Bayern gefahren und habe geheime Ermittlungen angestellt, die immerhin so viel ergaben, daß solche Pläne erörtert wurden. Aber, wie gesagt, Frick hat es überlebt.
DR. PANNENBECKER: Ich habe keine weiteren Fragen.
DR. DIX: Ich bitte, folgende Frage zu entscheiden. Ich habe Gisevius ja auch gerufen. Er ist ein von mir gerufener Zeuge. Es ist also keine Nachfrage, die ich jetzt stelle, sondern ich vernehme ihn, weil er mein Zeuge ist. Ich bin deshalb der Auffassung, daß es richtig und zweckmäßig ist, wenn ich mich jetzt an das Verhör von Kollege Pannenbecker anschließe und die Herren Kollegen, die dann Nachfragen stellen wollen, dann nach uns beiden kommen. Ich bitte das Gericht, diese Frage zu entscheiden.
VORSITZENDER: Sie sind der einzige Verteidiger, der den Zeugen für seinen Klienten gerufen hat?
DR. DIX: Ich habe ihn gerufen.
VORSITZENDER: Ja, ich weiß, aber sind Sie der einzige Verteidiger, der ihn gerufen hat?
DR. DIX: Ich glaube, ich bin der einzige, der ihn weiter gerufen hat.
VORSITZENDER: Gut, Dr. Dix, dann können Sie ihn als nächster vernehmen.
DR. DIX: Herr Dr. Gisevius! Herr Rechtsanwalt Pan nenbecker hat es ja schon erwähnt, Sie haben ein Buch veröffentlicht mit dem Titel »Bis zum bitteren Ende«. Von diesem Buch habe ich dem Gericht Zitate als Beweisdokumente vorgelegt, und sie sind deshalb auch als urkundliche Beweismittel vom Gericht angenommen worden. Aus diesem Grunde frage ich Sie: Ist der Inhalt dieses Buches historisch getreu, und haben Sie ihn nur nach Ihrer Erinnerung oder auf Grund jeweiliger Aufzeichnung geschrieben?
[206] GISEVIUS: Ich kann hier aussagen, daß nach meinem besten Wissen und Gewissen der Inhalt historisch getreu ist. Ich habe mir in Deutschland, soweit es irgend möglich war, fortlaufend Aufzeichnungen gemacht. Ich habe bereits ausgesagt, daß mein toter Freund Oster im Kriegsministerium eine umfangreiche Dokumentensammlung angelegt hatte, auf die ich jederzeit zurückgreifen konnte. Ich habe keine wichtige Angelegenheit, in der ich Freunde aus meiner Oppositionsgruppe zitiere, niedergeschrieben, ohne nicht mehrfach mit ihnen darüber gesprochen zu haben, und seit 1938 bin ich fortlaufend, zunächst besuchsweise, später beruflich, in der Schweiz gewesen und konnte dort in Ruhe meine Aufzeichnungen fortsetzen. Dieser Band, der hier dem Gericht übergeben ist, ist im wesentlichen bereits 1941 abgeschlossen und bereits 1942 verschiedenen auswärtigen Freunden zur Einsicht übergeben worden.
VORSITZENDER: Es genügt, wenn er sagt, daß das Buch wahr ist.
DR. DIX: Seit wann kennen Sie den Angeklagten Schacht?
GISEVIUS: Ich kenne den Angeklagten Schacht seit Ende 1934.
DR. DIX: Aus welchem Anlaß und unter welchen Umständen lernten Sie ihn kennen?
GISEVIUS: Es war zu der Zeit, wo ich im Reichsinnenministerium saß und Material gegen die Gestapo sammelte und von verschiedenen Seiten konsultiert wurde, wenn Zwischenfälle mit der Gestapo befürchtet wurden oder stattgefunden hatten. So sandte eines Tages auch der damalige Reichswirtschaftsminister Schacht einen Vertrauten, seinen Generalbevollmächtigten Herbert Göring zu mir mit der Anfrage, ob ich Schacht behilflich sein könne. Er, Schacht, fühle sich seit langem von Himmler und der Gestapo verfolgt und habe neuerdings den begründeten Verdacht, daß Spitzel oder wenigstens ein Mikrophon in seinem eigenen Hause seien. Ich wurde gefragt, ob ich in diesem Falle behilflich sein könnte. Ich bejahte, suchte mir einen Mikrophonsachverständigen der Reichspostverwaltung und suchte am nächsten Morgen die Ministerwohnung Schachts auf. Wir gingen mit dem Mikrophonsachverständigen von Raum zu Raum und brauchten gar nicht lange suchen. Es war damals sehr schlecht gemacht worden von der Gestapo; sie hatten das Mikrophon allzu sichtbar angebracht, und überdies hatten sie eine Hausangestellte engagiert, die Schacht bespitzeln sollte und sich eine Abhörvorrichtung auf der Hausapparatur in ihr eigenes Schlafzimmer hatte legen lassen. Das war verhältnismäßig leicht festzustellen, und so konnten wir diese Sache entlarven. Bei dieser Gelegenheit sprach ich das erstemal mit Schacht.
DR. DIX: In welchem Sinne haben Sie damals mit ihm gesprochen? Haben Sie sich damals schon politisch mit ihm unterhalten?
[207] GISEVIUS: Es ergab sich aus der Materie und der etwas merkwürdigen Situation, mit der ich mit ihm bekannt wurde. Schacht wußte, daß ich sehr stark gegen die Gestapo mich betätigte, ich meinerseits wußte von Schacht, daß er bekannt war durch zahllose Äußerungen gegen die SS und Gestapo; viele bürgerliche Kreise in Deutschland hofften auf ihn als den einzigen starken Minister, der gegebenenfalls sie schützen könnte; besonders die Wirtschaftskreise, die damals sehr wichtig waren, hofften und fanden auch oft seine Unterstützung, so daß nichts näher lag, als daß ich gleich bei diesem ersten Gespräch von mir aus ihm alles sagte, was mich bewegte. Das Kernproblem war damals die Beseitigung der Gestapo und die Beseitigung des Nazi-Regimes. Insofern war unser Gespräch ein hochpolitisches, und Schacht hörte alles an mit dem Freimut, mit dem man ihm alles sagen konnte, was ich ihm vortrug.
DR. DIX: Na, und was sagte er?
GISEVIUS: Ich sagte Schacht, die Dinge trieben doch unfehlbar einer Radikalisierung zu, ich sei zweifelhaft, ob nicht am Ende des jetzigen Kurses eine Inflation stehen würde und ob es dann nicht besser sei, er selbst führe diese Inflation herbei, weil dann er den Zeitpunkt einer solchen Krise genau vorher wisse und sich rechtzeitig mit den Generalen und den bürgerlichen Ministern auf die krisenhafte Zuspitzung einrichten könne. Ich sagte ihm: »Führen Sie doch die Inflation herbei, dann behalten Sie das Gesetz des Handelns, statt daß es die anderen Ihnen aus der Hand nehmen.« Er antwortete: »Sehen Sie, das ist der Unterschied, der uns trennt: Sie wollen die Katastrophe und ich will sie nicht.«
DR. DIX: Daraus würde folgen, daß Schacht damals noch glaubte, die Katastrophe vermeiden zu können. Wie begründete er diese Ansicht?
GISEVIUS: Ich glaube, zunächst war ihm überhaupt das Wort von der Katastrophe schon eine zu weitgehende Vorstellung. Schacht dachte in den Bahnen überkommener Regierungsverhältnisse, die er ja zeitweise, und zwar schon seit der Zeit Brünings, durch Notverordnungen und gewisse Diktaturmaßnahmen unterbrochen sah. Aber soweit ich bemerken konnte und auch aus allen späteren Gesprächen bemerkt habe, lebte er noch völlig in dem Gedanken einer Reichsregierung, die zusammentrat, Beschlüsse faßte, und wo damals die Mehrheit der Minister bürgerlich war, und zu einem Zeitpunkt, den er früher oder später ansetzen möchte, einen radikalen Kurswechsel beschließen konnte.
DR. DIX: Wie war denn damals seine Einstellung zu Hitler?
GISEVIUS: Es war für mich kein Zweifel, daß er damals noch über Hitler in sehr guter Weise dachte. Ich möchte beinahe sagen, Hitler war damals noch für ihn ein ganz unantastbarer Mann.
[208] VORSITZENDER: Über welchen Zeitpunkt sprechen Sie jetzt?
GISEVIUS: Ich spreche jetzt über den Zeitpunkt meiner ersten Begegnungen Ende 1934 und anfangs
1935.
DR. DIX: Was waren Sie denn damals beruflich? Wo waren Sie, wo arbeiteten Sie?
GISEVIUS: Ich hatte inzwischen aus dem Reichsinnenministerium ausscheiden können, war aber versetzt worden an das in Gründung befindliche Reichskriminalamt. Als wir sahen, daß die Gestapo ihren Machtapparat ausbreitete, glaubten wir eine Art Polizeiapparat neben der Gestapo errichten zu können, nämlich die reine Kriminalpolizei, und mein Freund Nebe war von uns auf den Chefposten dieses Reichskriminalamtes gesetzt worden, um von dort aus eine Polizeiapparatur aufzubauen, mit der wir eventuell der Gestapo Widerstand leisten konnten wenn es ernst wurde. Ich wurde nun mit einem Organisationsauftrag des Innenministeriums an diese neu zu bildende Behörde gesandt, um Vorschläge für die Errichtung dieser Behörde zu machen.
DR. DIX: Wir kommen nun langsam in das Jahr 1936, in das Jahr der Olympiade. Hatten Sie da einen besonderen Auftrag?
GISEVIUS: Ja, anfangs 1936 glaubte man, mir die Leitung des Polizeibefehlsstabes für die Olympiade in Berlin am Polizeipräsidium übertragen zu können. Es war eine völlig unpolitische und technische Angelegenheit, und der damalige Polizeipräsident, Graf Helldorf, glaubte, wegen meiner Beziehungen zum Innenministerium und Justizministerium würde das nützlich sein. Aber dieser Posten wurde mir sehr schnell genommen. Heydrich bemerkte es und intervenierte.
DR. DIX: Da ist in Ihrem Buch ein Brief von Heydrich abgedruckt, den ich in keiner Weise ganz verlesen möchte, den er gerichtet hat an den Grafen Helldorf, wo er ihn darauf aufmerksam macht, daß Sie während Ihrer Tätigkeit im Reichs- und Preußischen Ministerium des Innern stets der Geheimen Staatspolizei alle erdenklichen Schwierigkeiten bereitet hätten – schreibt er –, und daß das Verhältnis mit Ihnen sehr unerfreulich gewesen war, und er fährt fort:
»Ich fürchte, daß seine Mitwirkung in der polizeilichen Vorbereitung der Olympiade auch in diesem Rahmen die Zusammenarbeit mit der Geheimen Staatspolizei nicht gerade fördern wird und bitte zu erwägen, ob Gisevius nicht durch einen anderen geeigneten Beamten ersetzt werden kann. Heil Hitler! Ihr Heydrich.«
Ist das dieser Brief, der Sie da in Ihrer Stellung...
GISEVIUS: Jawohl, das war der Grund, weswegen ich auch aus diesem Geschäft entlassen wurde. Ich hatte dann auch nur noch [209] wenige Wochen zu warten, dann wurde Himmler Chef der Polizei im Reich und an dem Tag, wo Himmler Reichspolizeichef wurde, wurde ich völlig aus jedem Polizeidienst entfernt.
DR. DIX: Wo kamen Sie dann hin?
GISEVIUS: Nach meiner Entlassung aus dem Polizeidienst kam ich an die Regierung in Münster, wo ich der Preisüberwachung zugeteilt wurde.
DR. DIX: Konnten Sie denn in Münster bei diesem Referat Preisüberwachung Ihre politische Arbeit fortsetzen und entsprechende Verbindungen anknüpfen?
GISEVIUS: Ja, ich hatte einen ziemlichen Spielraum für Dienstreisen, ich machte eingehende Studien, nicht nur wegen der Preise, sondern wegen der politischen Lage im Rheinland und in Westfalen, und war fast wöchentlich in Berlin, um auch dort mit meinem Freundeskreis Fühlung zu halten.
DR. DIX: Haben Sie da mit Schacht Fühlung gehalten?
GISEVIUS: Von dieser Zeit an war ich beinahe wöchentlich mit ihm zusammen.
DR. DIX: Haben Sie nicht auch noch mit anderen an prominenter Stelle stehenden Männern von Münster aus im Sinne Ihrer Arbeit Verbindungen angeknüpft?
GISEVIUS: Ja, mit ein Grund, weswegen ich nach Münster gegangen war, war, daß der dortige Oberpräsident. Freiherr von Lüning, noch ein Mann der alten Schule war, sauber, korrekt, Berufsbeamter, politisch ein Mann für Recht und Ordnung. Auch er ist nach dem 20. Juli am Galgen geendet. Ich habe weiterhin Fühlung genommen mit dem Regierungspräsidenten des größten Bezirks in Düsseldorf, Staatssekretär Schmidt, und vor allem habe ich sofort nach meiner Ankunft in Münster alles versucht, um mit dem dortigen Kommandierenden General, dem späteren Feldmarschall von Kluge, Verbindung aufnehmen zu können. Dies gelang. Ich habe auch dort sofort versucht, wieder meine alten politischen Gespräche fortzusetzen.
DR. DIX: Wir kommen auf den General Kluge später noch einmal zurück, ich muß nur jetzt fragen: Um diese Zeit, also Ihrer Tätigkeit in Münster, konnten Sie da bei Schacht schon eine Änderung der Einstellung zum Regime und insbesondere zu Hitler feststellen, wie Sie vorhin als im Jahre 1934 noch bestehend dem Tribunal geschildert haben?
GISEVIUS: Ja, es war ein stetiger Prozeß, mit dem sich Schacht von den Nazis fort entfernte. Wenn ich die Phasen aufzeigen soll, so würde ich sagen, im Anfang, also 1935, war er der Meinung, nur die Gestapo sei das große Übel, Hitler sei der Mann, der [210] Staatsmann sei oder wenigstens Staatsmann werden könne, und Göring sei der konservative starke Mann, dessen man sich bedienen müsse und bedienen könne, um gegen den Terror von Gestapo und Staat geordnete Zustände herzustellen.
Ich habe damals Schacht leidenschaftlich bezüglich des Angeklagten Göring widersprochen. Ich habe ihn gewarnt. Ich habe ihm gesagt, daß nach meiner Meinung Göring der Schlimmste sei, gerade weil er sich ein solches bürgerliches und konservatives Mäntelchen umhänge. Ich habe ihn beschworen, seine Wirtschaftspolitik nicht mit Göring zu machen, da dieses ein böses Ende nehmen müsse. Schacht, dem man sehr viel nachsagen kann, nur nicht, daß er eine gute Menschenkenntnis hat, bestritt dieses sehr, und erst, als er im Laufe des Jahres 1936 zunehmend sah, daß Göring ihn nicht gegen die Partei unterstützte, sondern daß Göring die radikalen Elemente gegen ihn unterstützte, erst in diesem Moment trat zunehmend eine Wandlung bei Schacht ein, wonach er nunmehr nicht nur Himmler, sondern auch Göring als eine große Gefahr ansah, nur blieb Hitler weiterhin für ihn der Mann, mit dem man Politik machen könne, sofern es der Mehrheit des Kabinetts gelänge, ihn auf die Seite von Recht und Ordnung hinüberzubringen.
DR. DIX: Sprechen Sie jetzt ungefähr von jener Zeit, wo Schacht die Devisenbewirtschaftung an Göring abgab?
GISEVIUS: Ja, das war der Moment, wo ich ihn warnte, und wenn ich sage, er wurde wegen Göring stutzig und sah, daß Göring ihn nicht gegen die radikalen Elemente unterstützte, dann ist das dieser Zeitpunkt.
DR. DIX: Das wäre nun ein Negativ, dem man nachgegeben hätte und die Devisenbewirtschaftung an Göring abgegeben hätte. Aber wenn nun langsam die neue Erkenntnis ihm kam, hat er denn um diese Zeit nicht schon irgendwelche positiven Gedanken im Sinn der Herbeiführung eines Umschwungs betätigt?
GISEVIUS: Ja, er lebte ganz in dem Gedankengang, in dem sehr viele Menschen damals in Deutschland lebten, ich möchte beinahe sagen, die Mehrheit in Deutschland; alles hinge davon ab, die bürgerlichen Kreise zu stärken im Kabinett, und vor allem und als Vorbedingung dafür das Kriegsministerium, an der Spitze Blomberg, auf die Seite der bürgerlichen Minister zu bringen. Schacht hatte also, wenn man so will, die durchaus konstruktive Idee, man müsse es auf einen Kampf um Blomberg abstellen, und in diesem Punkte fand ich mich ja gerade mit ihm, weil das derselbe Kampf war, den ich mit meinem Freund Oster zu meinem bescheidenen Teile und auf meinem viel bescheideneren Wege auch versuchte.
DR. DIX: Hatte er nun etwas zur Erreichung dieses Kampfzieles bereits damals getan?
[211] GISEVIUS: Ja.
DR. DIX: Ich gebe Ihnen das Stichwort des Schrittes des Vizepräsidenten der Reichsbank, Dreise.
GISEVIUS: Ja, er hat damals zunächst versucht, engen Kontakt mit dem zuständigen Sachbearbeiter im Kriegsministerium, dem späteren Leiter des Wehrwirtschaftsstabes, General Thomas, zu suchen. Thomas war ein Mann, der von Anfang an dem Nationalsozialismus skeptisch oder sogar ablehnend gegenüberstand. Wie durch ein Wunder ist er nachher lebend aus dem Konzentrationslager herausgekommen, und Schacht begann damals einen Kampf um Blomberg auf dem Wege über Thomas. Ich habe an diesem Kampf an meinem Teile teilgenommen, weil Schacht mich auf dem Wege über Oster als Mittelsmann benutzte, teilweise hörte ich über diese Verbindungen von Herbert Göring, teilweise sind mir diese Dinge aus vielen Gesprächen mit Thomas auch vertraut, und ich kann hier bezeugen, daß es damals schon außerordentlich schwer war, eine Verbindung zwischen Schacht und Blomberg herzustellen, denn ich war so naiv, wiederholt Schacht zu sagen, er möge doch einfach Blomberg antelephonieren und um eine Besprechung bitten. Schacht erwiderte mir, Blomberg werde bestimmt ausweichen und es sei nur die Möglichkeit, wenn er zuvor diese Besprechung über Oster und Thomas vorbereite. Dieses geschah. Ich weiß, mit welchen Erwartungen wir den mehrfachen Besprechungen Schachts mit Blomberg entgegensahen. Ich bin natürlich nicht selber als Zeuge zugegengewesen, aber wir haben damals sehr genau über diese Besprechungen gesprochen. Ich habe mir Notizen gemacht, und ich war sehr erfreut, daß sich diese meine Erinnerungen genau decken mit den Erinnerungen Thomas', von dem ich handschriftliche Aufzeichnungen besitze. Thomas wurde wiederholt von Blomberg zurechtgewiesen, ihn doch nicht mit solchen Bedenken Schachts zu belästigen. Schacht wäre ein Querulant und er, Thomas, solle sich...
VORSITZENDER: Ist es nötig, in alle diese Einzelheiten zu gehen, Dr. Dix?
DR. DIX: Ja, ich glaube, Euer Lordschaft, es wird notwendig sein. Diese Entwicklung von einem überzeugten Anhänger Adolf Hitlers zu einem ausgesprochenen Opponenten und Revolutionär, ja Verschwörer, ist natürlich ein so komplizierter psychologischer Prozeß, daß ich glaube, dem Tribunal die Einzelheiten dieser Entwicklung nicht ersparen zu können. Ich werde in unwesentlichen Dingen bestimmt Ökonomie üben, aber ich wäre dankbar, wenn dem Zeugen – es ist mein einziger Zeuge – zu diesem Punkt doch eine gewisse Freiheit auch hinsichtlich des Details gegeben werden könnte. Aber ich würde Sie bitten...
VORSITZENDER: Der Gerichtshof glaubt, daß Sie die Hauptsache wiedergeben können, ohne derart auf Einzelheiten einzugehen. [212] Sie müssen auf jeden Fall versuchen, so wenig unnötige Einzelheiten wie möglich wiederzugeben.
DR. DIX: Das will ich gern tun.
[Zum Zeugen gewandt:]
Also, Herr Dr. Gisevius, Sie haben ja den Wunsch des Gerichts gehört, Sie werden ja schon selbst in der Lage sein, nur das wirklich Wesentliche hervorzubringen.
Also war noch zu Affäre Aktion über Thomas an Blomberg etwas Wesentliches zu bekunden, oder können wir dieses Kapitel abschließen?
GISEVIUS: Nein, ich will die anderen Wege, die versucht wurden, in Kürze schildern. Ich kann aber nicht sagen, wie weit das Gericht das hören will, ich will aber sagen, daß es Schacht versuchte, an den Oberkommandierenden des Heeres, Freiherrn von Fritsch, heranzukommen; da aber dieser schwer zu kriegen war, schickte er seinen Reichsbankvizepräsidenten Dreise vor, um mit ihm Kontakt zu bekommen, und ebenso machten wir einen großen Versuch, über den General von Kluge an Fritsch und an Blomberg heranzukommen.
DR. DIX: Und ganz kurz gesagt, was war das Ziel dieser Aktion? Was sollten die Generale, die genannten Generale?
GISEVIUS: Das Ziel der Aktion war, Blomberg klarzumachen, daß der Kurs ins Radikale ging, daß wirtschaftlich die Dinge abglitten und daß mit allen Mitteln dem Gestapoterror ein Ende gemacht würde.
DR. DIX: Also damals nur wirtschaftliche Erwägungen und Terrorerwägungen, Kriegsgefahr noch nicht?
GISEVIUS: Nein, nur die Furcht vor dem Radikalismus.
DR. DIX: Nun kommen wir zum Jahre 1937. Sie wissen, daß dies das Jahr der Entlassung Schachts als Reichswirtschaftsminister ist. Hat sich Schacht mit Ihnen darüber unterhalten, warum er denn Reichsbankpräsident geblieben ist damals?
GISEVIUS: Ja! Ich habe eingehend den Kampf um seine Entlassung als Wirtschaftsminister miterlebt, und zwar auf der einen Seite seinen Versuch, aus dem Ministerium entlassen zu werden. Wenn ich nicht irre, ging das nicht so glatt; und Schacht teilte eines Tages Lammers mit, wenn er nicht bis zu einem gewissen Zeitpunkt die amtliche Mitteilung seiner Entlassung erhalten habe, würde er sich seinerseits als entlassen betrachten und dieses der Presse mitteilen. Bei dieser Gelegenheit wurde Schacht von vielen Leuten bestürmt, nicht zurückzutreten. Wie in allen diesen Jahren gab es jedesmal, wenn ein Mann in einem wichtigen Amte zurücktreten [213] wollte, die Frage, ob nicht der Nachfolger einen noch viel radikaleren Kurs steuern würde. Schacht wurde beschworen, nicht zu gehen, weil dann der Radikalismus auch in der Wirtschaft überhandnehmen müsse. Ich nenne hier nur den Namen Ley als Führer der Arbeitsfront. Schacht erwiderte, daß er die Verantwortung nicht tragen könne, aber er hoffe, als Reichsbankpräsident, wie er sich ausdrückte, einen Fuß drinnen zu behalten. Damit war gemeint, ihm schwebte vor, im großen ganzen einen Überblick über die wirtschaftlichen Dinge zu behalten und von der Reichsbank aus gewisse wirtschaftspolitische Maßnahmen konterferieren zu können. Ich kann bezeugen, daß Schacht von sehr vielen Männern, die später der Opposition zugehörten, beschworen wurde, diese Haltung einzunehmen und wenigstens diesen einen Fuß drinnen zu behalten.
DR. DIX: Spielte bei diesem seinem Entschluß damals nicht auch seine Einstellung und seine Beurteilung einiger der Generale, insbesondere des Generalobersten Fritsch, eine Rolle?
GISEVIUS: Sehr richtig. Eines der größten Verhängnisse war, daß sich so viele Menschen in Deutschland einbildeten, Fritsch wäre ein starker Mann. Ich habe immer wieder erlebt, daß mir von hohen Offizieren, aber auch von hohen Ministerialbeamten gesagt wurde, wir könnten ganz beruhigt sein, Fritsch liege auf der Lauer, Fritsch warte nur auf den richtigen Zeitpunkt, Fritsch werde eines schönen Tages durch einen Putsch dem Terror ein Ende machen. Mir ist dieses beispielsweise von dem General von Kluge immer wieder authentisch als einem nahen Freunde von Fritsch gesagt worden. Und so lebten wir alle in der, wie ich nunmehr sagen muß, völlig falschen Vorstellung, es würde eines Tages der große Wehrmachtsputsch gegen die SS kommen. Aber statt dessen kam genau das Gegenteil, es kam nämlich der Putsch, der blutlose Putsch der SS, nämlich die berühmte Fritsch-Krise, an deren Ende nicht nur Fritsch seines Amtes enthoben, sondern die gesamte Wehrmachtsführung politisch geköpft war und nunmehr alle unsere Hoffnungen...
DR. DIX: Entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Wir kommen nachher ja auf die sogenannte Fritsch-Krise zurück. Ich möchte jetzt... Die ist ja im Jahre 1938?
GISEVIUS: Ja.
DR. DIX: Um die Bemühungen und Aktionen Schachts im Jahre 1937 zu erschöpfen, möchte ich Sie fragen – es ist in Ihrem Buch behandelt –, spielt da nicht auch eine mißglückte Fühlungnahme mit dem General von Kluge, eine Reise Schachts nach Münster eine Rolle?
GISEVIUS: Ja, ich hatte geglaubt, mich da nur kurz fassen zu sollen, obwohl es ein großer Versuch Schachts war, an Fritsch [214] heranzukommen. Es war nicht möglich, ein Gespräch in Berlin zu arrangieren. Es wurde unter geheimnisvollen Umständen in Münster arrangiert, weil der General von Kluge damals zu ängstlich war, Herrn Schacht öffentlich zu sehen. Es war ein deprimierendes Hin und Her; an dessem Ende stand, daß die beiden Herren sich nicht fanden, weil es nicht möglich war, einen Reichsminister und einen Kommandierenden General zusammenzubringen. Es war eine sehr deprimierende Sache.
DR. DIX: Wo waren Sie denn um diese Zeit, was taten Sie denn? Wo waren Sie? Waren Sie noch in Münster oder trat eine Änderung ein?
GISEVIUS: Um diese Zeit war ich noch in Münster, aber Mitte 1937 wünschte Schacht, daß ich nach Berlin zurückkehrte. Je größere Enttäuschungen er erlebte, desto geneigter war er, meine Warnungen vor einer zunehmenden Radikalisierung und einem SS-Putsch für Ernst zu nehmen. Gegen Herbst 1937 waren die Dinge in Deutschland so gediehen, daß jedermann in der Oppositionsgruppe fühlte, daß böse Dinge sich vorbereiten. Wir dachten damals, es würde ein blutiger zweiter 30. Juni werden, wir wollten uns davor schützen, und Schacht war es, der über Oster mit Canaris Fühlung aufnahm und den Wunsch aussprach, ich möchte nach Berlin in irgendeiner Weise zurückgeholt werden. Es fand sich keine amtliche Stelle, die damals mir noch einen Posten gegeben hätte. Es blieb mir nichts anderes übrig, als einen Urlaub aus dem Staatsdienst anzutreten, angeblich zu wirtschaftlichen Studien. Schacht vermittelte im Einverständnis mit Canaris und Oster, daß ich einen solchen Posten in einem Werk bekam, in einem Bremer Werk, aber ich durfte mich dort nicht sehen lassen, und so kam ich nach Berlin, um nunmehr restlos unserem Freundeskreis für die nun kommenden Dinge zur Verfügung zu stehen.
DR. DIX: Euer Lordschaft! Wir kommen jetzt zum Januar 1938 und zur Fritsch-Krise. Ich glaube, es ist nicht nützlich, diese Darstellung des Zeugen dann zu unterbrechen. Ich würde also vorschlagen, daß Euer Lordschaft jetzt vertagt, oder aber, wir müßten dann mindestens noch eine halbe Stunde verhandeln.
VORSITZENDER: Ja, wir wollen jetzt vertagen.
[Das Gericht vertagt sich bis
25. April 1946, 10.00 Uhr.]
Buchempfehlung
»Ein ganz vergebliches Mühen würd' es sein, wenn du, o lieber Leser, es unternehmen solltest, zu den Bildern, die einer längst vergangenen Zeit entnommen, die Originale in der neuesten nächsten Umgebung ausspähen zu wollen. Alle Harmlosigkeit, auf die vorzüglich gerechnet, würde über diesem Mühen zugrunde gehen müssen.« E. T. A. Hoffmann im Oktober 1818
88 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro