[577] sittlich bedeutet 1. alles, was in der Beurteilung dem Sittengesetz unterliegt, mag es für gut oder für böse befunden werden; so sagt man, der sittliche Charakter eines Menschen sei gut oder schlecht; 2. das, was dem Sittengesetz gemäß ist, also nach dem Urteil unseres Gewissens dem Moralgesetz entspricht.[577] Das Sittliche in dieser Bedeutung ist das in die praktische Willensfreiheit aufgenommene Gute. Um sittlich zu heißen, muß eine Tat also mit Selbstbewußtsein und Selbstbestimmung des Menschen getan werden und der Vernunft und dem Gewissen entsprechen. Andere belebte Wesen und alle Dinge nennen wir gut, wenn sie ihrem Zwecke gemäß Bind, den Menschen nur, wenn er aus eigener Entschließung vernunftgemäß handelt. Das Sittlichgute ist also das Gesetzmäßige in der Freiheit. Nichtsittlich dagegen ist alles, was gegen unsere Überzeugung (aus Zwang, Furcht, Selbstsucht) getan ist, noch nicht sittlich das aus Naturnotwendigkeit Geschehende. Gut kann nur sein, was vernünftig, mit Rücksicht auf die Norm, mit guter Absicht und freiem Willen getan wird. Bei der sittlichen Tat sind Zweck, Motiv, Wille und Ausführung gut. Vgl. Gut, Moralprinzip, Eudämonismus.
Das Sittliche scheidet sich vom Angenehmen, Nützlichen und Schönen. Oft ist das Gute weder angenehm, noch bringt es uns Nutzen, noch ist es schön. Auch zum Intellektuellen steht das Sittlichgute oft im Gegensatz, zu dem es Sokrates, Aristoteles, Spinoza, Fichte und Hegel in. zu enge Vorbindung gesetzt haben. Man darf das Sittliche auch nicht mit Büchner, Vogt u.a. in die praktische Verbesserung des Lebens setzen. Ebenso ist die Vermischung von Recht und Moral, Moral und Religion unhaltbar. Beide, Recht und Religion, haben zwar viel Gemeinsames mit der Moral, sie beeinflussen die Moral und empfangen von ihr mancherlei Befruchtung; aber ein religiöser Mensch ist noch nicht ein moralischer, und ein legales Tun ist noch kein sittliches. Das klassische Buch über das Sittlichgute ist Kants Kritik der praktischen Vernunft. Riga 1788.