[294] Sprachreinigung, das Bestreben, die Sprache von fremdartigen Bestandtheilen sowie von fehlerhaften Bildungen zu reinigen, indem dieselben durch einheimische und sprachrichtige Formen ersetzt werden. Im Mittelalter war die deutsche Sprache, trotzdem daß die lat. die Gelehrten- u. theilweise die Schriftsprache war, von bewundernswürdiger Reinheit, welche sie seit dem 15. Jahrh. durch die Humanisten und deren Schulen sowie durch die Juristen und die späteren Theologen, namentlich die prot., allmälig verlor. Als den Deutschen durch den 30jährigen Krieg das nationale Bewußtsein vollends abhanden kam, gewann der Einfluß des Französischen die Oberhand u. verdarb die deutsche Schriftsprache [294] bis zur Unkenntlichkeit. An Männern, die sich diesem Treiben entgegenstellten, fehlte es nicht, aber das Unwesen konnte nicht aufhören, ehe durch deutsche schriftstellerische Werke die deutsche Sprache wieder zu Ehren kam und mit dem nationalen Bewußtsein neu auflebte. Unfruchtbar und lächerlich waren die Bestrebungen der sog. Puristen (Zesen, Campe, Wolke etc.), welche die eingebürgerten Fremdwörter ausmärzen u. durch willkürliche Bildungen ersetzen wollten, wie es theilweise noch versucht wird. Die Lebendigkeit des gegenwärtigen Völkerverkehrs in materieller und geistiger Hinsicht führt uns immer neue Fremdwörter zu, die aber unsere Sprache nicht gefährden, so lange ein deutsches Volksbewußtsein lebt und schafft; das Fremdwort erhält durch den Sprachgebrauch eine eigenthümliche deutsche Bedeutung (man vergl. z.B. die Bedeutung von Genie im Französ. u. im Deutschen) und muß sich der deutschen Flexion fügen, od. es wird in den engen Kreis des technischen Sprachgebrauchs (z.B. deployiren) eingegränzt. Eigener Ausdrücke bedarf natürlich die Wissenschaft (wissenschaftliche Sprache, Terminologie), da dieselbe nie Gemeingut des Volkes werden kann, und es ist nur zu wünschen, daß der wissenschaftliche Sprachgebrauch Fremdwörter aufnehme oder beibehalte, statt dieselben durch fehlerhaft gebildete deutsche Wortformen zu ersetzen (wie z.B. Lippenblütler für Labiaten, Kopffüßler für Kephalopoden).