primär

[455] primär oder wesentlich heißen nach Locke (1632 bis 1704) diejenigen Eigenschaften, welche dem Ding unabhängig von seiner Beziehung zum Subjekt zukommen, wie Größe, Gestalt, Bewegung, während sekundär diejenigen Eigenschaften heißen, die ihm nur in Beziehung auf ein wahrnehmendes Subjekt angehören,[455] wie Farbe, Licht, Ton, Geruch. Vorbereitet ist diese Unterscheidung in der Neuzeit von Leonardo da Vinci (1452-1519), Galilei (1564-1641), Descartes (1596-1650), Hobbes (1588 bis 1679). Sie formuliert im wesentlichen den Gesichtspunkt aller physikalischen Wissenschaften, welche die qualitativen Verhältnisse auf quantitative reduzieren, und ist in ihrem Kerne daher schon im Atomismus des Altertums gegeben. Bei Kant (1724-1804) ist sie dadurch aufgehoben, daß Raum und Zeit für subjektiv erklärt werden; doch unterscheidet Kant extensive und intensive Größen, hält an den methodischen Gesichtspunkten der Physik fest und sieht in den mathematischen Eigenschaften der Erscheinungen diejenigen, die ihre wissenschaftliche Behandlung möglich machen. Vgl. Wesen, constitutiv.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 455-456.
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