Mythus

[379] Mythus (gr. mythos), eigtl. Erzählung, heißt die religiös gefärbte Darstellung von Vorgängen aus Natur- und Weltleben unter dem Bilde menschlichen Tuns und Leidens. Die Wesen, welche durch Vermenschlichung der Natur- und Weltformen entstanden sind, heißen Götter. Der Mythus ist die Philosophie der kindlichen Menschheit. Unfähig, die von ihr beobachteten Naturvorgänge objektiv zu denken, personifiziert und idealisiert er dieselben, freilich immer in den Schranken der Menschlichkeit. Aus den physischen Mythen entwickeln sich die ethischen Mythen. Die personifizierten Naturkräfte werden als dem Menschen freundlich oder feindlich gedacht; ihr Charakterbild wird weiter ausgemalt, Erlebnisse, Leiden und Taten ihnen beigelegt. Zuletzt, bei näherer Berührung der Stämme, werden die Stammgottheiten in ein genealogisches System gebracht. Vgl. Creuzer, Symbolik und Mythol. der alten Völker. 2. Aufl. 1829. J. Lippert, der Relig. d. europ. Kulturvölker. 1881. Schultz, Bibl. Theologie. 1870.[379]

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 379-380.
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