Penelope

[1932] PENELŎPE, es, Gr. Πηνελόπη, ης, ( Tab. XXII.)

1 §. Namen. Sie hieß erst Arnäa, von ἀρνέομαι, ich verweigere; weil ihr Vater sie nicht aufziehen wollte. Als sie aber hernach einige Vögel unterhielten, welche Penelopes hießen, so bekam sie von diesen ihren bekanntern Namen. Herodot. ap. Nat. Com. l. VIII. c. 25. Tzetz. ad Lycophr. v. 792. Andere geben zwar zu, daß sie solchen von diesen Vögeln erhalten: sie wollen aber, es hätte sie Nauplius, den Tod seines Sohnes zu rächen, in das Meer gestürzet, da sie denn durch dieselben wäre gerettet worden. Ihr erster Namen sey [1932] Arnace oder Arnacie gewesen. Eustath. ad Hom. Od. Α. 328. Sonst soll ihr Namen so viel als eine Weberinn von der feinsten Arbeit bedeuten; und entweder von πένεσθαι περὶ λόπον, mit einem zarten Gewande beschäfftiget seyn, oder von πηνίον ἑλεῖν, den Einschlagsfaden werfen, herkommen. Dam. Lex. etymol. p. 2991.

2 §. Aeltern und Auferziehung. Ihr Vater war Ikarius, oder, wie er auch genannt wird, Ikarion, des Oebalus Sohn, und Bruder des Tyndareus, Königs zu Lacedämon, ihre Mutter aber Periböa, eine Nais. Apollod. l. III. c. 10. §. 6. Jedoch muthmaßet man auch, daß er wohl könne Ikadius geheißen haben und ein Cephalonier gewesen seyn. Aristot. de Poetica c. 25. Einige geben ihm des Lygäns Tochter, Polykaste, aus Akarnanien, zur Gemahlinn und ihr zur Mutter. Strabo l. X. p. 461. Andere machen des Orsilochus Tochter, Dorodoche, oder des Eurypylus Tochter, Asterodia, dazu. Didym. ad Hom. Od. Ο. 17. Da Ikarius, als seine Gemahlinn schwanger gieng, gern wissen wollte, was dieselbe bringen würde, so fragte er dießfalls das Orakel, welches ihm denn die Antwort gab: Ἆισχος ἔχει Περίβοια, κλέος τ' ἐν γαστρὶ γυναικῶν. Schande hat Periböa, Ruhm der Weiber unterm Herzen. Dieß verstund Ikarius so, als ob er alle Schande von dem Kinde erleben sollte. Er wollte es daher durchaus nicht erziehen, da es zur Welt kam, sondern ließ es in ein Becken thun, und also in das Meer setzen. Hieselbst stund es eine ganze Weile still, weil das Meer ganz still war. Endlich fanden sich auf des Kindes Weinen einige Meleagriden oder Vögel herbey, in welche Meleagers Schwestern sollen seyn verwandelt worden, welche es nicht allein mit Speise unterhielten, sondern auch sacht wieder an das Ufer antrieben. Als solches dem Ikarius gemeldet wurde, so gieng er selbst dahin, die Sache in Augenschein zu nehmen. Er fand es besagter Maßen, und ließ sich bewegen, das Kind wieder anzunehmen. Weil nun diese Vögel auch Penelopen, (πηνέλοπες) genannt [1933] wurden, so gab er ihm von denselben den Namen Penelope. Nat. Com. l. VIII. c. 25. p. 924.

3 §. Verheurathrng. Weil Ulysses, dessen Absicht anfänglich auf die Helena gieng, deren viele Freyer sah, und Tyndareus nicht wußte, wem er sie geben sollte, ohne die andern böse zu machen: so ertheilete ihm Ulysses einen hinlänglichen Rath, bedung sich aber dagegen aus, daß er ihm zu seines Bruders Tochter, Penelope, behülflich seyn sollte, wenn sein Anschlag glücklich abliefe. Dieß geschah und Tyndareus half ihm nachher wirklich zu derselben. Apollod. l. III. c. 9. §. 9. Jedoch will man auch, es habe ihr Vater ihre Freyer um sie in die Wette laufen lassen, wobey denn Ulysses den Preis und zugleich sie erhalten. Pausan. Lacon. c. 12. p. 181. Er habe sie aber bekommen, wie er wolle, so setzete es doch hernachmals einen harten Kampf, als er mit derselben zurück nach Ithaka gehen, und Ikarius ihn und seine Tochter lieber bey sich behalten wollte. Da endlich des Nöthigens allzu viel wurde, so stellete es Ulysses der Penelope frey, ob sie mit ihm gehen, oder bey ihrem Vater bleiben wollte. Sie verhüllete aber auf des Vaters Anfrage dießfalls den Kopf, und antwortete nichts. Weil nun solches so viel hieß, daß sie mit dem Ulysses fort wollte, allein vor Schamhaftigkeit es sich nicht zu sagen getrauete, so ließ er sie endlich mit selbigem dahin ziehen. Id. ib. c. 20. Sie lebete darauf mit ihm in aller Vergnüglichkeit und zeugete mit selbigem den Telemach. Homer. Odyss. A. v. 207. Es daurete aber nicht lange, so mußte Ulysses mit vor Troja. Da er nun zehen Jahre in solchem Kriege, zehen andere Jahre aber auf seiner Rückreise zubrachte, und solcher Gestalt ganzer zwanzig Jahre außen blieb: so fand sich indessen eine ganze Schaar Freyer um sie von allen Orten in Ithaka ein. Es belief sich dieselbe, wenn man sie zusammen zählet, auf hundert und acht, als zwey und funfzig aus der Insel Dulichium, vier und zwanzig aus der Insel Samos oder Cephalenia, zwanzig aus Zacynth und zwölfe aus [1934] Ithaka. Hom. Od. Π. 245. Vieleicht aber sind hier auch deren Diener mit darunter begriffen, wiewohl man doch einiger ihre noch besonders angiebt. Ib. v. 248. Einige setzen also ihre Anzahl nur auf dreyzig. Dict. Cret. l. VI. c. 6. Gleichwohl erhöhen andere dagegen solche bis auf dreyhundert. Eustath. ad Hom. Od. Α. 144. Diese lebeten nun in ihrem Schlosse herrlich und in Freuden und ließen sich auf deren Unkosten wohl seyn. Hom. l. c. & 245. Ξ. 81 sqq. & alibi. Sie stelleten allerhand Lustbarkeiten an und spieleten auch wohl um sie. Weil ihrer hundert und acht waren, so nahmen sie eben so viele Steine und theileten solche in zwo gleiche Parteyen gegen einander, so daß auf jede Seite vier und funfzig kamen. Mitten zwischen denselben ließen sie einen leeren Raum, auf welchen sie einen andern Stein setzeten, den sie Penelope nannten, und der ihnen zum Ziele dienete, wornach sie mit den andern Steinen warfen oder schoben. Darauf loseten sie, wer anfangen und wie sie auf einander folgen sollten. Der erste, welcher mit seinem Steine Penelopen traf und sie aus ihrer Stelle rückete, setzete solchen dafür hin. Alsdann zielete, warf oder schob ein anderer nach Penelopen, und suchete sie dadurch wieder an ihren Ort zu bringen. Konnte er nun solches thun, ohne einen von allen andern Steinen zu berühren, so gewann er das Spiel und schöpfete daraus große Hoffnung, dereinst auch Penelopen zu erlangen. Eurymachus war darinnen am glücklichsten, und versprach sie sich auch vor allen andern. Apion Alex. ap. Athen. l. I. c. 14. p. 16. Denn selbst ihr Vater und ihre Brüder trieben sie an, denselben zu heurathen. Hom. Od. Ο. 16. Weil sie aber keine sichere Nachricht von Ulysses Tode hatte, so ließ sie sich durch nichts bewegen. Sie brauchete allerhand Vorwand, die Wahl eines neuen Gemahles unter den Freyern zu verschieben, worauf diese mit aller Heftigkeit drangen. Endlich versprach sie, ihnen zu willfahren, wenn man sie nur ein Gewebe vollenden ließe, welches sie angefangen und für den Laertes bestimmet [1935] hätte. Man bewilligte ihr solches. Allein, was sie den Tag über gewebet hatte, das trennete sie des Nachts wieder auf. Hiermit hielt sie unvermerkt drey Jahre lang die Freyer hin. Im vierten Jahre aber wurde solches von einer ihrer Mägde verrathen, und sie mußte wider ihren Willen das Gewebe vollenden. Ib. Τ. 136. sqq. Da sie nun weiter keine Ausflucht hatte, so kam Ulysses gleich zurück, und unterredete sich mit ihr, ohne daß sie ihn kannte. Sie eröffnete ihm ihren Einfall, den Freyern ihres Gemahls Bogen vorzulegen und sich zu erklären, denjenigen zu erwählen, der solchen spannen und einen Pfeil damit durch zwölf hinter einander stehende Oefen treiben könnte. Ib. 576. Ulysses bestärkete sie in diesem Vorsatze; und dieß gab ihm Gelegenheit, sie von ihren überlästigen Verehrern zu befreyen. Ib. x. per tot. Er fand aber noch genug zu thun, die Penelope zu bereden, daß er derjenige sey, für den er sich bey seiner Zurückkunft ausgab. Id. ib. Ψ. ab init. Er soll nachher noch mit ihr einen Sohn, Ptoliporthes, gezeuget haben. Pausan. Arcad c. 12. p. 475. Ob sie nun also wohl insgemein für ein Muster einer vollkommenen keuschen und treuen Frau angegeben wird: Martial. l. I. Epigr. 63. so machen sie doch andere dagegen zu mehr als einer Buhlschwester. Lycophr. v. 771. Cf. Bayle Diction. art. Penelope, not. E & F. Sie soll die Freyer selbst zu sich gelocket haben; Pausan. l. c. ja, man gab so gar vor, sie hätte mit allen ihre Leichtfertigkeit getrieben, bis sie endlich den Pan, welcher daher auch dem Namen nach so viel, als Alle heißt, von ihnen bekommen. Duris Samius ap. Tzetz. ad Lycophr. l. c. & Schol. Theocr. Idyll. VII. 109. Jedoch wollen andere vielmehr, es habe Mercur solchen mit ihr gezeuget, da sie noch als Jungfer die Schafe auf dem Berge Taygetus gehütet, und er sie unter der angenommenen Gestalt eines schönen Ziegenbockes berücket. Schol. Theocr. l. c. Weil nun dem Ulysses ihre Lebensart in seiner Abwesenheit nicht angestanden, so habe er sie bey seiner Wiederkunft verstoßen [1936] und aus Ithaka vertrieben. Pausan. l. c. Alles dieß aber widersprechen weit mehrere. Dagegen will man, als Ulysses endlich von dem Telegonus, seinem und der Circe Sohne, unerkannter Weise getödtet worden, sie auf der Minerva Anrathen erst noch diesen Telegonus geheurathet, und mit ihm den Italus gezeuget haben, von welchem Italien den Namen bekommen. Hygin. Fab. 127.

4 §. Tod. Die ihr nicht gar zu wohl wollen, geben vor, als sie von dem Ulysses vertrieben worden, so sey sie erst nach Sparta, und von dar nach Mantinea in Arkadien gekommen, woselbst sie auch gestorben und begraben worden. Pausan. Arcad. c. 12. p. 475. Wie aber solches mit dem, was in vorhergehendem Paragraphe gesagt worden, hinweg fällt: also steht von ihrem Tode anderweits nichts zu melden. Boccac. l. V. c. 42. Es sind auch die Tragödien des Aeschylus und Euripides von ihr verloren gegangen. Fabric. Biblioth. Gr. l. II. c. 16. §. 7. & c. 18. §. 3.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 1932-1937.
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