[1727] NERÊVS, ëi, Gr. Νηρεὺς, έως, (⇒ Tab. IV.)
1 §. Namen. Diesen leiten einige von νηρὸς od. ναρὸς, feucht, her; Voss. [1727] Theol. gent. l. II. c. 77. andere aber von νεῖσθαι, schwimmen, Phurnut. de N.D. c. 23. und die dritten bald von dem Phönicischen naharo, Fluß, bald von nahar, er hat geglänzet, welches letztere sie von des Nereus Kunst zu wahrsagen annehmen. Cleric. ad Hesiod. Theog. v. 233. Lateinisch wird er von einigen Terentus Consus genannt: Scaliger Interpret. Hymn. Orph. XXII. jedoch vieleicht aus eigener angemaßeten Auctorität.
2 §. Aeltern. Solche sind nach einigen Pontus und die Erde, Hesiod. Theog. v. 233. & Apollod. l. I. c. 2. §. 6. nach andern Neptun und Canache; Id. ib. c. 7. §. 4. und nach den dritten Ocean und Tethys. Nat. Com. l. VIII. c. 6.
3 §. Wesen und Thun. Er war einer der vornehmsten Meergötter, Orph. Hymn. XXII. v. 3. & Tzetz ad Lycophr. v. 163. und dabey insonderheit ein berühmter Wahrsager. Er sagete dem Paris alles Unglück vorher, welches die Entführung der Helena seinem Vaterlande zuziehen würde. Horat. l. I. Od. 15. v. 5. & ad eum Desprez. l. c. Seinen Aufenthalt hatte er in dem ägeischen Meere. Apollon. Argon. IV. v. 77. Daselbst ergötzeten ihn die Nereiden, welche ihn umgaben, durch ihre Gesänge und Tänze. Orph. Hymn. XXIII. Man meynet daher, der Greis, welcher bey den Gytheern verehret wurde, und von dem sie sageten, er wohne im Meere, sey kein anderer, als er. Pausan. Lacon. c. 21. p. 204. Er wußte sich in allerhand Gestalten zu verwandeln. Seine Kunst aber half ihm nicht viel, als ihn Herkules dereinst im Schlafe ertappete und fest gebunden hielt, damit er ihm entdecken sollte, wo die goldenen Aepfel der Hesperiden zu finden wären. Apollod. l. II. c. 5. §. 11. Er wird dabey gelobet, daß er wahrhaft, sanftmüthig und gerecht gewesen. Hesiod. Theog. v. 233. Zugleich soll er auch die Macht gehabt haben, den Winden Einhalt zu thun, und das Meer ruhig und still zu machen. Horat. l. c. v. 3. & Orph. l. c. v. 5.
4 §. Gemahlinn und Kinder. Erstere war Doris, des Oceans Tochter, [1728] Apollod. l. I. c. 2. §. 6. welche einige auch für dessen Schwester angeben. Nat. Com. l. VIII. c. 6. p. 835. Er zeugete mit ihr funzig Töchter, oder die so genannten Nereiden. Hesiod. Theog. v. 240. & Hygin. Præf. p. 6. Sieh deren Artikel.
5 §. Bildung. Er wird als ein alter Mann vorgestellet, Phurnut. de N.D. c. 23. um welchen seine Töchter, die Nereiden, herum spielen. Orph. Hymn. XXIII. v. 2. Man hat seine zärtliche Liebe gegen seine Gemahlinn auf einem sehr schön geschnittenen Steine auszudrücken gesuchet. Er umfasset sie mit dem rechten Arme und trägt auf der linken Schulter ein Ruder. Beyde haben eins von ihren Kindern in ihrem Schooße, welches sich an sie schmiegt. Doris hilft noch mit der Hand einem andern, welches aus dem Meere an sie herauf klettert. Amor und ein Delphin schwimmen vor ihnen her. Mus. Florent. T. II. tav. 46.
6 §. Verehrung. Ihm wurde insonderheit zum Opfer gebracht Thymiama, oder ein besonderes Räuchwerk und Myrrhen. Orpheus Hymn. XXII.
7 §. Historie und Deutung. Er wird für einen Fürsten angegeben, der sich auf dem Meere bekannt gemacht, und die Kunst der Schifffahrt sehr verbessert hat, weshalber er auch von vielen um Rath gefraget, und daher für einen Wahrsager gehalten worden. Andere hingegen geben ihn für den Erfinder der Hydromantie, oder Kunst aus dem Wasser zu wahrsagen, an. Banier Entret. 10. ou P. I. p. 300. Dess. Erl. der Götterl. III B. 543 S. Die dritten verstehen bloß das Meer durch ihn, Phurnut. de N.D. c. 23. die vierten aber die Kunst und Erfahrung in der Schifffahrt. Nat. Com. l. VIII. c. 6. p. 837. Die fünften machen ihn zu einem Bilde der Seefahrenden, welche eben so fromm, wahrhaftig und gerecht, wie er, seyn sollen, weil sie den Tod immer vor den Augen sehen. Io. Diacon. ap. Cler. ad Hesiod. Theog. v. 233. Sie werden aber damit billig verlacht, weil sich in der That findet, daß nicht leicht ein schlimmer Volk sey, als das Seevolk. Cleric. ipse l. c.